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100 Tage Regierung Merz, Streit um Jagdgesetze und neue Impulse für Naturpädagogik

  • Autorenbild: Jost Springensguth
    Jost Springensguth
  • 16. Aug.
  • 6 Min. Lesezeit

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik


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Liebe Leserin, lieber Leser,


mit unserem kommentierenden Rückblick auf diese Woche verbinden wir regelmäßig Betrachtungen zu den politischen Entwicklungen, die überall im Fokus stehen, mit dem Blick auf unsere Themen auf dem Lande und damit am Rande. Der Bundeskanzler hat aus außenpolitischen Gründen seinen Urlaub unterbrochen. Und die Innenpolitik geht weiter. Wir fragen zunächst, ob es in diesen Zeiten überhaupt noch immer so etwas wie eine 100-Tage-Schonfrist für eine neue Regierung gibt oder nicht. Daneben erinnern wir daran, dass das Thema Klima und damit zusammenhängend Wälder mit ihren Lebensräumen weiter in aller Munde ist. Es macht Sinn, diese Entwicklungen bei aller großen Politik nicht aus dem Blick zu lassen. Wir schauen also wieder in einige unserer Regionen und kommen zum Schluss auf Anliegen der Jagd und die Arbeit von natur+mensch zurück.


Die 100-Tage-Frist nach einem Regierungswechsel ist traditionell und sprichwörtlich die Zeit, in denen Opposition und Medien die neuen Köpfe in neuen Ämtern mit Kritik schonen. Sie sollen sich einarbeiten können, ihre Stäbe aufbauen und Richtungsentscheidungen einleiten. Das geht zurück auf eine Praxis, die aus der amerikanischen Demokratie stammt und in Washington einmal so aussah: Die im Weißen Haus akkreditierten Journalisten wurden vom neuen Präsidenten 100 Tage nach seiner Einarbeitung zu einem festlichen Dinner eingeladen. Das war das Ende eines so befristeten „Stillhalteabkommens“. Nach ersten Erfahrungen im neuen Amt folgte üblicherweise die Ankündigung neuer grundlegender Regierungsmaßnahmen, die dann auf den Weg gebracht wurden. Das ist Geschichte und gilt wohl auch nicht mehr. Trump hat jedenfalls direkt nach seiner Amtsübernahme bekanntlich erst einmal die an seinem Amtssitz akkreditierten Korrespondenten der Medien neu sortiert und eine Flut von Dekreten unterzeichnet. Das ist Regierungshandeln aus dem Stand. Alle Welt reibt sich die Augen, was dabei herauskommt.


Bei uns ist dagegen in dieser Woche überall von den ersten 100 Tagen die Rede, in denen die Regierung Merz im Amt ist. Sie hat sich selbst keine Schonfrist gegeben. Es gilt die Ankündigung, dass vor der Sommerpause die Menschen einen Aufschwung im Lande spüren sollten, der nach dem Ende der Ampel-Koalition sofort ausgelöst werde. Dementsprechend müssen sich Friedrich Merz und Lars Klingbeil fragen lassen, ob ihr Plan aufgeht, wonach ein schnell eingeleitetes Wirtschaftswachstum wieder mehr Geld in die Staatskasse spült. Der Haushalt sollte so für die nächsten Jahre abgesichert werden, um auch die angekündigten Sozialreformen zu stemmen. Darüber wird bereits viel gestritten. So hat sich jetzt eine große Zahl an Wirtschafts- und Politikwissenschaftlern zur 100-Tage-Frist zu Wort gemeldet und erst einmal weiter düstere Aussichten prognostiziert. Die FAZ schreibt: „Deutschlands Ökonomen geben der Regierung Merz schlechte Noten“ Es wird eine Umfrage zitiert, wonach 42 Prozent der befragten Volkswirte die Wirtschaftspolitik der ersten 100 Tage als eher oder sehr negativ bezeichnen. Nur 25 Prozent sehen die wirtschaftspolitische Bilanz der Regierung Merz danach eher positiv.


Auf der anderen Seite lese ich Einschätzungen wie diese: Gelingt eine Neuausrichtung der Politik in drei Monaten? 100 Tage seien kein Maßstab. Seriöserweise lasse sich erst „nach einem Jahr angemessene Bilanz ziehen“, sagt beispielsweise der Politikwissenschaftler Volker Kronenberg von der Uni Bonn gegenüber dem Focus. Also bleibt nur der Schluss, dass vielleicht auch etwas mehr Geduld gefragt ist. Mit Beginn der Rentendebatte sehen wir, welch hohe finanzielle und in dem Falle demographische Hürden vor grundlegenden Veränderungen in unseren Sozialsystemen liegen. Vielleicht haben wir auch zu viele Fehler in der Vergangenheit gemacht.


