top of page

Bundeskabinett kommt Bauern entgegen – Wolf im bayerischen Jagdgesetz

  • Autorenbild: Jürgen Wermser
    Jürgen Wermser
  • 12. Sept.
  • 6 Min. Lesezeit

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik


ree

Beitrag anhören (MP3-Audio)

Liebe Leserinnen und Leser,


in unserem Wochenkommentar gehen wir auf die jüngsten Kabinettsbeschlüsse zum Agrardiesel und zur Pendlerpauschale ein. Wir weisen auf die Gefahr einer genetischen Verarmung des Rotwildes, die daraus resultierende Degeneration sowie auf lange Sicht ein schleichendes Aus unserer größten Hirschart hin. Und in Bayern haben sich derweil die zuständigen Minister auf ein neues Jagdgesetz geeinigt. Schließlich etwas über unsere Stiftung natur+mensch und unsere Verbreitung: Über 230.000 Nutzer haben wir im August erreicht.


Man kann nur hoffen, dass sich die Politiker der schwarz-roten Koalition in der parlamentarischen Sommerpause halbwegs erholen konnten. Denn in diesem Herbst stehen sie vor gewaltigen außen-, aber auch innenpolitischen Herausforderungen. Während die äußere Sicherheit Deutschlands unter dem Druck Russlands zu bröckeln droht, steigt der Reformdruck im Inneren. Und es gilt, verschiedene Wahlversprechen umzusetzen, damit die Bürger nicht noch stärker als ohnehin schon an der Handlungsfähigkeit dieser Koalition zu zweifeln beginnen. So manches Kabinettsmitglied muss hier seine Hausaufgaben noch zügiger angehen. Für den ländlichen Raum, der in unserem Blog natur+mensch besonders im Fokus steht, gibt es dabei schon erste Lichtblicke. So wurde diese Woche vom Kabinett ein Gesetzentwurf beschlossen, der die gekürzten Subventionen für Agrardiesel rückgängig machen soll. Außerdem soll die Pendlerpauschale auf 38 Cent bereits ab dem ersten Kilometer zwischen Wohnort und Arbeitsplatz steigen. Jenseits der Ballungsgebiete ist dies eine wichtige Maßnahme, um Berufstätige zu entlasten. Denn im Unterschied zu ihren großstädtischen Kollegen steht ihnen viel zu selten eine passende Bahn- oder Busverbindung zur Verfügung.


Ganz abgesehen davon hat Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) schon einige Forderungen aus der Landwirtschaft umgesetzt. So kippte er beispielsweise eine von Bauern entschieden abgelehnte Verordnung zur Stoffstrombilanz, mit der die Nitratbelastung im Grundwasser kontrolliert werden sollte. Während der Nabu dies als Abbau von Umweltstandards kritisierte, sprach Rainer von Bürokratieabbau. Auch beschloss das Bundeskabinett nach Angaben des Ministers, dass Betriebe im Obst-, Gemüse- und Weinanbau Saisonarbeitskräfte künftig 90 Tage lang sozialversicherungsfrei beschäftigen dürfen. Bislang galt die Regelung für maximal 70 Tage. Auch wurde die Frist bis zum 1. März 2026 verlängert, in der Landwirte die Bedingungen für das Tierwohlkennzeichen erfüllen müssen.


Erste Reaktionen aus der Landwirtschaft fallen in einem Punkt auch kritisch aus. So meldete sich am Donnerstag der Präsident des Westfälische Bauernverband, Hubertus Beringmeier: „Für die Tierhalterinnen und Tierhalter ist die Rücknahme der Förderung ein Schlag ins Gesicht. Die Tierwohl-Milliarde war ein Hoffnungsschimmer zur weiteren Optimierung der Tierhaltung – mit einem verlässlichen Finanzierungskonzept und langfristiger Planungssicherheit für die Betriebe“. Die Tatsache, dass die Mittel bisher noch nicht vollumfänglich abgerufen worden sind, liege nicht am Unwillen der Landwirtinnen und Landwirte, in ihre Ställe zu investieren. Fakt sei vielmehr, dass das Förderprogramm aufgrund der praxisfernen Auslegung nur von wenigen Betrieben in Anspruch genommen werden konnte. „Das Ministerium hätte kurzfristige Anpassungen vornehmen können, ohne das Programm insgesamt über Bord schmeißen zu müssen“, so Beringmeier weiter.


