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  • Zwischen Wahlkreis, Wohlstand und Wolf: Politische Schlaglichter des Sommerlochs

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik Liebe Leserin, lieber Leser, in dieser Woche blicken wir noch einmal durchs politische Sommerloch aufs Land. Der Kanzler zeigt, wie sehr die Außenpolitik zurzeit und mit weiterer Innenwirkung alles überstrahlt. Derweil pflegen viele Parlamentarier die Übung, sich dort sehen zu lassen, wo sie gewählt wurden. Besonders aufgeschlossen bei ländlichen Anliegen zeigen sich aktuell der SPD-Vorsitzende und auch sein Fraktionschef in ihren Wahlkreisen in der niedersächsischen Heimat. Matthias Miersch befasst sich mit dem, was Landwirte aktuell hier vor Ort bewegt. Das sind Themen wie Bürokratie oder auch angemessener Pflanzenschutz zur Sicherung von guten Erträgen. Weiter gehen wir wieder und ausführlicher auf den politischen Umgang mit dem Wolf ein. Ein gerade in Brandenburg drängendes Thema, das der dort zuständige Staatssekretär besonders entschlossen angeht. Gibt es Fehlzündungen, so haben wir es früher schon beim alten Zweitakt-Moped gelernt, muss man mal eine Zündkerze rausdrehen und mit der Drahtbürste reinigen, um das Knallen und Stottern zu beenden. Dieses Bild ist im Gespräch über unsere aktuelle innenpolitische Lage mit einem vertrauten journalistischen Freund entstanden, als es um die aktuelle Innenpolitik und die Stimmung im Lande ging. Der den Schraubenschlüssel zur Hand nehmen kann, steht nicht in Reichweite und damit nicht zur Verfügung. Es wäre der Kanzler, der dafür sorgen muss, den Motor endlich rund laufen zu lassen. Notwendigerweise ist er gerade mehr anderswo beschäftigt und steckt seine Energie in seine Führungsrolle, die er für Europa übernommen hat. Das ist auch gut so für uns. Die Außenpolitik mit all ihren Verwerfungen strahlt ständig bei uns ins Innere. Allein wenn es darum geht, wer das zu bezahlen hat, was Putin mit seinem Angriffskrieg anrichtet. Damit sind wir beim Finanzminister, der in diesen Tagen abseits im eigenen ländlichen Wahlkreis Präsenz zeigt, selbst wenn es ums Sommerinterview im ZDF geht. Das wird üblicherweise in Berlin aufgezeichnet. „Herzlich willkommen in meiner Heimat!“ , begrüßte Lars Klingbeil Moderatorin und Zuschauer aus Scheeßel. Neuerdings zeigt die SPD damit auch verstärkt ländliche Nähe. Und so tut es fast gleichzeitig neben dem Parteivorsitzenden auch Matthias Miersch, ebenfalls in niedersächsisch-ländlicher Umgebung. Er spricht unter anderem über die Kraft des Dialogs. Auf die kommt es ja in einer Koalition wie dieser mit der Union nun einmal an. Für Miersch sei es beispielhaft, wie in Niedersachsen über Konflikte zwischen Landwirtschaft und Naturschutz geredet werde – mit viel Dialog und dem Ringen um Lösungen. So zitiert ihn ein in die nördliche Provinz gereister Reporter der Süddeutschen Zeitung, wo Miersch wie viele Abgeordnete aller Fraktionen den Sommer nutzt, um mit der Basis zu reden. So ist in der SZ weiter zu lesen: „ Matthias Miersch steht an einem heißen Augusttag auf einem Acker in Schwüblingsen und berichtet im Kreise heimischer Landwirte von einem seiner bekanntesten Fälle als Anwalt. Die Rettung der Kartoffelsorte Linda. Ein Saatgutkonzern wollte sie vom Markt verbannen, niedersächsische Bauern klagten mit Mierschs Hilfe erfolgreich gegen Lindas Ende.“ Weitere Themen, die wir auch aus unserem Blog kennen: Vorgaben des Düngerechts und des Wasserschutzes, die Nitratkonzentration . Von hier wolle Miersch einiges für die Arbeit im Bundestag mitnehmen. Und das mit der sicher auch auf dem Lande nicht neuen Erkenntnis „Wir brauchen bitte nicht noch mehr Vorgaben und Bürokratie“ . Jedenfalls zeigt er Einsicht und Nähe nicht nur zu Land und Leuten. Carsten Linnemann, als Generalsekretär der CDU wie Miersch bei der SPD als Fraktionsvorsitzender nicht direkt, aber entscheidend in die Koalition eingebunden, spricht in einem Mitglieder-Brief von der „Einfach-mal-machen-Mentalität“ , die wir in ganz Deutschland bräuchten. Wie recht er doch hat – aber umsetzbar? Er greift mit diesem Zitat die Initiative des hessischen Finanzministers Alexander Lorz auf. Der hat veranlasst, dass nach Ablauf der Abgabefrist zur Steuererklärung das Finanzamt Kassel die Steuererklärung für die Bürger übernimmt. Das ist zwar bei uns ein Pilotprojekt, aber in Österreich, Estland und Schweden bereits gängige Praxis. Dort kommt ein automatisierter Bescheid zum Steuerzahler . Man kann natürlich auch Einspruch einlegen. Mit diesem Beispiel in Hessen blickt Lorz wohl auf die Merz-Idee von der Steuererklärung auf dem Bierdeckel zurück. „Kein Papierkram mehr. Aus. Vorbei“, kommentiert Linnemann. Mal sehen, ob es auch bei uns so schön und fair wird, wie sich das erst einmal anhört. Jedenfalls haben Union und SPD dafür gesorgt, dass nach ihrem Koalitionsvertrag „weitreichende Steuervereinfachungen zu erwarten sind“ . Wie der Wohlstand im West-Ost-Gefälle verteilt ist Der Wohlstand lebt nicht nur in Hamburg, München oder Frankfurt , sondern in Kleinstädten und Gemeinden. So veröffentlichte die Bild-Zeitung auf der Grundlage einer Studie von Capital eine Liste von 100 kleineren Gemeinden und Städten in Deutschland, in denen danach der meiste Wohlstand zu Hause sei. Sie geht von Achern in Baden-Württemberg bis Zülpich in Nordrhein-Westfalen. Das belegt, wie vital der ländliche Raum in seinen Kommunen sein kann, wenn die Infrastruktur stimmt. Beim Durchsehen ist mir allerdings aufgefallen, dass von den 100 aufgeführten kleineren Kommunen 97 in westdeutschen Bundesländern liegen und nur drei in den östlichen. Dieses West-Ost-Gefälle ist schon auffällig . Und weil es in den inzwischen nicht mehr „neuen“ Bundesländern so wenige sind, sollte man sie auch hier aufführen: Oranienburg, Schönefeld und Wustermark. Sie liegen ausschließlich in Brandenburg; womit es unter den statistisch erfassten Gemeinden aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nicht eine in diese Wohlstandsliste geschafft hat. Es gab für die Studie übrigens 16 Kriterien wie Kaufkraft, Steuereinnahmen, Zahl der gut ausgebildeten Menschen, Jobs pro Einwohner sowie Preise und Entwicklung am Immobilienmarkt. Aktuell ein heftiger Streit in Brandenburg über den Umgang mit Wölfen Bleiben wir in Brandenburg. Dort regiert eine Koalition aus SPD und BSW, die in der Jagdpolitik klare Ziele im Koalitionsvertrag vereinbart hat : „Das Jagdwesen in Brandenburg stützt sich auf das ehrenamtliche Engagement der Jägerinnen und Jäger. Dabei kommt den Jagdgenossenschaften eine besondere Bedeutung zu. Wir werden das Jagdrecht novellieren und die Jagdverordnung überarbeiten. Wir werden alle Möglichkeiten nutzen, um ein Bestandsmanagement für den Wolf und den Biber einzuführen.“ Die Regierung Woidke ist seit Ende Dezember im Amt. Im Ministerium für Land- und Ernährungswirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz treibt der parteilose Staatssekretär Gregor Beyer die Umsetzung nun mit sichtbarer Energie voran. Foto: doortjekl Nachdem die Debatte über den Umgang mit dem Wolf bundesweit seit der Meldung über den Erhaltungszustand an die EU stärker in Bewegung gekommen ist, steht dieses Thema insbesondere jetzt in Brandenburg auf der Agenda. Das zeigen allein schon Schlagzeilen und Berichte der letzten Tage dort und in Berliner Medien. „Nach dem Vorstoß der Brandenburger Landesregierung, noch in diesem Jahr eine Quotenjagd auf Wölfe einzuführen, wird im Land über die gezielte Tötung der Tiere gestritten“, meldet der Regionalsender rbb24. In dem Bericht wird Beyer damit zitiert, dass Brandenburg das Bundesland mit den meisten Rudeln in Deutschland sei. Nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz lebten im Monitoringjahr 2023/24 in Brandenburg 58 Wolfsfamilien, gefolgt von Niedersachsen (48) und Sachsen (37). Im Oderbruch seien die Wölfe flächendeckend vorhanden, wird eine Jägerin aus Seelow zitiert. Dort warnen an vielen Stellen in der Region orangefarbene Bilder vor Begegnungen. Eine detaillierte Darstellung mit Fragen und Antworten hat jetzt das Potsdamer Ministerium veröffentlicht . Beyer spricht für die Landesregierung inzwischen von einer Abschussquote von zunächst 15 und anschließend 25 Prozent des Bestandes. Das ergebe bis zu 330 Tiere pro Jahr. Die Angabe des brandenburgischen Wolfsbestandes schwanke in der öffentlichen Darstellung zwischen 700 und über 2.000 Tieren. Das Ministerium hält einen Wolfsbestand von mindestens 1.000, wahrscheinlich aber 1.500 bis 1.600 Tieren für realistisch. Verena Harms, die im Landesamt für Umwelt Brandenburg (LfU) zuständig ist, nennt in einer Veröffentlichung auf der anderen Seite registrierte Zahlen: 1.047 Tiere waren 2024 in Brandenburg von Wolfsübergriffen betroffen, 2023 waren es 1.465. Seit 2007 habe das Land 1,2 Millionen Euro Entschädigung an betroffene Tierhalter gezahlt. Wolfsschützer bringen sich mit ihren Argumenten auch juristisch in Stellung Gegen die in Aussicht genommenen Abschussquoten und die „Entnahme“ , wie es in der Fachsprache zur Abschussfreigabe heißt, bringen sich verschiedene und einflussreiche NGOs in Stellung. Der BUND etwa hält die zitierten Ankündigungen zur Abschussquote für „fachlich falsch und rechtlich hochriskant“ . „Eine pauschale Quote, die auf einen relevanten Anteil der Population zielt, ist wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen und eröffnet erhebliche Rechtsrisiken“ , erklärt Carsten Preuß, Landesvorsitzender des BUND Brandenburg. „Statt Schlagzeilenpolitik braucht es Management nach Datenlage: wirksamer Herdenschutz, konsequente Strafverfolgung illegaler Tötung und solides Monitoring.“  Der Nabu malt nach dem rbb-Bericht das Szenario, dass durch die Entnahme die Familienstruktur eines Rudels zerstört werde und junge Wölfe so erst recht zur Gefahr würden. Eine weitere These, die gerade ins Bild passt, wird dort von anderen Naturschützern zitiert: Danach schütze der Wolf Bäume vor Rehen und Wildschweinen, die gerne Blätter und Knospen junger Bäume fräßen. So solle der Wald wieder wachsen. Deshalb würden Länder ohne Wolf sogar über eine Ansiedlung nachdenken, sagte Karsten Arnold vom Artenschutzbüro Unteres Odertal dem rbb. Als Beispiel nannte er Schottland, wo viele Bäume abgeholzt worden seien und es bei einer extremen Schalenwildpopulation fast keine Waldbestände mehr gebe. So denke man dort darüber nach, den Wolf dort anzusiedeln, damit der Wald wieder wachsen könne. Für die „Allianz Wolf Brandenburg“ opfert das Land mit seiner Politik gegen den Wolf den Artenschutz aus jagdpolitischen Interessen. Wie die Erfahrung zeigt, wird dieses Thema nach ersten Verordnungen und Abschussgenehmigungen Gerichte beschäftigen. So, wie wir es mit dem Verein Naturschutzinitiative mit dem Goldschakal beim OVG Schleswig oder bei gerichtlich gestoppten Entnahmebeschlüssen im Bereich der Rhön erlebt haben. „ Influencer“ und „Follower“ unter den Graugänsen Wenden wir uns einem anderen Thema und damit der Forschung zu, die vergleichbare Verhaltensmuster von Mensch und Tier aufzeigt. Unser Autor Christoph Boll berichtet in der nächsten Woche in unserem Blog darüber, dass es auch bei Gänsen so etwas wie Social Media gibt. Er geht auf eine neue Studie unter der Leitung der Konrad Lorenz Forschungsstelle (KLF) für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien ein. Sie lässt eine alte Frage der Verhaltensbiologie in neuem Licht erscheinen: Warum erlangen bestimmte Individuen innerhalb einer Gruppe mehr Einfluss als andere? Das führt zu dieser Aussage: Am und auf dem Wasser werden mutige Graugänse „Influencer“ und erkundungsfreudige „Follower“. Schließen will ich mit einer kleinen Notiz am Rande: Die Welt hat Kenntnis genommen vom Urlaub des amerikanischen Vizepräsidenten JD Vance beim britischen Außenminister David Lammy. Beide vergnügten sich beim Karpfenangeln in Chevening House, der Residenz des Außenamtschefs. Ein Haken, nicht nur an der Schnur: Es fehlte die Angellizenz, die auch in Großbritannien dazugehört. Sie ist vorgeschrieben für jeden, der in Süßwasser angelt und bringt dem Staat jährlich 22,5 Millionen Pfund ein. Ein Fall, den die Umweltbehörde in der Regel strafrechtlich verfolgt. Nun wird in Kent darüber diskutiert, ob man den Schein in diesem diplomatischen Ausnahmefall auch ohne Strafe nachträglich ausstellen kann. Für jeden, der bei uns das Wochenende vielleicht einmal zum Angeln nutzt, dient damit der Hinweis: Den Schein nicht vergessen. Das gilt auch für die Jagd im eigenen oder Gast-Revier. Mit diesem kleinen Hinweis mit der vielleicht unterhaltsamen Meldung zum Schluss dieses Wochenkommentars – auch als E-Mail-Newsletter – wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein gutes Wochenende Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination Zum Spendenformular

