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Die Kommunalwahl im Herbst der Reformen

  • Autorenbild: Frank Polke
    Frank Polke
  • 14. Sept.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 15. Sept.

Das Land kommt ohne Reformen in Berlin nicht weiter. Union und SPD beäugen sich misstrauisch. Doch der ausgebliebene Absturz der Sozialdemokraten bei der Kommunalwahl in NRW könnte stabilisierend wirken


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Foto: Holger Lang / pixelio.de
Foto: Holger Lang / pixelio.de

Duisburg, Fußgängerzone, vor zwei Wochen. Bärbel Bas, heimische Bundestagsabgeordnete und Co-Vorsitzende der SPD Deutschlands, möchte eigentlich Wahlkampf machen für die Kommunalwahl. Doch irgendwie schafft es selbst die amtierende Bundesarbeitsministerin und Genossin der Herzen nicht, mit den Menschen in der kriselnden Ruhrgebietsstadt ins Gespräch zu kommen. Abwinken, Kopfschütteln, kurze Sätze wie „Ihr habt uns doch längst vergessen“ – all das muss sich die Co-Vorsitzende der SPD und vielleicht Spitzenkandidatin der NRW-SPD für die Landtagswahl 2027 in NRW anhören. Und das in Duisburg und Dortmund, einstigen Hochburgen für die SPD. Auch hier rücken die Populisten von rechts und links gefährlich der SPD nahe.


Denn auch bei der Kommunalwahl in NRW hat die SPD in ihrem ehemaligen Stammland Verluste hinnehmen müssen. Auch wenn landesweite Hochrechnungen bei Kommunalwahlen immer mit Vorsicht zu genießen sind, gab es mit 22,5 Prozent ein dürftiges Ergebnis. Aber – willkommen in der Wirklichkeit der SPD – es hätte noch schlimmer kommen können. Im Willy-Brandt-Haus ging man von noch größeren Verlusten aus.


Ob das jetzt hilft, das fragile Regierungsbündnis in Berlin in den nächsten Wochen zu stabilisieren, hängt von einigen Faktoren ab. Da wäre die SPD-Basis. Beispiel Jusos. Diese machen Druck, fordern mehr sozialdemokratisches Profil und hartes Abgrenzen gegen den ach so bösen Koalitionspartner CDU in Berlin. „In Wahrheit geht es aber gar nicht um den Kurs oder die Personen der CDU auf Bundesebene“, sagt ein Parteiinsider. In Wahrheit geht es um die Sehnsucht vieler gerade junger Sozialdemokraten, endlich auch so links und radikal daherzukommen wie Heidi Reichinnek bei den Linken. Viele – vor allem jüngere und linke Sozialdemokraten – wollen auch so sein wie „Heidi“. Frech und radikal, laut – und erfolgreich. Das verträgt sich nicht mit Regierungs- und Koalitionsdisziplin.


Ministerien werden zu letzten SPD-Bastionen


Und da wäre die Furcht vor der AfD. Über 16 Prozent landesweit in Nordrhein-Westfalen, gute Ergebnisse vor allem in sozialen Brennpunkten, aber auch in sehr konservativen Regionen wie dem Hochstift. Auch bei der Union regiert nicht erst seit dem Sonntag durchaus die Furcht vor der blauen Welle. Das Gegenrezept: Viele in der Union möchten tatsächliche Reformen einleiten hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit für die angeschlagene Wirtschaft, wollen die Steuern- und Abgabelast für die Mitte der Gesellschaft, wenn nicht reduzieren, doch wenigstens nicht weiter steigen lassen. Experten wissen: Man hat nur zwei Jahre Zeit, um genau dies zu schaffen. Denn 2027 wird in NRW ein neuer Landtag gewählt, 2028 in Bayern, das macht das Regieren auch auf Unionsseite nicht leichter. Also, wenn nicht jetzt, wann dann. Auch die Energiepolitik der neuen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche setzt einfach auf eher wirtschaftsfreundliche Akzente als auf Ideologie.


Landwirtschaft in ruhigem Fahrwasser


Es geht – natürlich – um Krieg und Frieden, es geht um Wirtschafts- und Finanzpolitik, um Steuergesetze und die Belastungen durch einen immer teurer werdenden Sozialstaat. Und dabei ist das Misstrauen auf beiden Seiten trotz aller Beschlüsse und Lippenbekenntnisse sehr hoch. Themen des ländlichen Raums im Diskurs spielen aktuell einmal mehr keine wichtige Rolle. Die gute Nachricht: Die Themen Land- und Forstwirtschaft sind beim Landwirtschaftsminister Alois Rainer in guten Händen. Der CSU-Politiker setzt die richtigen Zeichen (beim Ministeriumsfest wird jetzt wieder Fleisch gegrillt anstatt vegane Köstlichkeiten, die sein Vorgänger Cem Özdemir servierte), die Gesetze aus Brüssel (Lieferkettengesetz, Entwaldungsverordnung etc.) werden nicht mehr in nationalem Recht verschärft, sondern maximal eins zu eins umgesetzt. So etwas schafft Vertrauen in der Branche.


Klar, dass dies nicht allen Besitzstandswahrenden in der SPD gefällt. Sowohl das unter Federführung von Lars Klingbeil stehende Bundesfinanzministerium als auch das von Bärbel Bas geführte Arbeits- und Sozialministerium entwickeln sich immer mehr zu letzten Bastionen sozialdemokratischer Verteilungspolitik. So werden in beiden Häusern Vorlagen oder Gesetze einfach so vorbereitet, dass der Koalitionspartner CDU/CSU oft vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Das schürt Unmut, sorgt für Kopfschütteln und die quälende Frage: Kann man mit diesen Sozialdemokraten wirklich die Wende schaffen, die man sich vorgenommen hat und mit deren Ergebnissen man 2029 in die Bundestagswahl ziehen kann?


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