Ländlicher Raum im Dauerstress: Höfesterben, Wolfskonflikte, fehlendes Geld
- Jost Springensguth

- 26. Sept.
- 5 Min. Lesezeit
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik

Liebe Leserin, lieber Leser,
heute gibt es von mir eine rückblickende Wochenbetrachtung mit österreichischem Einschlag. Neben dem dramatischen Strukturwandel auf dem Lande beschäftigen wir uns diesmal mit dem galoppierenden Höfesterben dort. Es geht nicht nur darum, dass pro Tag neun Höfe schließen, sondern auch wie dieses Thema die Gesellschaft bewegt: So fasst es beispielhaft eine TV-Dokumentation mit dem Titel „Zwischen Wolf und Klimawandel – Tiroler Alpen unter Druck“ zusammen. Natürlich beginnen wir mit der zweiten aufeinanderfolgenden Haushaltswoche in Berlin und den jeweiligen Generaldebatten über die deutsche Politik, die trotz allen Reformwillens immer mehr unter Druck gerät. Das bezieht sich auch auf den ländlichen Raum, wo Alois Rainer als zuständiger Minister nicht das Geld bekommt, das er für die Umsetzung der angekündigten Pläne braucht.
Haushaltsdebatten sind bekanntlich Generaldebatten. Im Bundestag häuft sich das zurzeit, weil innerhalb von zwei Wochen der Nachtragsetat 2025 und der Haushalt 2026 auf der Tagesordnung standen. In diesem regelmäßigen Wochenkommentar über die Themenfelder von der Finanz- und Innenpolitik über den ländlichen Raum bis zur gesellschaftlichen und politischen Seite der Jagd haben wir am letzten Samstag Bundeskanzler Friedrich Merz schon im Grundsätzlichen zitiert. Das können wir jetzt erneut, weil er zusammen mit dem Finanzminister als Koalitionspartner wieder in die Rededuelle mit Weidel, Reichinnek und Hasselmann auf der Oppositionsseite geriet. Auch wenn der eine oder andere es nicht glauben mag, haben Kanzler und Finanzminister mit ihren Fraktionsvorsitzenden angesichts der Ballung von Problemen der deutschen Wirtschaft wieder einmal schnelle Reformen angekündigt. Das muss nun irgendwie eingelöst werden. Merz: „Wir müssen handeln, wir müssen es schnell tun.“ Der Sozialstaat lasse sich nur mit „echten“ Reformen aufrechterhalten. Und SPD-Fraktionschef Miersch mahnte gleichzeitig zur Eile. „Wir stellen Milliarden für die Infrastruktur, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zur Verfügung. Aber mit einem Haushaltsbeschluss alleine kommt noch nichts bei den Menschen an und wir merken die Stimmung in diesem Land“, warnte er. Die Leute wollen, dass sich was schnell verändert. Recht hat er – trotz zugegebener Bedenken gegen grundsätzliche Reformen der Sozialgesetze.
Dass da für andere Ressorts nicht viel für deren geplanten Wohltaten bleibt, ist klar. Im aktuellen Sprachgebrauch an der Spree wird das alles unter dem Posten „Investitionen“ zusammengefasst. Der Begriff ist so unbestimmt, dass er sich in bereits geplante und laufende Vorhaben auswirkt – ähnlich unklar wie das Wasser, das am Reichstag und am Kanzleramt vorbeifließt.
„Kaum Antworten auf die Herausforderungen“
Dabei werden die Töne aus dem und für den ländlichen Raum immer rauer, wie wir bereits bei der letzten Haushaltsdebatte vor einer Woche festgehalten haben. „Hieße der Landwirtschaftsminister nicht Rainer, sondern noch Özdemir, säßen die Bauern längst wieder auf den Treckern“, höre ich aus meinem Umfeld von Agrariern. So kann man jetzt auch wieder verstehen, wenn nach mahnenden Worten von Rukwied und aus verschiedenen Regionen nun in der Haushaltswoche für 2026 die Generalsekretärin des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Stefanie Sabet, eine Zukunftsoffensive für die heimische Landwirtschaft fordert und damit bereits frühzeitig die Etat-Aussichten für das zuständige Ministerium pessimistisch bewertet: „Der Bundeshaushalt 2026 gibt kaum Antworten auf die Herausforderungen der Land- und Ernährungswirtschaft.“ Trotz leichter Mittelzuwächse gehe das Agrar- und Ernährungsressort geschwächt aus den Haushaltsverhandlungen hervor. Das angekündigte Aus beim Bundesprogramm Umbau Tierhaltung sei dabei das Gegenteil von Planungssicherheit. „Viele Tierhalter hatten durch zahlreiche förder- und genehmigungsrechtliche Hürden bisher gar keine faire Chance, einen Antrag einzureichen.“
Blick in die Nachbarschaft mit einer dramatischen Landflucht
Wir erleben das österreichische Alpenland meist überwiegend aus malerischer Urlaubsperspektive oder vielleicht sogar durch die Jagd in einem der vielen großartigen Reviere dort. Ein Problem teilen wir mit den südlichen Nachbarn: Das ist die Suche nach geeigneter Nachfolge für die landwirtschaftlichen Betriebe. Sie ist ähnlich kompliziert wie bei uns. Und das nicht nur in den Bergregionen, wo die Härte der Arbeit ein ständiges Thema und insbesondere bei älteren Familien für die Hofnachfolge ist. Dort ist das Wirtschaften trotz moderner Maschinenausrüstung auf den Wiesen oder Feldern in der Regel anstrengender als selbst bei uns im Norden der Mittelgebirge. Mir ist diese Meldung auf der Plattform Topos des Österreichischen Rundfunks (ORF) ins Auge gefallen: „Landwirtschaft sucht eine neue Generation.“ Dort heißt es weiter: Pro Tag schließen (in Österreich) durchschnittlich knapp neun Höfe (!). Das ist in Bezug auf die Größe des Landes dramatischer als bei uns, wie wir weiter unten belegen.