  • Neuer Streit um die Fangquoten: Überfischt oder nicht?

    Die deutsche Küstenfischerei befindet sich in der größten Krise seit der deutschen Einigung. Jetzt wollen trotz aller Einschränkungen Geomar-Forscher bereits eine Überfischung in Nord- und Ostsee festgestellt haben Foto: Didi01 / pixelio.de Die verbliebenen Betriebe in der Hochseefischerei Norddeutschlands stehen vor weiteren großen Herausforderungen. Der Zustand der Meeresfischerei ist jetzt bereits besorgniserregend: Fanggebiete entfallen durch den massiven Ausbau von Offshore-Windparks, die hohen Treibstoffpreise belasten zunehmend, der Nachwuchsmangel ist akut und die Öffentlichkeit nimmt die Fischerei als Stressfaktor für die Meeresumwelt wahr. Längst können die deutschen Fischer an Nord- und Ostsee nicht einmal mehr den Eigenbedarf ihrer Landsleute decken. Importe aus Dänemark und den Niederlanden sorgen für Ausgleich. Die Zahl der Fischereibetriebe ist im vergangenen Jahr weiter zurückgegangen. Laut Landesfischereiverband gibt es aktuell in Schleswig-Holstein nur noch 153 Betriebe mit eigenem Kutter, das sind zehn weniger als im Vorjahr. In neue Boote wird kaum noch investiert. Die größten Probleme sind demnach strenge Verordnungen und Fangquoten. Und mitten in dieser Existenzkrise braut sich ein neues Sturmtief zusammen – in Richtung der Fangnetze. Das Kieler Meeresforschungsinstitut Geomar wirft jetzt in einer aktuellen Studie der Europäischen Union vor, die „Überfischung in Nord- und Ostsee zu fördern“. Danach seien die „Fangquoten teils doppelt so hoch, wie es die natürliche Bestandsentwicklung verträgt“. Der gesamte Prozess der Entscheidungsfindung zeige seit 20 Jahren „eine systematische Tendenz zu überhöhten Mengen“, kritisieren die Geomar-Analysten in der Fachzeitschrift „Science“. Zur Stimmung unter den verbliebenen Fischer fallen aus der Betroffenheit heraus Sätze wie diese: „Verfasst haben das meist grün angehauchte Bürokraten.“ Man habe bereits viele Einschränkungen hinnehmen müssen. Weitere wissenschaftliche Bewertungen und folgende politische Diskussionen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern werden zeigen, wie belastbar die Warnungen des Instituts in Kiel sind und welche Folgen sie haben. „ Von der politischen Einflussnahme entkoppeln“ Als Beispiel führt Geomar die Situation beim Dorschfang an. Im Jahr 2022 sei in der westlichen Ostsee eine Fangmenge von 489 Tonnen erlaubt worden. Höchstens 284 Tonnen seien vertretbar gewesen, ohne dass der arg dezimierte Bestand weiter schrumpfe, sagte der Autor der Studie, Rainer Froese, dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag. Froese macht dafür die EU-Kommission und den EU-Ministerrat verantwortlich. Sie allein hätten die Fangquoten „viel zu hoch“ angesetzt. Dadurch seien 70 Prozent der Fischbestände in den nördlichen EU-Gewässern „überfischt oder gar zusammengebrochen“. Froese tritt dafür ein, Fangquoten von politischer Einflussnahme zu entkoppeln. Er fordert eine neue Institution, die ähnlich unabhängig agiere wie die Europäische Zentralbank in der Währungspolitik. Der Geomar-Vorstoß stößt in der ohnehin angeschlagenen Fischerei-Branche auf großes Unverständnis. Und auch beim Rostocker Thünen-Institut, das an der Festlegung der Fangquoten beteiligt ist. Dessen Leiter verteidigt das bisherige System der Entscheidungsfindung. „Wir versuchen, möglichst belastbare wissenschaftliche Ergebnisse vorzulegen, die nicht von Vorurteilen oder Klientelpolitik getrieben sind, weil die zukünftige Nutzbarkeit unserer Meere und die Zukunft unserer Fischerei davon abhängen“, sagte Christopher Zimmermann. Und fügte hinzu: „Diese Geomar-Autoren fallen schon seit Jahren mit umweltverbandsnahen Positionen auf. Sie liegen damit manchmal richtig, aber eben auch manchmal falsch.“ Zimmermann erinnert an die weit verbreitete Geomar-Meldung vor einigen Jahren, „die eingeschleppte Rippenqualle Mnemiopsis werde das Ende der Fischbestände einläuten. Passiert ist aber nichts.“ Wie aus einer aktuellen Urlauber-Umfrage in Schleswig-Holstein hervorgeht, wünscht sich die Gesellschaft eine vitale, zukunftsfähige Küstenfischerei. Sie soll, so heißt es bei der Zukunftskommission Fischerei (ZKF), „nicht nur den Markt mit einem gesunden und vergleichsweise umweltfreundlich erzeugten Lebensmittel versorgen, sondern auch den Tourismus und die kulturelle Identität fördern“.

  • „Zitterpartie“ auf den Feldern: Im Durchschnitt und regional unterschiedlich

    Die letzten Erntemaschinen für das Getreide sind noch unterwegs, schon wird eine erste Bilanz vorgelegt. Der Deutsche Bauernverband (DBV): Danach haben die Bauern mit 43,5 Millionen Tonnen Getreide ein durchschnittliches Jahr zu erwarten Foto: Erich Keppler / pixelio.de Gehen wir einmal nicht nur von den permanent laufenden Klimadebatten aus, fällt dieses Jahr durchwachsen aus. Dem ungewöhnlich warmen und trockenen Frühjahr – besonders in Teilen Ostdeutschlands – folgten gefühlt viel zu frühe und bereits heiße Sommerwochen. Die Durchschnittstemperatur bis Juni lag nach Feststellung des Deutschen Wetterdienstes bis dahin bei 18,5 Grad und damit 3,1 über den erfassten Vergleichsmittelwerten. Dazu kamen in vielen Regionen dürrende Winde. Kurz vor der Ernte haben wir dann einen niederschlagsreichen Juli erlebt. Mit 14 itern Regen pro Quadratmeter war er der erste Monat in diesem Jahr, in dem bundesweit mehr Niederschlag fiel als im jeweiligen Monatsmittel vorher. Mancherorts war der Juli so regenreich, dass es wegen der aktuellen Nässe Sorgen gab, ob die Mähdrescher pünktlich auf die Felder kommen und die Getreidebauern es schaffen, gute Qualitäten in die Silos zu bringen. Weitgehend genau zur richtigen Zeit gab es dann sonnige, warme und trockene Phasen, die sie nun einmal brauchen. Und das sind die arbeitsreichen Tage auf den Feldern, die im Getreideanbau am Ende darüber entscheiden, ob das Jahr in jedem einzelnen Fall gut oder schlecht wird. Über den schlechten Ergebnissen der letzten Jahre Und nun diese Bilanz: Die erwartete Gesamterntemenge liegt über den schlechten Ergebnissen der letzten zwei Jahre (2024: 39 Mio. Tonnen). Gleichzeitig gibt es nach Angaben des DBV je nach Region und Standort bei den meisten Kulturen sehr große Ertragsspannen. In vielen Regionen hätten die Qualitäten zum Teil erheblich unter den wochenlangen, teils sehr intensiven Niederschlägen gelitten. Die Erntemenge der wichtigsten Kultur, des Winterweizens, falle nach den aktuellen Zahlen mit 21,7 Mio. Tonnen deutlich über der des Vorjahres aus (2024: 17,8 Mio. Tonnen). Dies liege sowohl an besseren Erträgen pro Hektar als auch an der deutlichen Ausweitung der Anbaufläche im Vergleich zum Vorjahr. Insbesondere beim Winterweizen seien jedoch die Qualitäten teilweise ungenügend. Insgesamt bezeichnet der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, die diesjährige Getreideernte jedoch erneut als Zitterpartie: „Der anhaltende Niederschlag während der eigentlichen Erntezeit hat auch in diesem Jahr die Arbeit von uns Landwirten erheblich behindert.“  Herausforderung: Einschränkungen beim Pflanzenschutz Auch die zunehmenden Einschränkungen beim Pflanzenschutz verschärfen nach seiner Einschätzung die ohnehin bestehenden Herausforderungen im Ackerbau weiter. Der starke Schädlings- und Infektionsdruck in diesem Jahr zeige deutlich, wie wichtig es sei, Pflanzen ausreichend schützen zu können, betont Rukwied. „Effektiver Pflanzenschutz ist eine zwingende Voraussetzung für sichere und gesunde Lebensmittel“, so der Bauernverbandspräsident weiter. Das gelte auch für andere Kulturen: Vor allem im Apfel- und Salatanbau treten derzeit massive Probleme mit Krankheiten und Schädlingen auf. Auch die Schilf-Glasflügelzikade breitet sich immer weiter im Bundesgebiet aus und sorgt damit für massive Herausforderungen, da die Handlungsmöglichkeiten der Landwirte nach wie vor sehr eingeschränkt sind. Quelle: DBV

