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- Klimagipfel, Geburtstag, Beschlüsse in Berlin – und was sich auf dem Lande tut
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik Liebe Leserin, lieber Leser, so richtige Zuversicht hat sich im Herbst mit Blick auf Berlin noch nicht breit gemacht, obwohl man der „Arbeitskoalition“ von Union und SPD nach dem Bruch der Ampel mehr als einen Ruck zugetraut hatte. Hinter uns liegt eine Woche, in der endlich große Themen angefasst wurden, um die Kurven der Wirtschaftsdaten und der politischen Stimmung im Lande zu drehen. Vielleicht hat auch der Weckruf der Wirtschaftsforscher mitgewirkt. Der Kanzler wird nicht müde zu versprechen, dass mit ihm auf Deutschland Verlass sei. Wir wollen uns gleichwohl in unserer Wochenkolumne natur+mensch darüber hinaus weiter unseren Themen zuwenden. Über die Hälfte der Menschen leben und arbeiten im ländlichen Raum. Darüber wird im Moment wenig gesprochen. So schauen wir erneut auch dorthin: Was sich rund um unseren Wald tut, ob die Jagd dort auch in Zukunft angemessen ihre Rolle spielen und wie sie für die Allgemeinheit wirken kann. Die Zunahme eingewanderter Tierarten wie Waschbären oder Nilgänse betrifft alle. Wir schlagen im Folgenden wieder einen weiten Bogen. Für unseren Bundeskanzler sollte der Dienstag dieser Woche als normaler Arbeitstag ablaufen. Ausgerechnet an diesem jährlichen Eröffnungstermin der Karnevalssession hat Friedrich Merz nun einmal Geburtstag. Diesmal war es der 70. Deshalb nahmen das die Kolleginnen und Kollegen im Bundestag und auch im Kabinett trotz aller gewünschter Normalität zum Anlass einer kleinen Feier mit Torte, vielen guten Wünschen und kleinen Geschenken . Ausgelassenheit – wie üblich am 11.11. am Rhein – blieb an diesem Tage in jeder Beziehung gefühlt auf Distanz zum Berliner Regierungsviertel. Vielleicht war es ein angedeutetes Symbol der durch die sauerländische Herkunft geprägten Zuneigung des Kanzlers auch zum Ländlichen und damit auch zur Tierwelt. Jedenfalls hatte Jens Spahn neben einer Deutschland-Fahne drei Krawatten mit Motiven entsprechender Tiermotive als Präsent dabei: Elefanten, Delphine und Eichhörnchen. Ob der Landwirtschafts- und Ernährungsminister dann noch passende Produkte beisteuerte, wurde übrigens nicht bekannt. So blieb es für den Geehrten am Ende doch ein normaler Arbeitstag. Denn dafür spricht die Meldung, dass Friedrich Merz keine Zeit hatte, die vielen Glückwunsch-SMS zu lesen. Ganz oben dürften für ihn auf der Wunschliste bessere Nachrichten stehen – insbesondere, dass Haushalts- und Investitionsbeschlüsse endlich greifen. Diesen Wunsch konnte der Sachverständigenrat mit seinem Jahresgutachten zur wirtschaftlichen Entwicklung 2025/2026 auch in dieser Woche noch nicht erfüllen. Die Wissenschaftler testierten „Stagnation“, was wenigstens schon einmal keine Rezession mehr bedeutet. Das Bekenntnis des Kanzlers zum Klimaschutz Begonnen hatte die Woche für Friedrich Merz mit einem Langstreckenflug als Kurztrip zur Weltklimakonferenz nach Belém am Amazonas. Natürlich ging es dem Kanzler darum, Bekenntnisse abzugeben, die am Ende sicher bei weniger als der Hälfte der dort angemeldeten 56.000 Delegierten Beifall finden werden. Seine Botschaft: Deutschland leistet seinen Beitrag. Europa hatte sich zuvor auf reduzierte Ziele verständigt. Und das hatte der Kanzler insgesamt dort zu vertreten. Dies in einer Form, die Merz so als Bekenntnis formulierte: „Wir treten für einen Klimaschutz ein, der wirtschaftliche Aktivitäten fördert und nicht behindert.“ Unsere Wirtschaft sei nicht das Problem, sondern sie sei der Schlüssel, „ um unser Klima noch besser zu schützen“. Das Ziel des Kanzlers ist nach seinen Äußerungen vor der Weltklimakonferenz in Belém eine langfristige Energiesicherung bei günstigen Preisen und Wettbewerbsfähigkeit mit sozialer Ausgewogenheit. Die Zusage hieß: „Auf Deutschland ist Verlass.“ Jedenfalls sekundiert der deutsche Umweltminister Carsten Schneider (SPD) aus Belém, Deutschland sei dabei und wolle als starkes Industrieland klimaneutral werden. Ob die gerade veränderte Zeitschiene und der Abgleich mit Europa am Ende passen, ist noch nicht sicher. Nun muss erst einmal die umstrittene Brüsseler Einigung selbst mit abgeschwächten Klimazielen noch durchs Europäische Parlament. Wie sich das alles nach innen bei uns auswirken wird, bleibt eine Frage, die uns weiter bewegt. Zum Spendenformular Kommen wir noch einmal zurück auf unsere Wirtschaft. Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche hat in Berlin auch in dieser Woche eine Grundsatzrede gehalten und dabei das Thema Klima erst mal ausgeklammert. Kernaussage: Die deutsche Wirtschaft muss langfristig wieder wettbewerbsfähig werden. Die Lage sei ernst, sagte sie, und es brauche ein umfassendes Fitnessprogramm – mit der Konzentration auf diese Kernaufgaben: Sicherheit, Infrastruktur und Bildung . Sie sprach auf einem Symposium zur sozialen Marktwirtschaft, wozu das Motto „Wieder mehr Erhard wagen“ passen würde. Solche Gedanken wirken auf den Koalitionspartner nicht gerade vertrauensbildend. Jedenfalls hat Reiche ihre Aussagen symbolisch unterlegt: Jetzt wurde bekannt, dass die Büste von Ludwig Erhard in ihr Ministerium zurückgekehrt ist. Reiches Vorgänger Robert Habeck hatte die ausgeliehene Skulptur an ihren Besitzer, Herbert B. Schmidt, einst Mitbegründer des CDU-Wirtschaftsrates, 2023 zurückgeben müssen. Der Grund: Der Stifter hielt nichts von der Politik des damals amtierenden Grünen. Das Handelsblatt griff das Thema auf und zeigt sich weiter skeptisch: Es bleibe zu befürchten, dass die Rückkehr der Büste mehr Kulisse als Kurskorrektur sei, denn der Geist der sozialen Marktwirtschaft, die Erhard prägte, sei in der Bundesregierung kaum mehr spürbar. Ob das zur Klima-Ansage des Kanzlers passt? Von oben sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht Damit sind wir noch einmal in Belém: Ein anderes Zitat des brasilianischen Präsidenten von dort lässt auch für unsere Themen aufhorchen: „Wer den Wald nur von oben sieht, weiß nicht, was unter seinem Dach geschieht.“ Waldbauern und Förster stehen vor grundlegenden Herausforderungen, unter diesen Bedingungen Reviere so umzubauen, dass sie auch für kommende Generationen zukunftsfest bleiben. Und Jägerinnen wie Jäger spielen dabei auch noch eine Rolle. Der Wald ist von je her ein Generationenthema. Dessen Funktionen und aktuelle gesellschaftliche Ansprüche wachsen dramatisch mit den unterschiedlichen Bestrebungen zwischen wirtschaftlich verpflichtetem Eigentum und öffentlichem Wohl. Daraus leitet die Stiftung natur+mensch in den aktuellen Debatten den Auftrag ab, sich mit eigenen Positionen einzubringen, die der Jagd in Wäldern der Zukunft ausgewogen einen angemessenen Platz sichern. Dazu gehört insbesondere auch der Blick auf die Waldböden. natur+mensch widmet sich konkreten Beispielen der Waldentwicklung, die beides zulässt: Wirtschaftswald und Jagdbetrieb . Ziel ist es, den Nachweis einer ausgewogenen ökologischen und ökonomischen Bewirtschaftung zu führen. Die Stiftung will einen konkreten Beitrag zu den gesellschaftlichen Diskussionen über Nachhaltigkeit, CO₂-Speicherung, Klima- und damit Zukunftsstabilität von Wäldern leisten. Dazu gehören die Aspekte der Energieversorgung, Biodiversität, Gesundheits- und Erholungsfunktionen – sowie „Wald mit Wild“ statt „Wald vor Wild“ als Praxisbeispiel. Darüber habe ich u.a. mit dem Forstwissenschaftler Prof. Dr. Andreas Schulte gesprochen. Er war Inhaber des Lehrstuhls für Waldökologie, Forst- und Holzwirtschaft im Institut für Landschaftsökologie der Universität Münster. Er stellt, wie er sagt, zunehmend alarmistischen und ideologisch gefärbten Darstellungen in Berichterstattung und Politik möglichst gut ausgeleuchtete Daten, Fakten und Hintergrundinformationen kritisch gegenüber. Im Blog natur+mensch werden wir auf ihn und seine Videos gern noch einmal zurückkommen. Invasive Arten sind mit Pulver und Blei allein nicht zu stoppen Invasive Arten richten enorme Schäden an – in der Landschaft, an heimischen Arten und möglicherweise auch an der menschlichen Gesundheit. Deshalb soll ihre Ausbreitung verhindert werden. Doch Streckenzahlen zeigen, dass das kaum gelingt. Es gibt vielmehr zum Teil enorme Bestandszunahmen. Die Statistiken, die unser Autor Christoph Boll in der kommenden Woche in seinem Blog-Beitrag auswertet, belegen klar: Die Vorkommen von Waschbär und Marderhund, Nutria, Mink und Nilgans nehmen zu. Erfasst sind dabei nur die als erlegt gemeldeten Stücke. Denn während es für die Schalenwildarten verbindliche Abschusspläne und körperliche Nachweise gibt, entfällt dies für das Niederwild, zu dem die gebietsfremden Arten zählen. Ihre Bejagung erfolgt quasi freiwillig und sicher nicht flächendeckend oder konsequent. Denn nicht wenige Jäger lassen den Finger gerade, wenn sie beim Ansitz auf Sau oder Hirsch einen Neozoen in Anblick haben. Damit erweisen sie der Natur einen Bärendienst, wenngleich klar ist, dass die tierischen Zuwanderer allein mit Pulver und Blei nicht zu stoppen sind. Für die Eindämmung braucht es eine konsequente Fangjagd mit der Falle. Kürzlich haben wir auf die vielfältigen Hinweise zu Wildunfällen im Herbst hingewiesen. Wie aktuell und berechtigt das ist, zeigt eine Meldung aus dem Kreis Neuburg-Schrobenhausen in Bayern: Dort ereigneten sich in der letzten Woche nach Einbruch der Dunkelheit von Donnerstagabend bis Freitagmorgen gleich fünf Wildunfälle – vier Rehe und ein Wildschwein. In allen Fällen wurden Autos beschädigt. Das bestätigt, wie stark Wild in der Dämmerung und nachts aktiv ist. Bei zwei Unfällen starben die Tiere sofort, bei den übrigen musste die Polizei verletztes Wild nachsuchen lassen. So verbleibe ich mit diesem Wochenkommentar mit besten Grüßen und Waidmannsheil Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination
- EU-Entwaldungsverordnung: Wer zieht die Notbremse?
