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  • Wetter mit Rekordwerten – Wald im Stress – Wissenschaftler warnen vor Waschbären

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, im Mai und speziell in den Tagen vor Pfingsten ist das Wetter bei vielen Begegnungen immer wieder ein großes Thema. Im Westen und Südwesten Deutschlands stehen dabei Unwetter mit Stark- beziehungsweise Dauerregen im Mittelpunkt, während etwa im Osten des Landes Niederschläge derzeit Mangelware sind. Je nachdem, mit wem man spricht, fallen die Erwartungen und Hoffnungen, wie es denn weitergehe, unterschiedlich aus. Ein Blick zurück kann da aufschlussreich sein. So herrscht jetzt dank eines internationalen Wissenschaftlerteams wettermäßig zumindest in einer Hinsicht Klarheit, wenn auch leider keine beruhigende: Der Sommer 2023 war auf der Nordhalbkugel der wärmste seit 2000 Jahren. Mehr noch, die allermeisten Sommer der vergangenen 20 Jahre waren wärmer als der lange Rekordhalter zu Zeiten des Römischen Reichs aus dem Jahre 246. Möglich wurden diese Erkenntnisse durch die Analyse von Baumringen. Damit konnten die Forscher – unter anderem aus Mainz, Zürich und Cambridge – die Temperaturen für jedes einzelne Jahr seit der Geburt Christi rekonstruieren. Bislang war der gängige Referenzzeitraum für die heutigen Temperaturen die Spanne von 1850 bis 1900. Für diese Zeit der Frühindustrialisierung standen und stehen auf der Nordhalbkugel bereits passable Wetterdaten zur Verfügung. Die neuen Erkenntnisse haben hier nun das Spektrum deutlich erweitert. Sie bestätigen einmal mehr, wie sehr sich bei uns die natürlichen Rahmenbedingungen verändern. Gefahr von Waldbränden Nicht zuletzt für den ländlichen Raum werden die Auswirkungen des Klimawandels gravierende Folgen haben. Man denke hier nur an die Land- und Forstwirtschaft. Mal ist es viel zu nass, und dann mal viel zu heiß. So steigt bereits jetzt wieder die Gefahr von Waldbränden. In Mecklenburg-Vorpommern etwa wurde diese Woche in einem Forstamt bereits die höchste Gefahrenstufe fünf erreicht. Für weitere vier Forstämter gilt mittlerweile die Gefahrenstufe vier, und in anderen Regionen des nördlichen Bundeslands herrscht aktuell erhöhte Waldbrandgefahr. In Niedersachsen sieht es in Teilen ähnlich aus. Einmal ganz abgesehen von der regelmäßig auftretenden Brandgefahr: Die Situation unserer Wälder bleibt beunruhigend. Seit 1984 wird deren Zustand systematisch vom Bundeslandwirtschaftsministerium dokumentiert. In diesem Zeitraum ist der Anteil der geschädigten Bäume stetig gestiegen. Nur jeder fünfte Baum sei gesund, erklärte Agrarminister Cem Özdemir in dieser Woche. Dabei gewinne der Wald im Zuge des Klimawandels zunehmend an Bedeutung, denn er entziehe der Luft das klimaschädliche Kohlendioxid und binde es für Jahrzehnte und Jahrhunderte. Aber der jüngste Waldzustandsbericht der Bundesregierung zeigt auch, dass es keine einfachen Rezepte für den zukunftsfesten Waldbau gibt. Gerade die gern gelobten Laubbäume leiden offensichtlich besonders unter Hitze und Trockenheit. Und ausgerechnet die Kiefer als gern verteufelter Nadelbaum hat sich sogar spürbar erholt. Ein vermeintliches Phänomen, dem skandinavische Forstwissenschaftler seit Jahren auf der Spur sind. Unser Autor Michael Lehner warnt seit Jahren vor einfachen Rezepten gegen das Waldsterben und vor pauschalen Vorurteilen gegen Nadelbäume – zuletzt zum Erscheinen des offiziellen Waldzustandsberichts. Dem laut Bundesregierung erstaunlich guten Zustand der Kiefern haben wir nichts hinzuzufügen: „Im Vergleich zum Vorjahr ist bei der Kiefer der Anteil der deutlichen Kronenverlichtung von 28 auf 24 Prozent gesunken.“ Auch unsere heimische Fauna sieht sich aktuell vor vielerlei Herausforderungen gestellt. So gefährden laut einer aktuellen Untersuchung von Frankfurter Wissenschaftlern invasive Raubtiere geschützte Arten. Konkret geht es hier um Waschbären – für so manchen „Tierfreund“ außerordentlich niedliche Lebewesen, die selbstverständlich vom Menschen unbehelligt bleiben sollten. Doch diese vermeintlich harmlosen Geschöpfe breiten sich hierzulande ungebremst aus. Sie durchwühlen nicht nur Mülltonnen, beschädigen Dachböden und plündern Gärten, sondern sie sind auch eine tödliche Gefahr für geschützte Amphibien und Reptilien. Untersuchungen der Forscher an Waschbären aus Naturschutzgebieten in Hessen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg haben gezeigt, dass die Laichgebiete der geschützten Reptilien von den Raubtieren als Nahrungsressourcen genutzt werden. So habe man beispielsweise während der Probennahme im hessischen Spessart an einem Tag über 400 gehäutete Kröten an einer Wasserfläche von etwa 2000 Quadratmetern gezählt. Waschbären könnten sich zu Spezialisten in der Nahrungswahl entwickeln, die gewisse Arten bevorzugen und gezielt nutzen würden. Es sei deshalb notwendig, in Gebieten mit seltenen Arten „Managementmaßnahmen“ für Waschbären festzulegen. Im Klartext lässt sich daraus ein Appell zur verstärkten Jagd auf Waschbären herleiten – zumindest in bestimmten Gebieten. „Der Waschbär richtet nicht nur Chaos in deutschen Privathaushalten an, sondern bedroht auch zunehmend die heimische Artenvielfalt. Diese Vermutung hat unsere neue wissenschaftliche Studie nun eindeutig bestätigt.“ Prof. Dr. Sven Klimpel vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und der Goethe-Universität Frankfurt Zurück zum Thema Wald: 250 Millionen Euro hat Özdemirs Ressort dieses Jahr zur Waldförderung eingeplant. Die Finanzierung für die Folgejahre ist aber noch nicht gesichert. Das wird für den Agrarminister eine schwere Herausforderung werden. Denn beim Thema Geld dürfte der Berliner Koalition ohnehin noch ein politisch heißer Sommer bevorstehen. So müssen Bund, Länder und Kommunen in den nächsten Jahren mit deutlich geringeren Steuereinnahmen rechnen. Allein 2025 dürfte die Summe um 21,9 Milliarden Euro niedriger ausfallen als bisher vorhergesagt, wie aus der aktuellen Frühjahrsprognose des Arbeitskreises Steuerschätzung hervorgeht. Der Bund erhält danach im kommenden Jahr rund elf Milliarden Euro weniger Einnahmen. Bereits vor Bekanntgabe dieser Zahlen gab es ein heftiges Tauziehen der Ressorts um die Verteilung der Gelder. Hier hat sich die Lage nun angesichts der noch knapperen Kassen weiter verschärft. Es ist daher leider zu befürchten, dass in der Ampelkoalition immer stärker Wahlkampfaspekte gegenüber sachlichen Erfordernissen in den Vordergrund rücken. Allen voran beim Bundeskanzler, der sich um seine Popularität und damit Erfolgschancen sorgen muss. Dies könnte auch seine Haltung zu Verteidigungsminister Boris Pistorius erklären, dessen Überlegungen zur Wiederbelebung einer modifizierten Wehrpflicht und einem höheren Bundeswehretat der Kanzler eine ebenso deutliche wie brüske Abfuhr erteilte. Scholz bestärkt damit Befürchtungen, dass sein Wort von der Zeitenwende für ihn letztlich eher eine spontane Reaktion als ein dauerhafter Strategiewechsel war. Augenscheinlich möchte er die SPD wie in den vermeintlich „guten alten Zeiten“ als Friedenspartei positionieren, und sich selbst dann wohl als eine Art Friedenskanzler. Ob ihm das gelingt? Zweifel sind angebracht. Der Richtige für das Kanzleramt? Viele Bürger spüren durchaus, dass momentan in Sachen Russland und Ukraine die Zeichen der Zeit wohl eher vom Verteidigungsminister als vom Kanzler erkannt werden. Immerhin ist Pistorius, auch in diesem Punkt ein Mann der deutlichen Aussprache, innerhalb von kürzester Zeit zum populärsten Politiker des Landes aufgestiegen. Pistorius ist fraglos loyal, aber je näher der Wahltermin rückt, desto stärker könnten auch unter Sozialdemokraten die Zweifel zunehmen, ob Scholz in diesen kritischen Zeiten tatsächlich der Richtige für das Kanzleramt ist… Genießen Sie die Pfingsttage. Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination

  • „Aber dann ist hier Schluss“

    Der niedliche Bioladen um die Ecke, der kleine Schweinehof in malerischer Kulturlandschaft, auf dem drei Generationen fleißig arbeiten: eine Vorstellung, die gern in den Innenstädten von Berlin, Hamburg und Leipzig gepflegt wird. Oft nur noch eine Illusion. Denn das Höfesterben setzt sich dramatisch fort. Die Bauernproteste gegen die geplanten Kürzungen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer haben die Öffentlichkeit vor drei Monaten aufgewühlt. Traktoren mit Landwirten, die aus allen Teilen der Bundesrepublik nach Berlin gefahren sind, Demonstrationen in den Städten, Gemeinden und Kreisen, zentrale Kundgebungen mit politischen Botschaften – die Bilder sind noch allen gegenwärtig. Es gab größtenteils Zustimmung in der Bevölkerung. Daumen hoch, auch wenn die Staus manchmal genervt haben. „Erst stirbt der Bauern, dann stirbt das Land“ – dieser auf vielen Schildern gemalte Slogan setzte sich in Kopf und Herz der Öffentlichkeit fest. Und steigerte die Erkenntnis, dass Kartoffeln eben nicht im Supermarkt wachsen und die meisten Äpfel eben nicht aus dem Alten Land oder dem Allgäu stammen, sondern dass heimische Produkte gegen Konkurrenz aus Südtirol, Argentinien oder China bestehen müssen. Und genau dieser harte Wettbewerb sorgt dafür, dass der Strukturwandel seit Jahrzehnten gerade den ländlichen Raum verändert hat. Vor allem jüngere Bauern fragen sich, ob sie angesichts des hohen Investitionsbedarfs, der teuren Auflagen und des sich verschärfenden Wettbewerbs im inländischen und ausländischen Markt noch eine Zukunft haben in ihrem Beruf, auf ihren Höfen. Heißt die Antwort nein, geht wieder ein Stück Lebensvielfalt zwischen der Uckermark, der Sächsischen Schweiz und dem Ostharz verloren. Höfesterben geht ungebremst weiter Besonders im Osten geht das Höfesterben aktuell ungebremst weiter. Eine These, die in der vergangenen Woche durch aktuelle Zahlen des Thüringer Landesamts für Statistik untermauert wurde. Allein in diesem Bundesland ist die Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen innerhalb von zwei Jahren von 18.200 um 2400 auf 15.800 zurückgegangen. Im Jahr 2000 gab es noch 26.000 Betriebe in Thüringen. Dabei geht es bei dem Verlust von Jobs in der Landwirtschaft – ähnlich in anderen östlichen Bundesländern zu beobachten – nicht in erster Linie um Saisonkräfte oder angestellte Mitarbeiter, sondern um hauptberufliche Landwirte, die den Hof mindestens seit 1990 betrieben haben. Gab es im Jahr 2022 in Thüringen noch 3.590 Betriebe, die in Familienbesitz standen, sank die Zahl um 350 auf 3.240 – so wenige wie nie zuvor seit der Wende. Viele drehen jetzt den Schlüssel zu ihrem Betrieb endgültig um. Zurück bleiben aufgegebene Höfe, nicht mehr bewirtschaftete Felder und Äcker. Transformation überfordert Familien Dabei ist die negative Entwicklung noch längst nicht zu Ende. Ganz im Gegenteil: Nach einer aktuellen Studie der DZ-Bank wird die jetzt anstehende Transformation der Betriebe vor allem familiengeführte Höfe überfordern. Finanziell und logistisch, emotional und personell. Die Digitalisierung, der Kostendruck in den Lieferketten und der Produktion, die zunehmenden Umweltschutz- und Tierschutzanforderungen sorgen dafür, dass laut DZ-Analyst Claus Niegsch vor allem kleinere Betriebe vom Markt verschwinden werden. „Landwirtschaftliche Betriebe werden sich angesichts des gestiegenen Wettbewerbs und der zunehmenden Abhängigkeit von Weltmarktpreisen für heimische Agrarprodukte von kleinen Höfen, die zumeist im Nebenerwerb bewirtschaftet wurden, immer mehr zu mittelständischen Wirtschaftsunternehmen entwickeln müssen. Bis 2040 wird sich die Durchschnittsgröße eines Betriebs von 64,8 Hektar auf 160 Hektar vergrößern“, schreibt der Experte der DZ-Bank in seiner Studie. Konsequenz: Gerade im strukturschwachen Osten des Landes, aber auch im Norden, werden bald ähnlich große Einheiten entstehen, die an die Größe Landwirtschaftlicher Produktionsgemeinschaften erinnern. Kein Wunder also, dass angesichts dieser Erwartungen ein weiteres, bisher in der eher wortkargen Branche gern verschwiegenes Problem in den Vordergrund rückt. Fast die Hälfte aller älteren Landwirte haben nämlich Sorge, dass sie in ein paar Jahren keinen Nachfolger mehr finden und so den Betrieb aufgeben müssen. „Wer will diesen Job denn schon machen. 24/7 arbeiten, dazu kaum Urlaub. Und immer wieder gibt es einen auf die Mütze“, schimpft ein Landwirt aus dem Weimarer Land, der kurz vor der 65-Jahre-Altersmauer steht. Ein paar Jahre wird es schon noch klappen. „Aber danach ist hier Schluss. Das macht doch keiner mehr.“

  • Die Ernten könnten bald noch schwieriger werden

    Olaf Scholz fordert kurz vor der Europawahl, den Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen. Der Vorstoß zeigt: Dem Kanzler mangelt es an Respekt vor dem Mindestlohngesetz und auch den Nöten der Landwirtschaft Spargel, Erdbeeren, Obst- und Weinbau lassen sich ohne Saisonarbeitskräfte, die zum Mindestlohn beschäftigt werden, kaum ernten. Oder heißt die Rechnung des Kanzlers schlicht: höhere Löhne gleich höhere Preise? Der Kanzler im Wahlkampfmodus. Auch mit Olaf Scholz auf den Plakaten für die Europawahl liegt die SPD in den Umfragen bei 14 Prozent – Platz 4 hinter CDU/CSU, Grünen und AfD. Da muss ein Thema her, koste es, was es wolle. Also greift Scholz in die Kiste der Wahlkampfutensilien von 2021 und holt die Mindestlohnerhöhung heraus. Den auf zwölf Euro in der Stunde zu erhöhen, hatte er vor der Wahl versprochen. Und mithilfe von Grünen und FDP hielt er Wort. Die Lohnuntergrenze wurde von den damals geltenden 10,45 Euro zum 1. Oktober 2022 auf zwölf Euro angehoben. Weil das Mindestlohnmanöver 2021 der SPD Stimmen und Scholz die Kanzlerschaft gebracht hat, soll das jetzt wiederholt werden. Im „Stern“ hat sich Scholz für eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro ausgesprochen. „Ich bin klar dafür, den Mindestlohn erst auf 14 Euro, dann im nächsten Schritt auf 15 Euro anzuheben.“ Diesen Vorstoß verband der Kanzler mit deutlicher Kritik an der Mindestlohnkommission. „Die Arbeitgeber haben nur auf einer Mini-Anpassung beharrt“, klagte er. Gemeint sind die Erhöhungen zum 1. Januar 2024 auf 12,41 Euro und zum 1. Januar 2025 auf 12,82 Euro. Dabei geht die Lohnuntergrenze, die kein Arbeitgeber unterschreiten darf, die Politik gar nichts an. Dafür ist die Mindestlohnkommission zuständig, paritätisch von Arbeitgebern und Gewerkschaften besetzt, mit einem neutralen Vorsitzenden. Diese Kommission ist 2014 von der Großen Koalition eingerichtet worden. Die CDU/CSU wollte verhindern, dass über den Mindestentlohnung im Kabinett oder im Parlament entschieden wird. Ob der damalige Finanzminister Scholz etwa vergessen hat, dass er da dabei war? Jedenfalls machte die SPD im Bundestagswahlkampf 2021 den Mindestlohn zum zentralen Wahlkampfthema. Das geltende Gesetz interessiert den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz herzlich wenig – ebenso wenig wie jetzt den auf Wahlkampf eingestellten Kanzler. Nach der Wahl taten die Ampel-Parteien dann so, als sollte der direkte Eingriff der Politik in die Lohnfindung ein einmaliger Akt bleiben. So heißt es im Koalitionsvertrag: Nach der „einmaligen Anpassung auf 12 Euro“ werde dann „die unabhängige Mindestlohnkommission über die etwaigen weiteren Erhöhungsschritte befinden.“ Ob Scholz sich auch daran nicht mehr erinnern kann? Lohnfindung nach parteipolitischem Kalkül SPD, Grüne und Gewerkschaften jedenfalls trommeln schon seit fast einem Jahr dafür, Lohnpolitik an der Kommission vorbei zu machen. Die rechtskräftigen Beschlüsse vom Juni 2023, interessieren das linksgrüne Lager nicht. Es ruft seitdem nach 14 oder 15 Euro. Dahinter steckt die Überlegung, falls die Kommission nicht so entscheidet, wie die Gewerkschaften und die Parteien links der Mitte es gerne hätten, dann übernimmt eben die Politik. Das führt zur Lohnpolitik per Gesetz. Was Scholz & Genossen stört, ist Folgendes: Bei der Entscheidung im Juni 2023 wurden die Gewerkschaftsvertreter in der Kommission überstimmt: von den Arbeitgebern und der Vorsitzenden Christiane Schönefeld, bis 2022 im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Genau dies sieht das Gesetz vor, dass nämlich bei einem Patt der Vorsitzende den Ausschlag gibt. Gleichwohl reißen seitdem die Forderungen von links, die Regierung müsse hier eingreifen, nicht ab. SPD, Grüne und Gewerkschaften sind sich einig: Die Kommission soll ausgeschaltet, die Lohnpolitik parteipolitisch instrumentalisiert werden. Jetzt wissen sie einen mächtigen Verbündeten an ihrer Seite: den Regierungschef. Da stellt sich die Frage, ob unsere Volkswirtschaft die Lohnfindung nach parteipolitischem Kalkül auf Dauer verkraften kann? Denn eine Anhebung der Lohnuntergrenze führt zwangsläufig zu einer Verschiebung der Lohnskala nach oben. Das liegt in der Logik des Systems: Wer bisher 14 Euro verdient hat, wird folglich auf eine entsprechende Erhöhung pochen. Die Gewerkschaften werden das in der nächsten Tarifrunde auch durchsetzen. Die Bürger sollen entscheiden, was andere zu zahlen haben Scholz hat die Politisierung des Mindestlohns 2021 eingeführt, jetzt setzt er diese fort. Folglich werden die kommenden Wahlkämpfe nicht zuletzt um den Mindestlohn geführt werden. Die Bürger sollen entscheiden, was andere zu zahlen haben. Die Wähler brauchen sich über die Folgen keine Gedanken zu machen. Die höheren Arbeitskosten haben schließlich die Unternehmen zu stemmen. SPD und Grüne wollen sich als Parteien mit sozialem Gewissen präsentieren. Zugleich versuchen sie, auf diesem Weg von ihrer mäßig erfolgreichen Regierungspolitik ablenken. Ohnehin ist die politische Linke stets bereit, das Geld anderer großzügig zu verteilen. Auch will sie die Politisierung der Lohn- und Gehaltsfindung weiter vorantreiben. Nach dem Zugriff des Staates auf die Lohnuntergrenze könnte dann die Begrenzung der Managergehälter folgen. Darüber machen sich SPD und Grüne schon seit Jahren Gedanken. Der Kanzler beschwört ebenso wie SPD und Grüne gerne Tarifautonomie und Sozialpartnerschaft. Arbeitgeber und Gewerkschaften sollen über Löhne, Arbeitszeiten und andere Arbeitsbedingungen frei entscheiden. In Wirklichkeit engt die Politik die Entscheidungsfreiheit der Tarifpartner ständig ein. Die Gewerkschaften stört das nicht, weil sie mit der Politik an ihrer Seite mächtiger sind, als sie aufgrund der Zahl ihrer Mitglieder und deren Kampfbereitschaft wären. Wofür der Staat sorgt, das muss man nicht mehr erkämpfen. Nach rot-grüner Logik läge es nahe, noch mehr Einzelheiten des Arbeitslebens im politischen Prozess zu entscheiden, das heißt: in die Hände der Wähler zu legen: Untergrenzen, Obergrenzen, Mindeststandards – bis hin zur freien Wahl der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Ob Olaf Scholz das wirklich will? Der Mindestlohn-Vorstoß des „Respekt“-Kanzlers zeigt jedenfalls eines: Olaf Scholz mangelt es an jeglichem Respekt vor dem Mindestlohngesetz, dem Koalitionsvertrag und der Tarifautonomie. Unser Gastautor Dr. Hugo Müller-Vogg, ehemaliger F.A.Z.-Herausgeber, zählt zu den erfahrenen Beobachtern des Berliner Politikbetriebes. Als Publizist und Autor zahlreicher Bücher analysiert und kommentiert er Politik und Gesellschaft. www.hugo-mueller-vogg.de und www.facebook.com/mueller-vogg

