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  • Auf ein Selfie in die Berge – oder: wie die Natur überstrapaziert wird

    Ins Berner Oberland kommen seit dem Ende der Pandemie viele Pauschaltouristen aus Asien. Klassische Urlaubsregionen in den Alpen fürchten die Veränderungen und die Luftverschmutzung durch zusätzlichen Verkehr KI-Bild: Gemini Vor allem im Sommer kommen sie, frühmorgens oder am Spätnachmittag. Sie kommen zu Fuß, machen Selfies vor der Wiese mitten im Dorf Adelboden im Berner Oberland mit dem hochalpinen Panorama. Ganz rechts hinter ihnen der Großlohner mit 3055 Meter Höhe. Viele sind augenscheinlich auf den Flitterwochen, die Bräute –ganz in Weiß gekleidet – gehen manchmal auf die Wiese und werfen vor der Kamera das herrlich duftende Heu in die Höhe. An manchen Tagen kommen sie in Scharen. Die Erfahrung des „Overtourism“ machen nicht nur Venedig, Mallorca oder Amsterdam, sondern es trifft zunehmend beliebte und malerisch erscheinende Alpenregionen, wie wir es in diesem Beitrag für natur+mensch an dem Beispiel Adelboden in der Schweiz schildern. Wir greifen das Thema auf, weil dort Eingriffe in die Natur und natürliche Abläufe erfolgen, die Einheimische, insbesondere Bergbauern auf den Almen, in der geschilderten Intensität zunehmend erleben und – besser gesagt – auch hinnehmen müssen. An vielen Stellen regt sich Protest gegen unkontrollierte Touristenströme. Der Begriff „Overtourism“ stammt von der Welttourismusorganisation UNTWO, die damit Auswirkungen des Tourismus beschreibt, die das tägliche Leben der Einwohner und auch das Besuchserlebnis über ein normales Maß hinaus stören. Ein zu ein großer Anteil an Touristen kann so zu einem Störfaktor werden, der das Leben der Einheimischen belastet. Zurück zu unserem erlebten Beispiel in der Schweiz: In das Gesicht der Touristen dort im Berner Oberland steht die Freude darüber geschrieben, dass sie die Gerüche, die klare Bergluft und den Blick auf den schneebedeckten Wildstrubel-Gletscher zum ersten Mal persönlich erleben. Sie kommen aus Asien, viele Inder und Pakistanis sind darunter, viele sind Touristen aus den Golfstaaten. Frauen sind zuweilen voll verschleiert. Vor allem im August, wenn sich in Adelboden in der dritten Kalenderwoche Dutzende ultraorthodoxe jüdische Familien treffen, zu denen vielfach zahlreiche Kinder gehören, sind das für die Einheimischen und die Urlauber aus Europa völlig neue Eindrücke. Die Busparkplätze reichen schon nicht mehr aus Die asiatischen Touristen, die vor dem legendären Norro-Hügel posieren, wo Generationen von Kindern ihre ersten Rodel- und Skierfahrungen gemacht haben, sind nur für eine Nacht im Dorf. Im Hotel, das Teil des Pauschalarrangements ist, haben sie den Abstecher zur Wiese als Tipp beim Einchecken mitbekommen. Jeden Abend in der Sommersaison quälen sich sechs bis acht Reisebusse aus dem 850 Meter hoch gelegenen Frutigen auf 1350 Meter Höhe nach Adelboden. Die Busparkplätze in dem 3000-Einwohner-Dorf reichen schon nicht mehr aus. Ein Hotelier mit indischen Wurzeln betreibt seit einigen Jahren ein Traditionshaus am Ort und hat dem Tourismus von Asiaten den Weg hierhin gebahnt. Viele Menschen im Berner Oberland leben vom Tourismus. Auch in Adelboden freuen sich die Gastronomen über die neuen Gäste. Doch es gibt auch Stimmen, denen es zu viel wird. Sie schimpfen über die Verkehrsbelastung. Es sind nicht nur die Busse, es kommen auch Individualtouristen. Die Mietwagen in der Schweiz sind fast alle in Appenzell-Innerrhoden angemeldet. SUVs mit Schweizer „AI“-Kennzeichen sind verpönt im Land. Auch in Adelboden, wenn viele Fahrer mit Mietwagen die beschauliche Dorfstraße mit den zulässigen 50 Kilometern pro Stunde passieren. Oben in den Bergen und auf den Wanderwegen sind die vielen neuen Touristen nicht so häufig zu sehen. Die Pauschaltouristen bleiben ja meist nur eine Nacht. In Slots zur Auffahrt mit der Bergbahn Nach Adelboden schwappt eine Welle asiatischer Touristen herüber, die anderswo im Berner Oberland bereits Grenzen überschritten hat. Der Oeschinensee ist einer der schönsten Bergseen im Jungfrau-Aletsch-Gebiet. Der Ansturm ist so groß geworden, dass Touristen einen Slot buchen müssen für die Seilbahn. Zu Fuß eine knappe Stunde den Berg herauf von Kandersteg, das ist auch eine Alternative. Hier gibt es noch keine Beschränkungen. Auch der Blausee, ebenfalls im Kandertal, ist sehr belastet mit Touristen im Sommer. In Lauterbrunnen, einem Ort mit 2300 Einwohnern im Kanton Bern, wurden 2023 insgesamt 881.000 „Logiernächte“ gezählt. Das sind statistisch 383 touristische Übernachtungen pro Einwohner. Damit ist der Ort deutlich höher belastet als Paris, das 13 Millionen Einwohner hat und auf 85 Millionen touristische Übernachtungen kam. Das sind statistisch 6,5 Touristen-Übernachtungen pro Einwohner. Zuweilen sind die sozialen Medien der Auslöser für hohe Besucherzahlen. So etwa in Iseltwald. Dort gibt es einen Steg an einem Bergsee, auf dem eine romantische Szene des koreanischen Netflix-Dramas „Crash Landing on You“ gedreht wurde. Fans posteten einen Besuch vor Ort bei Tiktok. Seitdem wollen so viele Paare aus Südostasien ein Selfie von dem Steg, dass die Gemeinde den Zugang begrenzen musste. Der Besuch der öffentlichen Toilette kostet jetzt auch einige Fränkli. Wasserfälle sind auch ein beliebtes Fotomotiv bei Touristen. Unweit von Adelboden stürzen die Wassermassen spektakulär von den Engstligen, einer Alb am Fuß des Gletschers, ins Tal. In Adelboden fürchten die Menschen schon, dass die Engstligen-Wasserfälle bei den Touristen hoch in den Kurs kommen.