Wenige Wochen bleiben noch, um die handwerklichen Fehler der EU-Entwaldungsverordnung zu beheben. Die Forderung wird laut, das Inkrafttreten noch einmal um ein Jahr zu verschieben Foto: VenomDesign Das EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) stammt aus einer anderen Zeit. Es wurde in der vergangenen Wahlperiode vorgeschlagen und beschlossen. Damals waren die Gesetzgebungsvorschläge der Kommission beseelt vom Green Deal. Inhaltlich konnte es nicht grün genug sein. Die Interessen der Unternehmen waren zweitrangig, der Aufwuchs von Bürokratie wurde in Kauf genommen. In diesem Geist hat die EU bis 2024 Politik gemacht. Das Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten ist ein Paradebeispiel dafür. Das Anliegen ist richtig: dafür sorgen, dass keine für den Arten- und Klimaschutz wertvollen Wälder geschlagen werden für Produkte, die in der EU auf den Markt kommen. Um dieses Anliegen umzusetzen, ist aber viel Papierkram notwendig. Etwa, wenn es darum geht, zu dokumentieren, dass das Holz nicht aus einem Primärwald im Amazonas- oder Kongobecken kommt. Hierzulande wachsen Holzernte und Waldfläche Von Anfang an nicht einzusehen war, dass auch Verkäufer von Holz diese Dokumentationspflichten beachten müssen, die gar nicht in Gebieten wirtschaften, wo abgeholzt wird. Rodung ist etwa in Deutschland, Österreich und anderen mitteleuropäischen Ländern kein Problem. Im Gegenteil: Hierzulande wächst sowohl die Holzernte als auch die bewaldete Fläche seit Jahren. Daher ist die Forderung der Unternehmen berechtigt: Die Kommission möge eine Null-Risiko-Kategorie im Gesetzestext verankern. Das heißt: In Ländern ohne Abholzungsrisiko sollen die Unternehmen nicht der Dokumentationspflichten der EUDR unterworfen werden. Ansonsten würde sinnlose Bürokratie aufgebaut. In ihrem zweiten Mandat hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Prioritäten verschoben . Nicht mehr Klima- und Artenschutz stehen im Vordergrund. Vielmehr will sie den Unternehmen vor allem das Wirtschaften erleichtern. Ihre Behörde durchforstet dafür systematisch die EU-Verordnungen und Richtlinien und will Bürokratie kappen. Neue Dokumentationspflichten sollen verhindert, bestehende überflüssige Bürokratie soll abgebaut werden. Nur kosmetische Änderungen oder doch Verschiebung? Von diesen Gedanken hat sich die Kommission bislang aber leider bei der EUDR nicht leiten lassen. Sie will vielmehr das EU-Gesetz lediglich mit einigen kosmetischen Änderungen Ende des Jahres in Kraft treten lassen. Nur Kleinunternehmen sollen davon zunächst ausgenommen werden. Das Gesetz sieht etwa vor, dass Waldbesitzer in einer Datenbank das Waldstück genau lokalisieren müssen, in dem geerntet wird. Da die Geolokalisierung gerade die kleinen Waldbesitzer vor technische Schwierigkeiten stellen würde, will sich die Kommission nun nur noch mit der Postadresse des Waldstücks zufriedengeben. Dies ist wohlgemeint, aber ein völlig unausgereifter Vorschlag. So gibt es für viele Waldstücke in Deutschland eben nicht eine Postanschrift. Die Zeit drängt. Die beiden Co-Gesetzgeber der EU, also der Rat der 27 Mitgliedstaaten und das Europaparlament, müssen sich schnell einigen. Sollte die Einigung nicht bis zum 30. Dezember gelingen, tritt die EUDR automatisch in Kraft. Mit allen ihren Ungereimtheiten. Dadurch würde Chaos entstehen. Lieferketten, etwa für die Automobilindustrie, könnten reißen. Die Mitgliedstaaten haben jetzt den Vorstoß gemacht, das Inkrafttreten der EUDR komplett um ein Jahr zu verschieben. Das ist der einzig sinnvolle Weg. Es ist nicht vorstellbar, die vielen handwerklichen Fehler innerhalb von wenigen Wochen im Eilverfahren zu beseitigen.
- Wenn der Vater aufs zweite Bier verzichtet
Es war kein gutes Jahr für die Gastronomiebranche in Deutschland. Das Kneipensterben geht deswegen ungebremst weiter. Und das besonders auf dem Lande Foto: Sora Die nackten Zahlen bestätigen einen gefährlichen Trend, der auch die Lebensqualität gerade im ländlichen Raum bedroht. Die Gastronomiebranche in Deutschland kommt nicht aus der Flaute. Ganz im Gegenteil: Es geht weiter bergab. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sank der Umsatz im Gastgewerbe im August dieses Jahres um 1,4 Prozent im Vergleich zum Juli. Ein Rückgang, den man vielleicht noch verschmerzen kann. Noch deutlicher werden die Probleme bei einem anderen Vergleichszeitrahmen: Im Vergleich zum Vorjahresmonat sank der Umsatz um 3,5 Prozent. Auch kleinere Hotelanbieter melden deutliche Rückgänge, sogar auf der Promi-Insel Sylt blieben in diesem Jahr jede Menge Hotelzimmer leer. Das ist eine negative Entwicklung, die sich auch an der gastronomischen Infrastruktur in Deutschland nachverfolgen lässt. Allein seit 2019 haben 67.000 Kneipen, Restaurants und Gasthöfe in Deutschland aufgegeben. Ein Grund war natürlich die Corona-Pandemie, die wie eine Abrissbirne gerade für die Gastronomiebranche gewirkt hat. Knapp ein Jahr durfte kein Betrieb Gäste und Kunden empfangen, Umsatz damals gleich null. Viele Mitarbeiter flüchteten in dieser Zeit aus der Branche – nur ein kleiner Teil kehrte zurück. Schockwellen nach Corona Die wechselnden Bundesregierungen zahlten zwar hohe Corona-Entschädigungen an die Branche (die höchsten im Vergleich aller Wirtschaftszweige), aber dennoch bleibt der Trend negativ. „Nach der Corona-Krise, die vom deutschen Staat gerade für die Gastro- und Tourismusbranche mit viel Geld und Empathie unterstützt wurde, kamen die nächsten Rückschläge“, bestätigt ein Branchenkenner. Vereinzelt haben sich im Anschluss an Corona auch unerwartete behördliche Rückforderungen von Hilfen in den Bilanzen der Betriebe niedergeschlagen. Unsicherheiten, auch ausgehend vom Ukraine-Krieg und durch die hohe Inflation, haben bei vielen Verbrauchern die Lust am Essengehen oder am Bier in der Eckkneipe vermiest. Diese Stimmung ist weiter zu spüren. In der ohnehin mit geringen Margen kämpfenden Branche (von 100 Euro Umsatz bleiben nach Angaben des Dehoga zum Beispiel in der Außengastronomie in Bremen fünf Euro übrig) sind die Kosten in den vergangenen zwei Jahren deutlich nach oben geschossen: Energie für Hotels und touristische Anlagen kostet 13 Prozent mehr, bei Löhnen sind es 14 Prozent. Besonders hart trifft es Restaurants: Im Schnitt müssen Gastronomen und Restaurantbetreiber knapp 20 Prozent mehr für Grunderzeugnisse für Lebensmittel aufwenden, um ihre Speisen und Co. anbieten zu können. Dies führt dazu, dass seriös kalkulierende Gastronomen kaum noch ein Schnitzel unter 30 Euro anbieten können. Eher geht diese Entwicklung in Richtung 40 Euro. Politische Debatte um Mehrwertsteuer Das ist für viele Gäste und Urlauber zu viel, die dann lieber zu Hause bleiben und sogar in den Ferien in der gemieteten Wohnung brutzeln. Die deutschen Küsten melden somit ebenfalls erhebliche Umsatzeinbrüche bei Übernachtungen, Freizeitattraktionen oder Gastro-Besuch. „Viele Familien leisten sich schon nicht mehr den Gang in die Pizzeria“, sagt ein Hotel-Manager aus dem Ostseeraum. Oder wenn sie kommen, dann teilen sich vier Leute schon mal drei Essen. Oder verzichten aufs zweite Bier für den Papa oder den Weißwein für die Mama. Diese Entwicklung beschäftigt zwangsläufig auch das politische Berlin. Im Koalitionsvertrag ist die Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen von derzeit 19 auf sieben Prozent festgeschrieben. Es war ein zentrales Wahlversprechen vor allem der Union – auch und gerade mit Blick auf die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und irgendwann in Bayern. Gerade die Union setzt sich nun dafür ein, dass diese auch kommt, um die gastronomische Infrastruktur vor allem in den ländlichen Regionen nicht noch weiter auszudünnen. Bisher gibt es aus dem Bundesfinanzministerium keine Einwände. Auch dort weiß man genau, dass dieses Thema durchaus Potenzial hat, den Rechtspopulisten weiteren Aufwind zu verschaffen. Schon heute liegt die AfD auf der Ostseeinsel Usedom bei 49 Prozent.