  • Grüne und Schwarze trennen Welten in der Agrarpolitik

    Nach der Europawahl wollen Grüne mit Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen eine informelle Zusammenarbeit schmieden. Ausgerechnet in der wichtigen Landwirtschaftspolitik gibt es aber kaum Gemeinsamkeiten In der Agrarpolitik dürften nach der Europawahl die härtesten Nüsse zu knacken sein, wenn die proeuropäischen Parteien über eine Zusammenarbeit verhandeln. Es wird wohl kein Politikfeld geben, bei dem die christdemokratische EVP von Manfred Weber, die wieder die größte Fraktion stellen wird, und die Grünen weiter voneinander entfernt sind. Zum Hintergrund: Im Europaparlament sind offizielle Koalitionen zwischen den Fraktionen unüblich. Vielmehr verabreden die proeuropäischen Fraktionen im Straßburger Parlament eine informelle Zusammenarbeit. Sie verständigen sich darauf, wie die Topjobs, etwa an der Spitze von Kommission, Parlament und Europäischer Zentralbank, besetzt werden. Und sie treffen inhaltliche Absprachen. Während 2019 nur Christdemokraten, Sozialisten und Liberale die „Von-der-Leyen-Koalition“ bildeten, wollen diesmal die Grünen mit von der Partie sein. Umfragen deuten darauf hin, dass das sozial-liberal-bürgerliche Lager Sitze verlieren und daher bei der Wahl des Kommissionspräsidenten, mutmaßlich wieder Ursula von der Leyen, im Europaparlament auch auf die Stimmen der Grünen angewiesen sein wird. Probleme, einen Minimalkonsens zu finden, dürften Christdemokraten, Sozialisten, Liberale und Grüne bei vielen Themen haben, etwa in der Handelspolitik, bei Verteidigung, Industriepolitik und Asyl. Aber die größten Schwierigkeiten werden in der Agrar- und Landwirtschaftspolitik erwartet. In der abgelaufenen Wahlperiode haben die Grünen Fundamentalopposition gegen die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) betrieben, als diese für die aktuelle Förderperiode und damit für die Jahre 2023 bis 2027 beschlossen wurde. Auch diesmal wird wohl der Zeitraum, in der die GAP gilt, verlängert werden; vermutlich wird die neue GAP erst 2030 in Kraft treten und damit die Landwirtschaftspolitik der EU bis Mitte der 30-er Jahre prägen. Unterschiedliche Zielgruppen Zwischen Grünen und den anderen Kräften der informellen Von-der-Leyen-Koalition II wird die Agrarpolitik der Kernkonflikt werden, weil die Positionen weit voneinander entfernt sind und zudem kaum vereinbar scheinen. Die abgrundtiefen Unterschiede fangen schon mit der Zielgruppe an. Die Grünen machen Agrarpolitik, die sich ausschließlich an die Minderheit der Ökolandwirte richtet. 2020 wurde im EU-Schnitt 9,1 Prozent der Fläche nach ökologischen Maßstäben bewirtschaftet. 2030 sollen es nach den hehren, aber unerfüllbaren Zielen der Kommission 25 Prozent werden. Die Grünen haben die Interessen der konventionell wirtschaftenden Betriebe nicht im Blick. In ihrem Verständnis sollen sie möglichst bald umstellen. Dagegen gehen Christdemokraten, Liberale und Sozialisten von einer Koexistenz von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft aus. Während Grüne an erste Stelle die Ökologie setzen, betrachten Agrarpolitiker von Christdemokraten, Liberalen und Sozialisten auch die ökonomischen und sozialen Facetten der Landwirtschaftspolitik. Sie sind etwa dafür, Handelsabkommen zu schließen, und kämpfen für die Flächenprämie als Stütze der Einkommen vieler Bauern. Klassische Agrarpolitiker halten es zudem für wichtig, die Ernährungssicherheit in Europa zu gewährleisten. Sie wollen dafür sorgen, dass die europäischen Bauern möglichst umfassend die 450 Millionen Verbraucher in der EU ernähren können. Im Hinblick auf die geostrategischen Risiken mit einem immer aggressiveren Russland und neuen Risiken in Fernost hat die Frage der Selbstversorgung mit Lebensmitteln aber an Berechtigung gewonnen. Für grüne Agrarpolitiker ist Selbstversorgung dagegen nicht erstrebenswert. Im Gegenteil: Etwa bei der Versorgung mit Fleisch streben sie offensiv einen Abbau von Kapazitäten an. Der Konsum an Schwein, Rind und Geflügel der Europäer soll gesenkt werden, wenn es nach ihnen geht. Streit auch um Tierwohl Mit Konflikten ist auch bei Tiertransporten und Tierwohl insgesamt zu rechnen. Die Grünen wollen Tiertransporte eindämmen. Dies dürfte vor allem auf den entschiedenen Widerstand von Agrarpolitikern aus Spanien, Portugal sowie aus Rumänien treffen. Die dortigen Viehzüchter argumentieren zu Recht, dass Tiertransportverbote die Freizügigkeit im Binnenmarkt außer Kraft setzen würden. Unter dem Strich ist festzuhalten: Es ist kein Zufall, warum Grüne und Schwarze bei Koalitionsverhandlungen schon auf Landesebene etwa im Südwesten allergrößte Mühe hatten, zueinander zu kommen. Die Agrarpolitik in der EU ist komplett vergemeinschaftet. Da darf sich niemand wundern, wenn die Fetzen fliegen, sollten Grüne und Schwarze demnächst auf EU-Ebene Wege für eine Zusammenarbeit ausloten.