  • Löns und das Sakrileg der Heidewachtel-Zucht

    Hermann Löns wird oft mit der Heidewachtel, deren korrekte Bezeichnung „Kleiner Münsterländer Vorstehhund“ ist, in Verbindung gebracht. Der Heidedichter hat zwar über diesen Jagdhund geschrieben, verdient gemacht hat sich aber der jüngere Bruder Edmund Foto: privat Mal heißt er Spion, Spiönken, Magisterhündchen oder auch Pastorshund. Die Bezeichnung bezieht sich mal auf die Arbeitsweise des Hundes, mal auf den Beruf der Jäger, die sich Anfang des vergangenen Jahrhunderts gerne ein solches Tier hielten, darunter eben viele Lehrer und Geistliche. Als Edmund Löns 1922 sein Buch „Der Heidewachtel – Kleiner Münsterländer Vorstehhund oder Spion. Seine Geschichte, Abrichtung und Führung“ veröffentlicht, ist das ein frühes umfassendes Werk über diese Rasse. Fünf Jahre später, der in Osnabrück ins Leben gerufene „Verein für Kleine Münsterländer Vorstehhunde (Heidewachtel) V.K.M.“ ist gerade anderthalb Jahrzehnte alt, begeht dessen Mitbegründer und Vorstandsmitglied Löns stillschweigend ein Sakrileg gegen die Vorschriften der Reinzucht. In seinem Zwinger wölft „Kesselflickers Flora“ zwei Welpen – „Becass-Löns“ und „Bingo-Löns“. Sie werden die Stammväter der gesamten KLM-Braunschimmelzucht. Das Geheimnis ihrer Abstammung hat Elisabeth Brand-Böhmer, Jagdelevin und Nachlassverwalterin von Edmund Löns, erst im Jahr 2007 in einem Anhang zur zweiten Auflage des Heidewachtel-Buches gelüftet. „ Mit der Größe steigt nicht die Leistung“ Löns dürfte schon aus seiner Kindheit und Jugend in Münster Nachfahren jener mit hoher Nase suchenden und stöbernden langhaarigen Vogelhunde gekannt haben, die später auch als „Wachtelhunde“ bezeichnet wurden. Doch sterben diese kleinen Vierläufer gegen Ende des 19. Jahrhunderts fast aus, weil die Jäger größere und kräftigere Hunde fordern. Eine Diskussion, die auch später bei den Kleinen Münsterländern auflodert und in der Löns sich mit dem Hinweis „Mit der Größe steigt nicht die Leistung“ entschieden für die Bewahrung des kleinen Schlages eingesetzt hat. Diese Äußerung verrät, dass der Förster und Jagdaufseher vorrangig Praktiker ist und Hunde in erster Linie nach ihrer jagdlichen Brauchbarkeit beurteilt. Das belegt auch seine Charakterisierung der Heidewachtel: „Er ist der Hund des Suchjägers, er findet schnell und sicher, sucht in mäßig schnellem Galopp in kurzer Entfernung vor dem Jäger gründlich jede Deckung ab, ohne jemals aus der Hand zu gehen. Mit dem hübschen Spiel der Fahnenrute gewährt er einen ganz reizenden Anblick. Da zieht er an, zieht nach, wird auffällig still und steht in wunderbarer Pose das Wild vor. Wer im Münsterland gejagt hat, im Lande der dornigen Wallhecken, des zerrissenen Geländes und der vielen Büsche und Heiden mit ihren Wirrnissen, der wird begreifen, dass ein todsicheres Verlorenapportieren hier die wichtigste Eigenschaft des Hundes ist, die der Spion in hervorragender Weise besitzt. Das geschossene Wild wird schnell mit festem Griff gefasst und herbeigeholt. Die Spursicherheit ist bewundernswert. Totverbeller sind sehr häufig, fast alle verweisen. Die meisten apportieren selbst schwere Hasen, denn sie haben eine stark entwickelte Nackenmuskulatur.“ Orientierung am Leistungsprinzip Bereits für diese kleinen Vorsteh- und Stöberhunde wird immer wieder die frühe Einkreuzung von Epagneul Breton vermutet. Seit Elisabeth Brand-Böhmer im vergangenen Jahr das Zuchtgeheimnis gelüftet hat, ist die Querverbindung der gesamten Kleinen Münsterländer Braunschimmelzucht zu dieser französischen Rasse nun belegt. Danach erschien Anfang der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein Lumpensammler (Kesselflicker) aus Holland an Löns` Tür. Mit einem Strick hat er eine kleine Hündin von Braunschimmelfarbe an seinen Karren gebunden, in der Löns sofort den Epagneul Breton erkennt und das Tier kaufen will. Der Lumpensammler aber will es um keinen Preis abgeben. Löns sieht den vermuteten Wert des Tieres bestätigt, als er die beiden heimlich beobachtet. „Die Hündin saß auf dem Karren, sprang plötzlich herunter, zog mit hoher Nase weit an, um dann bombenfest vorzustehen. Dann wurde ihr ‚Herr‘ mobil, zog seine Flinte unter seinem Kram hervor und schoß.“ Mit aller Macht will nun Löns den Hund haben. Dies gelingt ihm letztlich mit Hilfe eines Wilddiebes, den Löns einmal erwischt hat und der ihm noch einen Gefallen schuldet. Wie genau der des Hundes habhaft wird, ist unklar. Auf jeden Fall wird die Hündin künftig „Kesselflickers Flora“ genannt und wölft 1927 „Becass-Löns“ und „Bingo-Löns“. Dass das nicht abgesprochene Einbringen von „Kesselflickers Flora“ in die Münsterländer-Zucht unzulässig ist, weiß auch Löns. Es ist ihm aber relativ egal. Um den leistungsmäßig durchschlagenden Zuchterfolg zu erklären und nicht zu gefährden, spricht Löns von „Mutation“ und zieht sich auf falsche Abstammungsangaben zurück. Schon bald sickert durch, dass mit den Lönsschen Hunden „etwas nicht stimmt“, was ihm zeitlebens ausgesprochen oder auch unterschwellig den Vorwurf einbringt, ein Lump, Lügner und Betrüger zu sein. Als der Verband sich weigert, die Braunschimmel ins Zuchtbuch einzutragen, gründet Löns den Deutschen Heidewachtelclub. Bernd-Dieter Jesinghausen, früherer Präsident des Verbandes für Kleine Münsterländer Vorstehhunde, formuliert in seinem Grußwort zur Neuauflage des Löns-Buches diplomatisch, dass der Autor „im Wesen wohl nicht immer so umgänglich gewesen ist wie seine Heidewachtel“. Ein streitbarer Geist Foto: privat Dass Löns zumindest ein streitbarer Geselle ist, für den es noch lange nicht dasselbe ist, wenn zwei das gleiche tun, zeigt sich 1947. Nachdem es im Dritten Reich zur Vereinigung beider Verbände gekommen ist, folgt wieder Streit und die Neubelebung des Wachtelclubs, für den in der Folge Elisabeth Brand-Böhmer das Zuchtbuch führt. Auslöser sind wieder Zuchtfragen, aber auch Löns´ ganz persönliche Verärgerung. Er empört sich, dass Hunde ohne Abstammungsnachweis in einen Registerband zum Zuchtbuch eingetragen und zur Zucht zugelassen werden. Als er selbst einen Wurf anmeldet, konfrontiert Zuchtbuchführer Fleddermann ihn mit einer immens hohen Geldforderung. Der Beschwerde beim Vorstand folgen die Erkenntnis, dass der Verband gar nicht ins Vereinsregister eingetragen ist, und der Bescheid, dass der Zuchtbuchführer die Eintragungsgebühren, die ihm als Aufwandsentschädigung zustehen, nach eigenem Ermessen festsetzen kann. Löns sieht darin einen Freibrief, in die eigene Tasche zu wirtschaften, und tituliert den Zuchtbuchführer als „Fleddermensch“, was ihm eine gerichtliche Auseinandersetzung einbringt. Schließlich heißt fleddern nichts anderes als einen Wehrlosen seines Hab und Gutes zu berauben. Erst 1961, drei Jahre vor Löns Tod, kommt es zur endgültigen Vereinigung beider Verbände. Elisabeth Brand-Böhmer hingegen charakterisiert Löns gleichwohl als zwar in der Sache harten, gleichwohl menschenfreundlichen Typen, der im westfälischen Mettingen als Förster der Familie Brenninkmeyer zurückgezogen lebt, plattdeutsch spricht und mit der Landbevölkerung gut auskommt. Besonders Außenseiter unter den Kindern versteht er, an sich zu ziehen und ihnen die Natur zu erklären. Den meisten Mitbewohnern im Dorf aber bleibt er wohl stets fremd, ein Exot und Sonderling. Sein Händchen für Hunde aber ist unbestritten, schließlich heißt es schon zu Löns` Lebzeiten im Ort: „ He küert met sine Rüens at met Mensken, und se verstoaht ehm.“ (Er spricht mit seinen Hunden wie mit Menschen, und sie verstehen ihn.) Hundeverstand führt ins Königshaus Seinen Hundeverstand bewies Löns vielfältig. So soll er als Kind Foxterrier gehabt und später neben den KLM zeitweilig auch einen anderen langhaarigen Hundeschlag gehabt sowie Hirtenhunde gezüchtet haben. Wirklich erfolgreich aber war er neben der Zucht der Heidewachtel auch mit seinen roten Kurzhaar-Teckeln. Das hat laut Elisabeth Brand-Böhmer dazu geführt, dass es eines Tages zu einem Telefonat kam, in dem sich der Anrufer als Prinz Heinrich der Niederlande vorstellte. Er wolle einen Teckel aus der Löns-Zucht kaufen, aber stubenrein müsse der Hund schon sein. Als beide Seiten sich einig geworden waren, bat Löns den Anrufer, ihm doch nun zu sagen, wer er sei. Nach der erneuten Vorstellung als „Prinz Heinrich der Niederlande“, fühlte er sich zunächst auf den Arm genommen und war erst nach einiger Zeit davon zu überzeugen, dass er wirklich einen Hund ins holländische Königshaus bringen solle. Mit dem jungen Tier im Rucksack trat er wenig später die Bahnreise an. Schon das äußere Erscheinungsbild des Forstmannes habe am niederländischen Hof befremdlich gewirkt. Wirklich die Nase gerümpft aber hätten seine Gastgeber, so Elisabeth Brand-Böhmer, als der junge Hund, gerade dem Rucksack entnommen, nach der langen Reise und vor lauter Aufregung als erstes auf den echten Perserteppichen sein Geschäft verrichtet habe und damit hinter die gewünschte Stubenreinheit ein großes Fragezeichen setzte.