- Wildnis nach menschlichem Willen
Ist von Wildnis die Rede, denken die meisten Menschen an Kanada, Sibirien, das Amazonasgebiet oder die Antarktis. Sie haben Bilder unberührter Natur vor dem Auge. Auch in Deutschland gibt es Wildnis. Sie ist nur anders definiert Foto: Rudolpho Duba / pixelio.de Die Vorstellung von Wildnis entspringt menschlichem Denken. Sie kann nur als Gegensatz von gestalteten Kulturlandschaften wahrgenommen werden. Und weil es bis zu wirklicher Wildnis oft ein weiter Weg ist, gibt es in Nordrhein-Westfalen sogenannte Wildnisentwicklungsgebiete. Die bereits entsprechend ausgewiesenen Areale umfassen 7.800 Hektar. Die Landesregierung will diese bis zum kommenden Jahr um weitere 5.000 Hektar erweitern, davon 500 Hektar im Hochsauerlandkreis und 300 Hektar im Reichwald Kleve. Dabei handelt es weitgehend um landeseigenen Wald, der bereits heute zum großen Teil als Naturschutzgebiet und als europäisches Fauna-Flora-Habitat-Gebiet ausgewiesen ist. Insgesamt sollen künftig gut 15 Prozent des Landeswaldes und zwei Prozent der Gesamtwaldfläche von NRW der natürlichen Waldentwicklung überlassen werden; also aus der forstlichen Bewirtschaftung genommen werden. Die schwarz-grüne Landesregierung in Düsseldorf versteht dies als Beitrag zur Stärkung der Artenvielfalt und zur Bereicherung des Naturerlebens. Der grüne Umweltminister Oliver Krischer spricht von Wildniswäldern als „unverzichtbare Rückzugsräume für bedrohte Arten“. Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) assistiert mit dem Hinweis, die Flächen „ermöglichen zugleich der Bevölkerung, natürliche Waldprozesse unmittelbar zu erleben“. Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt NRW entspricht damit der aktuellen „Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt“ (NBS) der Bundesregierung, die mehrere Ziele zur Wildnis verfolgt. So soll sich die Natur auf mindestens zwei Prozent der Landfläche Deutschlands wieder nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickeln. Die Wildnisgebiete sollen zudem in den länderübergreifenden Biotopverbund integriert werden. Außerdem sollen sich fünf Prozent der Waldfläche natürlich entwickeln können. Wildnisgebiete im Sinne der NBS existieren heute nach aktuellen Einschätzungen auf etwa 0,6 Prozent der Landfläche. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Kernzonen von Nationalparken, Flächen des „Nationalen Naturerbes“ und Bereiche in einigen großen Naturschutzgebieten. Das Zwei-Prozent-Ziel soll nun bis 2030 verwirklicht werden. Bei der Identifizierung weiterer dazu geeigneter Gebiete geht es insbesondere um Wälder der öffentlichen Hand, Moorgebiete, Flussauen, Küstenabschnitte und Hochgebirgsregionen. In Frage kommen aber auch ehemalige militärische Liegenschaften und Bergbaufolgelandschaften. Geld für NGOs aus Wildnisfonds Der Begriff Wildnis hat sich aus den Erfahrungen und dem Erleben der Urlandschaften der Neuen Welt im 18. und 19. Jahrhundert entwickelt. Das führte zu einer regelrechten „Wilderness“-Bewegung in Nordamerika und zur Ausweisung der ersten Nationalparke in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In Deutschland schlossen sich 2017 insgesamt 16 Naturschutzorganisationen zur Initiative „Wildnis in Deutschland“ zusammen. Seit 2022 gehören 21 Naturschutzorganisationen dem Verbund an. Zu deren größten Erfolgen zählt die Einrichtung des staatlichen Förderprogramms Wildnisfonds im Jahr 2019, den die Initiative von der Bundesregierung zum Schutz von Arten und Lebensräumen gefordert hatte. Dass einige dieser NGOs sich dann bei der Schaffung eigener Wildnisgebiete aus eben diesem Fonds bedienten, versteht sich fast von selbst. So erwarb die Nabu Stiftung Nationales Naturerbe 2018 etwa 1.300 Hektar im Naturschutzgebiet Anklamer Stadtbruch und die Deutsche Wildtier Stiftung schuf 2022 durch den Ankauf von Flächen das Wildnisgebiet Aschhorner Moor. Die mit den menschlichen Wildnisvorstellungen verbundenen Ziele sind klar definiert. Da gibt es drei Vorgaben: Die Natur soll sich ohne direkte Eingriffe des Menschen ungesteuert entwickeln. Unbedingt notwendige Eingriffe, etwa wegen rechtlicher Vorgaben oder zum Schutz angrenzender Landschaft müssen auf ein Minimum reduziert werden. Das Gebiet muss mindestens 1.000 zusammenhängende Hektar groß – für Auwälder, Küsten, Moore und Seen sind auch 500 Hektar ausreichend – oder als Nationalpark bzw. größere Kernzone eines UNESCO-Biosphärenreservats ausgewiesen sein. Die Wildnisentwicklung muss dauerhaft rechtlich gesichert sein, etwa durch eine Ausweisung als Naturschutzgebiet oder eine Festschreibung im Grundbuch. Forderung nach Jagdverzicht Gebiete, die das noch nicht komplett erfüllen, werden als Wildnisentwicklungsgebiete klassifiziert. Darin findet oft auch noch eine Jagd statt, vielfach eingeschränkt. Dabei ist für die Initiative Wildnis in Deutschland ausgemacht, dass zu einer weitgehend ungesteuerten Entwicklung der Natur auch ein Verzicht auf Jagd auf mindestens 75 Prozent der Fläche gehört. Einen halbwegs realistischen Blick auf die Wildnisbestrebungen hat das Bundesamt für Naturschutz. Es hat klar formuliert, in vielen Landschaftstypen werde „eine ungelenkte – d.h. von menschlichen Zielsetzungen und Zweckbestimmungen freie – Entwicklung heute kaum noch zugelassen. So sind die Meeresküsten weitgehend entweder eingedeicht oder mit sonstigen Küstenschutzmaßnahmen versehen. Auch die als noch weitgehend ökologisch intakt angesehenen Waldökosysteme unterliegen nur in Ausnahmefällen einer natürlichen Entwicklungsdynamik.“ Auch die Stiftung natur+mensch sieht das Wildnisziel skeptisch und hält es nur in Nischen als Ausnahme für realisierbar. Schon forstlich nicht bewirtschaftete Wälder sinken rapide im Jagdwert, weil eine jagdliche Infrastruktur wie Sicht- und Schussschneisen oder ein Wegenetz zum Erreichen von Ansitzeinrichtungen und Bergen von erlegtem Wild kaum mehr angelegt werden kann. Dagegen steht das Ziel eines ökologisch intakten Wirtschaftswaldes mit einem nachhaltig zu bewirtschaftendem Wildbestand.
- Die höheren Mindestlöhne und die Folgen für Preise und Existenzen
Das neue Jahr und damit die nächste Erhöhung des Mindestlohnes rücken näher. Betroffen sind viele Branchen, insbesondere das Handwerk oder die Landwirtschaft, unter anderem mit Spargel-, Beeren-, Obst- und Weinbetrieben. Und am Ende die Verbraucher Foto: Sora Wenn es um die Inflation geht, spielen die Lebensmittelpreise eine besondere Rolle. Und dabei dann insbesondere Brot und Brötchen. Als Preistreiber werden oft Rohstoffe und Zutaten benannt. Sie stammen teilweise aus der heimischen Landwirtschaft oder werden importiert. Auf Hersteller- und Verbraucherseite werden weitere Schübe durch die beschlossenen beiden nächsten Schritte zur Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes erwartet. Ein Beispiel hat sich unlängst die Bild-Zeitung herausgepickt. Unter der Überschrift „So teuer macht der neue Mindestlohn meine Brötchen“ wird der Inhaber einer Filialbäckerei in Brandenburg zitiert. Wenn er bei zehn bis 15 seiner Mitarbeiter, meist Hilfskräften im Verkauf, den Lohn demnach anpasst, müsse er wohl auch die Bezahlung derjenigen anheben, die schon über dem Mindestlohn liegen – allein um den Abstand zu wahren. Damit steigen in Folge auch die Lohnnebenkosten und die Rechnungen von Dienstleistern wie Reinigungsfirmen, Speditionen oder Lieferanten, die ebenfalls ihre Mindestlöhne anzupassen haben. Eine Kette, die an der Verkaufstheke endet – wo die Kunden die Preiserhöhungen nicht akzeptieren und im Zweifel weniger kaufen. Worauf geht diese Entwicklung zurück? Am 29. Oktober 2025 beschloss das Bundeskabinett die „Fünfte Mindestlohnanpassungsverordnung“: Ab dem 1. Januar 2026 steigt der Mindestlohn zunächst auf 13,90 Euro pro Stunde – ein Anstieg von 8,42 % im Vergleich zum aktuellen Satz von 12,85 Euro. Ein weiterer Schritt erfolgt dann zum 1. Januar 2027, wenn der Mindestlohn auf 14,60 Euro pro Stunde weiter ansteigt. Das bedeutet eine Gesamterhöhung von 13,88 %. Laut Schätzungen des Statistischen Bundesamtes werden vom ersten Schritt rund 6,6 Millionen Beschäftigte profitieren, vom zweiten 2027 bis zu 8,3 Millionen. Dabei ergeben sich regionale Unterschiede: In Ostdeutschland ist der Anteil der betroffenen Jobs deutlich höher als in den westlichen Bundesländern. Diese Unterschiede werfen die Frage auf, ob die Erhöhung wirklich überall die gleichen positiven Effekte haben wird – besonders in den strukturschwachen Regionen des Westens, die ebenfalls mit niedrigen Löhnen kämpfen. Landwirtschaft: Eine existenzielle Bedrohung für Betriebe? Diese Entwicklung sorgt vor allem in bestimmten Branchen wie dem Handwerk, der Gastronomie und in der Landwirtschaft für heftige Kritik. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, warf der Bundesregierung vor, durch diesen Beschluss ohne Ausnahmen für die Landwirtschaft die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Agrarbetriebe massiv zu gefährden. Insbesondere für arbeitsintensive Kulturen wie Obst, Gemüse und Wein bedeute dies das Aus. „Diese massive Anhebung des Mindestlohns wird landwirtschaftliche Betriebe zum Ausstieg aus arbeitsintensiven Kulturen zwingen“, erklärte er in einer Pressemitteilung. Die Sorge ist, dass die höheren Löhne nicht durch die Marktpreise gedeckt werden können. Dadurch würden viele Betriebe gezwungen, die Produktion ins Ausland zu verlagern, wo die Arbeitskräfte deutlich günstiger sind. Dies könnte die regionale Versorgung mit frischen Lebensmitteln gefährden. Die Entscheidung der Mindestlohnkommission, keine Ausnahme für die Landwirtschaft zuzulassen, geht auf eine entsprechende Prüfung in diesem Sommer zurück. Es gibt demnach keine Sonderregelung. Der Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände, Hans-Benno Wichert, zeigte sich enttäuscht und erklärte, dass diese Entscheidung eine existenzielle Bedrohung für viele Betriebe darstelle. Er und der Vorsitzende des Westdeutschen Land- und Obstbauverbands (WLAV), Jörg Umberg, werfen der Bundesregierung vor, die Entscheidung aus politischen Gründen getroffen zu haben, ohne die tatsächlichen Bedürfnisse der Branche zu berücksichtigen. Ausnahmen und Sonderregelungen: Notwendig oder unnötig? Die Diskussion über mögliche Ausnahmen für bestimmte Branchen ist nicht neu. Schon bei der Einführung des Mindestlohns 2015 gab es Debatten über die Frage, welche Sektoren von den Regeln ausgenommen werden sollten. Beispielsweise gab es eine Sonderregelung für Zeitungszusteller, die zunächst mit einem reduzierten Mindestlohn arbeiteten. Auch die Möglichkeit, über Tarifverträge vom Mindestlohn abzuweichen, zeigte, dass es in der Vergangenheit durchaus Flexibilität gegeben hat. Dass sie jetzt ausbleibt, wird dort beklagt, wo der Arbeitsmarkt von besonderen Gegebenheiten geprägt ist.