  • Warten auf die Wende

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik Liebe Leserinnen und Leser, in unserem Wochenkommentar blicken wir auf den Zustand der schwarz-roten Koalition gegen Ende der parlamentarischen Sommerpause, speziell angesichts der Herausforderungen im ländlichen Raum. Des Weiteren befassen wir uns angesichts neuer Entwicklungen unter anderem mit der zunehmenden Ausbreitung des Wolfes und den damit verbundenen Konsequenzen für Naturnutzer. Auch in Großstädten wie Hamburg schaffen Wildtiere wie Nutrias mittlerweile Probleme. Zum Schluss blicken wir voraus auf unseren Blog in der kommenden Woche zum Thema Auslandsjagd. Diese ist längst ein Massenphänomen und nicht mehr reichen Eliten vorbehalten. Schnell wird dem Jäger aber ein Trophäenkult unterstellt, wenn er auf fremden Wechseln pirscht. Doch die Reduzierung der Jagd auf die Trophäe ist irreführend. Schauen wir zum Ende dieser Woche zunächst nach Würzburg. Dort haben gestern und vorgestern die Spitzen der Koalitionsfraktionen von Union und SPD über ihr Programm für das zweite Halbjahr beraten. Eine solche Veranstaltung war dringend notwendig. Denn die Bilanz seit dem Regierungsantritt ist durchwachsen. Vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik besteht  noch reichlich Luft nach oben . Es fehlt vielfach der Mut zu wirklich tiefgreifenden strukturellen Reformen. Auch wurden Absprachen wie bei der Wahl zum Bundesverfassungsgericht in letzter Minute nicht eingehalten. Oder man streitet auf offener Bühne über mögliche Kürzungen im Sozialbereich sowie über denkbare Steuererhöhungen. In der Öffentlichkeit muss der Eindruck entstehen, die Koalition ziehe nicht an einem Strang, um die Probleme des Landes tatsächlich zu lösen. Jüngstes Beispiel dafür ist die geplante Wiedereinführung der Wehrpflicht . Es gibt sehr gute Gründe, hier gleich zu Beginn mehr verpflichtende Elemente zu schaffen. Insofern hatte Außenminister Wadephul mit seinem überraschend angedrohten Veto im Kabinett von der Sache her recht. Doch weshalb griff er nicht einfach zum Telefonhörer, um mit dem Kollegen Pistorius über seine Bedenken zu sprechen? Stattdessen wurde sein Einwand nach einem Tag von der Regierungsspitze kassiert. Ergebnis: Alles bleibt wie ursprünglich geplant, nur der fatale Eindruck von Uneinigkeit und Sprachlosigkeit zwischen Ministern hallt nach. Das kann man fraglos besser machen. Umgang mit Wolf bleibt Dauerärgernis Auch im ländlichen Raum wartet man gespannt auf die von Kanzler Merz und seinen Koalitionspartnern versprochene Wende zum Positiven. Wie im Rest der Republik belasten dort wirtschaftliche Wachstumsschwäche, Fachkräftemangel, Bürokratie und die allzu schleppende Digitalisierung in Verwaltung und Infrastruktur. Hinzu kommen spezifisch ländliche Herausforderungen wie die Zukunft der Landwirtschaft und die generelle Nutzung der Natur – alles Themenbereiche, die wir in unserem Blog besonders im Blick haben. Ein Dauerärgernis ist hier der Umgang mit dem Wolf. Mittlerweile scheint sich zwar in Brüssel und Berlin endlich die Einsicht durchzusetzen, dass der bisherige Schutzstatus nicht mehr zeitgemäß ist. Doch damit allein ist es nicht getan. Entscheidend bleibt, dass die Veränderungen auch vor Ort etwa für Landwirte und speziell Weidetierhalter spürbar werden. Denn die Wölfe breiten sich weiter aus. Wie die Süddeutsche Zeitung kürzlich berichtete, wächst mittlerweile auch im Fichtelgebirge die Unruhe. Am dortigen Schneeberg hat sich jetzt ein Wolfsrudel etabliert. Es ist auf drei Fotos dokumentiert, von denen ein Bild eine Wölfin mit Gesäuge und das jüngste Foto vier Welpen zeigt. Es gab in der Region zwar schon lange Hinweise auf Wölfe. Aber dies waren Jungwölfe auf Wanderschaft gewesen. Die Stimmung der Nutztierhalter  in der Region sei gerade geprägt von Ohnmacht und Unsicherheit , meldet der Bayerische Rundfunk und beruft sich dabei auf den örtlichen Geschäftsführer des Bauernverbands. Und ein Landwirt kündigte an, dass er seine Bisonhaltung aufgeben werde. Er befürchte, dass das Rudel die Wildrinder in Aufruhr versetzen könnte und diese dann aus ihrem umzäunten Gehege auf eine angrenzende Bundesstraße ausbrechen. Zum Spendenformular Derweil rechnen Experten in Sachsen in den kommenden Wochen laut dpa wieder mit mehr Angriffen von Wölfen auf Nutztiere. Seit Anfang August sei es in mehreren Gebieten bereits zu neun Rissen gekommen , teilte die Fachstelle Wolf im Landesamt für Umwelt, Geologie und Landwirtschaft mit. In allen Fällen habe man den Wolf mit hinreichender Sicherheit als Verursacher bestätigen können. Bei sechs der acht betroffenen Schafherden habe es einen Mindestschutz gegeben. In einem der Fälle sei ein Kalb gerissen worden. Bis Ende Juli waren in Sachsen 91 Schadensfälle bei Weidetieren gemeldet worden. In 55 Fällen konnte der Wolf mit großer Sicherheit als Verursacher bestimmt werden. 