  • Die neue Tierschutzbeauftragte kennt den Stallgeruch

    Die Bauerntochter, Juristin und CDU-Politikerin Silvia Breher befasst sich schon länger mit dem Tierschutz. Sie kommt aus einer bedeutenden Agrarregion im Westen Niedersachsens Silvia Breher (Foto: Anne Hufnagl) Als Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) kürzlich seine Parlamentarische Staatssekretärin Silvia Breher zur neuen Tierschutzbeauftragten ernannte, hagelte es Kritik: Die Grünen, der Umweltverband BUND, der Deutsche Tierschutzbund sowie die Organisationen Peta und Vier Pfoten bezweifelten die Unabhängigkeit der CDU-Politikerin. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin, der parteilosen Tierärztin Ariane Kari , gehört Breher dem Landwirtschaftsministerium an. Sie übernimmt die Aufgabe ab September zusätzlich, da die neue Koalition die Zahl der Beauftragten reduzieren und Kosten sparen will. Doch wer ist Silvia Breher? Die 52-Jährige mit den punkig hochfrisierten blonden Haaren ist in Lindern im Kreis Cloppenburg auf einem Bauernhof aufgewachsen, als Tochter eines Maurers, der im Nebenerwerb einen landwirtschaftlichen Betrieb führte. Sie kennt also den Stallgeruch seit Kindheitstagen. Breher studierte Jura in Osnabrück und arbeitete dann 18 Jahre als selbstständige Rechtsanwältin. Dabei vertrat sie Handwerker in Bau-Streitigkeiten. Von 2011 bis 2017 setzte sie sich als Geschäftsführerin des Kreislandvolkverbandes (Bauernverband) Vechta für die Interessen der Landwirte ein. Gegen drei Männer durchgesetzt 2017 zog sie für die CDU erstmals in den Bundestag ein, als Vertreterin des Wahlkreises Cloppenburg-Vechta im Westen Niedersachsens. Diese Region, das katholisch geprägte Oldenburger Münsterland, ist eine traditionelle Hochburg der Christdemokraten. In früheren Zeiten errangen sie sogar mehr als 60, 70 Prozent der Erst- und Zweitstimmen. Wer hier für die CDU antritt, kann damit sicher sein, auch ins Parlament gewählt zu werden. Entscheidender ist es daher, überhaupt für die Direktkandidatur aufgestellt zu werden. Breher gelang es. In einer Urwahl mit fast 2000 CDU-Mitgliedern schlug sie mit ihrem erfrischenden Auftritt drei Männer mit klarem Abstand. „Da wurde mir nichts geschenkt“, sagte sie der „Zeit“. Bei der Bundestagswahl 2017 gewann die Quereinsteigerin in ihrem Wahlkreis mit 57,7 Prozent der Erststimmen – das höchste Ergebnis aller Kandidaten bundesweit. Seitdem hat sie eine steile politische Karriere hingelegt: Schon zwei Jahre später wurde Breher zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU gewählt. Sie ist auch Vorsitzende des CDU-Landesverbandes Oldenburg und gehört damit dem Landesvorstand der CDU in Niedersachsen an. Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Das Wahlergebnis bei der Bundestagswahl in diesem Jahr fiel mit 45,8 Prozent der Erststimmen zwar deutlich schlechter aus als 2017 (57,7 Prozent) und 2021 (49,0 Prozent), doch damit erzielte Breher immer noch eines der besten Ergebnisse deutschlandweit. Nach der Wahl kursierten Gerüchte, Kanzler Friedrich Merz könnte sie und nicht einen Politiker der Schwesterpartei CSU für das Ressort Landwirtschaft, Ernährung und Heimat ins Kabinett holen. Tatsächlich wurde sie dort Parlamentarische Staatssekretärin. Die Sorgen und Nöte der Landwirte sind der Politikerin bestens vertraut. In ihrer ersten Wahlperiode im Bundestag gehörte sie dem Agrarausschuss an, in ihrer zweiten Wahlperiode war sie dort stellvertretendes Mitglied. Außerdem engagierte sich die Mutter von drei Kindern in der Familienpolitik und war familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion. Wichtig sind ihr darüber hinaus die ländlichen Regionen: „Ich möchte, dass wir alle auch zukünftig gut in ländlichen Räumen leben und arbeiten können“, schreibt Silvia Breher auf ihrer Homepage . „Das ist eine Herzensangelegenheit und dafür stehe ich.“ Die größte Dichte an Veredelungsbetrieben in ganz Deutschland Mit der Tierhaltung beschäftigt sich die CDU-Abgeordnete schon länger, allein schon, weil ihr Wahlkreis, das Oldenburger Münsterland, mit Geflügel, Schweine- und Rinderzuchtbetrieben deutschlandweit die größte Dichte an Veredelungsbetrieben aufweist. Hier sitzen Unternehmen, die zu den größten Lieferanten des deutschen Lebensmitteleinzelhandels zählen. Im Agrarausschuss des Bundestages hatte sie mit Tierschutz zu tun. Zur Tierwohl-Initiative des Handels sagte sie dem „Weser-Kurier“ vor zwei Jahren: „Ich hätte nie gedacht, dass bei mir auf dem Land im Supermarkt das Regal mit den entsprechenden Haltungsstufen so breit gefüllt sein würde.“ Die Bauern bräuchten aber auch die Chance, die Anforderungen des Marktes umzusetzen. Dafür müssten erst im Baurecht die Voraussetzungen geschaffen werden. Und es ist aus ihrer Sicht nicht hilfreich, wenn es in Deutschland eine Tierhaltung auf höchstem Niveau gibt, aber schmutzige Geschäfte ins Ausland verlagert werden. Den Tierschutz sieht Breher als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Als besonders wichtig bezeichnet die designierte Beauftragte den „Dialog mit den Tierschutzverbänden, der Landwirtschaft, der Wissenschaft und der Gesellschaft“. Man kann gespannt sein, wie sie sich in den kommenden Jahren für den Tierschutz – nicht allein bei Nutztieren – einsetzt.

  • 100 Tage Regierung Merz, Streit um Jagdgesetze und neue Impulse für Naturpädagogik