- Der Kanzler reist an die Küste – Neuer Umgang mit neuen Energien?
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik Liebe Leserin, lieber Leser, in den ersten beiden Tagen dieser Woche gab es in der Bundespolitik erst einmal einen unaufgeregten Blick des Kanzlers in die Länder. Friedrich Merz schließt die Reihe seiner Antrittsbesuche dort ab, wo im Gegensatz zu früheren Terminen jetzt kaum Schlagzeilen produziert wurden. Das Kabinett hat zwei Pakete zur Entbürokratisierung beschlossen, bei denen noch nicht absehbar ist, ob und wie sie gerade auch mit dem Blick auf den ländlichen Raum funktionieren werden. Unsicherheiten gibt es weiter bei den Waldbesitzern, weil noch nicht klar ist, wann oder wie ein Gesetz über entwaldungsfreie Lieferketten bei uns durchschlägt. Bei uns finden gerade viele Jagden statt. Es ist die Zeit, in der gesundes und mageres Wildfleisch mit viel Ideen auf die Tische gebracht wird. Auch dieses Thema streifen wir in unserer Wochenkolumne rund um natur+mensch. Für den Bundeskanzler standen in dieser Woche Ausflüge nach Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern an. Das war knapp geplant und damit alles andere als fröhliche Kurzerholung in frischer Seeluft. Die Programme gehören zu den letzten Antrittsreisen von Friedrich Merz in die 16 Bundesländer. Im Gegensatz zu anderen Vorgängen auf seinem Schreibtisch in Berlin wird dieses Thema pünktlich abgeräumt sein. Im Kanzleramt und auch im Bundestag hat Friedrich Merz in dieser Zeit weiter viel Energie aufzuwenden, um die Koalition und damit seinen „Laden“ zusammenzuhalten. Am Montag und Dienstag konnte er sich wieder den noch nicht bereisten Regionen zuwenden und damit dem, was im Lande „draußen“ bedeutsam ist. Und er konnte weiter daran arbeiten, dass das Zusammenspiel von Bund und Ländern in dieser Legislaturperiode am Ende vielleicht wieder besser klappt. Da spielen die Gastgeber Daniel Günther und Manuela Schwesig nun einmal eine besondere Rolle. Der Kanzler erwärmt sich für erneuerbare Energien Bei diesen Besuchen steht also Länderspezifisches im Mittelpunkt, wobei der Kanzler auch Details aufnehmen will. Gerade in Husum an der Westküste wird demonstriert, welche zentrale Rolle die Nord- und Ostsee bei den erneuerbaren Energien für die gesamte Republik spielen. Und von wo aus nicht nur der Wind, sondern auch Zukunftsthemen wie z. B. die Speicher- und Wasserstofftechnologien für uns alle wichtig sind. Friedrich Merz besuchte zusammen mit Ministerpräsident Daniel Günther ein führendes Unternehmen, das direkt an der Nordsee Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff und zur Ladeinfrastruktur entwickelt bzw. realisiert. Schleswig-Holstein deckt bekanntermaßen mehr als den eigenen Bedarf mit seinen produzierten Energien ab. Gespannt wird jetzt drauf gewartet, wie die Bundesregierung den Fördermechanismus in diesem Bereich reformieren wird. Merz ist bekannt dafür, dass er den Fuß nicht gerade auf dem Gaspedal hat, wenn es um den Ausbau dieses Sektors geht. Aber hier lobt er die Windkraft-Hochburg an der Nordsee. Nach dem Firmenbesuch machte er klar, dass er verstanden habe, wie hier vor Ort mit Windstrom Wasserstoff erzeugt wird. Und fügte hinzu, er sei „vollkommen überzeugt“ davon. Die hier gerade für andere Teile der Republik gelieferte Windenergie führt anderswo im Lande zu Herausforderungen, etwa wenn es um Speicherkapazitäten und über- oder unterirdisch um den Transport durch die neue große Stromtrassen geht. Der Bau dieser Leitungen löst erhebliche Eingriffe in landwirtschaftlich genutzte Flächen aus, wie wir in unserem Blog schon mehrfach geschildert haben . Die Freunde des Krabbenbrötchens können aufatmen Mit dem Besuch des Schifffahrtsmuseums in Husum wurde dort dann doch ein kleiner touristischer Teil für den Kanzler eingebaut. Die graue Stadt am Meer ist übrigens bekannt dafür, dass Durchreisende gern anhalten, um Fischbrötchen zu essen. Frischer geht’s also nicht als hier. In der Region ist ein großer Teil unserer Küstenfischerei zu Hause. Dort wird aber auch ein ständiges europäisches Problem mit Blick auf den Hafen mit seinen Kuttern sichtbar. Das betrifft viele mittelständische Betriebe an der Küste. Ständigen Diskussionen über Beschlüsse aus Brüssel um Fangquoten folgen auch Entscheidungen, die die Existenz kleiner Familienbetriebe betreffen. Das sind die, die von der Fischerei leben. Davon war anlässlich des Kanzlerbesuchs nicht viel zu hören oder zu lesen. Merz hätte sich beim Krabbenbrötchen vielleicht auch mal an einem der Kutter die Zukunftssorgen direkt anhören können. Möglicherweise wäre er bei einem Krabbenfischer auch aktuell auf ein zuversichtliches Gesicht gestoßen. Denn gerade diese Woche kam die Meldung aus Büsum: „Die Krabben sind wieder da.“ Auch bei den Verbrauchern kommt Hoffnung auf. Noch im April waren die Preise in die Höhe geschossen. Seit 2000 haben die 180 deutschen Kutter im Jahr etwa 12.000 Tonnen an Land gebracht. 2024 waren es nur noch knapp 4.000. Jetzt hoffen die Fischer und Liebhaber von Krabbenbrötchen auf bessere Zeiten. Zum Spendenformular Bleiben wir noch kurz bei Merz und der Küste. Dem Trip nach Schleswig-Holstein folgte der nächste Antrittsbesuch in Mecklenburg-Vorpommern. Und damit war der Kanzler bei Manuela Schwesig, einer der wichtigsten Akteurinnen des Koalitionspartners SPD, zu Gast. Sie steht in diesem strukturschwachen Bundesland wie Sachsen-Anhalt vor der nächsten Landtagswahl. In Schwerin wird damit auch sichtbar, dass die AfD nicht allein ein Problem der CDU ist. Ein entsprechender Eindruck wird jedenfalls immer wieder in Berlin und dem ganzen Land vermittelt, wenn junge Menschen von links empört auf die Straße gehen. Da werden kampagnenartig Parteilinien verschoben, wenn´s um Rassismus geht. Bei seinem Antrittsbesuch in Brandenburg hat Merz die Stadtbild-Debatte losgetreten. In Mecklenburg hat er dagegen beim vergleichbaren Anlass keine weiteren Schlagzeilen ausgelöst. Immerhin kündigte er nach einem Brandbrief der Kommunen über die angespannte Finanzlage dort Gespräche mit den Betroffenen vor Ort an. Und er sprach von einer für die Städte und Gemeinden „nicht mehr tragbaren Kostenlast“ etwa bei der Sozialhilfe, der Pflege oder der Jugendhilfe. Hier drückt der Schuh bei Kreisen und Kommunen. Die Lieferketten und die Unruhe bei Waldbesitzern Blicken wir weiter nach Brüssel: Der Vorschlag der EU-Kommission für ein EU- Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten sorgt immer noch für Unruhe. Die Behörde wollte dafür sorgen, dass sowohl bei Importen als auch bei allen in der EU hergestellten Produkten keine Anreize zur Abholzung von wertvollen Wäldern gesetzt werden. Das Inkrafttreten war zunächst um ein Jahr auf Anfang 2026 verschoben worden . Jetzt hat die Kommission Erleichterungen vorgeschlagen, die aber nun für weitere Kritik sorgen. Unterdessen wächst der Druck der Mitgliedstaaten auf die Kommission, das Vorhaben ganz fallen zu lassen. Wir werden mit unserem