194 Weidetiere wurden getötet und 28 verletzt. Elf Tiere gelten als vermisst. Auch in den Jagdrevieren macht sich die zunehmende Ausbreitung der Wölfe bemerkbar. So wurde etwa in Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Jagdjahr 2024/25 deutlich weniger Wild erlegt. Jäger schossen in diesem Bundesland 59.631 Wildschweine – fast 19 Prozent weniger als im Schnitt der letzten zehn Jahre, wie das Umweltministerium in Schwerin mitteilte. Bei Damwild beträgt der Rückgang demnach 18 Prozent, bei Rehwild neun Prozent. Ein solcher Rückgang sei in Ländern wie Brandenburg oder Sachsen bereits früher als in MV festzustellen gewesen, erläuterte Minister Till Backhaus (SPD): „ Besonders in Brandenburg sind die Strecken in den letzten zehn Jahren rückläufig. Damit kann ein Zusammenhang mit der Ausbreitung des Wolfes abgeleitet werden.“ Nutrias auch in Hamburg Wie die zurückkehrenden Wölfe, die allerdings früher hier beheimatet waren, bereiten auch Nutrias als Neuankömmlinge vor allem im ländlichen Raum zunehmend Sorgen. Wie schon in einem Newsletter Anfang des Monats berichtet , breiten sich die ursprünglich aus Südamerika stammenden Tiere weiter aus. Sie untergraben Uferböschungen und Deiche und gefährden damit den Hochwasserschutz. Der Deutsche Jagdverband fordert deshalb vom Bund eine Aufnahme der Nutrias in das Bundesjagdgesetz und ein Bekenntnis zur Fangjagd, zumal es in den meisten Bundesländern bereits eine Jagdzeit oder entsprechende Sondergenehmigungen gibt. Laut DJV kamen Nutrias im Jahr 2023 in 35 Prozent der untersuchten 23.000 Jagdreviere vor. Dies entspreche einer  Verdopplung der Zahlen gegenüber dem Jahr 2015. Auch vor Großstädten machen die Nager längst nicht mehr halt. So breiten sie sich in den Hamburger Bezirken Wandsbek und Nord derzeit verstärkt aus, wie in dieser Woche der Senat der Hansestadt auf eine kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Ralf Niedmers mitteilte. Genaue Zahlen zur Größe der Population konnte der Senat nicht machen. Es sei aber davon auszugehen, dass die Tiere alle geeigneten Lebensräume in der Stadt erreichen könnten, hieß es. Das Beispiel Nutrias in Hamburg bestätigt einmal mehr, wie wichtig auch für die Bewohner von Ballungsräumen das Verständnis für solche natürlichen Zusammenhänge ist – eine Erfahrung, die auch die Bewohner mancher Berliner Stadtgebiete in ihren Gärten angesichts der dortigen Wildschweinplage gemacht haben … Auslandsjagd als Massenphänomen Ein anderes Thema. Nicht nur die Politiker haben den Sommerurlaub beendet. Auch in den meisten Bundesländern sind die Ferien vorbei. Mancher Jäger wird sie genutzt haben, um in fernen Revieren zu jagen, sei es zur Rehbrunft im europäischen Ausland oder gar in Afrika. Mit ihrem Interesse, fremde Kulturen, neue Menschen und Orte kennenzulernen, unterscheiden sich Jäger nicht von anderen Reisenden. Sie reizt zudem, unbekanntes Wild zu erleben und zu erlegen. Auslandsjagd ist längst ein Massenphänomen und nicht mehr reichen Eliten vorbehalten. Schnell wird dem Jäger aber ein Trophäenkult unterstellt, wenn er auf fremden Wechseln pirscht. Doch die Reduzierung der Jagd auf die Trophäe ist irreführend. In einem Blog-Beitrag wird unser Autor Christoph Boll in der kommenden Woche den Jagdtourismus beleuchten und zeigen, dass die Suche heimischer Jäger nach dem Waidmannsheil in fernen Gefilden besonders in Afrika zum Schutz des Wildes und der Biotope beiträgt und eine wesentliche Einnahmequelle zur Finanzierung des dortigen Naturschutzes ist. Außerdem profitiert nicht zuletzt die örtliche Bevölkerung. Jagdtourismus ist also nicht per se verwerflich. Entscheidend ist das Wie. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und eine gute, für Sie positive Woche Mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination

  • „Unsere Wälder haben Dauerstress“

    Der Wald hat sich trotz der relativ günstigen Witterung des Jahres 2024 und des Vorjahres 2023 bislang immer noch nicht von den Folgen der extrem trocken-heißen Sommer 2018 bis 2020 erholt Foto: schemmi / pixelio.de Der Zustand des Waldes und seine Entwicklung in Zeiten des Klimawandels sind immer wieder Gegenstand der Berichterstattung in den Publikumsmedien. So hieß es im Juni zum Beispiel in der ARD-Tagesschau : „ Der Zustand der deutschen Wälder bleibt angesichts von Hitze, Trockenheit und Schädlingen ernst. 80 Prozent der Fichten, Kiefern, Buchen und Eichen sind krank. Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) drückte das bei der Vorstellung dies jährlichen Berichtes über unsere Wälder so aus: ‚Unsere Wälder haben Dauerstress‘.“ Wir zitieren aus dem jüngsten Waldzustandsbericht die Beschreibungen für einzelne Baumarten: Fichte Bei der Fichte ist eine leichte Verbesserung der mittleren Kronenverlichtung festzustellen (von 28,6 auf 27,2%). Dies kann allerdings ein Effekt des flächendeckenden Absterbens der Fichten sein, da abgestorbene Bäume in der Stichprobe durch neue Bäume am Aufnahmepunkt ersetzt werden. Kiefer Die mittlere Kronenverlichtung bleibt bei der Kiefer bei 22,5 % gegenüber dem Vorjahr auf etwa gleichem Niveau. Die Kiefer weist unter den betrachteten Artengruppen den besten durchschnittlichen Kronenzustand auf, auch wenn seit 2019 insgesamt eine deutliche Verschlechterung zu erkennen ist. Buche Bei der Buche ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtung mit 46 % auf dem Niveau des Vorjahres geblieben. Der Anteil ohne Verlichtungen hat sich mit 18 % (vgl. 2023: 15 %) leicht verbessert. Die mittlere Kronenverlichtung ist mit 28,5 % unverändert. Eiche Eine zunehmende Verschlechterung ist bei der Eiche festzustellen, von 27,6 % im letzten Jahr auf 29,3 %. Im Waldzustandsbericht wird beschrieben, welche Rolle die Wälder im Klimaschutz spielen. Danach ist der Wald ist ein wichtiger Kohlenstoffspeicher in Deutschland. 1.184 Mio. Tonnen Kohlenstoff (108 Tonnen Kohlenstoff je Hektar) sind derzeit in den lebenden Bäumen gebunden. Im Totholz sind weitere 46,1 Mio. Tonnen Kohlenstoff gebunden. Durch die Speicherung von Kohlenstoff in langlebigen Holzprodukten wird diese positive Klimawirkung der Wälder weitergetragen. Jeder Kubikmeter Holz enthält etwa 0,3 Tonnen Kohlenstoff, der in Produkten wie Holzhäusern oder Möbeln jahrzehntelang gebunden ist. Wenn Holz dabei energieintensive Materialien wie Zement oder Stahl ersetzt, werden Treibhausgasemissionen, die bei der Produktion dieser Materialien entstehen, in erheblichem Ausmaß eingespart. Hinzu kommt die energetische Verwendung von Holz, die einen Beitrag zur Verringerung des Einsatzes fossiler Brennstoffe leistet. Quelle: BLMEH-Waldzustandserhebung

  • Die EU-Entwaldungsverordnung und ihre Folgen

    Jeder spricht über Entbürokratisierung. Jeder? Nein, die EU geht einen anderen Weg. Bald wird die geplante Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten als sogenannte EU-Entwaldungsverordnung ihre Wucht auch bei uns entfalten Foto: Alan_Frijns Auf Druck der EVP und vor allem der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wurde in der EU-Bürokratie im Herbst 2024 der Fuß etwas vom Gaspedal genommen. Für die Entwaldungsverordnung (EUDR) aus Brüssel gab es dann für die kleineren und mittleren Unternehmen aus der Forst- und Waldwirtschaft eine Gnadenfrist. Sie läuft bald ab. Für die großen Unternehmen gilt die sich verschärfende Dokumentationspflicht bereits ab Ende dieses Jahres. Am 1. Juli 2026 fallen alle Unternehmen aus diesem Wirtschaftszweig unter die neue Entwaldungsverordnung. Das trifft dann auch die kleineren und mittleren Familienbetriebe aus dem Bereich der Holz- und Forstwirtschaft. Um was geht es? Die neue EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR) hat das Ziel, entsprechende Lieferketten sicherzustellen, die frei von Rodung und nicht von Waldabholzungen ausgehen. Dies soll der zunehmenden Verödung ganzer Gebiete