Wir bleiben dabei, unser Augenmerk auf strukturelle und politische Entwicklungen des ländlichen Raumes zu legen. Wie läuft die Wirtschaft dort, wo immerhin mehr als 60 Prozent der Menschen bei uns leben und arbeiten? Auch dort gilt, dass nach dem letzten ARD-Deutschlandtrend nur noch 29 Prozent der Deutschen mit der schwarz-roten Regierung zufrieden sind. Die politische Sommerpause, die es in diesem Jahr eigentlich nicht gibt, lenkt unsere Blicke auf Themen, die für uns wichtig bleiben. Wir stehen beispielsweise vor Landtagswahlen Anfang nächsten Jahres in Ländern wie Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Es lohnt sich schon einmal, sich frühzeitig damit zu befassen.


Uns geht es um den Erhalt der Lebensräume des Wildes


Oft haben wir anlässlich aktueller Themen und mit Blick auf Landesstrukturen darauf hingewiesen, dass für den Wald auch unter veränderten klimatischen Bedingungen die Rolle als Lebensraum für die Vielfalt unserer wild lebenden Tierarten erhalten werden muss. Das lehnt sich seit Generationen an die Rolle an, die die Jagd gesellschaftlich einnimmt. Sie hat sicher auch in der Entwicklung der Menschen viel mit Emotionen zu tun. Aber: Sie weckt auch Emotionen, wie wir es gelegentlich und manchmal in schriller Form von Jagdgegnern wahrnehmen. Da ist dann in der Regel wenig von Akzeptanz zu spüren, wenn es um Fakten, Praxiserfahrung und Sachkenntnis über natürliche Abläufe geht. Das wird gern ignoriert. Die Jägerschaft nimmt im Prinzip eine Rolle des Verbündeten zum Erhalt der Weiterentwicklung der Natur ein, wie es über Generationen anerkannt geschieht. In vielen aktuellen Debatten, die wir gerade in der Jagdpolitik etwa über gesetzliche Grundlagen, erweiterte Abschussverordnungen mit Argumenten zum Waldschutz oder auch den Umgang mit invasiven Arten erleben, drängt sich dieser Eindruck auf: Konfliktlinien laufen nicht zwischen den Ansprüchen der Natur und unseren Jägern bzw. Jägerinnen, sondern oft und zunehmend zwischen Naturnähe und Naturferne.


So sprechen wir zum Beispiel über ein faktenbasiertes „Wald-Wild-Bewusstsein“. Das ist ein Begriff, den der Landesjagdverband Baden-Württemberg gerade zum Schwerpunktthema gemacht hat. Als Ausdruck einer tiefen Verbindung zwischen Menschen, Natur und Jagd trage man so Verantwortung nicht nur für das Wild, sondern auch für den Wald, die Biodiversität und das Gleichgewicht der Ökosysteme. So wird in der Verbandszeitschrift „Jagd“ Landesjägermeister Dr. Jörg Friedmann zitiert. Solche Debatten werden verstärkt vor dem Hintergrund weiterer möglicher grundlegender Veränderungen in verschiedenen Landesjagdgesetzen geführt. Auslöser sind insbesondere die jüngsten Parlamentsbeschlüsse in Rheinland-Pfalz. Dem folgen etwa ähnliche jagdpolitische Zielsetzungen der rot-grünen Mehrheit im Saarland.


Aus aktuellem Anlass, aber auch mit Blick auf den bevorstehenden Landtagswahlkampf hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag von Baden-Württemberg, Manuel Hagel, das Thema aufgenommen. Er ist selbst Jäger und Kreisjägermeister in Ehingen, vor allem aber Spitzenkandidat seiner Partei für die nächste Landtagswahl am 8. März. Dann will er die Grünen als bisherige Koalitionspartner aus der Regierung drängen. Und strebt so gleichzeitig die Nachfolge von Wilfried Kretschmann als Ministerpräsident an. Damit will er auch Cem Özdemir als grünen Nachfolger Kretschmanns verhindern. 


Sicher auch angesichts der Verabschiedung des Landesjagdgesetzes im benachbarten Rheinland-Pfalz mit seinen Paradigmenwechseln für die Jagd- und Forstpolitik sieht sich Hagel veranlasst, rechtzeitig klar Position zu beziehen. Sollte er die Regierung künftig führen, werde es keine Änderungen der Jagdzeiten auf Rehwild geben. Zur Rotwildverordnung merkt er an, dass das Abschussgebot auf Hirsche aufgehoben werde. Dies soll es nicht mehr außerhalb der Rotwildgebiete geben. Weiter werde er dafür sorgen, dass das Thema Generalwildwegeplan aus dem Verkehrsministerium in das Ressort für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz übertragen werde. Dem ist jedenfalls zu entnehmen, dass die Jagdpolitik in seinem anstehenden Wahlkampf eine besondere Rolle spielen wird.