EU-Autoren Ludwig Hintjens am Thema bleiben. Die Zeit der Treib- und Drückjagden und was dabei auf den Tisch kommt Der November ist für Jägerinnen und Jäger die Zeit intensiver Erlebnisse auf Feldern und in den Wäldern – mit Erfolgen, die auf den anschließend gelegten Strecken sichtbar werden, aber auch mit Enttäuschungen. Manchmal entstehen sie durch das Verhalten von Außenstehenden. Auch ich habe auf Ständen nahe von Wegen immer wieder Spaziergänger angetroffen. Auch wenn hier mal für ein paar Stunden Unruhe im Wald entsteht, zeigen die meisten Verständnis bei erläuternden Hinweisen und halten sicher Abstand vom Jagdbetrieb. Bei den Drückjagden in dieser Zeit wird hauptsächlich Schwarzwild, aber auch Rot- und Rehwild erlegt. Dieses Wildbret wird immer beliebter , weil sich herumspricht, wie gesund das Fleisch aus der Jagd ist. Es ist mager, proteinreich und voller wichtiger Vitamine oder Spurenelemente wie B-Vitamine und damit gesund. Beispiel Fleisch vom Wildschwein: Diese Tiere ernähren sich vorwiegend im Wald pflanzlich bei einem geringen Anteil aus Kleintieren. Also alles natürlich – das schmeckt man auch auf dem Teller. Der frühe Blick in die Kalender des nächsten Jahres Langsam beginnt die Zeit der neuen Kalender. 2026 steht bereits vor Tür und erste Termine werden bereits eingetragen. Hier sind in dieser Woche erste Hinweise im Postfach gelandet. Dabei ist mir aufgefallen, was uns wieder oder neu auf der nächsten „Jagd und Hund 2026“ in Dortmund vom 27. Januar bis zum 1. Februar erwartet. Das sind etwa bekannte Namen wie Blaser, RWS, Browning, Swarovski, Bresser, Leica oder Zeiss, wenn es auf dieser Leitmesse für Natur und Jagd in Dortmund um die Bereiche Waffen, Optik und Ausrüstung geht. Zunehmend zeigt sich in der Jagdpraxis der Einsatz von Drohnen – etwa bei der Kitzrettung. Unser Artikel zu diesem Thema hat im August allein bei Facebook 140.943 Impressions von 90.711 erreichten Nutzern ausgelöst. Das zeigt uns, wie aktuell das Thema bleibt. Zur Messe wird eine Rahmenveranstaltung angekündigt zum Thema, wie Drohnen sinnvoll und waidgerecht für die Jagd eingesetzt werden können. In der Westfalenhalle geht es außerdem natürlich wieder um Genusserlebnisse. Neben den beliebten Food-Klassikern meldet die Messe auch kulinarische Neuzugänge wie Wildglück Premium Wildfleisch, Waidmanns Food oder Mr. Wild. Bleiben wir beim nächsten Kalender. Schon jetzt können die Daten und Inhalte für die Internationale Grüne Woche in Berlin vorgemerkt werden: Vom 16. bis 25. Januar 2026 feiert sie gleichzeitig ihr 100-jähriges Bestehen. Damit können wir auch noch einmal auf Mecklenburg-Vorpommern zurückkommen. Der dortige Landwirtschaftsminister Till Backhaus kündigte an, dass sein Bundesland als Partner erstmals den Auftakt der Messe mitgestalten wird. Hier geht es traditionell um die Ernährung, ausgehend von den Erzeugnissen unseres Landes mit Trends und technischen Entwicklungen. Dieser Bereich macht sieben Prozent der gesamten Ausstellungsfläche unter dem Funkturm aus. Politischer Höhepunkt wird am 17. Januar erneut die Konferenz von über 60 Agrarministerinnen und Agrarministern sein. Auch der DJV wird wieder mit einem Stand in Halle 27 vertreten sein. Diese Hinweise passen vielleicht zu diesem Wochenende – wenn vor der Weihnachtszeit bereits die ersten Termine für Urlaub, Ausflüge, Jagd und attraktive Veranstaltungen eingetragen werden. So verbleibe ich mit diesem Wochenkommentar mit besten Grüßen und einem kräftigen Waidmannsheil Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination
- Schwarz-grüne Gratwanderung zwischen Landwirtschaft und Umwelt
Anerkannter Fachmann für Landwirtschaft muss im Kieler Kabinett den Stuhl räumen: Das Ressort wird an der Spitze weiblich und jünger Werner Schwarz (Foto: Frank Peter) Als Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) vor drei Jahren sein Kabinett neu ordnete und den früheren Bauernverbands-Präsidenten Werner Schwarz, einem ausgewiesenen und anerkannten Fachmann, zum Minister für Agrar und Forst berief, ging ein Ruck durch die Landwirtschaft im hohen Norden. Endlich ein eigenes Ressort. Günther hatte den landwirtschaftlichen Part aus dem grünen Umweltministerium herausgelöst und verselbständigt. Fortan trauerte der grüne Koalitionspartner der alten Ressortführung nach und machte es CDU-Minister Schwarz in der Tagespolitik mehr als schwer . Jetzt zog Günther einen Schlussstrich und ersetzt den 65-jährigen Schwarz durch die 34 Jahre alte Landtagsabgeordnete Cornelia Schmachtenberg. Die neue Ministerin für „Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein“ ist studierte Agrarwissenschaftlerin und Vorsitzende der Frauenunion im Lande. Zeitgleich wechselt die 67-jährige Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack in den Ruhestand. Nachfolgerin ist ebenfalls eine CDU-Frau. Die 38-jährige Magdalena Finke war bislang Staatssekretärin im Kieler Innenministerium. Während diese Personalie keine Überraschung ist, führt der Wechsel im Agrarressort zu Spekulationen. Der ehemalige Bauernpräsident und Minister hinterlässt Spuren So soll die Chemie zwischen Günther und Schwarz nicht mehr gestimmt haben. Mit dem Schweinebauern aus dem Kreis Stormarn führte ein ausgemachter Fachmann das Ministerium. Schwarz agierte allerdings äußerst zurückhaltend, große öffentliche Auftritte waren nie sein Ding. Als ehemaliger Präsident des Landes-Bauernverbandes musste er mit dem Vorwurf aus dem grünen Lager, ihm fehle es an Unabhängigkeit, leben. „Agrarpolitik muss wieder mit der Praxis gemacht werden, nicht gegen sie“, lautete seine Maxime. Schwarz vereinfachte das Baurecht für Ställe und setzte weniger strenge Regeln zur Knickpflege durch. Er forderte Genehmigungen für mehr Pflanzenschutzmittel und sprach sich dafür aus, dass Landwirte ökologisch sensibles Grünland leichter zu Ackerland umbrechen sollten. So manche Forderung aus seinem Berufsstand konnte er jedoch nicht umsetzen, weil zahlreiche Themen in den Zuständigkeitsbereich des grün geführten Umweltministeriums fallen. Hier knüpft der amtierende Präsident des Bauernverbandes, Klaus-Peter Lucht, an. „Die andauernde Blockadehaltung des Umweltministeriums hat dazu geführt, dass sowohl der Minister als auch die Staatssekretärin nicht ihre gesamte politische Agenda für eine starke Landwirtschaft umsetzen konnten“, kritisiert Lucht. Was auch heißt, dass sich der Ressort- Wettbewerb im Kabinett um die Landwirtschaft fortsetzen wird. Der Frauenanteil in der Kieler Regierung liegt jetzt bei 60 Prozent. Ministerpräsident Daniel Günther rief die Männer dazu auf, „jetzt mal tapfer zu sein“, schließlich seien das die Frauen auch jahrelang gewesen. Er selbst treibe leider mit seinen 52 Jahren den Altersdurchschnitt im Kabinett nach oben, fügte Günther hinzu. Die beiden Ämterwechsel sind nach Meinung von politischen Beobachtern „ein wahltaktisches Manöver“ des Regierungschefs. Wird doch in knapp zwei Jahren im Land zwischen den Meeren ein neuer Landtag gewählt.