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik Liebe Leserin, lieber Leser, mit unserem kommentierenden Rückblick auf diese Woche verbinden wir regelmäßig Betrachtungen zu den politischen Entwicklungen, die überall im Fokus stehen, mit dem Blick auf unsere Themen auf dem Lande und damit am Rande. Der Bundeskanzler hat aus außenpolitischen Gründen seinen Urlaub unterbrochen. Und die Innenpolitik geht weiter. Wir fragen zunächst, ob es in diesen Zeiten überhaupt noch immer so etwas wie eine 100-Tage-Schonfrist für eine neue Regierung gibt oder nicht. Daneben erinnern wir daran, dass das Thema Klima und damit zusammenhängend Wälder mit ihren Lebensräumen weiter in aller Munde ist. Es macht Sinn, diese Entwicklungen bei aller großen Politik nicht aus dem Blick zu lassen. Wir schauen also wieder in einige unserer Regionen und kommen zum Schluss auf Anliegen der Jagd und die Arbeit von natur+mensch zurück. Die 100-Tage-Frist nach einem Regierungswechsel ist traditionell und sprichwörtlich die Zeit, in denen Opposition und Medien die neuen Köpfe in neuen Ämtern mit Kritik schonen. Sie sollen sich einarbeiten können, ihre Stäbe aufbauen und Richtungsentscheidungen einleiten. Das geht zurück auf eine Praxis, die aus der amerikanischen Demokratie stammt und in Washington einmal so aussah: Die im Weißen Haus akkreditierten Journalisten wurden vom neuen Präsidenten 100 Tage nach seiner Einarbeitung zu einem festlichen Dinner eingeladen. Das war das Ende eines so befristeten „Stillhalteabkommens“. Nach ersten Erfahrungen im neuen Amt folgte üblicherweise die Ankündigung neuer grundlegender Regierungsmaßnahmen, die dann auf den Weg gebracht wurden. Das ist Geschichte und gilt wohl auch nicht mehr. Trump hat jedenfalls direkt nach seiner Amtsübernahme bekanntlich erst einmal die an seinem Amtssitz akkreditierten Korrespondenten der Medien neu sortiert und eine Flut von Dekreten unterzeichnet. Das ist Regierungshandeln aus dem Stand. Alle Welt reibt sich die Augen, was dabei herauskommt. Bei uns ist dagegen in dieser Woche überall von den ersten 100 Tagen die Rede, in denen die Regierung Merz im Amt ist. Sie hat sich selbst keine Schonfrist gegeben. Es gilt die Ankündigung, dass vor der Sommerpause die Menschen einen Aufschwung im Lande spüren sollten, der nach dem Ende der Ampel-Koalition sofort ausgelöst werde. Dementsprechend müssen sich Friedrich Merz und Lars Klingbeil fragen lassen, ob ihr Plan aufgeht, wonach ein schnell eingeleitetes Wirtschaftswachstum wieder mehr Geld in die Staatskasse spült. Der Haushalt sollte so für die nächsten Jahre abgesichert werden, um auch die angekündigten Sozialreformen zu stemmen. Darüber wird bereits viel gestritten. So hat sich jetzt eine große Zahl an Wirtschafts- und Politikwissenschaftlern zur 100-Tage-Frist zu Wort gemeldet und erst einmal weiter düstere Aussichten prognostiziert. Die FAZ schreibt: „Deutschlands Ökonomen geben der Regierung Merz schlechte Noten“ Es wird eine Umfrage zitiert, wonach 42 Prozent der befragten Volkswirte die Wirtschaftspolitik der ersten 100 Tage als eher oder sehr negativ bezeichnen. Nur 25 Prozent sehen die wirtschaftspolitische Bilanz der Regierung Merz danach eher positiv. Auf der anderen Seite lese ich Einschätzungen wie diese: Gelingt eine Neuausrichtung der Politik in drei Monaten? 100 Tage seien kein Maßstab. Seriöserweise lasse sich erst „nach einem Jahr angemessene Bilanz ziehen“ , sagt beispielsweise der Politikwissenschaftler Volker Kronenberg von der Uni Bonn gegenüber dem Focus. Also bleibt nur der Schluss, dass vielleicht auch etwas mehr Geduld gefragt ist. Mit Beginn der Rentendebatte sehen wir, welch hohe finanzielle und in dem Falle demographische Hürden vor grundlegenden Veränderungen in unseren Sozialsystemen liegen. Vielleicht haben wir auch zu viele Fehler in der Vergangenheit gemacht. Wir bleiben dabei, unser Augenmerk auf strukturelle und politische Entwicklungen des ländlichen Raumes zu legen. Wie läuft die Wirtschaft dort, wo immerhin mehr als 60 Prozent der Menschen bei uns leben und arbeiten? Auch dort gilt, dass nach dem letzten ARD-Deutschlandtrend nur noch 29 Prozent der Deutschen mit der schwarz-roten Regierung zufrieden sind . Die politische Sommerpause, die es in diesem Jahr eigentlich nicht gibt, lenkt unsere Blicke auf Themen, die für uns wichtig bleiben. Wir stehen beispielsweise vor Landtagswahlen Anfang nächsten Jahres in Ländern wie Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Es lohnt sich schon einmal, sich frühzeitig damit zu befassen. Uns geht es um den Erhalt der Lebensräume des Wildes Oft haben wir anlässlich aktueller Themen und mit Blick auf Landesstrukturen darauf hingewiesen, dass für den Wald auch unter veränderten klimatischen Bedingungen die Rolle als Lebensraum für die Vielfalt unserer wild lebenden Tierarten  erhalten werden muss. Das lehnt sich seit Generationen an die Rolle an, die die Jagd gesellschaftlich einnimmt. Sie hat sicher auch in der Entwicklung der Menschen viel mit Emotionen zu tun. Aber: Sie weckt auch Emotionen, wie wir es gelegentlich und manchmal in schriller Form von Jagdgegnern wahrnehmen. Da ist dann in der Regel wenig von Akzeptanz zu spüren, wenn es um Fakten, Praxiserfahrung und Sachkenntnis über natürliche Abläufe geht. Das wird gern ignoriert. Die Jägerschaft nimmt im Prinzip eine Rolle des Verbündeten zum Erhalt der Weiterentwicklung der Natur ein, wie es über Generationen anerkannt geschieht. In vielen aktuellen Debatten, die wir gerade in der Jagdpolitik etwa über gesetzliche Grundlagen, erweiterte Abschussverordnungen mit Argumenten zum Waldschutz oder auch den Umgang mit invasiven Arten erleben, drängt sich dieser Eindruck auf: Konfliktlinien  laufen nicht zwischen den Ansprüchen der Natur und unseren Jägern bzw. Jägerinnen, sondern oft und zunehmend zwischen Naturnähe und Naturferne . So sprechen wir zum Beispiel über ein faktenbasiertes „Wald-Wild-Bewusstsein“ . Das ist ein Begriff, den der Landesjagdverband Baden-Württemberg gerade zum Schwerpunktthema gemacht hat. Als Ausdruck einer tiefen Verbindung zwischen Menschen, Natur und Jagd trage man so Verantwortung nicht nur für das Wild, sondern auch für den Wald, die Biodiversität und das Gleichgewicht der Ökosysteme. So wird in der Verbandszeitschrift „Jagd“ Landesjägermeister Dr. Jörg Friedmann zitiert. Solche Debatten werden verstärkt vor dem Hintergrund weiterer möglicher grundlegender Veränderungen in verschiedenen Landesjagdgesetzen geführt. Auslöser sind insbesondere die jüngsten Parlamentsbeschlüsse in Rheinland-Pfalz. Dem folgen etwa ähnliche jagdpolitische Zielsetzungen der rot-grünen Mehrheit im Saarland. Aus aktuellem Anlass, aber auch mit Blick auf den bevorstehenden Landtagswahlkampf hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag von Baden-Württemberg, Manuel Hagel, das Thema aufgenommen. Er ist selbst Jäger und Kreisjägermeister in Ehingen, vor allem aber Spitzenkandidat seiner Partei für die nächste Landtagswahl am 8. März. Dann will er die Grünen als bisherige Koalitionspartner aus der Regierung drängen. Und strebt so gleichzeitig die Nachfolge von Wilfried Kretschmann als Ministerpräsident an. Damit will er auch Cem Özdemir als grünen Nachfolger Kretschmanns verhindern.  Sicher auch angesichts der Verabschiedung des Landesjagdgesetzes im benachbarten Rheinland-Pfalz mit seinen Paradigmenwechseln für die Jagd- und Forstpolitik sieht sich Hagel veranlasst, rechtzeitig klar Position zu beziehen. Sollte er die Regierung künftig führen, werde es keine Änderungen der Jagdzeiten auf Rehwild  geben. Zur Rotwildverordnung merkt er an, dass das Abschussgebot auf Hirsche aufgehoben werde. Dies soll es nicht mehr außerhalb der Rotwildgebiete geben. Weiter werde er dafür sorgen, dass das Thema Generalwildwegeplan aus dem Verkehrsministerium in das Ressort für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz übertragen werde. Dem ist jedenfalls zu entnehmen, dass die Jagdpolitik in seinem anstehenden Wahlkampf eine besondere Rolle  spielen wird. Wie neutral kann eine Tierschutzbeauftragte sein? Zurück zu Cem Özdemir und damit zu seiner Ampel-Vergangenheit als Landwirtschafts- und Ernährungsminister. Er hat während seiner Amtszeit neben den Landestierschutzbeauftragten auch für den Bund eine vergleichbare Position geschaffen. Unser Autor Wolfgang Kleideiter ist gestern mit seinem Beitrag auf die Entscheidung des Özdemir-Nachfolgers Alois Rainer (CSU) mit der Ablösung von Ariane Désirée Kari in diesem Amt eingegangen. Nachfolgerin wird Staatssekretärin Silvia Breher (CDU). Sie wird von unserem Autor Christian Urlage zeitnah als neue Tierschutzbeauftragte in unserem Blog porträtiert. Ein aufmerksamer Leser dieser Wochenkolumnen stellt die zweifelnde Frage, wie neutral die bisherige Tierschutzbeauftragte gewesen sei, auch wenn sie keiner Partei angehörte. Daneben bemerkt er, dass das auch für die Jagd zuständige Ministerium aus dem CIC, dem „Internationalen Rat zur Erhaltung des Wildes und der Jagd“, ausgeschieden sei und ob das nun wieder rückgängig gemacht werde. Förderung der Naturpädagogik und Kooperation Die Übergabe des Waldrucksacks natur+mensch erfolgte im Beisein von Schulleiter Ulrich Solbach und Silvia König (Biologie). Alle zeigten sich erfreut über die Unterstützung und betonten die Bedeutung außerschulischer Lernangebote für nachhaltige Bildung. (Foto: privat) Mehrfach haben wir darüber berichtet, wie sich Rotarier und Lions für Naturpädagogik in Schulen einsetzen. Durch Vermittlung von Prof. Martin Thieme-Hack leisteten der Rotary Club Osnabrück und das örtliche Gymnasium Carolinum einen besonderen Beitrag zur Umweltbildung in Kooperation mit unserer Stiftung. Dort wurde der Waldrucksack von natur+mensch mit Material des Programms Lernort-Natur aus der Jägerschaft übergeben. Er enthält vielfältiges Anschauungs- und Arbeitsmaterial rund um Wildtiere , Lebensräume, Fährten, Jagd und Waldpädagogik – darunter Tierpräparate, Lupen, Bestimmungshilfen, Spiele und naturpädagogische Unterrichtsideen. Das besondere Highlight ist ein hochwertiges Fernglas zur Tierbeobachtung. Das Material soll Lehrkräften helfen, Naturwissen lebendig und praxisnah zu vermitteln. Aus dieser Verbindung über die „International Rotary Fellowship of Hunters“ entstand auch die Gelegenheit, über die Aktivitäten unserer Stiftung natur+mensch in einem Vortrag zu berichten. Dazu wurde auch die Anregung weitergegeben, in Kooperation mit Förderung durch die genannten Service-Clubs das naturpädagogische Programm von natur+mensch verstärkt örtlich anzustoßen. Amy Schweinhouse und Keiler Minogue am Tegelsee Die Onlineausgabe „Checkpoint“ der Hauptstadtzeitung Tagesspiegel meldet aus dem Wildtierschaugehege der Revierförsterei Tegelsee, dass die Forstverwaltung ihre Instagram-Community um Namensvorschläge für zwei neue Wildschweine gebeten habe. Über das Internet wurden Vorschläge geliefert, merkt die Redaktion an: Die einjährige Bache hört danach nun auf den Namen „Amy Schweinhouse“ , der zweijährige Keiler heiße Keiler Minogue . Amy Schweinhouse löste sofort neuen Eifer aus, einen weiteren Namen zu kreieren, weil sie unmittelbar danach für Nachwuchs sorgte. Der Wurf schien nicht so üppig ausgefallen zu sein. Er brachte wohl nur einen Frischling auf die Läufe. Der Name für das kleine Schwein war schnell da: „ Ziros“ . So heißt es wie eine kleine Gemeinde auf Kreta, aber auch das Sturmtief, das am Tag der Frischlingsgeburt für Schlagzeilen über Schäden in Berlin gesorgt hatte. Mit dieser weniger wichtigen, dafür vielleicht unterhaltsamen Meldung aus der Berliner Sommerflaute wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein möglichst unbeschwertes Wochenende Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination

  • An den Ergebnissen messen

    Mit einer stärkeren Einbindung der neuen Tierschutzbeauftragten in sein Ministerium setzt Ressortchef Rainer einen Punkt des Koalitionsvertrags um. Das gefällt nicht allen, denn die vom Vorgänger Özdemir ernannte Vorgängerin hat auch Punkte gesammelt Ariane Kari (Foto: BMLEH) Als im Mai die Amtszeit von Ariane Désirée Kari nur noch um drei Monate verlängert wurde, war die Angelegenheit klar. Die bisher erste Beauftragte der Bundesregierung für Tierschutz, von Haus aus Fachtierärztin, würde ihre Stelle in absehbarer Zeit verlieren. Vor allem der Tierschutzbund haute von diesem Zeitpunkt an mächtig auf die Pauke, sprach von „verspieltem Vertrauen“ und einem „tierpolitischen Beben“. Als sei mit der Amtsinhaberin das Wohl und Weh des Tierschutzes in Deutschland verbunden. Tierschutz hat hierzulande und damit anders als in vielen Regionen auf dem Globus Verfassungsrang. Seit 2002 ist der Schutz der Tiere ein Staatsziel. Auch deshalb wird nach Ariane Kari weiter jemand mit entsprechendem Rang den Tierschutz auf Bundesebene im Blickfeld haben. Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) will seine Parlamentarische Staatssekretärin Silvia Breher (CDU) mit der Funktion betrauen. Die Mutmaßung der Kritiker, die Stelle werde es nach dem Ausscheiden von Kari überhaupt nicht mehr geben, war also falsch. Die Nachbesetzung findet vor der Kulisse des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und SPD statt. Dort steht der folgende Satz, den bestimmte Interessengruppen offenbar überlesen haben: „Das ausgeuferte Beauftragtenwesen des Bundes reduzieren wir um rund 50 Prozent.“ Im Mai hat das Kabinett Merz folgerichtig die Abschaffung von 25 der insgesamt 60 Stellen von Beauftragten und Koordinatoren beschlossen. Weggefallen sind so Stellen und Stäbe wie der „Bundesbeauftragte für die Modernisierung der Fortbildungslandschaft“, die ans Auswärtige Amt gekoppelte „Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik“ oder der „Radverkehrsbeauftragte“. Beim Tierschutz gibt es in elf Bundesländern die Landestierschutzbeauftragten. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf Prävention, Aufklärung und langfristigen, strategischen Lösungen. Sie sind also nicht wie staatliche Behörden für die Überwachung und Durchsetzung tierschutzrechtlicher Vorschriften verantwortlich. Cem Özdemir war dies offenbar zu wenig, deshalb legte er auf Bundesebene nach. Die parteilose Ariane Kari wurde 2023 vom grünen Bundeslandwirtschaftsminister ernannt. Damals lehnte die Union dieses neue Amt als „überflüssig und falsch“ ab. Jetzt wird es im Zuge einer Reform im Ministerium neu platziert. Mit Silvia Breher wird im Ministerium eine Parlamentarische Staatssekretärin gleichzeitig die Bundestierschutzbeauftragte. Breher ist zwar nicht Mitglied der Bundesregierung, aber zweifellos sehr nah dran und kann in puncto Tierschutz mehr auf das Kabinett einwirken als jemand von außen. Stellungnahmen und Empfehlungen hatte Ariane Kari an vielen Stellen platziert. Auch wenn sie in der Tierschutz-Szene Beifall erhielt, durchsetzen konnte sie sich mit den Forderungen auch während der Ampel-Zeit nicht. Da hilft es wenig, wenn der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, Kari exzellente Arbeit bescheinigt und Brehers Unabhängigkeit im Amt bezweifelt. Man sollte jetzt abwarten, wie Silvia Breher diesen neuen Part ihres Amtes nutzt und Tierschutzpolitik mitgestaltet. Gemessen werden sollte sie einzig und allein an den Ergebnissen, zu denen sie beiträgt. Themen gibt es reichlich – darunter das Tierwohl bei der Nutztierhaltung, das Tierschutzgesetz und Tierversuche.

