Schritte zur Bewahrung des Rotwildes
- Christoph Boll

- 17. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Die Warnungen vor einer genetischen Verarmung des Rotwildes zeigen Wirkung. In Bayern sollen Hirsche in einigen rotwildfreien Gebieten stärker geschont werden. Im Saarland klagen DJV und NABU gegen einen Solarpark auf einer Wildbrücke

Deutlich mehr als 200.000 Stück Rotwild leben in Deutschland. Doch immer mehr Vorkommen droht die Verinselung, weil Wanderkorridore fehlen oder sogar zerschnitten und verbaut werden. Die Folgen sind genetische Verarmung. Sichtbar wird die Degeneration unter anderem an verkürzten Kiefern. Langfristig kann diese Entwicklung besonders für kleinere Vorkommen das schleichende Aus bedeuten.
Verantwortliche auf allen Ebenen wollen diese Entwicklung nicht länger hinnehmen. Bereits im vergangenen Jahr wurde mit der Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Rotwild Rhön“ erstmals versucht, über Bundesländergrenzen hinweg neue Wege für die Bewahrung des Edelwildes zu finden. Die Partner auf beiden Seiten, die Hegegemeinschaften (HG) Zillbach-Pless in Thüringen und die Hegegemeinschaft Bayerische Rhön, sprachen von einem „historischen Schritt“ der neuen Kooperation, mit dem die Arbeit für das Rotwild auf eine neue Ebene gehoben werde, „raus aus ineffizienten Strukturen, hinein in die Öffentlichkeit und Politik“.
Gipfeltreffen zu länderübergreifendem Rotwildprojekt
Außerdem haben Rotwildhegegemeinschaften aus der bayerischen, thüringischen und hessischen Rhön in einem Positionspapier ihre Sorge um das heimische Rotwild formuliert. Die Initiative hatte den Plan, ein länderübergreifendes Rotwildgebiet in Bayern, Hessen und Thüringen zu schaffen. Die mahnenden Töne hat auch Bayerns Wirtschafts- und Jagdminister Hubert Aiwanger vernommen. Er erteilte dem Vorhaben jedoch zunächst eine Absage.
Vor zwei Wochen kam es dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit aber doch zu einem mehrstündigen Gipfeltreffen. Der Minister hatte Beteiligte aus Bayern und Thüringen an einen Tisch geladen, um mit ihnen eine aus seiner Sicht passgenaue Lösung für das Rotwild-Management in der Rhön zu erarbeiten. Das Ziel der Diskussionsveranstaltung in Kloster Maria Bildhausen bei Münnerstadt war ambitioniert: Es galt, einen Weg zu finden, wie die genetische Situation beim Rotwild in der länderübergreifenden Rhön im Einklang mit der Land- und Forstwirtschaft verbessert werden kann. Teilnehmer waren unter anderem Vertreter der Landes- und Kommunalpolitik, Hegegemeinschaftsleiter, Vertreter von Jagdgenossenschaften, der Vorsitzende des Bayerischen Waldbesitzerverbands, Kreisgruppenvorsitzende des Landesjagdverbands sowie Mitglieder des Obersten Jagdbeirats.
Junge Hirsche wandern lassen
Aiwanger, selbst Jäger, Chef der Freien Wähler und Vize-Ministerpräsident im Freistaat, ließ danach verlauten, er sehe das Vorhaben auf einem guten Weg: „Wir sind hier gemeinsam auch im Sinne des Artenschutzes ein großes Stück weitergekommen und haben eine gute und punktgenaue Lösung entwickelt. Dazu zählt einerseits, den genetischen Austausch des Rotwilds in der Rhön und den Haßbergen zu unterstützen, indem wir in festgelegten Bereichen Hirsche bis nach der Brunft durch rotwildfreies Gebiet wandern lassen. Danach kann die Jagd dort zwischen November und Januar regulär erfolgen.“
In der Rhön liegen auf bayerischer Seite zwei Gebiete, in denen laut Ausführungsverordnung zum Bayerischen Jagdgesetz Rotwild leben darf: Die Haßberge mit 18.000 Hektar und das große, nah an der Landesgrenze zu Thüringen gelegene Gebiet Spessart/Rhön mit 168.000 Hektar. Insbesondere in den Haßbergen, einem sehr kleinen Rotwildgebiet mit einem Bestand von rund 80 Tieren, stagnieren die Abschusszahlen seit Jahren in auffälliger Weise. Dass der Bestand nicht wächst, lässt Experten befürchten, dass als Folge von Inzucht bereits die Fruchtbarkeit beeinträchtigt sein könnte. Das Rotwildgebiet Haßberge wird unter anderem durch eine Autobahn vom größeren Rotwildgebiet Spessart/Rhön isoliert. Das Auftreten des Wolfes in der Region versetzt die Verantwortlichen zusätzlich in Unruhe.
Den Worten sollen Taten folgen: Aiwanger kündigte an, sein Ministerium werde in enger Abstimmung mit den drei betroffenen Landkreisen Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld und Haßberge eine Gebietskulisse erarbeiten, wo Hirsche künftig zeitweise auf ihren Wanderungen geschont werden könnten. Auch werde man Kontakt zum Bundesforst aufnehmen, der den Truppenübungsplatz Wildflecken jagdlich bewirtschaftet. In einem Punkt war der Minister aber ebenso klar: „Im Sinne des Grundbesitzes werden unsere Jagdbehörden verschärft darauf achten, dass in den rotwildfrei zu haltenden Revieren kein Kahlwild geduldet oder gar illegal gefüttert wird. Es ist nicht geplant, die Rotwildgebiete zu erweitern oder die Bestände anwachsen zu lassen.“
Klage gegen Solarpark
Koalitionäre in Sachen Rotwild-Bewahrung haben sich auch im Saarland gefunden. Dort wollen der Deutsche Jagdverband (DJV) und der NABU Saarland zusammen gegen einen geplanten fast 30 Hektar großen Solarpark auf dem Pellinger Tunnel über der Autobahn A8 klagen. Das wurde während eines gemeinsamen Ortstermins der Kritiker bekräftigt. Für DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke ist unerklärlich, dass andernorts für Millionenbeträge künstliche Wildbrücken über Autobahnen errichtet werden und hier eine quasi natürliche Wildbrücke massiv beeinträchtigt werden soll.
Mit dem Jäger-Präsidenten in der Beurteilung der Bedeutung des alten Fernwechsels einig war der örtliche NABU-Vorsitzende Kurt Robinius. Der Vorsitzende der Rotwildhegegemeinschaft Saarländischer Hochwald, Jörg Lohrig, betonte, dass die jungen wandernden Hirsche diese Querung brauchen und nur durch sie der notwendige Genaustausch zwischen der lothringischen Population und der rheinland-pfälzisch-saarländischen Population im Hunsrück aufrechterhalten werden kann.






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