- Der Gänsebraten ist nicht in Gefahr
Noch immer breitet sich die Vogelgrippe in Deutschland fast ungebremst aus. Für die Verbraucher ändert sich aber erst mal nichts. Doch das könnte sich ändern Foto: Alexandra H. / pixelio.de Die negativen Meldungen aus den Betrieben reißen nicht ab. Immer wieder melden Geflügelzüchter aller Größe in ganz Deutschland neue Verdachtsfälle. Wenig später ergeben die Proben dann bestätigt eine Infektion mit dem Vogelgrippe-Virus H5N1 . Und kurze Zeit später ergeht die Auflage der Behörden, dass die Tiere getötet werden müssen. Nach Einschätzung des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) hat die aktuell grassierende Vogelgrippe bereits vergleichbare Ausmaße wie im Schreckensjahr 2021 erreicht. Die Zahl der im Referenzlabor des Instituts registrierten Infektionsfälle sei bereits höher als zum gleichen Zeitpunkt des Jahres 2021, sagte eine Sprecherin des Loeffler-Instituts gegenüber Medienvertretern. Doch es gibt auch zeitliche Unterschiede: „Wir hatten 2025 einen sehr zeitigen Beginn der Infektionswelle und müssen nun abwarten, ob sie auch früher wieder abebbt.“ Eine Hoffnung, die dringend nötig ist: Schon jetzt seien wohl bundesweit knapp eine Million Tiere infiziert und getötet worden. Zudem sei bei knapp 300 verendeten Wildvögeln festgestellt worden, dass sie mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert waren. Infektionsgeschehen verlagert sich Aktuell zeichnet sich eine regionale Verlagerung des Infektionsgeschehens vom Norden in den Süden ab. Im Moment gibt es noch die meisten Ausbrüche in Niedersachsen, einem traditionell starken Standort für Geflügelzucht und -mast mit Hunderttausenden Tieren. Auch in Brandenburg und Schleswig-Holstein ist das Infektionsgeschehen laut FLI noch sehr schnell. Mit dem Herbstvogelzug dürfte es sich jetzt aber schnell nach Bayern und Baden-Württemberg verlagern. Während viele Betriebe um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen und das für Entschädigungen zuständige Bundeslandwirtschaftsministerium aus Berlin auch auf der europäischen Ebene um großzügige Entschädigungen kämpft, dürfte sich für den heimischen Verbraucher in Sachen Preise für den Geflügel-Weihnachtsbraten nicht sehr viel ändern. Markt wird von Importware bestimmt Bisher halten sich die Preisaufschläge nämlich noch im Rahmen. Der Kilopreis für Gänse hat sich durch den fast bundesweiten Ausbruch der Vogelgrippe aktuell kaum erhöht. Das liegt nach Beobachtungen von Marktteilnehmern erst einmal daran, dass gerade Großbetriebe oder Importunternehmen, die sich auf den Import von Gänsen und Enten spezialisiert haben, ihre Preise und Kontrakte für diese Saison bereits vor Monaten geschlossen haben. „Und dabei sind auch schon vereinzelte Ausbrüche der Epidemie durch den Kranichzug miteingepreist“, erklärt ein Kenner der Branche. Natürlich sei das Ausmaß der Tierseuche in diesem Jahr besonders stark, aber der Markt für den heimischen Verbraucher wirbele das aktuell noch nicht durcheinander. „Das Angebot aus Deutschland ist trotz der massenhaften Tötung stabil.“ Ein weiterer und wohl auch ausschlaggebender Grund ist die hohe Importquote für Gänse und Enten, die den deutschen Markt bestimmt. 80 Prozent der Gänse, die in den deutschen Supermärkten und den Discountern verkauft werden, stammen überwiegend aus dem osteuropäischen Ausland. Vor allem Tiere aus Ungarn und Polen bestimmen den Markt. Die Preise für die Importtiere haben sich allerdings im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: So haben sich Transportkosten erhöht, das Preisniveau steige auch in Polen. Und gerade in Nordpolen fehlten durch vorangegangene Ausbrüche der Geflügelpest Tiere, die jetzt schlacht- und verkaufsreif seien. Trotzdem liegt das Preisniveau für importierte Gänse und Enten aus diesen Ländern noch unter den Kosten, die deutsche Züchter für ihre Tiere verlangen müssten, um kostendeckend arbeiten zu können. Zugvögel als Überträger der Geflügelpest Experten weisen noch einmal darauf hin, dass das Virus für Menschen nicht gefährlich ist. Nach gesicherten Erkenntnissen sind Zugvögel Überträger der Geflügelpest, die bei vielen Vogel- und Geflügelarten häufig tödlich verläuft. Aber: Viele Wasservögel würden das Virus über den Kot ausscheiden, ohne selbst schwer zu erkranken, hieß es.
- Zum Hubertustag: Emotionen sind der Kern der Jagd
Warum und vor allen Dingen wie jagen wir? Gerade der 3. November, der Tag des Gedächtnisses an den Patron der Jagd, fordert Antworten auf diese Frage Foto: Carsten Przygoda / pixelio.de Der Hubertustag ist vielfach Anlass, über die Jagd grundsätzlicher nachzudenken. Da gibt es jene, die nostalgisch verklärt an frühere Zeiten denken, und jene, die – auch technisch – stets auf dem modernsten Stand sind. Sie eint eine Einstellung zur Jagd, die weit über Zweckdienlichkeit hinausreicht und in ihrem Kern nur schwer in Worte zu fassen ist. Aus der Sicht nicht weniger, zumeist älterer Jäger soll sich an der Jagd, dem Handwerk und in den Revieren möglichst nichts ändern. Ja, mancher sähe allzu gerne die Zeit zurückgedreht, weil vermeintlich früher alles besser und schöner war. Da wird mit glorifizierenden Sätzen eine Vergangenheit beschworen, die einer heilen Welt gleicht. Veränderung wird dabei fast immer als Bedrohung empfunden. Wenn sie denn schon sein muss, dann möglichst im gesellschaftlichen Umfeld der Jagd, aber bloß nicht in deren Kern. Die Argumente und Haltungen mögen nachvollziehbar sein. Dass das aber nicht funktionieren kann, sollte angesichts der Entwicklungen in den vergangenen Jahrzehnten längst klar sein. Ein schmaler Grat zwischen Bewahrung und Veränderung Die Suche nach dem richtigen Verhältnis zwischen Bewahrung und Veränderung bewegt sich auf einem schmalen Grat. Jeder einzelne muss sich mit seinem Verhalten dabei positionieren. Denn letztlich geht es immer um Verantwortung – gegenüber dem Tier als Mitgeschöpf und gegenüber der Gesellschaft. Die Jagd als Funktion, als Auftrag, der gesetzlichen Vorgaben folgt, lässt sich klar definieren. Sie ist eine Dienstleistung an die Forstwirtschaft, an das Grundeigentum und hat als solche einen gesellschaftlichen Wert, der besonders von Politikern gerne beschworen wird. Auf dieser Ebene folgt die Jagd internationalen, nationalen und in unserem Föderalismus landesrechtlichen Normen, die sie erfüllt und umsetzt. Da sind Jagd und Jäger verlässliche, kompetente Partner bei der Gestaltung der Lebensräume und der Regulierung der Wildbestände. Jäger bringen sich dabei mit viel Engagement, Erfahrung und Wissen und nicht zuletzt erheblichen Beträgen aus der eigenen Geldbörse ein. Wer dieser Funktion der Jagd auch künftig gerecht werden will, muss nicht nur gut ausgebildet sein, sondern sich auch kontinuierlich weiterbilden. Er muss flexibel sein und wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur rezipieren, sondern draußen im Revier entsprechend reagieren. Das zeigt: Es kann nicht alles bleiben, wie es ist. Nötig ist vielmehr die Bereitschaft zu einem hohen Maß an Flexibilität. Ideeller Moment der Jagd Dieser funktionale Aspekt ist aber nur die eine Seite von Jagd. Die andere ist das Wesen der Jagd, ihr ideeller Moment, durch den Jagd ein essenzielles menschliches Ereignis unabhängig von Nützlichkeitserwägungen wird. Da „reden wir über Emotionen und Empfindungen wie Freude, Traurigkeit, Spannung, Erfüllung, bewegt und erschüttert sein“, hat der oberösterreichische Landesjägermeister Herbert Sieghartsleitner formuliert und daraus „sogar das menschliche Recht zu jagen“ abgeleitet. Zur Jagd gehört das Verstehen von Zusammenhängen in Feld und Wald Jäger leben in sehr ursprünglicher Form einen Beutetrieb aus, der eine der letzten menschlichen Freiheiten ist und tief in den menschlichen Genen steckt. Schon dieses Streben nach Beute ist Jagd, denn auch wenn die Wildkammer leer bleibt, ist das Gemüt voll von den auf Pirsch und Ansitz gesammelten Erlebnissen und Eindrücken. Dieser emotionale Zugang ist weit mehr als aller – unzweifelhaft notwendige – faktenbasierte Beitrag zu Seuchenprävention, Wildtiermanagement und Fleischgewinnung der Kern des Antriebs zur Jagd. Er lässt sich jedoch nur schwer in Worte fassen, besonders für Außenstehende. Diese Motivation scheint aber durch, wenn Jungjäger oder Jagdscheinanwärter sich über ihre Erwartung an die Jagd äußern. Da geht es nur selten um die Funktion und Optimierung gesellschaftsdienlicher Leistungen, sehr viel hingegen um Naturempfinden und das Verstehen von Zusammenhängen in Feld und Wald. Unabhängig von gesetzlichen Vorgaben braucht es aber auch für die emotionale Seite der Jagd verbindliche Richtlinien. Eine klare Jagdethik muss Forderungen nach totaler Freiheit und Individualität begrenzen. Denn angesichts von Wildkameras, Drohnen und Nachtsichttechnik hat das Wild längst keine realistische Chance des Entkommens mehr. Wenn das Waidwerk nicht immer weiter in Richtung technisch hoch gerüstetem Tötungsbetrieb verkommen will, braucht es Selbstbeschränkung. Sie setzt eine persönliche Einstellung voraus, die wir Waidgerechtigkeit nennen und sich immer bewusst ist, dass wir hoch entwickelte, empfindsame Mitgeschöpfe jagen, die weder Nutzvieh noch Schädlinge sind.