  • Wolf: „Schritte in die richtige Richtung“

    Das Umweltministerium in Düsseldorf weitet die Herdenschutzmaßnahmen auf ganz NRW aus. Das Land ist nun insgesamt „Wolfsgebiet“. Beruhigung der Weidetierhalter oder Aufschub eines umfassenden Wolfsmanagements? Foto: Sora Der in der gesamten EU unter strengem Schutz stehende Wolf hat sich in den vergangenen Jahren innerhalb Deutschlands stark ausgebreitet. Darauf verweist der Westfälisch-Lippische Bauernverband (WLV). Die Weidetierhalter sind vielerorts, trotz drastisch gestiegener Schutzmaßnahmen für ihre Tiere, von Übergriffen des Wolfes betroffen. Erst in den letzten Tagen hat Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) angekündigt, den Wolf ins Bundesjagdgesetz aufnehmen zu wollen. Der Druck der Weidetierhalter wird immer stärker. Zunächst will Rainer den Erhaltungszustand „günstig“ für den Wolf für ganz Deutschland an die EU melden. Das wäre dann formal die Voraussetzung dafür, mit einer neuen gesetzlichen Regelung den Umgang mit dem bisher nach der EU-Habitatrichtlinie streng geschützten Raubtier zu ändern. Bisher gilt der „günstige Erhaltungszustand“ nur für einzelne Bundesländer, darunter NRW. Tierhalterinnen und Tierhalter von Schafen, Ziegen und Gehegewild können z.B. in NRW zum Errichten von Herdenschutzmaßnahmen nur dann Landesfördermittel beantragen, wenn sich der Hof innerhalb eines festgelegten Wolfsgebietes, einer Pufferzone oder eines Wolfsverdachtsgebiets befindet. Aktuell gibt es landesweit mehrere einzelne Fördergebiete – laut NRW-Umweltministerium soll nun jedoch ganz NRW zum Wolfsgebiet erklärt werden. Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, sieht in der Entwicklung einen weiteren Schritt in die richtige Richtung: „Das ermöglicht unseren Schafs- und Ziegenhaltern, den Schutz ihrer Tiere nun auch präventiv zu erhöhen, denn der Wolf macht nicht an den Grenzen der Förderkulissen halt. Gleichwohl ist das nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung – es braucht eine einheitliche Regulierung des Wolfes, die ein wirksames Wolfsmanagement sowie eine effektive Problemwolfentnahme einschließt. Das verstärkte Auftreten von Nutztierrissen und die in mehreren Fällen nachgewiesene Überwindung von Wolfsschutzzäunen verdeutlichen einen bestehenden Konflikt zwischen Weidetierhaltung und Wolf.“ Was noch fehlt, ist der nächste Schritt Bernd Eichert, Weidetierhalter aus dem Kreis Olpe und „WLV-Wolfsexperte“, bestätigt nach Angaben des regionalen Bauernverbandes diesen Eindruck und ergänzt: „Jeder Schutz für unsere Weidetiere, der finanziell unterstützt wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung.“ Eichert benutzt damit denselben Begriff wie Beringmeier. Die geplante Förderung betreffe jedoch nicht alle Weidetiere – beispielsweise seien Pferde gänzlich davon ausgenommen. Die in den Wolfsgebieten stark betroffenen Weidetierhalter bekommen bereits jetzt eine Förderung für entsprechende Schutzmaßnahmen – „eine zusätzliche Förderung verstehe ich als Weidetierhalter eher als Beruhigung und Aufschieben eines umfassenden Wolfsmanagements“, so Eichert. Was noch fehlt, ist der nächste Schritt. Der führt zu einem umfassenden Wolfsmanagement. Quelle u. a.: WLV

  • Mehr Sturm im Wasserglas als Riesenwelle

    Grundsätzlich können Grundeigentümer aus der Jagdgenossenschaft ausscheiden und die Jagd auf ihren Flächen untersagen. Das löste die Angst vor einer Zersplitterung der Reviere aus. Eine Bestandsaufnahme zeigt: Das war unbegründet Foto: Sora Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sorgte für Aufsehen. Darin ging es um die Frage, ob der Eigentümer eines kleinen Grundstücks mit seiner Fläche aus der Jagdgenossenschaft ausschieden kann, wenn er die Jagd aufgrund ethischer Überzeugungen ablehnt. Klar hatte der EGMR zunächst entschieden, dass die deutsche Regelung ausgewogen und sachlich gerechtfertigt ist, auch wenn ein Jagdgegner damit die Jagd auf seinem Grundstück hinnehmen musste. Dagegen legte der Kläger erfolgreich Beschwerde ein. Das letztinstanzliche Urteil entschied am 26. Juni 2012, dass in diesem Fall eine Verletzung der Rechte des Grundstückseigentümers vorlag. Der Deutsche Jagdverband (DJV) und andere kritisierten dies heftig. Aber der Gesetzgeber war letztlich gezwungen, das Bundesjagdgesetz anzupassen. Dies ist im Jahr 2013 schließlich geschehen. Dabei wurde darauf geachtet, nicht über das hinauszugehen, was der EGMR gefordert hat. Schon das war schließlich nach Ansicht der Bundesregierung, des DJV, der land- und forstwirtschaftlichen Verbände, der Grundeigentümer und Jagdgenossenschaftsverbände sowie zahlreicher Rechtswissenschaftler zu viel. Die neue Regelung (§ 6a des Bundesjagdgesetzes) ist am 6. Dezember 2013 in Kraft getreten. Passend zum Jagdjahr 2014/15 konnten damit in Deutschland erste Anträge auf Jagdbefriedung gestellt werden konnten. Manche sahen damals das deutsche Reviersystem, zumindest aber die flächendeckende Bejagung, gefährdet. Doch gut ein Jahrzehnt später ist klar: Den befürchteten Flickenteppich in Revieren und eine daraus folgende Unverpachtbarkeit gibt es nicht – und es wird ihn auch in Zukunft wohl nicht geben, wenngleich Jagdgegner jeden neuen Antrag im weltweiten Web nahezu euphorisch feiern. „Und die Welle rollt“, frohlockte etwa das Magazin „Freiheit für die Tiere“ vor zehn Jahren. Ganz ähnlich die „Initiative zur Abschaffung der Jagd“, die auf ihrer Homepage unter der Überschrift „Zwangsbejagung ade“ nur wenige und seit April 2023 überhaupt keine erfolgreichen Befriedungen mehr aufführt.    Jeder einzelne Fall ist für den betroffenen Pächter ärgerlich. Aber die an Zahlen orientierte Bilanz offenbart statt einer Riesenwelle eher einen Sturm im Wasserglas. Ganz einfach ist das nicht, denn es werden weder bundes- noch landesweite Statistiken geführt, erst recht keine, die jederzeit auf dem aktuellen Stand ist. Klar aber ist, dass es mehr ein Thema ist in den westdeutschen als in den ostdeutschen Revieren. Hohe Hürden für Befriedungen Geschätzt dürften bundesweit etwa 0,1 Promille der jagdbaren Fläche aufgrund des EGMR-Urteils aus der Bejagung genommen worden sein und weniger als 1000 entsprechende Anträge gestellt worden sein, die aber bei weitem nicht alle erfolgreich waren. Dass es so gekommen ist, hat seine Ursache auch in den hohen Hürden, die der Gesetzgeber errichtet hat. Unabdingbar sind ethische Gründe, aus denen der Grundstückseigentümer die Jagd ablehnt. Und die sind bei weitem nicht immer erkennbar, selbst wenn sie behauptet werden. Das musste sich auch ein Mann vom Verwaltungsgericht Düsseldorf sagen lassen. Er hatte wie vorgeschrieben die „Befriedung“, von denen manche auch nur vorübergehend bewilligt werden, dezentral bei der Unteren Jagdbehörde beantragt und erfolglos gegen eine ablehnende Entscheidung geklagt. Wie jemand die Jagd ethisch ablehnt, wenn er gut 1,5 Jahre zuvor noch die Zulassung zur Jägerprüfung beantragt hat, blieb dem Gericht schleierhaft. Der Kläger hatte zwar später die Vorbereitung auf die Jägerprüfung abgebrochen, dies aber vor Gericht nicht plausibel erklärt. Wie in diesem Fall kommt es immer mal wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen oder Anträge werden zurückgenommen. Gelegentlich finden die Jagdgegner auch eine andere Lösung – wie ein Tierschützer aus dem Kreis Harburg, der seine Wiese einfach an eine Naturschutzbehörde verkauft haben soll. Oft genug steckt hinter der Jagdablehnung nämlich nur ein Nachbarschaftsstreit oder der Ärger über das Verhalten des Revierinhabers. Ein klärendes Wort führt dann vielleicht zu einer einvernehmlichen Lösung und Befriedung der Gemüter. Manchmal schreckt auch einfach die Gebühr, die sich auf einen durchaus vierstelligen Eurobetrag belaufen kann und die die Behörden nach eigenem Ermessen anhand des Verwaltungsaufwandes festlegen. Besonders schlagzeilenträchtig und damit politisch heftig diskutiert waren die 68.000 Euro, die der Eigentümer von 35 Parzellen Privatwald an die Untere Jagdbehörde im saarländischen St. Wendel zahlen sollte. Daran gemessen lässt sich der mit dem Ausscheiden aus der Jagdgenossenschaft zwangsläufig verbundene Fortfall des Pachtgeldes leicht verschmerzen. Übergeordnete Kriterien entscheidend Aber selbst Zahlungsbereitschaft, die lautersten Motive und eine jahrelange vegane Ernährungsweise erfüllen nicht immer den Wunsch, Hörnerklang und Pulverdampf vom eigenen Grundstück zu verbannen. Denn die Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen, der Schutz vor übermäßigen Wildschäden und Tierseuchen sowie Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege müssen sichergestellt bleiben – bezogen auf den gesamten jeweiligen Jagdbezirk. Anzuhören sind dazu die Jagdgenossenschaft, der Jagdpächter, die angrenzenden Grundeigentümer, der Jagdbeirat sowie die Träger öffentlicher Belange. Eine Befriedung soll außerdem erst mit Ende des laufenden Jagdpachtvertrages erfolgen. Im Ausnahmefall kann die Jagdgenossenschaft vom Antragsteller den Ersatz des Schadens verlangen, der ihr durch die vorzeitige Befriedung entsteht. Manchem Jäger ist das Thema ein weiterer Beleg dafür, dass die Grünröcke am Ende immer die Dummen sind: Den emotionsgeladenen Tierschützern schießen sie zu viel, fanatischen Waldschützern zu wenig. Die Revierinhaber aber können in aller Regel gut damit umgehen, wenn vereinzelt fast immer nur wenige Hektar große Areale befriedet werden. Und für den Jagdgegner geht es nicht nur um Ethik und Geld, sondern auch um soziale Folgen. So ließ sich ein regional bekannter Comedian aus dem münsterländischen Ladbergen landesweit in den Medien feiern, als er als einer der Ersten einige Hektar befrieden ließ. Er beklagte aber auch öffentlich, niemand in der Genossenschaft habe am Ende mehr neben ihm sitzen wollen: „Viele haben mich angegiftet, mich gefragt, was ich mich denn so aufspielen würde.“ Nachahmer fand er vor Ort nicht. Das dürfte auch daran liegen, dass viele Flächenbesitzer jagende Bauern sind. Bei denen stößt jeder Akt der Entsolidarisierung auf wenig Gegenliebe.