Wie neutral kann eine Tierschutzbeauftragte sein?


Zurück zu Cem Özdemir und damit zu seiner Ampel-Vergangenheit als Landwirtschafts- und Ernährungsminister. Er hat während seiner Amtszeit neben den Landestierschutzbeauftragten auch für den Bund eine vergleichbare Position geschaffen. Unser Autor Wolfgang Kleideiter ist gestern mit seinem Beitrag auf die Entscheidung des Özdemir-Nachfolgers Alois Rainer (CSU) mit der Ablösung von Ariane Désirée Kari in diesem Amt eingegangen. Nachfolgerin wird Staatssekretärin Silvia Breher (CDU). Sie wird von unserem Autor Christian Urlage zeitnah als neue Tierschutzbeauftragte in unserem Blog porträtiert. Ein aufmerksamer Leser dieser Wochenkolumnen stellt die zweifelnde Frage, wie neutral die bisherige Tierschutzbeauftragte gewesen sei, auch wenn sie keiner Partei angehörte. Daneben bemerkt er, dass das auch für die Jagd zuständige Ministerium aus dem CIC, dem „Internationalen Rat zur Erhaltung des Wildes und der Jagd“, ausgeschieden sei und ob das nun wieder rückgängig gemacht werde.


Förderung der Naturpädagogik und Kooperation


Die Übergabe des Waldrucksacks natur+mensch erfolgte im Beisein von Schulleiter Ulrich Solbach und Silvia König (Biologie). Alle zeigten sich erfreut über die Unterstützung und betonten die Bedeutung außerschulischer Lernangebote für nachhaltige Bildung. (Foto: privat)
Die Übergabe des Waldrucksacks natur+mensch erfolgte im Beisein von Schulleiter Ulrich Solbach und Silvia König (Biologie). Alle zeigten sich erfreut über die Unterstützung und betonten die Bedeutung außerschulischer Lernangebote für nachhaltige Bildung. (Foto: privat)

Mehrfach haben wir darüber berichtet, wie sich Rotarier und Lions für Naturpädagogik in Schulen einsetzen. Durch Vermittlung von Prof. Martin Thieme-Hack leisteten der Rotary Club Osnabrück und das örtliche Gymnasium Carolinum einen besonderen Beitrag zur Umweltbildung in Kooperation mit unserer Stiftung. Dort wurde der Waldrucksack von natur+mensch mit Material des Programms Lernort-Natur aus der Jägerschaft übergeben. Er enthält vielfältiges Anschauungs- und Arbeitsmaterial rund um Wildtiere, Lebensräume, Fährten, Jagd und Waldpädagogik – darunter Tierpräparate, Lupen, Bestimmungshilfen, Spiele und naturpädagogische Unterrichtsideen. Das besondere Highlight ist ein hochwertiges Fernglas zur Tierbeobachtung. Das Material soll Lehrkräften helfen, Naturwissen lebendig und praxisnah zu vermitteln.


Aus dieser Verbindung über die „International Rotary Fellowship of Hunters“ entstand auch die Gelegenheit, über die Aktivitäten unserer Stiftung natur+mensch in einem Vortrag zu berichten. Dazu wurde auch die Anregung weitergegeben, in Kooperation mit Förderung durch die genannten Service-Clubs das naturpädagogische Programm von natur+mensch verstärkt örtlich anzustoßen.


Amy Schweinhouse und Keiler Minogue am Tegelsee


Die Onlineausgabe „Checkpoint“ der Hauptstadtzeitung Tagesspiegel meldet aus dem Wildtierschaugehege der Revierförsterei Tegelsee, dass die Forstverwaltung ihre Instagram-Community um Namensvorschläge für zwei neue Wildschweine gebeten habe. Über das Internet wurden Vorschläge geliefert, merkt die Redaktion an: Die einjährige Bache hört danach nun auf den Namen „Amy Schweinhouse“, der zweijährige Keiler heiße Keiler Minogue. Amy Schweinhouse löste sofort neuen Eifer aus, einen weiteren Namen zu kreieren, weil sie unmittelbar danach für Nachwuchs sorgte. Der Wurf schien nicht so üppig ausgefallen zu sein. Er brachte wohl nur einen Frischling auf die Läufe. Der Name für das kleine Schwein war schnell da: „Ziros“. So heißt es wie eine kleine Gemeinde auf Kreta, aber auch das Sturmtief, das am Tag der Frischlingsgeburt für Schlagzeilen über Schäden in Berlin gesorgt hatte.


Mit dieser weniger wichtigen, dafür vielleicht unterhaltsamen Meldung aus der Berliner Sommerflaute wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein möglichst unbeschwertes Wochenende


Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination

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