- Nicht in Nebensächlichkeiten verzetteln
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik Liebe Leserinnen und Leser, in unserem Wochenkommentar befassen wir uns mit dem Zustand der Berliner Koalition vor dem Hintergrund der viel diskutierten Stadtbild-Äußerung von Kanzler Merz. Außerdem gehen wir auf den Kurswechsel von Agrarminister Rainer in Sachen Veggie-Schnitzel ein und beschäftigen uns ausführlich mit der sich ausbreitenden Vogelgrippe, die vielen Landwirten und Geflügelhaltern große Sorgen bereitet. Weiteres Thema: die Myxomatose bei Feldhasen. Manchmal fragt man sich schon, ob alle Koalitionspolitiker tatsächlich wissen, welch große Verantwortung mit dem Eintritt in eine Regierung verbunden ist. Beispiel Diskussion um das Stadtbild. Statt sachlich über reale Probleme wie illegale Migration, fehlendes Sicherheitsgefühl an bestimmten öffentlichen Orten und die oft zu geringe Polizeipräsenz zu sprechen, kochen die Emotionen über einen angeblich fremdenfeindlichen Zungenschlag bei Friedrich Merz hoch. Diese künstliche Aufregung ist in vielerlei Hinsicht schädlich. Sie bringt die Debatte inhaltlich in keiner Weise weiter und schadet obendrein in gefährlicher Weise dem Ansehen der Koalition – ganz abgesehen davon, dass ein solcher Streit nur Wasser auf die Mühlen von Rechtsextremen ist. Gewiss, der Kanzler hätte sich besser von Anfang an präziser ausdrücken sollen, damit ihm später nicht so einfach das Wort im Munde umgedreht werden konnte. Doch ebenso klar ist, dass Merz Deutschland als weltoffenes Land sieht, in dem rechtskonforme Migration – Stichworte Fachkräftemangel und Asylrecht – erwünscht und gelebte Praxis ist. Vor allem Politiker des Koalitionspartners SPD hätten deshalb gut daran getan, sich nicht künstlich aufzuregen. Die Bürger wollen keine Opposition innerhalb der Regierung, sondern seriöse Lösungen für die aktuell immensen Herausforderungen in der Wirtschafts-, Sozial- und Verteidigungspolitik. Natürlich darf und muss dabei gelegentlich auch über alternative Konzepte gestritten werden. Doch gilt es, sich nicht in Nebensächlichkeiten zu verzetteln. An diesem Punkt hat die schwarz-rote Koalition insgesamt noch reichlich Luft nach oben, wie auch ihre schlechten Umfragewerte zeigen. Weniger Aufgeregtheiten, mehr Augenmaß und Pragmatismus sollte daher die Devise bei Union und Sozialdemokratie sein. Verwaltungsaufwand zu groß Wie das konkret aussehen kann, hat jüngst Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer vorgemacht. So will sich der CSU-Politiker entgegen früherer Aussagen nun doch innerhalb der EU gegen europäische Vorgaben für die Bezeichnungen von Fleischersatzprodukten einsetzen. Zuvor hatte Rainer ebenso wie Kanzler Merz ein Votum des Europaparlaments unterstützt, wonach vegetarische Fleischersatzprodukte künftig nicht mehr Burger, Schnitzel und Wurst heißen sollen. Zur Begründung verwies der Bundeslandwirtschaftsminister jetzt auf den großen Verwaltungsaufwand und auf hohe Kosten für die Hersteller bei einer Änderung der Bezeichnung. Außerdem wüssten Verbraucherinnen und Verbraucher, dass ein Veggie-Schnitzel nicht aus Fleisch sei, meinte Rainer. Recht hat er. Es gibt wichtigere Probleme zu lösen, nicht zuletzt im Agrarbereich. Aktuell ist es besonders die Vogelgrippe, die vielen Landwirten und Geflügelhaltern große Sorgen bereitet. Über die dramatischen Folgen dieser Tierseuche hatten wir Anfang der Woche in unserem Blog ausführlich berichtet . Der Artikel in unserem Blog hat viele unserer Leserinnen und Leser veranlasst, in den sozialen Medien zu reagieren. Allein bei Facebook waren etwa 1000 Kommentare zu unserem Artikel zu lesen. Bundesweit müssen zehntausende Tiere gekeult werden, immer mehr Landkreise und Regionen verhängen eine Aufstallungspflicht für Geflügel. Neben dem Elend für die infizierten Tiere und dem wirtschaftlichen Verlust für viele Geflügelbetriebe wird bereits aus einigen Regionen eine Knappheit an Gänsen und Enten für Verbraucher gemeldet, so zum Beispiel aus Brandenburg, das besonders von der Vogelgrippe betroffen ist. Wie sich die Tierseuche auf Preise und Angebote auswirkt und ob der Höhepunkt überschritten ist, werden wir in der kommenden Woche in unserem Blog weiter beobachten und darüber berichten. Infektionswelle rollt weiter Ein Ende dieser Infektionswelle zeichnet sich leider noch nicht ab. Neu ist in diesem Jahr vor allem das frühe Auftreten. „Vorher war Vogelgrippe nur im Winter zu erwarten, jetzt gibt es zumindest bei Wildvögeln das ganze Jahr über Fälle“, sagte Ursula Höfle vom spanischen National Game and Wildlife Research Institute in einem Spiegel-Interview. In Deutschland seien besonders Kraniche betroffen, was bisher nur aus anderen Ländern wie Israel oder Ungarn bekannt war. Die aktuelle Welle habe bereits im Juli begonnen, viel früher als bei der bislang schlimmsten Welle im Jahr 2022. Zudem unterscheide sich die Situation in der Vielfalt der betroffenen Vogelarten, dem heftigen Verlauf bei infizierten Vögeln sowie der häufigen Übertragung auf Säugetiere. Aus den USA wurden auch 70 menschliche Infektionen bekannt, doch traten zumeist nur milde Symptome auf. Von Mensch zu Mensch konnte das Virus bisher nicht springen. Doch ist nicht auszuschließen, dass das Virus H5N1 durch Mutationen irgendwann auch für Menschen gefährlich werden könnte. Zum Spendenformular Eine weitere Infektionskrankheit, die aktuell im Norden Deutschlands große Sorgen unter Jägern auslöst, ist die Myxomatose beim Feldhasen. Ab September 2024 hatten sich die Meldungen über eine entsprechende Ausbreitung gehäuft. Der stellvertretende Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen, Josef Schröer, erklärte kürzlich, die Hasenmyxomatose sei eine der größten Katastrophen, die die Landesjägerschaft in den vergangenen Jahrzehnten getroffen habe . „Es hat alles übertroffen, was ich an Elend bis zu dem Moment in meinem Leben gesehen habe“, so Schröer, dessen Revier im Emsland selbst extrem unter der Seuche zu leiden hatte. Regionen, die im vergangenen Jahr nicht betroffen waren, treffe es nur mit voller Härte – das Infektionsgeschehen bleibe diffus. Für eine Entwarnung sei es zwar zu früh, es besteht laut Schröer aber auch Anlass zur Hoffnung. So gebe es erste Meldungen aus den Revieren in NRW, die als erste von der Seuche betroffen waren, dass dort nicht nur das Infektionsgeschehen deutlich rückläufig sei, sondern die Feldhasenbestände auch wieder ansteigen. Ähnliches werde aus einigen Revieren in Niedersachsen gemeldet. Hirsch durchbricht Windschutzscheibe Zum Schluss noch ein anderes Thema, das mein Kollege Jost Springensguth bereits letzte Woche in seinem Newsletter kurz angesprochen hatte : die sich aktuell häufenden Wildunfälle. Der Deutsche Jagdverband (DJV) hat hierzu in dieser Woche die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung veröffentlicht. Dabei waren über 102.000 Datensätze ausgewertet worden, die Verkehrsteilnehmer von 2017 bis 2025 im Tierfundkataster gemeldet hatten. Daraus ergibt sich, dass Unfälle vor mit allem Reh- und Damwild sowie Wildschweinen besonders oft zwischen Oktober und Dezember passieren, vor allem in den Morgenstunden von acht bis zehn Uhr. Wie schlimm so etwas ausgehen kann, zeigt ein tragischer Unfall, der sich diese Woche bei mir in der Nähe in der Lüneburger Heide ereignete. Als ein Hirsch am Mittwochmorgen über eine Kreisstraße lief, erfasste eine 29-jährige Frau das Tier mit ihrem Auto. Der NDR beschreibt das weitere Geschehen so: „Der Hirsch wurde … über die Fahrbahn geschleudert und kollidierte mit einem entgegenkommenden Transporter. Der Hirsch durchbrach die Windschutzscheibe und verletzte den 60-jährigen Beifahrer tödlich. Die Fahrerin des Autos und der Fahrer des Transporters blieben laut Polizei unverletzt, standen aber unter Schock.“ Der Fall zeigt einmal mehr, dass Autofahrer bei drohendem Wildwechsel nicht vorsichtig genug sein können… Ich wünsche Ihnen ein schönes, unfallfreies Wochenende. Und vielleicht gönnen Sie sich ja auch mal wieder ein schönes Essen mit Wildbret, so wie es die Hälfte der Bundesbürger mindestens einmal im Jahr macht, auf dem Land sogar noch häufiger. Übrigens: Auch in Zeiten der Vogelgrippe bleibt gut durchgegartes Fleisch von Wildvögeln für den menschlichen Verzehr unbedenklich. Darauf weist der DJV aus aktuellem Anlass hin. Das Virus werde durch Erhitzen für zwei Minuten auf mindestens 70 Grad Celsius sicher abgetötet. Mit besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Koordination/Redaktionsleitung
- Mehr Schutz für Hund und Co.