  • „Lieferengpässe bei Medikamenten treten leider schon seit Jahren auf“

    Interview mit der Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Regina Overwiening In Deutschland gibt es immer weniger Apotheken. Das hat nicht nur Auswirkungen auf den Berufsstand, sondern auch auf die medizinische Versorgung und persönliche Beratung der Menschen vor allem im ländlichen Raum. Unser Mitarbeiter Frank Polke hat darüber mit der Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Regina Overwiening, gesprochen. Frage: Immer mehr Apotheken in Deutschland schließen. Vor allem im ländlichen Raum ist das ein Problem. Stimmen diese Beobachtungen? Overwiening: Das stimmt leider. Allein im vergangenen Jahr 2023 haben wir 500 Apotheken bundesweit verloren. Das ist so, als wenn alle Apotheken in ganz Thüringen auf einmal wegfielen. Den Abwärtstrend gibt es zwar schon seit einigen Jahren, aber er verstärkt sich immer mehr. Im kürzlich veröffentlichten Apothekenwirtschaftsbericht 2024 konnten wir nachweisen, dass durch die Schließungen seit 2018 mehr als zwei Millionen Menschen deutlich längere Wege bis zur nächsten Apotheke zurücklegen müssen. Und es sind eben oft die Menschen auf dem Lande, die unter immer größeren Entfernungen leiden. Frage: Die Verbände fordern eine höhere Pauschale für die Abgabe rezeptpflichtiger Medikamente. Welche Erwartungen haben Sie diesbezüglich an die Politik? Overwiening: Das Festhonorar von 8,35 Euro, das jede Apotheke für die Abgabe eines rezeptpflichtigen Arzneimittels bekommt, ist seit 2013 – also seit elf Jahren – nicht mehr erhöht worden. Zuletzt hat die Ampel-Koalition es sogar gekürzt. Zum Vergleich: Die Inflation seitdem liegt bei knapp 30 Prozent, die Tariflöhne in den Apotheken sind in diesem Zeitraum sogar um rund 40 Prozent gestiegen. Die Apotheken brauchen also dringend eine spürbare Anpassung und Dynamisierung ihres Honorars, um auch künftig überall in Deutschland die Arzneimittelversorgung aufrechterhalten zu können. Das gilt umso mehr in Zeiten von Personalnot und Fachkräftemangel. Von der Politik wünschen wir uns zunächst, dass sie gemeinsam mit der Apothekerschaft tragfähige Lösungen erarbeitet, die zu einer Sicherung und Verbesserung der Versorgung unserer Bevölkerung führen. Frage: Auf welche Szenerien müssen sich Patienten einstellen, wenn diese Entwicklung weiter so verläuft wie jetzt? Overwiening: Der Abwärtstrend wird leider nicht von alleine stoppen, sondern dazu braucht es die schnelle und massive Hilfe der Gesundheitspolitik. Die Verantwortung für den beschleunigten Rückgang liegt bei der Politik. Eine sinkende Apothekenzahl bedeutet immer längere Wege für Patientinnen und Patienten. Im Rahmen des Apothekenwirtschaftsberichts 2024 haben wir beispielsweise folgendes Szenario durchgerechnet: Bei fortschreitender Dynamik des Apothekenrückgangs in Höhe von plus zehn Prozent pro Quartal kommt man auf eine Gesamtzahl von rund 14.000 Apotheken in drei Jahren. Derzeit sind es immerhin noch etwas mehr als 17.000 Apotheken. Frage: Ein weiteres Problem ist tatsächlich der teilweise Mangel an Medikamenten durch Probleme in der Lieferkette. Welche Beobachtungen machen Sie? Overwiening: Lieferengpässe von lebenswichtigen Medikamenten sind leider schon seit Jahren ein riesiges Problem in Deutschland und treten insbesondere in den Apotheken vor Ort zutage. In der Lieferengpassliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte stehen regelmäßig etwa 500 verschiedene Präparate. Die Apotheken sind also täglich mit viel Leidenschaft, Kompetenz und Organisationstalent dabei, diesen Mangel für die Patientinnen und Patienten irgendwie abzumildern und auszugleichen. Hier würde den Apotheken ein Mehr an Entscheidungskompetenz helfen. Apothekerinnen und Apotheker müssen ihre pharmazeutische Expertise in der Versorgung freier und flexibler einsetzen können, um beispielsweise nicht lieferbare Präparate auszutauschen oder einen Ersatz gegebenenfalls sogar selbst herzustellen. Das Lieferengpassgesetz – kurz: „ALBVVG“ – der Bundesregierung aus dem Jahr 2023 hat jedenfalls noch keine sonderlich spürbaren Erfolge zu verzeichnen gehabt. Frage: Hand aufs Herz: Würden Sie einem jungen Menschen heute noch raten, den Beruf des Apothekers zu erlernen und sich gegebenenfalls selbstständig zu machen? Overwiening: Ich bin Apothekerin aus Überzeugung und übe diesen Beruf mit Liebe und Leidenschaft aus. Es ist ein erfüllender und inspirierender Beruf. Ich bin davon überzeugt, dass sich bestehende Probleme lösen und neue Herausforderungen meistern lassen. Die Lösungen liegen oft schon vor und müssen nur noch umgesetzt oder feingeschliffen werden. Die Apothekerschaft hat sich schon vor Jahren ein Perspektivpapier „Apotheke 2030“ selbst mit auf den Weg gegeben – und da stehen viele wertvolle Konzepte drin, die gerade jüngeren Kolleginnen und Kollegen eine gute Perspektive bieten. Nehmen Sie das Medikationsmanagement, das Impfen oder neue Pharmazeutische Dienstleistungen als Beispiele. Wenn Politik und Gesellschaft erkennen, welchen großen Nutzen die Expertise der Apothekerinnen und Apotheker für die Gesundheit der Menschen bringt, wird es die erforderliche Anerkennung für den Berufsstand und damit die Motivation für junge Leute zum Studium und zur Selbstständigkeit geben.

  • Forstpolitik auf dem Holzweg

    Das neue Bundeswaldgesetz, die Naturwald-Thesen und die Wirklichkeit Streit um die richtige Forstwirtschaft hat in Deutschland eine lange Tradition – auch die Irrtümer. Nicht nur in Bayern geht der Expertenstreit gerade wieder richtig los. Auch bundesweit hagelt es Kritik am Entwurf für ein neues Bundeswaldgesetz. Im Kern geht es immer um die Frage, ob sich Forstwirtschaft rechnen muss. Oder ob die Steuerzahler dafür aufkommen, dass der Wald sich nicht mehr rechnen muss und der Natur überlassen wird – Borkenkäfer inklusive. Nicht nur, weil der Jäger und Landwirt Hubert Aiwanger seit der Landtagswahl für den bayerischen Staatsforst zuständig ist, gärt es dort gewaltig. Sondern auch, weil selbst in Öko-Kreisen die Meinungen über den richtigen Umgang mit dem „Grünen Holz“ offenkundig meilenweit auseinander gehen. Aktuelles Beispiel: Beamte im Nationalpark Bayerischer Wald wollen die Fläche ausweiten, auf denen der Borkenkäfer dort bekämpft wird. Norbert Schäffer hingegen, Vorsitzender der bayerischen NABU-Niederlassung „Landesbund für Vogelschutz“, kritisiert eine „fachlich nicht nachvollziehbare Argumentation“. Klar ist wohl, dass der Käfer auch im Nationalpark vermehrt schlüpft und entsprechend in die angrenzenden Wirtschaftswälder ausschwärmt. Der alte, mühsam befriedete Streit mit den Park-Nachbarn droht wieder aufzuflammen. Denn es gibt ja auch die Denkschule, dass der Käfer hilft, die gern geächteten „Fichtenplantagen“ durch „gesunden Mischwald“ zu ersetzen, der vermutlich (!) mit Hitze und Trockenheit weit besser klar kommt. Der vergangene Sommer mit großflächigen Dürre-Kalamitäten gerade auch in Laubwäldern stellte da manche Theorie auf harte Proben. Quer durch die Öko-Fronten Quer durch die Öko-Fronten geht auch die Debatte um die Nutzung des nachwachsenden Rohstoffs Holz. Während sogar der Berliner Klima-Minister den Plan aufgegeben hat, moderne Holzheizungen zu ächten, kämpfen diverse Verbände (und einzelne Förster) weiter dafür, das Holz lieber im Wald verrotten zu lassen. Was zwar ebenfalls Kohlendioxid freisetzt und den erwähnten Käfern die Verbreitung noch leichter macht. Aber der Theorie folgt, dass die Natur die Dinge am besten von alleine regelt. Aber wohl nicht die Forderung der Bundesbauministerin, dass die Deutschen viel mehr mit Holz bauen sollten. „Praxisfern, bürokratisch, verfassungswidrig“ nennt eine Arbeitsgemeinschaft der wichtigsten deutschen Waldbesitzerverbände den Entwurf für ein neues Bundeswaldgesetz. Das Regelwerk gefährde die Klimaziele und die nachhaltige Bewirtschaftung durch noch mehr „Regulierung und Bürokratisierung“, der „dringend nötige, klimaresiliente Umbau und Schutz der Wälder (werde, d. Red.) an vielen Orten nicht mehr möglich“. Dass der Gesetzgeber den Eigentümern bis hin zur Wahl der Baumarten ihr Handeln vorschreiben will, gefährde „den Fortbestand einer fachgerechten, flexiblen und vor allem nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder“. Zu den zentralen Streitfragen hinter den akuten Debatten gehört nicht nur die populäre Naturwald-Theorie. Mindestens genauso spannend ist der Streit um immer intensivere Freizeit-Nutzung, etwa durch Mountainbiker. Letzterer bringt einige Öko-Verbände – wie schon der alpine Ski-Tourismus – in die Verlegenheit, treue Fans zu brüskieren, wenn sie der Natur gerecht werden wollen. Beim Streit um Wege-Gebote und Betretungsverbote jedenfalls fühlen sich Waldbesitzer ziemlich alleingelassen. Auch mit der Erkenntnis, dass ein Übermaß an touristischer Nutzung das Schalenwild in die dichten Bestände treibt und so den Verbiss befördert. Streit um Rolle von Raubtieren Zugespitzt geht es um Fragen wie die, ob der Wald als Allgemeingut von kommerzieller Nutzung zu befreien sei. Oder ob besser wäre, die Regulierung der Wildbestände Raubtieren zu überlassen. Dass Natur der Artenvielfalt oft eher entgegenwirkt statt ihr zu nützen, haben Waldbesitzer schon vor Jahrzehnten nachgewiesen. Sich selbst überlassen setzen sich die stärksten Arten durch. Schwedische Forscher sind da erkennbar ergebnisoffen und stellen fest, dass frisch gepflanzte Bäume mehr Kohlendioxid binden als alte Baumriesen. Oder dass es dem Wald in Wolfsregionen nicht besser geht als anderswo. Max von Elverfeldt, Bundesvorsitzender der Familienbetriebe Land & Forst, zur aktuellen Kampagne: „Gerade mit Blick auf die großen Herausforderungen durch den Klimawandel und seine Folgen brauchen wir für den Wald pragmatische Lösungen, keinen politischen Regulierungseifer.“ Die Verbände lassen zudem eine Verfassungsklage vorbereiten: Zumal die Beschränkung der Baumartenwahl und die Begrenzung waldbaulich-betrieblicher Freiheiten seien als Eingriff in die Eigentumsrechte verfassungswidrig. „Die Bundesregierung ist in jeder Hinsicht auf dem Holzweg, 48 Prozent der deutschen Wälder befinden sich im privaten Besitz“, sagt Max von Elverfeldt: „Das Gesetz wirkt demotivierend und gängelt ausgerechnet diejenigen, die sich um den Wald kümmern. Es wird den Waldumbau eher verhindern als beschleunigen.“

  • Unsägliche Politikerattacken und Weichenstellung auf einem Parteitag – Die SPD und ihre Antworten auf jagdliche Prüfsteine