Konflikte auf Landes- und Kommunalebene


Doch genug der Bundespolitik. Kräftezehrende Konflikte gibt es für Naturnutzer auch auf Landes- und Kommunalebene reichlich. Mehrfach haben wir im Newsletter und in Blog-Beiträgen auf die Gefahr der genetischen Verarmung des Rotwildes, die daraus resultierende Degeneration sowie auf lange Sicht ein schleichendes Aus unserer größten Hirschart hingewiesen. Erfreulich sind konkrete Bemühungen, diese Entwicklung zu stoppen. In Bayern hat Wirtschafts- und Jagdminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) alle Beteiligten aus seinem Bundesland und dem benachbarten Thüringen an den Gesprächstisch gebeten, um im Einklang mit der Land- und Forstwirtschaft eine Lösung für die länderübergreifende Rhön zu finden. Dort sollen Hirsche künftig in festgelegten Bereichen bis nach der Brunft unbehelligt durch rotwildfreies Gebiet wandern können, um so zum Genaustausch beizutragen. In einem Blog-Beitrag beleuchtet unser Autor Christoph Boll in der kommenden diese Initiative ebenso wie die Ankündigung des Deutschen Jagdverbandes (DJV) und des Nabu, gemeinsam gegen einen im Saarland auf der Grünbrücke über dem Pellinger Tunnel geplanten großen Solarpark zu klagen. Das Projekt würde nach Einschätzung der Experten einen alten Rotwild-Fernwechsel zerstören, der für den Genaustausch zwischen der lothringischen Population und der rheinland-pfälzisch-saarländischen Population im Hunsrück unverzichtbar ist. Das Thema hat unser Autor bereits im Juni angerissen.


Söder hatte Druck gemacht


Während vielerorts in Deutschland noch heftig zwischen Naturschützern, Waldbesitzern, staatlichen Forstleuten und Jägern über ein neues Jagdgesetz gestritten wird, hat man sich jetzt in Bayern nach längerem Streit geeinigt. Unter der Überschrift „Mehr Schutz für den Wald, mehr Freiheit für die Jäger“ berichtet die Süddeutsche Zeitung von einem „wichtigen Durchbruch“ und einem Erfolg von Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) in den Verhandlungen mit Wirtschaftsminister Aiwanger. Eine Intervention von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe offenkundig den Weg frei gemacht. Kanibers Erfolg sei deshalb wichtig, weil der Jagd eine Schlüsselrolle für eine gute Zukunft der Wälder in Bayern zukomme. Worum geht es? Mit der Gesetzesreform will die Staatsregierung den Wald besser vor angeblich zu viel Wild schützen. Denn laut diverser Gutachten müsste in über der Hälfte der Hegegemeinschaften – das sind die 750 größeren Einheiten, zu denen die 12.700 Jagdreviere in Bayern zusammengefasst sind, – dringend schärfer gejagt werden, wenn der Wald eine Chance gegen zu viel Wildverbiss haben solle. In diesen sogenannten „roten Hegegemeinschaften und Jagdrevieren“ sollen Jäger, Waldbesitzer und Forstleute künftig den Zustand des Waldes und der jungen Bäume bei alljährlichen Waldbegehungen beurteilen. Anschließend müssen sie ein Jagdkonzept mit Vorgaben für den Abschuss entwickeln. Die Jäger haben dann später mithilfe von Fotos oder durch Vorlage der erlegten Tiere nachzuweisen, dass sie diese Vorgabe erfüllt haben. Nur in Gebieten, in denen der Verbiss erstmals als rot eingestuft wurde, soll dieser förmliche Abschlussnachweis laut Staatsregierung entfallen.


ree

In Gebieten, in denen die Waldbesitzer und Jäger zu dem neuen Verfahren nicht bereit sind, sollen die Jagdbehörden laut SZ wie bisher einen Abschlussplan festlegen. Ein förmlicher Nachweis, dass die Vorgabe erfüllt werde, sei nicht vorgesehen. Es genüge die Meldung der Jäger, dass dieser nachgekommen sei. Viele Waldbesitzer und Forstleute hatten diese mangelnde Kontrolle kritisiert und von „Postkartenabschüssen“ gesprochen. Dieser Dauerstreit soll nun beendet werden und zugleich eine Menge Bürokratie wegfallen.