Unter Bezug auf eine aktuelle Agrarstrukturerhebung der Statistik Austria wird zunehmend auf das Problem der immer schwieriger werdenden Nachfolgeregelung auf den Höfen hingewiesen. Dass die Kinder automatisch den Betrieb der Eltern übernehmen, sei längst nicht mehr der Normalzustand. Wenn etwa auf kleineren Höfen die Kinder selbst erlebt haben, wie anstrengend die Arbeit von frühmorgens bis spätabends für die ganze Familie ist, sinkt oft das Interesse an der Übernahme. Und das Motto „Kein freier Tag, kein Urlaub, kein Krankenstand“ bleibt dem Nachwuchs nicht verborgen. Es sei denn, es ist dann meist ein Junge, der vernarrt in das ist, was Großvater, Vater oder Onkel in der Generationenfolge machen. So zeigt es die ORF-TV-Dokumentation „Zwischen Wolf und Klimawandel – Tiroler Alpen unter Druck“ an einem Beispiel der Zillertaler Bodenalm, wo die Familien wie eh und je mit geradezu sportlichen Kühen den Auf- und Abtrieb über steile Steinstufen aus der Barockzeit zu bewältigen haben. Und das auf eine Melkalm ohne Zufahrt für Geräte und Fahrzeuge. Alles geht hier zu Fuß über Treppen, die die Vorfahren in den Berg gehauen und gesetzt haben.
Dieser interessante Filmbeitrag und die Textversion dokumentieren außerdem, wie sich der Lebensraum Alm auch dadurch verändert, dass vermehrt Wölfe und Bären in den Alpenraum zurückkehren und Weidetiere gefährden. Dazu gehören auch die frei im Gelände weidenden Schafe. Deutlich wird der Konfliktstoff zwischen der Nutzung des Lebensraumes mit heftig vorgetragenen Abschussforderungen betroffener Weidetierhalter auf der einen Seite und auf der anderen der Willkommenskultur eher beobachtender Naturfreunde zur Rückkehr der Beutegreifer. Das Problem ist natürlich auch auf unsere Seite im bayerischen Alpenraum zu übertragen. Es ist mit der EU-Zuständigkeit für den Schutz als gefährdet eingestufter Tierarten ein gemeinsames und umstrittenes Thema in Europa. Bei uns will der Landwirtschaftsminister jetzt drei Dinge durchsetzen: „Wölfe sollen zeitnah und rechtssicher entnommen werden können, wir wollen ein Wolfsmanagement aufbauen, um jederzeit zu wissen, wie viele Tiere sich wo aufhalten, und wir wollen den Ländern ermöglichen, Gebiete auszuweisen, in denen Wölfe rechtssicher getötet werden können.“ So sagte Minister Rainer es jetzt dem Tagesspiegel. Der Entwurf zur Novellierung des Bundesjagdgesetzes liegt zur Abstimmung im Bundesumweltministerium.
Die Ausbildung der Hunde und ein mechanischer Fuchs
Auf ein weiteres Thema, mit dem wir uns in der kommenden Woche in unserem Blog befassen werden, möchte ich jetzt schon hinweisen: Tierschutzgerechte Jagd ist unerlässlich. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, braucht es gut ausgebildete Jagdhunde. Das gilt auch für die Vierbeiner, die unter der Erde oder im Kunstbau zur Raubwildbejagung eingesetzt werden. Auf der anderen Seite steht die Ausbildung dieser Hunde, vornehmlich Teckel und Terrier, am zahmen Fuchs in der Schliefenanlage bei jagdfernen Menschen oft in der Kritik. Aus diesem Grund stellte auch die grüne niedersächsische Umweltministerin Miriam Staudte Anfang des Jahres diese Ausbildung infrage, als sie den Entwurf eines neuen Landesjagdgesetzes vorlegte. Im Sommer besuchte sie dann mit einem großen Tross im Gefolge eine dänische Schliefenanlage, um sich über eine vermeintliche Alternative zu informieren. Seither ist der mechanische Fuchs unter passionierten Raubwildjägern in aller Munde. Unser Autor Christoph Boll, beleuchtet, was der sogenannte SimFox leistet und welche Defizite er zur Vorbereitung auf die jagdliche Praxis hat.
Eine Begegnung mit Bären kann man auch im Netz erleben. Das ist wohl so auch sicherer als irgendwo in der Natur. Dafür sorgt in sicherer Entfernung auf grenzwertige Weise der Katmai-Nationalpark in Alaska in der sogenannten „Fat Bear Week“. Dabei geht es um die Kür des fettesten Tieres unter sieben weiblichen und fünf männlichen Braunbären. Wer sein Wochenendvergnügen diesmal im Netz sucht, dem ist die Teilnahme an dieser zweifelhaften Abstimmung unter https://explore.org/meet-the-bears noch im Finale bis Dienstag möglich.
Vielleicht fällt Ihnen, liebe Leserin, liebe Leser, auch was Besseres zum Wochenende ein!
In diesem Sinne
Ihr Jost Springensguth
Redaktionsleitung / Koordination







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