  • Schwarzarbeit: Wer wird mehr oder weniger kontrolliert?

    Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung sorgen für Milliardenschäden. Die große Koalition will jetzt dagegen vorgehen. Und nimmt neue Branchen wie „Barbershops“ ins Visier. Ländliche Branchen sind weniger verdächtig Foto: Tim Reckmann / pixelio.de Noch ist es ein Referentenentwurf aus dem zuständigen Bundesfinanzministerium, aber die Grundzüge sind wohl klar. Die große Koalition aus Union und SPD hat jetzt ein Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem die gesamte Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) modernisiert und verschärft werden soll. Zentral ist dabei das Vorhaben, den in Bundeskompetenz liegenden Zoll mit mehr Befugnissen auszustatten. Zentral ist die Absicht, die Schwarzarbeit in einigen Branchen endlich wirksamer zu bekämpfen, um den Betrug bei Steuern und Sozialabgaben einzudämmen. Auch die illegale Beschäftigung und die Ausbeutung durch mafiöse Strukturen soll eingedämmt werden. „Wir legen eine härtere Gangart ein, um gegen diejenigen vorzugehen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit und auf dem Rücken von illegal beschäftigten Arbeitskräften bereichern“, sagte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) nach dem Beschluss des Bundeskabinetts in Berlin. Eckdaten sind unstrittig Mit dem neuen Gesetz sollen dem Zoll bzw. der Finanzkontrolle Schwarzarbeit mehr rechtliche Befugnisse eingeräumt werden. Kernstück des Gesetzes ist eine verbesserte Datenanalyse. Bis jetzt arbeiten zentrale Behörden oft nebeneinander her und Datenschutzregeln verhindern die wirksame Strafverfolgung. Laut dem neuen Entwurf, der jetzt in das parlamentarische Verfahren eingebracht wird, sollen zentrale Daten der Landesfinanzbehörden und der Deutschen Rentenversicherung mit denen der FKS abgeglichen werden. Ziel ist, Scheinfirmen oder verdächtige Subunternehmerketten etwa auf Baustellen zu erkennen. Die FKS wird an den polizeilichen Informationsverbund angeschlossen. Konkret heißt das zum Beispiel, dass die FKS zukünftig effizienter und auf Augenhöhe mit anderen Ermittlungsbereichen wie Polizei und Zollfahndung agieren kann, etwa indem Telekommunikationsüberwachung ermöglicht wird und sie außerdem als sogenannte „Kleine Staatsanwaltschaft“ noch mehr Fälle als bisher – etwa bei Sozialleistungsmissbrauch – selbstständig und damit schneller abschließen kann. Nagelstudios und Barbershops unter besonderer Aufsicht Spannend dürfte zu sehen sein, welche Bereiche als sogenannte „Schwarzarbeitschwerpunktbranchen“ eingestuft werden und welche nicht. Konkret bedeutet dies, dass diese Verdachts-Branchen besonders harten Regelungen und Auflagen unterworfen sind. Laut Gesetzentwurf trifft es das Friseur- und Kosmetikgewerbe. Besonders genannt werden Barbershops und Nagelstudios, die stärker unter Beobachtung stehen. Mitarbeiter müssen sich lückenlos ausweisen können, auch die Anmeldung der Arbeitskräfte durch die Betreiber soll bereits vom ersten Tag der Beschäftigung kontrolliert werden können. Auch die Datenflüsse dieser Branchen werden jetzt schärfer unter die Lupe genommen. Forstwirtschaft nicht mehr unter Generalverdacht Positiv sieht es für die Forstwirtschaft aus. Da es offenbar in der Vergangenheit in diesen Betrieben weniger Fälle von Schwarzarbeit oder Steuerbetrug gab, fallen diese Unternehmen aus dem Begriff der „Risikobranchen“ heraus. Ein klarer Fortschritt gerade für den ländlichen Raum und die vielen kleineren und mittleren Betriebe, die oft mit eigenen Mitteln ihren Beitrag zur Wertschöpfung und zur Pflege von Natur und Kulturlandschaft leisten. Auch das Fleischerhandwerk steht laut Gesetzentwurf ab sofort nicht unter Generalverdacht durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Jetzt wird abzuwarten sein, wie das parlamentarische Verfahren sich entwickelt. Beteiligt sind neben den Regierungsfraktionen die Bundesländer. Sofort – man hätte fast die Uhr danach stellen können – meldeten sich schon die ersten Interessenvertretungen zu Wort, die gerade die Forst- und Landwirtschaft erneut unter Generalverdacht stellten. So forderte der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Robert Feiger, sogar eine Ausweitung der gesetzlich schärferen Regelungen auf die gesamte Landwirtschaft. „Bei der Arbeit auf den Feldern und in den Ställen sind illegale Machenschaften an der Tagesordnung“, erklärte Feiger keine halbe Stunde nach Bekanntwerden des Gesetzentwurfes. Nähere Beweise oder Erkenntnisse für seine Einlassungen blieb er schuldig. Dennoch: Die Gewerkschaft dürfte den Startschuss dafür gegeben haben, dass Lobbygruppen erneut gegen die Interessen des ländlichen Raums mobil machen.