und des Raubbaus an Grün- und Naturflächen vor allem in Asien und Afrika entgegenwirken. Dazu regelt die EUDR in allen EU-Mitgliedstaaten, dass bestimmte Rohstoffe und Erzeugnisse nur dann für den europäischen Markt ein- oder ausgeführt oder für ihn bereitgestellt werden dürfen, wenn diese nicht mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen. Mit der Verordnung gelten unternehmerische Sorgfaltspflichten beispielsweise für den Handel mit Soja, Ölpalme, Rindern, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz sowie daraus hergestellten genannten Erzeugnissen. Welche Konsequenzen hat dies für unsere Land- und Forstwirtschaft? Laut neuer Entwaldungsverordnung dürfen Rohstoffe und Erzeugnisse nur dann in der EU in Verkehr gebracht, auf dem Markt bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn sie entwaldungs- und waldschädigungsfrei sind. Das bedeutet, dass sie nicht auf Flächen produziert worden sein dürfen, auf denen seit dem 31. Dezember 2020 Entwaldung oder Waldschädigung stattgefunden hat. Zudem müssen die Rohstoffe und Erzeugnisse mit den Gesetzen des Ursprungslands im Einklang stehen und unter Beachtung der in der Verordnung spezifizierten, elementaren Menschenrechte produziert worden sein. Mit einer Sorgfaltserklärung müssen die Erfüllung der Sorgfaltspflicht und die Einhaltung der Verordnung bestätigt werden. Was tut die Bundesregierung? Anders als sein Vorgänger Cem Özdemir (Grüne) versucht Landwirtschaftsminister Alois Rainer eine praxistaugliche Umsetzung der Verordnung zu moderieren. „Die Bundesregierung setzt sich daher auf EU-Ebene unter anderem dafür ein, dass die Primärerzeugung von Holz, Rindern und Soja in Deutschland und anderen Ländern ohne Entwaldungsrisiko bei der Anwendung der EUDR durch die Einführung einer ‚Null-Risiko-Variante‘ entlastet wird", lässt der CSU-Politiker erklären. Auch unnötige Bürokratie oder gar eine noch härtere Umsetzung des EU-Rechts in nationales Recht wird es mit Rainer nicht geben.  Als unmittelbar geltendes Unionsrecht muss die Verordnung nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Um die Verpflichtungen aus der Verordnung vollständig und bundeseinheitlich zu erfüllen, sind jedoch zusätzliche gesetzliche Durchführungsbestimmungen in einem nationalen Gesetz erforderlich. Es sind insbesondere Regelungen zu Zuständigkeiten und Befugnissen der beteiligten deutschen Behörden sowie zur nationalen Ausgestaltung der Ordnungswidrigkeits- und Strafbestimmungen zu treffen. Übersetzt: Ein gewisser Spielraum bleibt den deutschen Behörden. Was sagen die Betroffenen? Der Deutsche Forstwirtschaftsrat (DFWR) und der Bauernverband hatten sich maßgeblich für eine zeitliche Verschiebung der Entwaldungsverordnung ausgesprochen. Im Herbst 2024 zeigte man sich dann auch zufrieden, dass die EU die Anwendung um zunächst ein Jahr verschob. Jetzt verstreicht die Frist und am grundsätzlichen Problem ändert sich nichts. „Die EUDR schließt einen Großteil der Forstbetriebe faktisch vom Markt aus“, kritisiert Max von Elverfeldt, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst. „Was mit mehr Nachhaltigkeit begann, droht nun durch Überregulierung in einen Rückschritt für Marktzugang und Versorgungssicherheit umzuschlagen.“ Der Verband begrüßt daher die Forderung der Länder nach einer global geltenden Null-Risiko-Variante, die praxisferne Dokumentationspflichten in risikoarmen Regionen vermeiden soll. Die Familienbetriebe Land und Forst warnen zudem vor den internationalen Auswirkungen der EUDR. Gerade kleine Kooperativen und Betriebe in Entwicklungsländern könnten die Anforderungen kaum erfüllen und würden so vom Markt verdrängt – mit erheblichen sozialen und ökologischen Risiken. Der Deutsche Forstwirtschaftsrat ist die Stimme für rund zwei Millionen private und öffentliche Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer, die die Fläche von etwa 11,4 Millionen Hektar Wald in Deutschland nachhaltig pflegen und bewirtschaften. Die Mitgliedsorganisationen des DFWR vertreten den Privat-, Staats- und Körperschaftswald, die Forstwissenschaft, die mit der Forstwirtschaft verbundenen berufsständischen Verbände und weitere mit der Erhaltung und Förderung des Waldes und der Forstwirtschaft befasste Organisationen.

