Koalition sollte den großen Wurf wagen
- Jürgen Wermser
- 8. Aug.
- 5 Min. Lesezeit
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik

Liebe Leserinnen und Leser,
in unserem Wochenkommentar geht es zunächst um die Sozial- und Wirtschaftspolitik der schwarz-roten Koalition vor dem Hintergrund der jüngsten Kabinettsbeschlüsse zur Rente. Die weiteren Themen mit stärker jagdlichem Bezug sind unter anderem: Ausbreitung der Nutrias, juristische Fallstricke durch das in Rheinland-Pfalz beschlossene neue Jagdgesetz sowie ein Gedankenspiel im Streit um die Einfuhr von Jagdtrophäen.
Die Berliner Politiker sollten die parlamentarische Sommerpause nicht nur zur Erholung, sondern auch zum Nachdenken über die Tagesfragen hinaus nutzen. Es gilt, neue Kräfte zu sammeln für die bevorstehenden Herausforderungen. Und deren gibt es für die schwarz-rote Koalition im Übermaß, zumal manches, was auf den ersten Blick harmlos und wie ein Geschenk aussieht, heftige Risiken für unseren Wohlstand bedeutet. Hier sei nur das Thema Rente genannt, zu dem das Bundeskabinett Mitte der Woche teure Reformen auf den Weg gebracht hat. Wer von diesen Maßnahmen profitiert, mag sich freuen. Aber Politik darf sich nicht auf das Verteilen von Wohltaten beschränken. Denn unsere Sozialsysteme sind leider kurz davor, strukturell und damit finanziell aus dem Ruder zu laufen. Konsequenz: Internationale Wettbewerber laufen uns bei Wachstum und Beschäftigung vielfach schon den Rang ab.
Die Regierung muss endlich einen großen Wurf wagen, um das soziale Netz inklusive Altersversicherung zukunftsfähig zu machen. Die großen Unternehmen in Ballungszentren stöhnen ebenso wie kleinere Betriebe im ländlichen Raum unter viel zu hohen Lohnnebenkosten und die junge Generation droht an den künftigen Lasten für die Älteren wirtschaftlich zu ersticken. Wie kann, wie soll das konkret geändert werden? Bislang hört man von den Koalitionspartnern offiziell nur, wo nicht gekürzt oder eingeschränkt werden darf. Das ist schlichtweg zu wenig.
Die parlamentarische Sommerpause ist auch eine gute Gelegenheit, um mit vermeintlich kleinen Anliegen mangels medialer Konkurrenz große Wirkung zu erzeugen. Ein Beispiel hierfür ist der Vorstoß von Markus Söder, allen ukrainischen Flüchtlingen künftig statt Bürgergeld Asylbewerberleistungen zu zahlen. Bei Neuankömmlingen aus dem Kriegsgebiet ist so etwas ohnehin schon vorgesehen. Ob sich die Einbeziehung von Altfällen wegen des verwaltungsmäßigen Mehraufwands überhaupt rechnen würde, sei mal dahingestellt. Wichtiger dürfte das politische und psychologische Signal sein. Der Anreiz und der Druck, hierzulande möglichst schnell eine Arbeit aufzunehmen, wird erhöht. Doch im Gegenzug müssen sich Politik und Behörden auch deutlich stärker bemühen, Beschäftigungshürden wie etwa die Anerkennung von Zeugnissen und Qualifikationen zu senken. Keine Frage, Söder hat mit seinem Vorschlag einen wunden Punkt getroffen. Mal sehen, ob die übrigen Koalitionäre den Ball nach der Sommerpause aufnehmen …
Nicht mehr nur vegetarisch
Auch Söders Parteifreund Alois Rainer hat in diesen Tagen einen Treffer gelandet, wenngleich mit einem nicht ganz so prominenten Thema. Es geht mal wieder um Fleisch – um Fleisch, das auf offiziellen Veranstaltungen des Landwirtschaftsministeriums bislang auf Geheiß von Rainers grünem Vorgänger Cem Özdemir grundsätzlich nicht serviert wurde. Der neue Agrarminister will seinen Gästen nun die freie Wahl lassen, ob sie vegetarisch essen wollen oder nicht. Bei offiziellen Veranstaltungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums soll es künftig außer vegetarischen Produkten auch wieder Fleisch und Fisch geben. „Am besten regional“, so Rainer in der Bild-Zeitung. Der CSU-Politiker möchte ganz bewusst nicht belehren oder bevormunden. Ein solchen pragmatischen und zugleich toleranten Stil würde man sich gerne auch in anderen Politikbereichen wünschen.
Auch beim Thema Jagd sollte die Politik an vielen Stellen mehr Augenmaß zeigen. Erfreulicherweise zeichnet sich dies im Umgang mit Wölfen allmählich ab, nachdem die EU den Schutzstatus herabgesetzt hat. Man kann nur hoffen, dass die ungehinderte Ausbreitung dieser ehemals bei uns bedrohten Tierart gestoppt wird. Auch an anderer Stelle sollte umgesteuert werden. So sorgt man sich in vielen Revieren aktuell wegen der zunehmenden Verbreitung von Nutrias. Diese invasive Art, die ursprünglich aus Südamerika stammt, gräbt lange Tunnel in Uferböschungen und in Deiche und gefährdet auf diese Weise den Hochwasserschutz. Außerdem lieben diese Tiere Schilfgebiete und fressen Röhricht. Dadurch werden die Kinderstuben von vielen Insektenarten, Amphibien, Fischen und Vögeln zerstört. Der Deutsche Jagdverband (DJV) hat deswegen eine Aufnahme der Nutria in das Bundesjagdgesetz und ein Bekenntnis der Politik zur Fangjagd gefordert, zumal es in den meisten Bundesländern bereits eine Jagdzeit oder entsprechende Sondergenehmigungen gibt. Laut DJV kamen Nutrias im Jahr 2023 in 35 Prozent der untersuchten 23.000 Jagdreviere vor. Dies entspreche einer Verdopplung der Zahlen gegenüber dem Jahre 2015.