  • Koalition sollte den großen Wurf wagen

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik Liebe Leserinnen und Leser, in unserem Wochenkommentar geht es zunächst um die Sozial- und Wirtschaftspolitik der schwarz-roten Koalition vor dem Hintergrund der jüngsten Kabinettsbeschlüsse zur Rente. Die weiteren Themen mit stärker jagdlichem Bezug sind unter anderem: Ausbreitung der Nutrias, juristische Fallstricke durch das in Rheinland-Pfalz beschlossene neue Jagdgesetz sowie ein Gedankenspiel im Streit um die Einfuhr von Jagdtrophäen. Die Berliner Politiker sollten die parlamentarische Sommerpause nicht nur zur Erholung, sondern auch zum Nachdenken über die Tagesfragen hinaus nutzen. Es gilt, neue Kräfte zu sammeln für die bevorstehenden Herausforderungen. Und deren gibt es für die schwarz-rote Koalition im Übermaß, zumal manches, was auf den ersten Blick harmlos und wie ein Geschenk aussieht, heftige Risiken für unseren Wohlstand bedeutet. Hier sei nur das Thema Rente genannt, zu dem das Bundeskabinett Mitte der Woche teure Reformen auf den Weg gebracht  hat. Wer von diesen Maßnahmen profitiert, mag sich freuen. Aber Politik darf sich nicht auf das Verteilen von Wohltaten beschränken. Denn unsere Sozialsysteme sind leider kurz davor, strukturell und damit finanziell aus dem Ruder zu laufen. Konsequenz: Internationale Wettbewerber laufen uns bei Wachstum und Beschäftigung vielfach schon den Rang ab. Die Regierung muss endlich einen großen Wurf wagen, um das soziale Netz inklusive Altersversicherung zukunftsfähig zu machen. Die großen Unternehmen in Ballungszentren stöhnen ebenso wie kleinere Betriebe im ländlichen Raum unter viel zu hohen Lohnnebenkosten und die junge Generation droht an den künftigen Lasten für die Älteren wirtschaftlich zu ersticken . Wie kann, wie soll das konkret geändert werden? Bislang hört man von den Koalitionspartnern offiziell nur, wo nicht gekürzt oder eingeschränkt werden darf. Das ist schlichtweg zu wenig. Die parlamentarische Sommerpause ist auch eine gute Gelegenheit, um mit vermeintlich kleinen Anliegen mangels medialer Konkurrenz große Wirkung zu erzeugen. Ein Beispiel hierfür ist der Vorstoß von Markus Söder, allen ukrainischen Flüchtlingen künftig statt Bürgergeld Asylbewerberleistungen zu zahlen.  Bei Neuankömmlingen aus dem Kriegsgebiet ist so etwas ohnehin schon vorgesehen. Ob sich die Einbeziehung von Altfällen wegen des verwaltungsmäßigen Mehraufwands überhaupt rechnen würde, sei mal dahingestellt. Wichtiger dürfte das politische und psychologische Signal sein. Der Anreiz und der Druck, hierzulande möglichst schnell eine Arbeit aufzunehmen, wird erhöht. Doch im Gegenzug müssen sich Politik und Behörden auch deutlich stärker bemühen, Beschäftigungshürden wie etwa die Anerkennung von Zeugnissen und Qualifikationen zu senken. Keine Frage, Söder hat mit seinem Vorschlag einen wunden Punkt getroffen. Mal sehen, ob die übrigen Koalitionäre den Ball nach der Sommerpause aufnehmen … Nicht mehr nur vegetarisch Auch Söders Parteifreund Alois Rainer hat in diesen Tagen einen Treffer gelandet, wenngleich mit einem nicht ganz so prominenten Thema. Es geht mal wieder um Fleisch – um Fleisch, das auf offiziellen Veranstaltungen des Landwirtschaftsministeriums bislang auf Geheiß von Rainers grünem Vorgänger Cem Özdemir grundsätzlich nicht serviert wurde. Der neue Agrarminister will seinen Gästen nun die freie Wahl lassen, ob sie vegetarisch essen wollen oder nicht. Bei offiziellen Veranstaltungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums soll es künftig außer vegetarischen Produkten auch wieder Fleisch und Fisch geben. „Am besten regional“ , so Rainer in der Bild-Zeitung. Der CSU-Politiker möchte ganz bewusst nicht belehren oder bevormunden. Ein solchen pragmatischen und zugleich toleranten Stil würde man sich gerne auch in anderen Politikbereichen wünschen. Auch beim Thema Jagd sollte die Politik an vielen Stellen mehr Augenmaß zeigen. Erfreulicherweise zeichnet sich dies im Umgang mit Wölfen allmählich ab, nachdem die EU den Schutzstatus herabgesetzt hat. Man kann nur hoffen, dass die ungehinderte Ausbreitung dieser ehemals bei uns bedrohten Tierart gestoppt wird. Auch an anderer Stelle sollte umgesteuert werden. So sorgt man sich in vielen Revieren aktuell wegen der zunehmenden Verbreitung von Nutrias. Diese invasive Art, die ursprünglich aus Südamerika stammt, gräbt lange Tunnel in Uferböschungen und in Deiche und gefährdet auf diese Weise den Hochwasserschutz. Außerdem lieben diese Tiere Schilfgebiete und fressen Röhricht. Dadurch werden die Kinderstuben von vielen Insektenarten, Amphibien, Fischen und Vögeln zerstört. Der Deutsche Jagdverband (DJV) hat deswegen eine  Aufnahme der Nutria in das Bundesjagdgesetz und ein Bekenntnis der Politik zur Fangjagd gefordert,  zumal es in den meisten Bundesländern bereits eine Jagdzeit oder entsprechende Sondergenehmigungen gibt. Laut DJV kamen Nutrias im Jahr 2023 in 35 Prozent der untersuchten 23.000 Jagdreviere vor. Dies entspreche einer Verdopplung der Zahlen gegenüber dem Jahre 2015. Jagdlicher Paradigmenwechsel Stichwort Jagdgesetze. Rechtsanwalt Klaus Nieding (Frankfurt am Main/Meddersheim), Justiziar des LJV Rheinland-Pfalz, hat jüngst beschrieben, welche Fallstricke das in Rheinland-Pfalz beschlossene Jagdgesetz für die jagdliche Praxis erwarten lässt.   Der Text ist am Freitag auch in unserem Blog erschienen. Hier einige Beispiele für die Folgen: Bei allen Wildarten, also auch beim Schwarzwild, könne künftig die zuständige Jagdbehörde (beim Rotwild die obere Jagdbehörde) eine Wildbestandssenkung bei gleichzeitiger Aufhebung der Schonzeit anordnen. Es werde ein jagdlicher Paradigmenwechsel vollzogen: „Entscheiden über das, was im Hinblick auf den Wildbestand im Revier jagdlich passiert, tun das nicht mehr die eigentlich dazu berufenen Vertragsparteien des Jagdpachtvertrages, sondern die zuständigen Behörden (siehe oben) vom grünen Tisch, im Fall der oberen Jagdbehörde von Mainz aus.“ In einem weiteren Punkt verweist der Jurist darauf, dass eine Bejagung des Wolfes nach dem Gesetz noch bei weitem nicht möglich sei. Lektüre für den Sommerurlaub Foto: Ideogram Viele von uns machen in diesen Tagen Sommerurlaub. Vielleicht gehören auch Sie zu diesen Glücklichen und haben noch etwas Platz im Reisegepäck. Dann kann ich Ihnen ein kleines Buch empfehlen, das ich gerade mit Vergnügen gelesen habe. Zum Hintergrund ein kurzer Rückblick. Am Ende der Ampel-Regierung gab es bekanntlich einen Streit um die Einfuhr von Jagdtrophäen vor allem aus Afrika. Die damalige grüne Umweltministerin Steffi Lemke wollte den Import nach Deutschland einschränken, um vermeintlich bedrohte Tierarten besser zu schützen. In Afrika selbst stieß dieses Ansinnen auf heftigen Widerstand. Der Präsident von Botswana zeigte sich empört und bot mehr oder weniger ernsthaft an, 20.000 Elefanten nach Deutschland zu schicken. Sein Land brauche den Jagdtourismus, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Ernten der Dorfbewohner zu schützen. Das Thema ist dann in den Wirren des Ampel-Untergangs irgendwie verloren gegangen. Die flämische Schriftstellerin Gaea Schoeters hat die Geschichte nun in einem kleinen Roman („Das Geschenk“, Paul Zsolnay Verlag 2025), auf skurrile und zugleich spannende Weise aufgegriffen und weiter gesponnen: Da tauchen plötzlich in Berlin im Regierungsviertel ein paar Elefanten auf. Dann werden es immer mehr, bis zu 20.000 sind es am Ende. Wie diese Dickhäuter die deutsche Politik und Gesellschaft durcheinander wirbeln und an die Grenzen ihrer Belastbarkeit führen, wird mit vielen Pointen schön durchgespielt. Schoeters Buch ist ein literarisches Gedankenexperiment, das gut lesbar unter anderem die fatalen Folgen eines rein ideologisch begründeten Jagdverbots vor Augen führt. Mehr zum Inhalt möchte ich hier nicht verraten … Zur Geschichte des Kleinen Münsterländers Bleiben wir beim Thema Jagd. In den bald beginnenden Herbstzuchtprüfungen der Vorstehhunde werden auch viele Kleine Münsterländer (KLM)  antreten. Früher wurde diese Rasse oft als Heidewachtel bezeichnet und immer wieder mit dem weithin bekannten „Heidedichter“ Hermann Löns in Verbindung gebracht. Der Autor hat zwar über diesen Jagdhund geschrieben, vorrangig verdient gemacht um dessen Zucht aber hat sich der 14 Jahre jüngere Bruder Edmund. Dessen  Erfolg aber basierte auf einem Verstoß gegen die Vorschriften der Reinzucht. Auf dubiose Weise gelangte Löns in den Besitz der Hündin, die als „Kesselflickers Flora“ in die Zucht einging und 1927 die beiden Rüden „Becass-Löns“ und „Bingo-Löns“ wölfte, die die Stammväter der gesamten KLM-Braunschimmelzucht wurden. Löns verschleiert diese unerlaubte Einkreuzung der französischen Rasse Epagneul Breton. In einem Blog-Beitrag porträtiert unser Autor Christoph Boll in der kommenden Woche den streitbaren Förster Edmund Löns, dessen außerordentlicher Hundeverstand den Züchter bis ins niederländische Königshaus führte. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und eine gute, für Sie positive Woche. Mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination

  • Alarm bei den Kartoffel- und Gemüsebauern

    Ein wenige Millimeter großes Insekt, die Schilf-Glasflügelzikade, breitet sich unkontrolliert in Deutschland aus und lässt Hackfrüchte ungenießbar werden. Was die EU jetzt tun muss Foto: Christian Lang Ein neuer Schädling gefährdet massiv den Anbau von Kartoffeln und anderen Hackfrüchten. Rote Bete sind ebenso betroffen wie Möhren, Zwiebeln und Spargel. Zuerst sind die von ihm übertragenen Pflanzenkrankheiten bei Zuckerrüben im Südwesten aufgetreten. Die Rede ist von der Schilf-Glasflügelzikade. Es ist unglaublich: Das Insekt, das gerade schlimme Befürchtungen und möglicherweise riesige Schäden auslöst, steht immer noch auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Christian Lang, Geschäftsführer des Verbandes der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer, ist derjenige in Deutschland, der am frühesten die Gefahr erkannt hat. „Die Zikade unterscheidet sich von allen anderen Schädlingen dadurch, dass sie von der Wirtspflanze im Schilf auf Kulturpflanzen übergesprungen ist.“ Lang, der in Worms einen Think Tank mit 15 Experten zur Erforschung der Zikade aufgebaut hat, war es, der als erster das Andocken des Insekts bei Kartoffeln beobachtet hat. „Ständig kommen neue Wirtspflanzen hinzu, wir haben gerade den Hinweis auf Hopfen bekommen.“ Die Zikade saugt an den Blättern und im Nymphenstadium an den Wurzeln der Wirtspflanzen und überträgt dabei mindestens sieben Bakterien. Zwei Bakterien davon machen die Pflanzen krank. Kartoffeln und Rote Bete werden gummiartig, bei Zuckerrüben fällt der Zuckeranteil. Die Schäden waren bereits 2023 groß. 60.000 von 390.000 Hektar Anbaufläche bei der Zuckerrübe waren 2023 betroffen. Der angerichtete Schaden wird auf 65 Millionen Euro geschätzt – und das ohne den Schaden in der weiteren Verarbeitung. Ohne Gegenmaßnahmen, so die Schätzung, würde der Schaden der Branche auf 422 Millionen Euro steigen. Bei Kartoffeln waren 2023 erst 8000 Hektar betroffen, der Schaden wurde auf bis zu 42 Millionen Euro geschätzt. Deutschland ist das Kartoffelland Nummer eins in Europa mit einem Pro-Kopf-Verzehr von 56 Kilogramm im Jahr und einer Anbaufläche von 220.000 Hektar. Vor einer Pandemie auf den Äckern? Das Insekt ist über Burgund zunächst in die Heilbronner Ecke zugewandert. Von dort breitet es sich aus: eine Pandemie auf Äckern? Es wird vermutet, dass der Klimawandel seine Ausbreitung begünstigt. In diesem Jahr gibt es erstmals ein bundesweites Monitoring. Die Ergebnisse werden Mitte August erwartet. Bislang gibt es kein wirksames Gegenmittel. Seit diesem Jahr sind vier Pflanzenschutzmittel per Notfallzulassung erlaubt worden. Den Garaus macht man damit dem Insekt aber nicht. Dafür ist es zu mobil, zu reproduktiv erfolgreich. Wirksam ist allein die Schwarzbrache, weil dann im Winter die Nymphen im Boden verhungern. Doch die Schwarzbrache ist für Bauern mit wirtschaftlichen Einbußen verbunden. Der Fall der Zikade legt offen, dass bei der Regulierung des Pflanzenschutzes in Europa viel im Argen ist. Seit 2019 wurde kein einziges neues Pflanzenschutzmittel mehr in der EU zugelassen. Mehr als 70 Wirkstoffe sind in dieser Zeit weggefallen. Pflanzenschutzmittel: Zu anspruchsvolle Zulassungsverfahren Die Industrie habe sich abgewendet von Europa, beklagen Ackerbauern. Die Anforderungen in den Zulassungsverfahren seien zu anspruchsvoll. Zudem bestehe die große Gefahr, dass Umweltverbände Kampagnen gegen neue Mittel aufsetzen und diese dadurch für den globalen Absatz kaputt machen. Der Vize des Agrarausschusses im Europaparlament, Norbert Lins (CDU), hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen per Brief aufgefordert, im Zuge des Bürokratieabbaus auch bei den Zulassungsverfahren Ballast abzuwerfen. Die Industrie sollte zum einen Motivation haben, ein spezifisches Pflanzenschutzmittel zu entwickeln. Auf Sicht von zehn bis 20 Jahren führt kein Weg an der Züchtung von Arten vorbei, denen die Bakterien nichts anhaben können. Damit es schneller geht als bei den klassischen Züchtungsmethoden wären die neuen genomischen Techniken (NGT) hilfreich. Dabei wird etwa mit der Genschere CRISPR/Cas die DNA verändert. Die EU-Kommission hat einen Vorschlag zur Zulassung der NGT gemacht. Die Verhandlungen zwischen Mitgliedstaaten und Europaparlament sind aber festgefahren. Europa lähmt sich durch die einseitig umweltorientierte Politik selbst. Wir brauchen die Möglichkeit zu innovativem Pflanzenschutz und die neuen genomischen Techniken. Die Zikade hat das Potenzial, den Anbau von Gemüsen und Kartoffeln in Deutschland unmöglich zu machen und die nachgelagerte Industrie zu zerstören, etwa Zucker- und Pommes-Frites-Fabriken. Die Ernährungssicherheit und -autonomie der Europäer steht auf dem Spiel.

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