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Wolfgang Molitor

Der Hagel-Überflieger

Der 36-jährige Manuel Hagel hat allerbeste Chancen, dass 2026 in Baden-Württemberg nach 15 Kretschmann-Jahren wieder ein Christdemokrat Ministerpräsident wird


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Manuel Hagel (Foto: cdu-bw.de)
Manuel Hagel (Foto: cdu-bw.de)

Plötzlich trug Manuel Hagel eine Brille. Ein dunkles markantes Gestell. Eines, das den jugendlichen Eindruck des 36-Jährigen abfedert, Erfahrung und Kompetenz vermittelt, Seriosität nicht zuletzt. So was braucht einer, dessen Chancen prächtig stehen, 2026 Ministerpräsident in Baden-Württemberg zu werden und damit die lange Kretschmann-Schmach der über viele Jahrzehnte erfolgsverwöhnten CDU zu beenden. Dass glaubwürdige Parteifreunde tuscheln, Hagel würde nur durch Fensterglas schauen, was soll`s. Besser als kurzsichtig.


Denn Hagel wird politischer, durchaus mit persönlichem Ehrgeiz gepaarter Weitblick attestiert. Der junge Mann sitzt seit 2016 im Landtag, ist seit 2021 Chef der zweitstärksten Landtagsfraktion und seit 2023 CDU-Landesvorsitzender. Ungewöhnlich geräuschlos hat Hagel die Stufen an die Spitze genommen, auch wenn seine Spitzenkandidatur gegen den Grünen Cem Özdemir von einem Parteitag erst in ein paar Wochen offiziell abgesegnet wird. Hagel steht für den Generationenwechsel, oft von den zaghaften Jungen der Landes-CDU verschlafen oder von den hartleibig Altväterlichen boykottiert.


Mit 18 Jahren war er in die CDU eingetreten und bereits nach kurzer Ochsentour durch die Kommunalpolitik und die Junge-Union-Schule zehn Jahre später Generalsekretär der Südwest-CDU. Den wechselresistenten Fraktionschef Wolfgang Reinhardt hat er nicht ohne Raffinesse weggebissen, den angeschlagenen Parteichef Thomas Strobl zum Rückzug bewegt. 91,5 Prozent der Delegierten stimmten damals für den talentierten Nachwuchspolitiker.


Hagel stammt unüberhörbar aus Ehingen an der Donau. Oberschwaben. Da ist Stuttgart weit. Als diplomierter Bankbetriebswirt ist ihm in der Politik der Blick auf die besten Zinsen und Anlagen nicht verloren gegangen. Seine Rede vom „Pflichten- und Lastenheft“, das es abzuarbeiten gilt, hat nicht nur unter den Häuslebauern in der Landespartei Kultstatus. Ein gepflegter Schwiegersohn vom Land statt ein freakiges Großstadt-Großmaul: Die Reden Hagels erinnerten dialektgefärbt „an eine vorderalpine Kreisbauernversammlung und inhaltlich an die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts“, schreibt die Stuttgarter Zeitung mit dem grün angehauchten Hochmut der Landeshauptstadt. Der Katholik ist verheiratet und Vater von drei Söhnen.


Dialektgefärbt, konservativ und bodenständig


Hagel gibt den Konservativen aus Überzeugung, wirft sich elegant in Trachtenjacken, lässt sich als aktiver Jäger ablichten und sucht vor allem dort wieder mehr Zuspruch, wo die Grünen fast alle der sicher geglaubten CDU-Direktmandate erobern konnten. Kretschmann sei`s gedankt. Warnungen vor dem Sozialismus verbinden sich da mit dem Ruf nach einem starken Sicherheitsstaat, ohne Umweltthemen, Infrastruktur und Gesellschaftswandel verständnisvoll außen vorzulassen.


Laut einer Oktober-Umfrage liegt die CDU in Baden-Württemberg mit 34 Prozent (ein Plus gegenüber 2021 von zehn Prozent) weit vor den Grünen mit 18 Prozent (ein Minus von über 14 Prozent zu 2021). Das hört sich für Hagel gut an, auch wenn das Aus der Berliner Ampel neue Verschiebungen mit sich bringen könnte – und Cem Özdemir ohne die Last des Bundeslandwirtschaftsministers früher und 100-prozentig in die Landespolitik einsteigen dürfte. Hagel hat gegenüber Özdemir in Sachen Bekanntheit noch eine Menge Aufholarbeit zu leisten. In derselben Umfrage müssen zwei Drittel der Befragten passen, wenn sie nach ihm befragt werden. Für die meisten ist er ein unbeschriebenes Blatt. Dennoch halten laut einer anderen Umfrage 46 Prozent seine Wahl zum Ministerpräsidenten für wahrscheinlich. 55 Prozent dagegen glauben nicht an einen Sieg des bekannteren Özdemir.


Aber wer weiß in diesen Tagen schon, was der Republik im nächsten Jahr noch alles blüht. Und ob Grün-Schwarz im Südwesten wirklich bis zum Frühjahr 2026 hält. Eines hat Hagel schon klargestellt: Einen Wechsel von Kretschmann zu Özdemir wird die CDU in dieser Legislaturperiode als Junior-Partner nicht mittragen. Wie auch immer: Die Chancen der CDU, nach 15 Jahren wieder den Ministerpräsidenten zu stellen, standen noch nie so gut. Hagel darf hoffen. Ganz nach einem Satz von Alexandre Dumas: Das Leben ist bezaubernd, man muss es nur durch die richtige Brille sehen.

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