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, für diese Woche ist es schon eine Herausforderung, die bedeutenden Ereignisse bewertend in einem Text zusammenzubringen. Das bezieht sich auch darauf, relevante Debatten und Beschlüsse zu den uns nahe liegenden Themen herauszuheben und zu bewerten. Da hat sich mit Ausnahme einer umstrittenen Stellungnahme der SPD vor der Europawahl zur Jagdpolitik (s.u.) weiter wenig Nennenswertes mit Blick auf die Strukturen des ländlichen Raumes ereignet. Das, was sich im Wald tut und getan wird, haben wir bereits zum 1. Mai in unserem Blog beschrieben. Zu Beginn der kommenden Woche werden wir noch einmal auf die kontrovers geführte und anhaltende Debatte um die Nutzung unseres wichtigsten nachwachsenden Rohstoffes, des Holzes, eingehen. Auch das wird uns noch länger beschäftigen. Der allgemeine politische Blick auf die letzten Tage muss zunächst die unsäglichen Überfälle und Attacken auf demokratische Politiker und Wahlkampfhelfer erfassen. Plakate kleben oder Straßenwahlkampf unter Polizeischutz? Das kann es nicht sein. Und schwere körperliche Angriffe auf Politiker wie jetzt auch auf Franziska Giffey wirken nach den Dresdener Attacken und den immer wieder gemeldeten Angriffen auf Kommunalpolitiker eskalierend. Das fordert die Innen- und Sicherheitspolitik heraus, wobei sich der Justizminister in Berlin zurückhaltend zeigt, Gesetze zu ändern und das Strafmaß zu erhöhen. Dagegen kommen aus den Ländern Stimmen, das Strafgesetzbuch zu erweitern, um Amts- und Mandatsträger stärker rechtlich zu schützen. Jedenfalls meint der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung: „Wir sind viel zu lasch und luschig.“ Er bezieht das auf seine selbst erlebte Quote zwischen Anzeigen und Urteilen: 50:2. Im Mittelpunkt der politischen Woche stand natürlich der CDU-Parteitag mit Vorstandswahlen, einem neuen Grundsatzprogramm und Kampagnenauftakt zur Europawahl. Dazwischen, so hört man, wurde als teambildende Maßnahme auch kräftig gefeiert. Zusammengefasst hat sich die große Unionsschwester gefestigt, um auch den Umfragedeckel bei 30 Prozent dauerhaft nach oben zu durchbrechen. Sie hat sich in eine erneute Aufstellung in die Startblöcke zur Kanzlerpartei begeben. „Frei von Unfällen und Nachlässigkeiten“ Und das mit Friedrich Merz, der zusammen mit seinem Generalsekretär Carsten Linnemann das Bild einer CDU mit veränderten, der Zeit angepassten und neu formulierten Grundsätzen demonstrativ nach außen trägt. Die 1001 Delegierten folgten ihrem mit fast 90 Prozent wiedergewählten Vorsitzenden, dem bisher manchmal nachgesagt wurde, integrierende Wirkung gehöre eben nicht zu seinen Stärken. Das hat sich wohl geändert. Die vor dem Konvent in Berlin immer wieder zu vernehmenden nostalgischen Stimmen mit inhaltlichen Erinnerungen an die letzte Kanzlerinnenära sind leiser geworden. Und das gilt auch für die Töne, die vorher aus Düsseldorf, Kiel und natürlich München Merz verstimmt haben. Selbst kritische Beobachter der Union attestieren ihm letztendlich ein überzeugendes Ergebnis, und die ihm nicht gerade nahestehende Süddeutsche Zeitung wertet seine Rede „frei von Unfällen und Fahrlässigkeiten“. Das ist der Unterschied zwischen Distanz und Nähe: Die CDU-Delegierten feierten ihn mit Applaus in Parteitags-Rekordlänge. Auch die scharfe Kritik von Merz an den Ampelparteien trübt nicht den Blick auf mögliche eigene spätere Regierungsmehrheiten. Schwarz-grüne Blaupausen aus einigen Ländern sind inhaltlich nicht eins-zu-eins nach Berlin übertragbar. Kernthemen wie Wirtschaft, Finanzen, Soziales und Klimapolitik unter Einschluss ihrer Auswirkungen auf die ländlichen Räume bleiben zwischen Union und dem nach der Koalitionsvereinbarung sogenannten „Fortschrittsbündnis“ unverändert scharf kontrovers. Beim Grundsatzprogramm gab es regen Diskussionsbedarf im Detail – wohlwissend, dass Parteiprogramme steinige Wege zur Realisierung vor sich haben. Gleichwohl picke ich hier eine von den Delegierten beschlossene Initiative aus Niedersachsen und Westfalen heraus: Der Artikel 20a des Grundgesetzes, der den Staat zum Klimaschutz verpflichtet, soll danach bei dem Ziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen um den Begriff der Ernährungssicherheit ergänzt werden. Das ist eine Nuance, um die es im Zweifel für spätere Generationen existenziell werden könnte. Die Rechnung der Metropol-These geht kaum noch auf Wie schon auf dem jüngsten CSU-Parteitag spielte der ländliche Raum jetzt auch bei der nördlichen Schwesterpartei in Redeminuten eine Nebenrolle. Als es noch um satte Mehrheiten für die Union ging, florierte die These, dass Alleinregierungen in greifbare Nähe rücken (und in Bayern verteidigt werden), wenn es gelänge, das Großstadt-Publikum zu gewinnen. Bei Edmund Stoiber, einem Vordenker der Metropol-These, schien die Rechnung noch aufzugehen. Danach kamen Politiker-Generationen, für die das nicht mehr gelten kann. In Bayern sorgen die Freien Wähler dafür, dass die AfD-Allmachtträume Fantasie bleiben. Worüber Söder nicht gern redet und worauf die CDU in ihrem „Verbreitungsgebiet“ nicht bauen kann. Noch ein paar Bemerkungen zur Europawahl. Da war auch der Auftritt der Kommissionspräsidentin und EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen mit der Kernaussage für die bürgerlichen Parteien: „Wir stehen für ein Europa der Vernunft.“ Das kann man sich nur verstärkt wünschen, wenn man hierzulande über die ersten Plakate der Exoten oder nach der Schmarotzerpflanze benannten Orchideenparteien stolpert. In Deutschland fallen sie unter keine Sperrklausel und haben mit 0,5-Prozent der Stimmen wenigstens einen Sitz. Sie kommen mit abenteuerlichen Slogans daher, wie man bei dem sogenannten Satiriker Sonneborn erschreckend feststellen muss. Da sind auch Dümmlichkeiten wie „SUV anzünden“ mit dem Zusatz in Minischrift „ist eine Straftat“. Oder bei anderen „Wo willst Du in 800 Jahren leben“ (Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung) bzw. „Sei kein Arschloch“ (Volt). Wer so einen Platz im EU-Parlament erreicht, bewegt nichts, kassiert aber Diäten von monatlich 7.853,89 EUR netto nach Abzug von EU-Steuern und Versicherungsbeiträgen. Dazu gibt es die Pauschalen wie Tagegelder und kostenfreie Bildung für Abgeordnetenkinder auf der Europaschule in Brüssel. Sonneborn gilt mit seinem Geschäftsmodell MdEP übrigens in Brüssel als einer der faulsten Abgeordneten, der abwechselnd mit ja und nein stimmen wollte, das dann aber bei Russland-Voten als ausgewiesener Putin-Freund nicht durchhielt. Vielleicht sollten auch Verfassungsrichter noch einmal ihre Haltung zum Wegfall von Sperrklauseln überprüfen. Widersprüchliche Position der SPD zum Wolf Ein anderes Ärgernis zur Europawahl bescherte in dieser Woche die SPD mit ihren Antworten auf jagdliche Prüfsteine. Zum Thema Wolf hält sie den Herdenschutz für das „alleinige Mittel zur Schadensprävention“. Mit der Antwort werden damit nach Auffassung des Deutschen Jagdverbandes (DJV) Forderungen auch aus den eigenen Reihen der SPD in Regionen konterkariert, die von der Ausbreitung des Wolfes besonders betroffen sind. Dazu stehe diese Position in starkem Gegensatz zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz 2023 und dem im Koalitionsvertrag auf Bundesebene festgeschriebenen Regierungsauftrag. Danach soll ein regional differenziertes Bestandsmanagement eingeführt werden. Und in einem weiteren Punkt lehnt die SPD die Bau- und Fallenjagd komplett ab, obwohl jegliche wissenschaftliche Grundlage dazu fehle. Ein Verbot der Fangjagd würde z.B. den Hochwasserschutz unmöglich machen. Beispiel: Die invasive Nutria breitet sich weiter aus und unterhöhlt großflächig Deichanlagen an Flüssen sowie am Meer. Sie gefährdet damit die Sicherheit von mehr als einer Million Menschen allein an den deutschen Küsten. Jeder Kundige weiß: Da hilft nur die Fallenjagd. Nun noch eine kleine Bemerkung zu Freuden der Jagd. Im Osnabrücker Land hat ein Jagdfreund ein kleines Jubiläum als Anlass zum Feiern und Spenden genommen: Das (nicht offizielle) goldene Jubiläum „50 Jahre Jagdschein gelöst“ führte zur Einladung einer größeren und fröhlichen Runde. Vorher bat der Jubilar darum, eine Anlassspende zugunsten unserer Stiftung aufzulegen. Das könnte doch Schule machen. „natur+mensch“ finanziert ihre Projekte zum Thema Wald + Wild, zur Naturpädagogik und zur Öffentlichkeitsarbeit auf diesem Wege. Daran sei einmal in eigener Sache erinnert! Fundraising gehört zur Arbeit der Stiftung. Was bei uns neu ist Und noch ein Hinweis zu unserem Blog: Seit dem 8. Mai haben wir „natur+mensch“ technisch und optisch aufgefrischt. Dank der immer weiter zunehmenden Reichweite (zurzeit monatlich weit über 50.000 Nutzer) haben wir uns für einen Wechsel zu einer Plattform entschieden, die mit ihrer intuitiven Technologie besonders benutzerfreundliche Webseiten ermöglicht. Vor allem auf mobilen Geräten – egal ob Tablet oder Smartphone – lassen sich die Inhalte schnell laden und sehen modern aus. Für unsere langjährigen Nutzer ändert sich nichts. Besuchen Sie unseren Blog weiterhin über die Ihnen bekannte Webadresse www.blog-natur-und-mensch.de Sie werden feststellen, dass Sie – abgesehen von einem frischen Design – wie gewohnt direkt auf die aktuellen journalistischen Beiträge geleitet werden. Auch auf unserer neuen Webseite können Sie mit einem Knopfdruck den Artikel Ihrer Wahl in den sozialen Netzwerken teilen oder ihn sich ausdrucken lassen. Unsere neue Webseite ermöglicht es uns zudem, Ihnen eine noch komfortablere Vorlesefunktion all unserer Artikel anzubieten. Bei der Menüstruktur unserer Webseite bleibt alles beim Alten. Informieren Sie sich gerne „Über uns“, erfahren Sie mehr über unsere Autoren oder treten Sie direkt mit uns in Kontakt. Zum Schluss: Aus aktuellem Anlass schreibt das Institut für Demoskopie Allensbach etwas zum Muttertag zu Ehren derjenigen, die „den Haushalt schmeißen und Kinder erziehen“. Die Forscher erinnern daran, dass Deutschland noch weit davon entfernt sei, den Alltag zwischen Vätern und Müttern annähernd gleich aufzuteilen und in diesem Sinne partnerschaftlich zu gestalten. „In der elterlichen Arbeit wenden Mütter täglich 3 Stunden und 48 Minuten für die genannten Aktivtäten auf, Väter 2 Stunden und 11 Minuten.“ Damit wissen wir jetzt minutengenau, wer im Haushalt was tut. Dabei befinde sich die „Müttererwerbstätigkeit“ aktuell auf einem Höchststand. Mit dieser Erkenntnis und ausgeruht vom Feiertag wünsche ich Ihnen ein schönes Frühlingswochenende. Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination

  • Die Angst vor der „Geisterstadt“

    Viele Kommunen leisten viel, um ihre Ortskerne weiter attraktiv zu halten. Wenn der Handelsverband jetzt die Bundesregierung vor der Kulisse der Galeria-Krise zum „Innenstadtgipfel“ aufruft, darf es nicht nur um die Metropolen gehen Grundsätzlich stimmt diese Gleichung: Ohne einen florierenden und bestenfalls familien- und inhabergeführten Einzelhandel sähe es in vielen Ortskernen öde aus. Denn wenn attraktive Einkaufsmöglichkeiten fehlen, haben es auch Cafés und Restaurants schwerer. Einkaufserlebnisse gehören mit zur Lebensqualität. Für die Rettung des Warenhauskonzerns Galeria-Karstadt-Kaufhof hat der Staat bekanntermaßen tief ins Portemonnaie gegriffen und finanzielle Schutzschirme aufgespannt. Die dritte Insolvenz innerhalb von dreieinhalb Jahren konnte trotzdem nicht verhindert werden. Das Filialnetz des einstigen Riesen – so viel ist bereits sicher – wird auch unter der Regie eines neuen Eigentümers weiter schrumpfen. Die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte geht in Deutschland seit Jahren zurück. Laut Handelsverband Deutschland (HDE) ist die Anzahl seit 2015 von 372.000 auf 311.000 gesunken. Und für das laufende Jahr rechnet der HDE mit 5000 weiteren Schließungen, obwohl auch das Online-Geschäft längst nicht mehr so rund läuft wie in den Corona-Jahren. Mit einem wiederkehrenden „Innenstadtgipfel“, Fördermaßnahmen und einer neuen Innenstadt-Akademie, die unter anderem wie ein belebendes Netzwerk wirken soll, will der HDE diese bedrohliche Abwärtsspirale aufhalten. HDE-Präsident Alexander von Preen, Geschäftsführer der Intersport Deutschland eG, liegt richtig. „Wenn der Einzelhandel geht, stürzen ganze Innenstädte“, lautet seine Warnung. Dass manch ein Dorf dies bereits schmerzlich erlebt hat, sollte nicht unerwähnt bleiben. Einzelhandel für eine Gründungsinitiative Doch wer kann helfen? Auf der großen politischen Bühne sitzen Bundesbauministerium, Bundeswirtschaftsministerium und Bundesverkehrsministerium mit im Boot. Deren Abstimmung, so kritisiert der HDE, ist aber in Sachen Innenstadtstärkung nicht optimal. Der Verband schlägt eine Gründungsoffensive vor: Wer ein Geschäft in der Innenstadt eröffnet, soll für bis zu 60 Monate Zuschüsse bekommen – für Geschäftseinrichtung, die Datenverarbeitung inklusive des Kassen- und Warenwirtschaftssystems sowie Marketingmaßnahmen. Ob man den großen „Innenstadtgipfel“ benötigt, beurteilen die Kommunalverbände unterschiedlich. Denn längst kümmern sich in vielen kleineren und größeren Städten Manager um die jeweiligen Ortskerne. Politik, Verwaltung, Handel, Hauseigentümer, Vereine und Verbände – viele ziehen gemeinsam am Strang. Nicht nur Geschäfte, auch soziale Einrichtungen wie Kindergärten, Wohnungen und Kulturangebote gehören ins Zentrum, lautet das neue Credo. Inzwischen gibt es Erfolgsgeschichten, die in verschiedenen Portalen erzählt werden. Viele stammen aus kleineren Kommunen im ländlichen Raum. Bekämpfung von Leerständen und schleichender Verödung „Unsere-stadtimpulse.de“ bietet Best-Practice-Beispiele für die Innenstadtentwicklung. Die Internetseite wurde 2021 gemeinsam vom HDE, dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund sowie der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland und der Cima Beratung + Management GmbH angestoßen. Hier wird gezeigt, wie man Leerstand und schleichende Verödung bekämpfen kann. Die Zeitschrift „Kommunal“ machte sich kürzlich auf den Weg ins niedersächsische Buchholz in der Nordheide, wo bei einer Onlinebefragung der Bürger das Zentrum überdurchschnittlich positiv abgeschnitten hat. Die Redaktion wollte wissen, was die 43.000-Einwohner-Stadt besonders gut macht. Ergebnis: Die Kleinstadt hat neben einer Fußgängerzone, die viele Plätze und Bäume (grüne Inseln) aufweist, ein attraktives Kulturangebot für drinnen und draußen. Die Zahl der Leerstände ist überschaubar. Die Buchholzer halten sich gerne in ihrer Stadt auf, verbinden Einkauf und Erlebnis. Zum Nulltarif gibt es aber auch solche Erfolgsgeschichten nicht. Die Stadt investiert, kommuniziert und holt Treiber mit ins Boot. Der „Innenstadtgipfel“ wird hier nicht gefordert, sondern längst gelebt.

  • Zahm wie nordfriesische Lämmer 

    Die Grünen Schleswig-Holsteins haben in jüngster Zeit gegenüber Teilen der Bundesregierung angemahnt, für ihr Land umweltpolitische Ziele nicht aufzuweichen. So haben sich auch Robert Habeck ins Visier genommen. Ist jetzt wieder Ruhe? Wochenlang hatten die Grünen in Schleswig-Holstein die Bundespartei und insbesondere die grünen Teile der Bundesregierung ins Visier genommen. Vorwurf: in Berlin fehlten in der praktischen Politik, die das Land zwischen den Meeren betrifft, die Einhaltung der grünen Ausgangspositionen und Grundsätze. Dabei bezogen sie auch ihren ehemaligen Spitzenmann im Berliner Ministeramt ein. Zur Abrechnung mit Robert Habeck kam es dann jedoch beim Landesparteitag am Wochenende nicht. Für die Beobachter herrschte „Friede, Freude, Eierkuchen“ unter den Delegierten. Sie gaben sich zahm wie nordfriesische Lämmer. Nur Bauernverbands-Chef Klaus-Dieter Lucht sprach dann als Gastredner Tacheles. Was hatten sie geschimpft, die Grünen im hohen Norden. In Berlin würden die grünen Grundideen verloren gehen, in der Ampel sei kaum noch etwas von grüner Politik zu spüren. Robert Habeck weiche vom Kurs ab und lasse sich „unterbuttern“, wie es sinngemäß zwischen Pinneberg und Flensburg hieß. Jetzt aber, auf dem Landesparteitag in Neumünster, gab es Lobeshymnen statt Kritik. Landes- und Bundespolitiker lobten sich gegenseitig. Kaum ein kritischer Beitrag war von den rund 100 Delegierten zu hören. Selbst der am Koalitionspartner CDU im Landtag gescheiterte „Nationalpark Ostsee“ wurde nur am Rande zum Thema. Die Grünen im hohen Norden wagen keinen Aufstand gegen Ministerpräsident Daniel Günther. Hatte er sie doch mit seiner CDU nach der Landtagswahl mit ins Boot geholt. Dafür kassierte der vorherige Koalitionspartner, die FDP mit ihrem tüchtigen und damaligen Wirtschaftsminister Bernd Buchholz, trotz seines hohen Ansehens eine Absage. Dies wirkt in Wirtschaftskreisen des Landes bis heute nach. Inzwischen gibt es häufig Kritik - auch aus dem Unternehmensverband – an der Wirtschaftspolitik der Landesregierung. Der zuständige Minister Claus Ruhe Madsen, der aus Dänemark stammt und – abgesehen von vielen Ankündigungen – relativ wenig umsetzt. Ministerpräsident Günther, der bundespolitisch mit der CDU zur Merkel-Linie zurückkehren möchte, steht nun im eigenen Land Ärger ins Haus. Eben, weil die Wirtschaft mit ihrem Minister nicht zufrieden ist. Landwirte: Noch zu wenig Verständnis erreicht Dazu nimmt inzwischen besonders der schleswig-holsteinische Bauernpräsident Klaus-Dieter Lucht kein Blatt vor den Mund. Auch auf dem zitierten Parteitag kritisierte er die Politik der grünen Bundesminister Steffi Lemke und Cem Özdemir auf das Heftigste. Sie hätten EU-Vorgaben zu strikt durchgesetzt und zeigten „viel zu wenig Verständnis für die wirtschaftliche Situation der Landwirte.“ Die Bauern seien immer noch nicht zufrieden mit dem, was an Veränderungen eintrete oder zu erwarten sei. Viele Menschen im ländlichen Raum fühlten sich weiter abgehängt von der Politik, fügte Lucht hinzu. Unterdessen hat der in Rendsburg ansässige Bauernverband der Kieler Landesregierung einen umfangreichen Forderungskatalog mit 33 Punkten zum Abbau der Bürokratie vorgelegt. Die gesamte Wirtschaft kritisiert das Fehlen wirksamer Maßnahmen gegen überbordende Bürokratie- und Gesetzesflut. „Landwirtschaft ist einer der wichtigsten und schönsten Berufe, die es gibt – aber wir sitzen heute mehr im Büro als auf dem Schlepper. Niemand ist deshalb Bauer geworden. Wir brauchen dringend ein Signal der Erleichterung“, fordert Lucht.