  • Social Media funktioniert wie bei Gänsen

    Am und auf dem Wasser geht es zu wie auf Social-Media-Plattformen: Mutige Graugänse werden „Influencer“, erkundungsfreudige „Follower“ Foto: Kurt F. Domnik / pixelio.de Mensch und Tier haben mehr gemeinsam, als man gemeinhin denkt. Das belegt eine neue Studie unter der Leitung der Konrad Lorenz Forschungsstelle (KLF) für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien. Sie lässt eine alte Frage der Verhaltensbiologie in neuem Licht erscheinen: Warum erlangen bestimmte Individuen innerhalb einer Gruppe mehr Einfluss als andere? Die Forschungsergebnisse zeigen: Mutige – aber nicht aggressive – Graugänse werden tendenziell eher zu sogenannten Influencern, während erkundungsfreudige Tiere dazu neigen, ihnen zu folgen. Diese Verhaltensmuster weisen auf ein feines Zusammenspiel von Persönlichkeit und sozialen Rollen bei kollektiven Bewegungsentscheidungen hin. Die Ergebnisse wurden aktuell im Fachjournal iScience veröffentlicht. Während einfache Interaktionsregeln erklären können, wie sich Tiergruppen gemeinsam bewegen, ist über die langfristige Stabilität sozialer Rollen in freier Wildbahn wenig bekannt – ebenso darüber, warum manche Tiere erfolgreicher kollektive Entscheidungen beeinflussen als andere, so die Universität Wien. Um diese Dynamiken besser zu verstehen, untersuchte das Forschungsteam mit Sonia Kleindorfer an der Spitze, ob einzelne Graugänse über Jahre hinweg stabile Tendenzen zum Initiieren oder Folgen zeigen – und ob sich diese Rollen durch Persönlichkeitsmerkmale wie Mut, Aggressivität und Erkundungsfreude vorhersagen lassen. Die Wissenschaftler beobachteten eine individuell markierte Grauganspopulation an der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal. Dabei handelt es sich um eine Schar, die ursprünglich in den 1970er Jahren von Nobelpreisträger Konrad Lorenz etabliert wurde. Vier Jahre lang dokumentierten die Forscherinnen und Forscher Hunderte kollektiver Abflüge: Wer ist gestartet, wer folgte, wie groß waren die Gruppen? Parallel dazu erfolgten standardisierte Verhaltenstests. Dabei ging es um die Fluchtinitiationsdistanz, die Rückschlüsse auf den Mut zulässt, die Reaktion auf einen Spiegel als Ausdruck der Aggressivität und den Umgang mit unbekannten Objekten, der Ausdruck der Erkundungsfreude ist. Ziel war es, ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, wie individuelle Unterschiede die Bewegungsentscheidungen und den Informationsfluss in der Gruppe beeinflussen. Mutige Influencer und erkundungsfreudige Follower Die Studie liefert nach Angaben der Universität Wien zwei zentrale Erkenntnisse: „Erstens zeigen einzelne Graugänse über Jahre hinweg stabile Persönlichkeitsmerkmale – Mut, Aggressivität und Erkundungsfreude. Zweitens bewegen sie sich täglich in wechselnden Untergruppen zwischen verschiedenen Futter- und Schlafplätzen. Die Ergebnisse zeigen: Bei mutigen Individuen gibt es eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass andere ihrem Abflugruf folgen. Diejenigen, die folgen, sind meist erkundungsfreudig – und bevorzugen mutige gegenüber aggressiven oder dominanten Scharmitgliedern.“ Die Schar steht täglich vor einem Zielkonflikt: Soll die Sicherheit vertrauter Orte den Vorzug erhalten, setzt man auf die potenziellen Vorteile unbekannter Gebiete. Bei der Entscheidung helfen mutige Persönlichkeiten, dieses Risiko zu managen, indem sie Sicherheit bei Ausflügen in unsichere Umgebungen bieten. Erkundungsfreudige Individuen hingegen tragen zur Entdeckung neuer Möglichkeiten bei – und verbreiten Innovation durch soziales Lernen. Anders als erwartet war Aggressivität kein ausschlaggebender Faktor für den Einfluss während kollektiver Abflüge – obwohl aggressivere Gänse häufig höhere soziale Ränge einnehmen. Die einflussreichsten Influencer waren mutig, aber nicht aggressiv. Die Wissenschaftler sehen darin einen Hinweis auf einen schützenden, nicht dominanten Führungsstil. Diese mutigen Individuen bieten Stabilität, während erkundungsfreudige Follower neue Chancen aufspüren und weitervermitteln. Neue Perspektiven auf kollektive Entscheidungsfindung „Diese Forschung hilft zu erklären, warum bestimmte Persönlichkeitsmerkmale zu dauerhaftem Einfluss führen“, sagt Studienleiterin Sonia Kleindorfer. „Wichtiger noch: Sie lenkt den Blick auf die Follower – eine Gruppe, die in unserer menschlichen Fixierung auf Macht und Ressourcen oft übersehen wird. Was wäre, wenn Follower aktiv entscheiden, wem sie folgen, basierend auf dem Nutzen, den sie daraus ziehen? Das verschiebt den Fokus auf die kognitiven Fähigkeiten der Follower und stellt traditionelle Vorstellungen davon infrage, welche Eigenschaften im sozialen Einfluss zählen.“ Indem sie den Blick von aggressiven, dominanten Individuen, die oft durch Einschüchterung Einfluss gewinnen, hin zu den sozialen und kognitiven Strategien der Follower richtet, eröffnet diese Studie neue Perspektiven auf kollektive Entscheidungsfindung, soziales Lernen und kulturelle Evolution. Das gilt nicht nur für Graugänse, sondern auch für viele andere soziale Tierarten, bis hin zum Menschen.