Jagdlicher Paradigmenwechsel
Stichwort Jagdgesetze. Rechtsanwalt Klaus Nieding (Frankfurt am Main/Meddersheim), Justiziar des LJV Rheinland-Pfalz, hat jüngst beschrieben, welche Fallstricke das in Rheinland-Pfalz beschlossene Jagdgesetz für die jagdliche Praxis erwarten lässt. Der Text ist am Freitag auch in unserem Blog erschienen. Hier einige Beispiele für die Folgen: Bei allen Wildarten, also auch beim Schwarzwild, könne künftig die zuständige Jagdbehörde (beim Rotwild die obere Jagdbehörde) eine Wildbestandssenkung bei gleichzeitiger Aufhebung der Schonzeit anordnen. Es werde ein jagdlicher Paradigmenwechsel vollzogen: „Entscheiden über das, was im Hinblick auf den Wildbestand im Revier jagdlich passiert, tun das nicht mehr die eigentlich dazu berufenen Vertragsparteien des Jagdpachtvertrages, sondern die zuständigen Behörden (siehe oben) vom grünen Tisch, im Fall der oberen Jagdbehörde von Mainz aus.“ In einem weiteren Punkt verweist der Jurist darauf, dass eine Bejagung des Wolfes nach dem Gesetz noch bei weitem nicht möglich sei.
Lektüre für den Sommerurlaub

Viele von uns machen in diesen Tagen Sommerurlaub. Vielleicht gehören auch Sie zu diesen Glücklichen und haben noch etwas Platz im Reisegepäck. Dann kann ich Ihnen ein kleines Buch empfehlen, das ich gerade mit Vergnügen gelesen habe. Zum Hintergrund ein kurzer Rückblick. Am Ende der Ampel-Regierung gab es bekanntlich einen Streit um die Einfuhr von Jagdtrophäen vor allem aus Afrika. Die damalige grüne Umweltministerin Steffi Lemke wollte den Import nach Deutschland einschränken, um vermeintlich bedrohte Tierarten besser zu schützen. In Afrika selbst stieß dieses Ansinnen auf heftigen Widerstand. Der Präsident von Botswana zeigte sich empört und bot mehr oder weniger ernsthaft an, 20.000 Elefanten nach Deutschland zu schicken. Sein Land brauche den Jagdtourismus, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Ernten der Dorfbewohner zu schützen. Das Thema ist dann in den Wirren des Ampel-Untergangs irgendwie verloren gegangen. Die flämische Schriftstellerin Gaea Schoeters hat die Geschichte nun in einem kleinen Roman („Das Geschenk“, Paul Zsolnay Verlag 2025), auf skurrile und zugleich spannende Weise aufgegriffen und weiter gesponnen: Da tauchen plötzlich in Berlin im Regierungsviertel ein paar Elefanten auf. Dann werden es immer mehr, bis zu 20.000 sind es am Ende. Wie diese Dickhäuter die deutsche Politik und Gesellschaft durcheinander wirbeln und an die Grenzen ihrer Belastbarkeit führen, wird mit vielen Pointen schön durchgespielt. Schoeters Buch ist ein literarisches Gedankenexperiment, das gut lesbar unter anderem die fatalen Folgen eines rein ideologisch begründeten Jagdverbots vor Augen führt. Mehr zum Inhalt möchte ich hier nicht verraten …
Zur Geschichte des Kleinen Münsterländers
Bleiben wir beim Thema Jagd. In den bald beginnenden Herbstzuchtprüfungen der Vorstehhunde werden auch viele Kleine Münsterländer (KLM) antreten. Früher wurde diese Rasse oft als Heidewachtel bezeichnet und immer wieder mit dem weithin bekannten „Heidedichter“ Hermann Löns in Verbindung gebracht. Der Autor hat zwar über diesen Jagdhund geschrieben, vorrangig verdient gemacht um dessen Zucht aber hat sich der 14 Jahre jüngere Bruder Edmund. Dessen Erfolg aber basierte auf einem Verstoß gegen die Vorschriften der Reinzucht. Auf dubiose Weise gelangte Löns in den Besitz der Hündin, die als „Kesselflickers Flora“ in die Zucht einging und 1927 die beiden Rüden „Becass-Löns“ und „Bingo-Löns“ wölfte, die die Stammväter der gesamten KLM-Braunschimmelzucht wurden. Löns verschleiert diese unerlaubte Einkreuzung der französischen Rasse Epagneul Breton. In einem Blog-Beitrag porträtiert unser Autor Christoph Boll in der kommenden Woche den streitbaren Förster Edmund Löns, dessen außerordentlicher Hundeverstand den Züchter bis ins niederländische Königshaus führte.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und eine gute, für Sie positive Woche.
Mit den besten Grüßen
Ihr Jürgen Wermser
Redaktionsleitung/Koordination
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