  • „Die Leute auf dem Land schreiben in der Regel keine Bücher“

    In ihren Romanen geht es um Menschen, die in Dörfern leben – damit ist die Schriftstellerin Dörte Hansen bekannt geworden. Sie wohnt selbst auf dem Land und wendet sich gegen Klischees „Altes Land“, „Mittagsstunde“ und „Zur See“: Diese drei Romane haben Dörte Hansen bekannt gemacht. Alles Bücher, die in Dörfern spielen. Einen Beweggrund, sich schreibend dem Leben auf dem Land zu widmen, nannte die Autorin und Radiojournalistin aus Nordfriesland kürzlich beim FAZ-Kongress „Zwischen den Zeilen“. In einem Gespräch mit FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube sagte sie, es gebe eine Flut von Büchern über das Landleben, die fast alle nach demselben Muster gestrickt seien: Großstadtmüder Mensch zieht auf das Land und weiß schon nach kurzer Zeit, wie das Landvolk tickt. „Ich fühlte mich in diesen Büchern immer so vollkommen falsch dargestellt als Mensch, der vom Land kommt“ – und der auch jetzt wieder auf dem Land lebt. Dörte Hansen hatte das Gefühl: Die Deutungshoheit über das Landleben liegt bei Leuten, die sich auf dem Land gar nicht besonders gut auskennen. „Denn die Leute auf dem Land schreiben in der Regel keine Bücher.“ Diese Darstellung hielt sie für einseitig; sie bereitete ihr gewissen Ärger. Und das war der Impuls, den Roman „Altes Land“ zu schreiben – ein Werk, das zum Jahresbestseller 2015 der „Spiegel“-Bestsellerliste wurde. „Das Land ist offensichtlich erklärungsbedürftig“ Bemerkenswert findet sie, dass es bei ihren Büchern jeweils heißt, sie habe einen Dorfroman geschrieben. Denn wenn jemand über Menschen in Berlin schreibt, ist das nicht so; niemand würde dann sagen: Er oder sie hat einen Stadtroman geschrieben. „Das Land ist offensichtlich erklärungsbedürftig“, stellt die Autorin dazu fest. Das war Anfang des 20. Jahrhunderts noch anders, als Schriftsteller wie Knut Hamsun das bäuerliche Leben beschrieben und dafür den Nobelpreis für Literatur erhielten. Dörte Hansen, 1964 in Husum geboren, ist selbst als Tochter eines Handwerkers in einem Dorf aufgewachsen, im 400-Einwohner-Ort Högel. Nach ihrem Studium in Kiel, Jahren in Hamburg und im Alten Land wohnt sie jetzt wieder mit ihrer Familie in Nordfriesland. Aber auch wenn sie zu Hause Plattdeutsch spricht – eine Dorfbewohnerin, wie man sie sich typischerweise vorstellt, ist sie nicht: Weder mischt sie bei den Landfrauen mit noch im Schützenverein oder bei der Freiwilligen Feuerwehr. „Letztlich schreibe ich über Verlust“ Die Dörfer haben sich verändert, ist die Autorin überzeugt. Heterogener seien sie geworden. Die Landwirtschaft spielt mittlerweile nur noch eine kleine Rolle – und im Dorf kann es genauso anonym zugehen wie in der Stadt. Es ist nicht mehr so, dass jeder jeden kennt, auch weil sich mitunter Zugezogene bewusst abschotten. In „Mittagsstunde“ beschreibt Dörte Hansen die Veränderung der Dörfer durch die Flurbereinigung, das Verschwinden der kleineren Betriebe und die Zerstörung der ländlichen Idylle. Und das formuliert sie auf eine Art und Weise, mit der sich offenbar so manche Leserin und so mancher Leser identifiziert haben. Oft sind es diejenigen, die selbst im Dorf aufgewachsen sind, die als erste in der Familie Abitur machen und dann studieren – und damit einen ganz anderen Weg gehen als ihre Klassenkameraden. Häufig sind es Menschen, die als junge Erwachsene vom eng empfundenen Dorf in die Großstadt wechseln, aber dort nicht richtig ankommen. „Wir wissen, wovon wir wegwollen, aber wir wissen nicht, wo wir hinwollen“, formuliert das Dörte Hansen im Gespräch mit FAZ-Herausgeber Kaube und bilanziert: „Letztlich schreibe ich über Verlust.“

  • Ostseeblick auf den Flüssiggas-Tanker

    Kurz vor dem Start der Urlaubssaison geht das LNG-Terminal vor Rügen in Betrieb. Bei Einheimischen und Tourismusmanagern gehen alle Alarmstufen auf Rot Es ist wohl das umstrittenste energiepolitische Projekt der vergangenen Jahre: Um einen möglichen Engpass in der Versorgung mit Flüssiggas zu verhindern, genehmigten die Behörden vor zwei Jahren den Bau und Betrieb eines LNG-Terminals vor der Ostseeinsel Rügen. Alles musste schnell gehen, sehr schnell. „Wir benötigen diese Menge, um nach dem Angriff auf die Ukraine die ausfallenden Gasimporte aus Russland dauerhaft zu ersetzen", erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) diese Kehrtwende im Frühling 2022. Rügen war nicht der einzige Standort, der damals für die LNG-Terminals ausgewählt wurde: Deutschlandweit waren und sind es fünf. Zwei davon befinden sich in Niedersachsen (in Wilhelmshaven an der Nordsee und in Stade an der Elbmündung), einer im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel sowie zwei in Mecklenburg-Vorpommern. Während aber die Ansiedlung in Lubmin weitgehend ohne Proteste abläuft, gibt es auf Rügen bzw. Mukran erheblichen Ärger. „Horrende Schäden für unsere Insel“ Anwohner, Politiker und Tourismusmanager fürchten um die Natur, die Schönheit der Insel. Und genau diese ist notwendig, um weiter als deutsches Reiseziel Nummer eins für Touristen zu glänzen. „Wenn die Anlage tatsächlich so gebaut wird, erwarten wir horrende Schäden für unsere Insel“, erklärte ein Sprecher der Gemeinde Binz. Meterhohe Kräne und Hafenanlagen trüben dann den Blick des erholungsbedürftigen Urlaubers aus dem Strandkorb, die Artenvielfalt wäre gefährdet. Und mit der Ruhe wäre es auch noch vorbei. Befürchtungen, die man auch Kanzler Olaf Scholz und Minister Robert Habeck bei einem sogenannten Vor-Ort-Termin zu erklärten versuchte. Vergeblich. Besonders der Tourismus, von dem fast alle Menschen und Branchen auf der Insel leben, ist ein kostbares, aber zerbrechliches Gut: Jedes Jahr kommen 1,2 Millionen Gäste nach Rügen. „Rügen ist im Gegensatz zu anderen LNG-Standorten kein Industriegebiet, sondern mit 1,2 Millionen Feriengästen die meistbesuchte Insel Deutschlands“, heißt es übereinstimmend. Diese Unberührtheit sei ein absoluter Trumpf, den man angesichts der strukturschwachen Gegend in Mecklenburg-Vorpommern nicht aufs Spiel setzen wolle. Ein weiteres Argument der Terminal-Gegner: Das Terminal in Mukran sei doch jetzt gar nicht mehr notwendig. Die Energieversorgung auch im Winter sei durch die vier anderen Standorte mehr als gewährleistet. Deutschland beim Flüssiggas ganz vorn Doch in Berlin rechnet man – wohl noch immer unter dem Schock des Gasstopps aus Russland – offenbar in anderen Dimensionen: Laut der Datenbank „Global Oil and Gas Exit List“, aus der das Handelsblatt zitiert, plant Deutschland langfristig mit Kapazitäten von 69 Milliarden Kubikmetern (bcm, von „billion cubic meters“). Das wären deutlich mehr als die von der Bundesregierung im März geschätzten 54 bcm. Gelingt diese Kapazitätserweiterung, wäre Deutschland damit unter den größten vier Baunationen von LNG-Terminals – zusammen mit China, Vietnam und Indien. Und es sieht ganz danach aus, dass die Bundesregierung weiter Tempo macht. Ende April hat das Unternehmen Deutsche Regas die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Bau und Betrieb des LNG-Terminals erhalten. Konkret machte das zuständige Landesministerium in Schwerin den Weg frei für die Errichtung der zwei schwimmenden Anlagen zur Speicherung und Regasifizierung von verflüssigtem Erdgas, einer landseitigen Kraft-Wärme-Kopplung-Anlage und zwei Versorgungsleitungen; die Genehmigung gilt bis Ende 2043. Sie umfasst jährlich maximal 110 Anlieferungen von Flüssiggas per Schiff. Umgerechnet: Jeden dritten Tag kommt ein solches Schiff, muss entladen werden. Auch von den höchsten Verwaltungsrichtern können die Protestler und Umweltaktivisten auf der Insel keinen Beistand erwarten: Das Bundesverwaltungsgericht wies zuletzt die Klagen zweier Umweltorganisationen gegen die Gaspipeline von Mukran nach Lubmin ab. Konsequenz: Mit der rund 50 Kilometer langen, bereits fertiggestellten Pipeline können die schwimmenden LNG-Terminals nun an das Gasfernleitungsnetz in Lubmin östlich von Greifswald angebunden werden. Mitte Mai soll die Anlage in Betrieb geben – sechs Wochen vor Start der heiß ersehnten Feriensaison auf Rügen.