  • Zwischen Wahlkreis, Wohlstand und Wolf: Politische Schlaglichter des Sommerlochs

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik Liebe Leserin, lieber Leser, in dieser Woche blicken wir noch einmal durchs politische Sommerloch aufs Land. Der Kanzler zeigt, wie sehr die Außenpolitik zurzeit und mit weiterer Innenwirkung alles überstrahlt. Derweil pflegen viele Parlamentarier die Übung, sich dort sehen zu lassen, wo sie gewählt wurden. Besonders aufgeschlossen bei ländlichen Anliegen zeigen sich aktuell der SPD-Vorsitzende und auch sein Fraktionschef in ihren Wahlkreisen in der niedersächsischen Heimat. Matthias Miersch befasst sich mit dem, was Landwirte aktuell hier vor Ort bewegt. Das sind Themen wie Bürokratie oder auch angemessener Pflanzenschutz zur Sicherung von guten Erträgen. Weiter gehen wir wieder und ausführlicher auf den politischen Umgang mit dem Wolf ein. Ein gerade in Brandenburg drängendes Thema, das der dort zuständige Staatssekretär besonders entschlossen angeht. Gibt es Fehlzündungen, so haben wir es früher schon beim alten Zweitakt-Moped gelernt, muss man mal eine Zündkerze rausdrehen und mit der Drahtbürste reinigen, um das Knallen und Stottern zu beenden. Dieses Bild ist im Gespräch über unsere aktuelle innenpolitische Lage mit einem vertrauten journalistischen Freund entstanden, als es um die aktuelle Innenpolitik und die Stimmung im Lande ging. Der den Schraubenschlüssel zur Hand nehmen kann, steht nicht in Reichweite und damit nicht zur Verfügung. Es wäre der Kanzler, der dafür sorgen muss, den Motor endlich rund laufen zu lassen. Notwendigerweise ist er gerade mehr anderswo beschäftigt und steckt seine Energie in seine Führungsrolle, die er für Europa übernommen hat. Das ist auch gut so für uns. Die Außenpolitik mit all ihren Verwerfungen strahlt ständig bei uns ins Innere. Allein wenn es darum geht, wer das zu bezahlen hat, was Putin mit seinem Angriffskrieg anrichtet. Damit sind wir beim Finanzminister, der in diesen Tagen abseits im eigenen ländlichen Wahlkreis Präsenz zeigt, selbst wenn es ums Sommerinterview im ZDF geht. Das wird üblicherweise in Berlin aufgezeichnet. „Herzlich willkommen in meiner Heimat!“ , begrüßte Lars Klingbeil Moderatorin und Zuschauer aus Scheeßel. Neuerdings zeigt die SPD damit auch verstärkt ländliche Nähe. Und so tut es fast gleichzeitig neben dem Parteivorsitzenden auch Matthias Miersch, ebenfalls in niedersächsisch-ländlicher Umgebung. Er spricht unter anderem über die Kraft des Dialogs. Auf die kommt es ja in einer Koalition wie dieser mit der Union nun einmal an. Für Miersch sei es beispielhaft, wie in Niedersachsen über Konflikte zwischen Landwirtschaft und Naturschutz geredet werde – mit viel Dialog und dem Ringen um Lösungen. So zitiert ihn ein in die nördliche Provinz gereister Reporter der Süddeutschen Zeitung, wo Miersch wie viele Abgeordnete aller Fraktionen den Sommer nutzt, um mit der Basis zu reden. So ist in der SZ weiter zu lesen: „ Matthias Miersch steht an einem heißen Augusttag auf einem Acker in Schwüblingsen und berichtet im Kreise heimischer Landwirte von einem seiner bekanntesten Fälle als Anwalt. Die Rettung der Kartoffelsorte Linda. Ein Saatgutkonzern wollte sie vom Markt verbannen, niedersächsische Bauern klagten mit Mierschs Hilfe erfolgreich gegen Lindas Ende.“ Weitere Themen, die wir auch aus unserem Blog kennen: Vorgaben des Düngerechts und des Wasserschutzes, die Nitratkonzentration . Von hier wolle Miersch einiges für die Arbeit im Bundestag mitnehmen. Und das mit der sicher auch auf dem Lande nicht neuen Erkenntnis „Wir brauchen bitte nicht noch mehr Vorgaben und Bürokratie“ . Jedenfalls zeigt er Einsicht und Nähe nicht nur zu Land und Leuten. Carsten Linnemann, als Generalsekretär der CDU wie Miersch bei der SPD als Fraktionsvorsitzender nicht direkt, aber entscheidend in die Koalition eingebunden, spricht in einem Mitglieder-Brief von der „Einfach-mal-machen-Mentalität“ , die wir in ganz Deutschland bräuchten. Wie recht er doch hat – aber umsetzbar? Er greift mit diesem Zitat die Initiative des hessischen Finanzministers Alexander Lorz auf. Der hat veranlasst, dass nach Ablauf der Abgabefrist zur Steuererklärung das Finanzamt Kassel die Steuererklärung für die Bürger übernimmt. Das ist zwar bei uns ein Pilotprojekt, aber in Österreich, Estland und Schweden bereits gängige Praxis. Dort kommt ein automatisierter Bescheid zum Steuerzahler . Man kann natürlich auch Einspruch einlegen. Mit diesem Beispiel in Hessen blickt Lorz wohl auf die Merz-Idee von der Steuererklärung auf dem Bierdeckel zurück. „Kein Papierkram mehr. Aus. Vorbei“, kommentiert Linnemann. Mal sehen, ob es auch bei uns so schön und fair wird, wie sich das erst einmal anhört. Jedenfalls haben Union und SPD dafür gesorgt, dass nach ihrem Koalitionsvertrag „weitreichende Steuervereinfachungen zu erwarten sind“ . Wie der Wohlstand im West-Ost-Gefälle verteilt ist Der Wohlstand lebt nicht nur in Hamburg, München oder Frankfurt , sondern in Kleinstädten und Gemeinden. So veröffentlichte die Bild-Zeitung auf der Grundlage einer Studie von Capital eine Liste von 100 kleineren Gemeinden und Städten in Deutschland, in denen danach der meiste Wohlstand zu Hause sei. Sie geht von Achern in Baden-Württemberg bis Zülpich