Wolf kommt ins bayerische Jagdgesetz


Weitere Punkte der Einigung in Bayern sind die Aufnahme von Wolf und Goldschakal ins Jagdgesetz, was laut Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) auch als Signal an Berlin zu verstehen ist, den Schutzstatus des Wolfs im Bundesnaturschutzgesetz an die neuen Vorgaben der EU anzupassen und ihn abzusenken. Auch wird in der Einigung der Beginn der Jagdzeit auf Schmalrehe und Rehböcke von bisher 1. Mai auf den 15. April vorverlegt. Rehe mit Kitz dürfen wie bisher ausschließlich von 1. September bis 15. Januar geschossen werden.


Der Bayerische Jagdverband (BJV) hatte sich zuvor massiv gegen Neuerungen wie den früheren Beginn des Jagdjahres beim Rehwild gesträubt. Nun erklärte BJV-Präsident Ernst Weidenbusch jedoch gegenüber der dpa: „Persönlich bin ich sehr dankbar, dass Ministerpräsident Söder die Dinge in die Hand genommen und den Streit zwischen zwei Ministerien beendet hat.“ Dagegen sprechen zumindest einzelne BJV-Mitglieder von einem schlechten und rabenschwarzen Tag für die Jagd. Auch der Bund Naturschutz (BN) übte massive Kritik: „Die teilweise Abschaffung der Abschusspläne unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung geht zu Lasten des Gemeinwohls und vor allem auch der kleinen Waldbesitzer.“ Das Thema dürfte im Freistaat also noch weiter für einigen politischen Wirbel sorgen. Wir werden in unserem Blog natur+mensch darüber berichten.


Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang zum Schluss noch etwas in eigener Sache. Unser professionell betriebener Blog hat im vergangenen Monat nachweislich über 230.000 Nutzer erreicht – verteilt auf Website, soziale Netzwerke wie Facebook oder LinkedIn und den Newsletter im E-Mail-Versand. Mit dieser zunehmenden Reichweite kann es uns immer besser gelingen, die Interessen und die Zukunft des ländlichen Raums mit einer Zukunft für die Jagd einzubringen. Dies tun wir mit in unseren journalistischen Beiträgen mit faktenbasierten Argumenten. Wir wollen dabei mit Ihrer Unterstützung in Themenbereichen wie Umwelt, Landwirtschaft und Naturnutzung Brücken bauen im Verständnis zwischen urbanen und ländlichen Gesellschaften.


Natur-Rucksack für belgischen Rotary-Partnerclub Mol


Katrin Dekoninck freute sich über die gelungene Überraschung und versprach, dass die Materialien sinnvoll eingesetzt werden. (Foto: Stefan Vieth)
Katrin Dekoninck freute sich über die gelungene Überraschung und versprach, dass die Materialien sinnvoll eingesetzt werden. (Foto: Stefan Vieth)

Unser Blog, den Sie gerade lesen, wird von der Stiftung natur+mensch herausgegeben, die sich auch auf andere Weise für Wald und Wild und Unterstützung der Naturpädagogik einsetzt. Der Waldrucksack natur+mensch geht zusammen mit Sponsoren vorwiegend an Grundschulen und Kitas, jetzt auch über unsere Grenzen: Bei einem Freundschaftstreffen der Rotary Clubs Mol (Belgien) und Hamm-Mark wurde jetzt unser rot-orangener Natur-Rucksack mit seiner Materialsammlung als Gastgeschenk den Mitgliedern des belgischen Zivilclubs überreicht. „Es ist gut, wenn die Nachbarn enger zusammenrücken, sich gegenseitig stärken und Gutes für die Gesellschaft unternehmen“, erklärte Hamm-Marks Clubpräsident Robert Vornholt bei der Überreichung an seine belgische Amtskollegin Katrin Dekoninck. „Das Motto meiner Präsidentschaft lautet: Natürlich leben. Heimat, Gemeinschaft, Verantwortung“. Die Natur erlebbar zu machen, ist Ziel des Hammer Clubprojektes. 17 von 28 Grundschulen der Stadt haben sich darum beworben, einen Wald-Rucksack für den Einsatz im Unterricht zu bekommen. Ob Becherlupen, Fernglas oder Unterrichtsmaterial – die Jägerstiftung natur+mensch habe eine Materialsammlung komponiert, die Kindern die Natur nahebringt. „Denn nur wer seine Umgebung kennt, kann respektvoll mit Flora und Fauna umgehen. Möge der Wald-Rucksack intensiv genutzt werden“, so Vornholt weiter.


Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und eine gute, für Sie positive Woche.


Mit den besten Grüßen

Ihr Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

Kommentare


bottom of page