  • Ministerin drängt auf schärferes Waffenrecht – Meinungsumfrage zum Wolf – Ländlicher Raum auf Abstellgleis

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, viele von uns haben das schöne, frühlingshafte Wetter und den Brückentag 1. Mai für einen Ausflug oder gar einen Kurzurlaub genutzt. Wer dafür das Deutschlandticket benutzte, mag es nicht immer bequem, aber in jedem Falle günstig gehabt haben. Ziemlich genau vor einem Jahr, am 1. Mai 2023, waren die subventionierten Fahrscheine für viel Geld und mit großen politischen Lobgesängen von Bund und Ländern eingeführt worden. Anlass genug, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Doch lassen Sie mich zuvor auf ein anderes Ereignis dieser Woche zu sprechen kommen, in dessen Folge wieder einmal Vorurteile gegen Jäger und Sportschützen zutage traten. In Stuttgart hat der erste von drei geplanten Großprozessen gegen eine rechtsgerichtete Organisation begonnen, die unsere politische Ordnung gewaltsam umstürzen wollte. Der Gruppe um Heinrich Prinz Reuß wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ vorgeworfen. Einer der Angeklagten steht zudem wegen versuchten Mordes vor Gericht. Keine Frage, hier haben sich Abgründe aufgetan. Der Rechtsstaat muss sich als wehrhaft erweisen und seine Feinde mit aller Härte zur Rechenschaft ziehen. Die zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser scheint dies ähnlich zu sehen: Es müsse noch mehr getan werden, um Staatsfeindlichkeit und Rechtsextremismus auch in Zukunft effektiv zu bekämpfen, sagte die SPD-Politikerin im Deutschlandfunk. So weit, so gut und richtig. Es ist Faesers Amtspflicht als Bundesinnenministerin, hierbei ein Stück weit voranzugehen. Doch „vor allem“ eine Verschärfung des Waffenrechts, wie sie jetzt im Deutschlandfunk forderte, dürfte wohl kaum die Lösung sein. Denn nicht die Millionen Besitzer von legalen Jagd- und Sportwaffen sind das Problem. Im Zentrum der Überlegungen müssen die vielen illegalen und auf kriminellen Wegen beschafften Waffen stehen. Sie bilden die eigentliche Gefahr. Insofern bedient Faesers Vorstoß ideologische Vorurteile, statt uns in der Sache voranzubringen. Denn klar ist: Jäger und Sportschützen dürfen nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Erneute Debatte um den Wolf Stichwort Jagd. Nachdem der Kanonendonner der politischen Auseinandersetzung um den Wolf einer sachgerechten Debatte um sinnvolles Management der Raubtiere zu weichen schien, wollten wir uns und unseren Lesern eigentlich eine wolfsfreie Zeit gönnen. Nun macht uns der NABU einen Strich durch diese Rechnung. Der Umweltverband hat keine Kosten gescheut und eine groß angelegte Meinungsumfrage zur Akzeptanz des großen Spendenbringers beauftragt. Das Ergebnis überrascht nicht: 73 Prozent der Befragten finden es erfreulich, dass in Deutschland wieder Wölfe leben. Wir freuen uns natürlich auch, bedauern aber, dass der NABU nicht die Gretchenfrage stellen ließ, ob die Menschen glauben, dass es noch nicht genug Wölfe sind. Wo es doch längst amtlich ist, dass die Tiere nicht mehr zu den bedrohten und damit streng geschützten Arten zählen. Und wo sogar Bayerns Grüne zugeben, dass die alpine Weidewirtschaft und der Wolf nicht zusammenpassen. Was unvermeidlich in absehbarer Zeit zur Lockerung der EU-Schutzregeln führen wird – wenn das Bundesumweltministerium endlich offizielle Bestandszahlen nach Brüssel liefert. NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger kommentiert den Sachstand so: „Leider wird immer noch versucht, gezielt Angst mit dem Wolf zu schüren“, das werde „der tatsächlichen Situation der Wölfe in Deutschland und der Wahrnehmung der Menschen nicht gerecht“, findet Krüger: „Anstelle aufgeregter Stimmungsmache müssen wir mehr entlang der tatsächlichen Probleme und Lösungen diskutieren.“ Wir sehen das auch so und sind gespannt, wie ein gewisser Sinneswandel bei den Fans der Wölfe ankommt: „In den Ausnahmefällen, in denen ein Wolf den empfohlenen Herdenschutz überwunden hat, akzeptiert auch der NABU als letztes Mittel einen Abschuss.“ Häufig schlechter öffentlicher Nahverkehr Doch zurück zur eingangs erwähnten Ein-Jahres-Bilanz des Deutschlandtickets. Aus Sicht des ländlichen Raumes fällt sie negativ aus, wie unter Autor Michael Lehner in seinem gestrigen Beitrag in unserem Blog kritisiert und in Zusammenhang mit anderen Subventionen zum Schaden des ländlichen Raums stellt. Und in der Tat, das Grundproblem ist, dass Dörfer und Kleinstädte häufig schlecht oder gar nicht an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen sind. Profiteure der teuren Ticketsubventionen sind die Bürger in Großstädten und in deren näherer Umgebung, den sogenannten Speckgürteln. Diese Unwucht spiegelt sich auch in den Ergebnissen des jüngsten Allensbacher Mobilitätsmonitors wider. Danach halten die Bewohner von Dörfern den Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr lediglich zu vier Prozent für sehr gut und zu 28 Prozent für gut, während die Vergleichszahlen in Großstädten 29 Prozent (sehr gut) und 55 Prozent (gut) betragen. Und eine Besserung zugunsten des ländlichen Raums ist nicht in Sicht. Ursache ist wieder mal das Geld. Viele öffentliche Nahverkehrsunternehmen klagen über sinkende Einnahmen, weil ihre Kunden vormals häufig deutlich mehr für die jeweiligen Tickets bezahlt haben. Es sind Inhaber der früheren Wochen- und Monatskarten, die jetzt auf die billigere Alternative Deutschlandticket umgestiegen sind. Die fehlenden Einnahmen können Bund und Länder nicht vollständig kompensieren. Ergebnis: „Wir waren im ÖPNV nie weiter weg von den im Zuge der Verkehrswende politisch vereinbarten Ausbauzielen als aktuell“, sagt der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Ingo Wortmann. Nicht nur finanziell, auch klimapolitisch ist die Bilanz düster. 11,2 Millionen Menschen sind im vergangenen Jahr für 49 Euro mit Bus und Bahn durch Deutschland gefahren, 16 Prozent von ihnen gaben in Umfragen an, das Auto jetzt häufiger stehen zu lassen. Knapp 90 Prozent aller Fahrten mit dem Deutschlandticket wären jedoch so oder so mit Bahn oder Bus zurückgelegt worden, berichtete VDV-Präsident Wortmann weiter. Es gibt lediglich acht Prozent echte Neukunden. Wortmanns Stellvertreter Knut Ringat ergänzt: „Wenn ich wirklich etwas fürs Klima erreichen will, dann brauche ich mehr als 30 Prozent Neukunden.“ Doch hohe Wachstumsraten verzeichnet das 49-Euro-Ticket nicht mehr. Die Allensbacher Meinungsforscherin Renate Köcher, die den Mobilitätsmonitor 2024 in der vergangenen Woche vorgestellt hat, berichtete, die Bevölkerung auf dem Land habe das Gefühl, wenig Optionen zu haben und auf das Auto angewiesen zu sein. Tatsächlich lebt die überwältigende Mehrheit der Deutschlandticket-Kunden in Städten, nur 21 Prozent kommen vom Land. Die Deutsche Bahn hat derweil angekündigt, in diesem Jahr ihr Schienennetz zu erneuern und rund 1.000 Bahnhöfe zu modernisieren. Insgesamt sollten mehr als 2.000 Kilometer Gleise, 2.000 Weichen und 150 Brücken erweitert, modernisiert und erneuert werden. Laut dem Vorstandsvorsitzenden der zuständigen Bahn-Tochter „DB InfraGO“, Philipp Nagl, wird es damit erstmals seit vielen Jahren gelingen, die Überalterung der Eisenbahninfrastruktur zu stoppen. Dieser Optimismus in allen Ehren, aber für eine grundlegend bessere Anbindung des ländlichen Raums an den Schienenverkehr wären viel größere Anstrengungen erforderlich. Hilfe bei Suche nach Hunden Mitte März hatten wir in unserer Kommunikation, so auch in dieser Wochenkolumne und über unsere Social-Media-Auftritte (u.a. Facebook, X), dazu aufgerufen, sich an der Suche nach zwei offensichtlich gestohlenen bzw. entführten Jagdhunden zu beteiligen. Es ging um die Deutsch Drahthaar-Hunde „Ben“ und „Lissy“. Beide vierbeinige Jagdbegleiter sind am 19. Februar dieses Jahres in Heiligenhaus bei Düsseldorf spurlos verschwunden. Wir bedanken uns zusammen mit der Hundebesitzer-Familie für die Unterstützung und für eine Reihe von Reaktionen und Hinweisen. Der Erfolgsfall ist leider ausgeblieben. Unsere Stiftung nimmt das zum Anlass, weiter die Problematik des illegalen Handels mit Hunden, die im Zusammenhang mit Hundediebstahl oder Entführungen stehen, zu thematisieren. Wir wollen mit Veröffentlichungen und Finderlöhnen verstärkend bei der Suche über unsere Netzwerke helfen. Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination

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