Veterinäre fordern einen „Haustierführerschein“. Der Grund ist nachvollziehbar. Privaten Tierhaltern mangelt es vielfach an Sachkunde und Kompetenz. Dabei werden in Deutschland fast 34 Millionen Heimtiere gehalten Foto: romelia / pixelio.de Deutschland ist längst auf den Hund gekommen – und natürlich auch auf die Katze, auf Hamster, Wellensittich & Co. Die Corona-Pandemie hat den Trend, mit einem Haustier unter einem Dach zu leben, sogar noch verstärkt. Hersteller von Heimtierbedarf und zoologische Fachbetriebe haben ermittelt, dass inzwischen in 44 Prozent aller deutschen Haushalte ein tierischer Mitbewohner lebt. Erhebungen aus dem Jahr 2024 gehen von bundesweit 33,9 Millionen Heimtieren aus. Ganz vorne rangiert hierzulande die Katze. Mit 15,9 Millionen Stubentigern liegt Deutschland sogar europaweit vorn. In der Statistik folgen über zehn Millionen Hunde, 4,3 Millionen Kleintiere und 3,2 Millionen Ziervögel. Und in Aquarien, Teichen und Terrarien tummeln sich weitere zig Millionen Tiere. Ob deren Haltung in allen Fällen tiergerecht ist, darf bezweifelt werden. Tierärztin Dr. Christina Bertram, Vizepräsidentin der Tierärztekammer Hamburg, legte kürzlich in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ den Finger in eine offene Wunde. „Es gibt viel Elend in deutschen Kinderzimmern“, sprach sie Probleme beim Halten der Kleintiere an. Kaninchen und Meerschweinchen etwa seien von ihrem Wesen her Fluchttiere. Bertram: „Sie leiden oft still und werden in kleinen Käfigen gehalten, die laut Kleingedrucktem nur für den vorübergehenden Aufenthalt geeignet sind.“ Veterinäre fordern „Haustierführerschein“ Die Tierärztin aus Hamburg-Altona steht mit ihrer Einschätzung nicht allein. Sie hat mit weiteren Veterinären an einem Forderungskatalog der Bundestierärztekammer für mehr Tierschutz bei Kleintieren mitgewirkt. Beim 30. Deutschen Tierärztetag in Dortmund, auf dem das Thema „Tierschutz im tierärztlichen Alltag“ im Mittelpunkt stand, wurden vor wenigen Tagen Forderungen an den Gesetzgeber, die Gesellschaft und den eigenen Berufsstand vorgetragen und beschlossen. Der Arbeitskreis, in dem Christina Bertram mitwirkt, drängt unter anderem auf die Erarbeitung einer bundesweiten Tierschutz-Katzenverordnung sowie einer Heimtierverordnung. Ein zentrales Ziel ist es, eine tiergerechte Haltung und angemessene Pflege, Ernährung, Hygiene und medizinische Versorgung auch im Privatbereich zu gewährleisten. Dafür wollen die Tierärzte zum Beispiel auch beim schon erforderlichen Sachkunde-Nachweis für größere Hunde beziehungsweise besondere Hunderassen stärker als bisher mit ins Boot geholt werden. Die Veterinäre wollen bei der Ausbildung der Sachkundeprüfer mitwirken und Themen der Tiergesundheit dort platzieren. Ein „Haustierführerschein“ sei politisch wohl schwer durchzusetzen, sieht selbst Christina Bertram ein. „Man könnte aber Kurse an bestehende Regelungen wie etwa die Hundesteuer knüpfen. Tierärzte könnten qualifizierte Leute für solche Kurse ausbilden, auch Onlinekurse mit einem entsprechenden Zertifikat wären denkbar.“ „ Im Umgang mit Tieren fehlt oft der gesunde Menschenverstand“ In den Tierarztpraxen bekommen die Veterinäre an vielen Tagen die Folgen von Unwissenheit oder Vernachlässigung vorgeführt. Haustiere sind stark übergewichtig, leiden an Erkrankungen der Gelenke oder der Wirbelsäule, haben Atemnot oder Diabetes, sind apathisch oder aggressiv – zum Teil auch infolge einer Defekt- beziehungsweise Qualzucht oder einer falschen und nicht artgerechten Haltung. Die Tierärzte appellieren deutlich an die privaten Tierhalter, sich der eigenen Verantwortung stärker bewusst zu sein. Aus Sicht von Bertram geben diese manchmal Geld für Dinge aus, die am Ende nicht den Tieren zugutekommen. „Hüte, Mäntelchen, Accessoires“ würden „oft zur Show“ angeschafft, kritisiert die Medizinerin. „Da wäre es sinnvoller, mit dem Hund rauszugehen oder ein Verhaltenstraining mit der Katze zu machen.“ Im Umgang mit Tieren fehle aber oft der gesunde Menschenverstand.
- Jagdhörner bei Gesellschaftsjagd unverzichtbar
Die Zeit der Treib- und Drückjagden hat begonnen und damit auch in Wald und Feld der Klang der Jagdhörner. Die Tonfolgen sind weit mehr als Brauchtumspflege. Mit den Signalen verständigen sich die Jagdteilnehmer untereinander Foto: Frank Liebig, Jäger in Mecklenburg , CC BY-SA 3.0 DE Den größten Teil des Jahres gehen die Jäger alleine auf die Pirsch. Doch von Mitte Oktober bis in den Januar stellen sie gemeinsam dem Wild nach. Das reicht vom kleinen „Drückerchen“ im Revier mit einer guten Hand voll Freunden bis zu den großen Gesellschaftsjagden mit 100 oder mehr Teilnehmern. Wenn die Einladung zur Jagd schon Grund zur Freude ist, so sind die Jagdhornsignale am Tag der Jagd die Würze für ein erlebnisreiches Geschehen. Jagdgegner mögen sie für überkommene Rituale oder sentimentales Gedöns halten. Sie belegen mit dieser Einschätzung nur ihre Unkenntnis. Die allgemeinen Signale wie „Begrüßung“, „Jagd vorbei“ und „Halali“ oder das Verblasen der Strecke mit den Totsignalen, mit denen dem erlegten Wild die letzte Ehre erwiesen wird, könnten vielleicht noch als reine folkloristische Tradition abgetan werden. Spätestens aber bei den Jagdleitsignalen wird deutlich, dass der Klang der Hörner mehr als Brauchtumspflege und auch heute unverzichtbar ist. Er ist weithin hörbar und dient bei Gesellschaftsjagden zur Verständigung der Teilnehmer untereinander in unübersichtlichem Gelände und dort, wo Mobiltelefone keinen Empfang haben. Wie in einer Stafette werden die Kommandos teils über weite Entfernungen weitergegeben, bis sie auch beim Letzten angekommen sind und er sein Verhalten danach ausrichtet. Es geht um die Abstimmung der Jäger untereinander und der Jäger mit den Treibern. Damit wird der Jagdablauf gelenkt. Das Jagdhorn hat also hohen praktischen Wert. Jagdsignale sind lebenswichtig Die Signale haben aber auch lebenswichtige Bedeutung. Denn „Das Ganze – Anblasen des Treibens“ heißt nichts anderes, als dass die Jäger ihre Waffen laden und freigegebenes Wild beschießen dürfen. Die Treiber beginnen mit ihrer Arbeit. Und spätestens wenn „Hahn in Ruh“ erklingt, darf nicht mehr geschossen werden. Die Waffen sind sofort zu entladen. Zwischendurch gibt es Anweisungen zu klar definierten Aufgaben sowie Warnsignale und Hilferufe bei Gefahren und Unfällen. Die Bedeutung der Jagdsignale ist also nicht umsonst auch heute noch Ausbildungs- und Prüfungsinhalt für Jagdscheinanwärter. Der deutsche Barockkomponist Johann Valentin Görner hat die vielfältige Funktion des Jagdhorns 1744 in einem kleinen Gedicht beschrieben: Gefesselt hängt's mir an der Hüfte des Waidmanns Schmuck und blanke Zier, früh weckt es durch die Morgenlüfte, bläst an die Jagd: auf ins Revier! Es mahnet die Hunde, es gellt in der Not, es lockt in der Runde, es schmettert „Hirschtot“! Bereits in vorgeschichtlicher Zeit trug das Jagdhorn zum lebensnotwendigen Erfolg der Jagd bei. Im Mittelalter kam der Olifant zum Einsatz, eine aus Elfenbein gefertigte Trompete. In Frankreich wurde im 13. Jahrhundert im Jagdbuch „La chace dou cerf“ (Die Hirschjagd) der rege Gebrauch von Jagdsignalen beschrieben. Deutsche Jagdsignale hat erstmals der kursächsische Oberforst- und Wildmeister sowie Jagd- und Militärschriftsteller Johann Friedrich von Flemming Anfang des 18. Jahrhunderts in seinem Werk „Der vollkommene teutsche Jäger“ schriftlich fixiert. Heute werden im Alltag meist Fürst-Pless-Hörner verwendet. Selten findet man auf der Jagd mal ein Ventilhorn oder ein Taschenhorn, die beide anspruchsvoller zu spielen sind. Den Sauerländer Halbmond sieht man fast nur bei festlichen Anlässen. Häufiger finden sich Parforcehörner. Sie erklangen schon zu Zeiten der Parforcejagden mit den Fanfaren der „ chasse à courre “ aus Frankreich. In Deutschland wurden nach der napoleonischen Besatzungszeit neben den Reitjagden auch die Schleppjagden populär. Für sie gab es ebenfalls Jagdsignale und Fanfaren. Dieses ehemalige reiterliche Notenmaterial, das auf Reit- und Schleppjagden im 19. Jahrhundert geblasen wurde, ist größtenteils in den Weltkriegsjahren des 20. Jahrhunderts verloren gegangen. Einzig in der Heeres-Druckschrift 32 vom 1. September 1936 befinden sich einige alte Jagdsignale für Es-Parforcehörner. Heute werden wieder Jagdsignale und Fanfaren für Reit- und Schleppjagden angeboten. Richtlinien für Bläser-Wettbewerbe Für Wettbewerbe im Jagdhornblasen existiert eine Richtlinie des Deutschen Jagdverbandes (DJV). Darin sind verbindlich Vorgaben für Gruppengröße, Kleidung und die Verwendung des Fürst-Pless-Hornes, in der „Gemischten Gruppe“ auch die des Parforcehorns in B formuliert. Die Signale sind oft zweistimmig, mitunter einstimmig oder selten vierstimmig, in der „Gemischten Gruppe“ mitunter auch sechsstimmig. Ein Großteil der heutigen Jagdsignale jedoch stammt direkt aus der preußischen Militärzeit des 19. Jahrhunderts bzw. lässt sich mit kleinen Änderungen von ihnen ableiten. Allerdings hatten sie beim Militär eine andere Bedeutung. Diese Herkunft verdeutlicht bereits, dass Jagdsignale ursprünglich weder erbauliche „Musikstücke“ waren, noch einen künstlerischen Anspruch verfolgten. Die Anfänge der Jagdmusik reichen zwar bis in die Altsteinzeit zurück. Erst im 17. Jahrhundert aber wurden die Instrumente so verbessert, dass mehrstimmige Stücke gespielt möglich werden konnten. Die Weiterentwicklung der Hörner mündete in der Kunstmusik, etwa das „Glückwünschende Jagd-Ballett“ zum Geburtstag von Johann Friedrich von Brandenburg oder Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ und Johann Sebastian Bachs Kantate „Was mir behagt, ist nur die muntre Jagd“. Instrumentale Jagdmusik haben viele namhafte Komponisten geschrieben – von Vivaldi, Haydn und Mozart bis zu Anton Bruckner, Gustav Mahler und Felix Mendelssohn Bartholdy. Und nicht zuletzt die Hubertusmessen, die in den nächsten Tagen vielerorts erklingen, zählen zur Jagdmusik.