in Nordrhein-Westfalen. Das belegt, wie vital der ländliche Raum in seinen Kommunen sein kann, wenn die Infrastruktur stimmt. Beim Durchsehen ist mir allerdings aufgefallen, dass von den 100 aufgeführten kleineren Kommunen 97 in westdeutschen Bundesländern liegen und nur drei in den östlichen. Dieses West-Ost-Gefälle ist schon auffällig . Und weil es in den inzwischen nicht mehr „neuen“ Bundesländern so wenige sind, sollte man sie auch hier aufführen: Oranienburg, Schönefeld und Wustermark. Sie liegen ausschließlich in Brandenburg; womit es unter den statistisch erfassten Gemeinden aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nicht eine in diese Wohlstandsliste geschafft hat. Es gab für die Studie übrigens 16 Kriterien wie Kaufkraft, Steuereinnahmen, Zahl der gut ausgebildeten Menschen, Jobs pro Einwohner sowie Preise und Entwicklung am Immobilienmarkt. Aktuell ein heftiger Streit in Brandenburg über den Umgang mit Wölfen Bleiben wir in Brandenburg. Dort regiert eine Koalition aus SPD und BSW, die in der Jagdpolitik klare Ziele im Koalitionsvertrag vereinbart hat : „Das Jagdwesen in Brandenburg stützt sich auf das ehrenamtliche Engagement der Jägerinnen und Jäger. Dabei kommt den Jagdgenossenschaften eine besondere Bedeutung zu. Wir werden das Jagdrecht novellieren und die Jagdverordnung überarbeiten. Wir werden alle Möglichkeiten nutzen, um ein Bestandsmanagement für den Wolf und den Biber einzuführen.“ Die Regierung Woidke ist seit Ende Dezember im Amt. Im Ministerium für Land- und Ernährungswirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz treibt der parteilose Staatssekretär Gregor Beyer die Umsetzung nun mit sichtbarer Energie voran. Foto: doortjekl Nachdem die Debatte über den Umgang mit dem Wolf bundesweit seit der Meldung über den Erhaltungszustand an die EU stärker in Bewegung gekommen ist, steht dieses Thema insbesondere jetzt in Brandenburg auf der Agenda. Das zeigen allein schon Schlagzeilen und Berichte der letzten Tage dort und in Berliner Medien. „Nach dem Vorstoß der Brandenburger Landesregierung, noch in diesem Jahr eine Quotenjagd auf Wölfe einzuführen, wird im Land über die gezielte Tötung der Tiere gestritten“, meldet der Regionalsender rbb24. In dem Bericht wird Beyer damit zitiert, dass Brandenburg das Bundesland mit den meisten Rudeln in Deutschland sei. Nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz lebten im Monitoringjahr 2023/24 in Brandenburg 58 Wolfsfamilien, gefolgt von Niedersachsen (48) und Sachsen (37). Im Oderbruch seien die Wölfe flächendeckend vorhanden, wird eine Jägerin aus Seelow zitiert. Dort warnen an vielen Stellen in der Region orangefarbene Bilder vor Begegnungen. Eine detaillierte Darstellung mit Fragen und Antworten hat jetzt das Potsdamer Ministerium veröffentlicht . Beyer spricht für die Landesregierung inzwischen von einer Abschussquote von zunächst 15 und anschließend 25 Prozent des Bestandes. Das ergebe bis zu 330 Tiere pro Jahr. Die Angabe des brandenburgischen Wolfsbestandes schwanke in der öffentlichen Darstellung zwischen 700 und über 2.000 Tieren. Das Ministerium hält einen Wolfsbestand von mindestens 1.000, wahrscheinlich aber 1.500 bis 1.600 Tieren für realistisch. Verena Harms, die im Landesamt für Umwelt Brandenburg (LfU) zuständig ist, nennt in einer Veröffentlichung auf der anderen Seite registrierte Zahlen: 1.047 Tiere waren 2024 in Brandenburg von Wolfsübergriffen betroffen, 2023 waren es 1.465. Seit 2007 habe das Land 1,2 Millionen Euro Entschädigung an betroffene Tierhalter gezahlt. Wolfsschützer bringen sich mit ihren Argumenten auch juristisch in Stellung Gegen die in Aussicht genommenen Abschussquoten und die „Entnahme“ , wie es in der Fachsprache zur Abschussfreigabe heißt, bringen sich verschiedene und einflussreiche NGOs in Stellung. Der BUND etwa hält die zitierten Ankündigungen zur Abschussquote für „fachlich falsch und rechtlich hochriskant“ . „Eine pauschale Quote, die auf einen relevanten Anteil der Population zielt, ist wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen und eröffnet erhebliche Rechtsrisiken“ , erklärt Carsten Preuß, Landesvorsitzender des BUND Brandenburg. „Statt Schlagzeilenpolitik braucht es Management nach Datenlage: wirksamer Herdenschutz, konsequente Strafverfolgung illegaler Tötung und solides Monitoring.“  Der Nabu malt nach dem rbb-Bericht das Szenario, dass durch die Entnahme die Familienstruktur eines Rudels zerstört werde und junge Wölfe so erst recht zur Gefahr würden. Eine weitere These, die gerade ins Bild passt, wird dort von anderen Naturschützern zitiert: Danach schütze der Wolf Bäume vor Rehen und Wildschweinen, die gerne Blätter und Knospen junger Bäume fräßen. So solle der Wald wieder wachsen. Deshalb würden Länder ohne Wolf sogar über eine Ansiedlung nachdenken, sagte Karsten Arnold vom Artenschutzbüro Unteres Odertal dem rbb. Als Beispiel nannte er Schottland, wo viele Bäume abgeholzt worden seien und es bei einer extremen Schalenwildpopulation fast keine Waldbestände mehr gebe. So denke man dort darüber nach, den Wolf dort anzusiedeln, damit der Wald wieder wachsen könne. Für die „Allianz Wolf Brandenburg“ opfert das Land mit seiner Politik gegen den Wolf den Artenschutz aus jagdpolitischen Interessen. Wie die Erfahrung zeigt, wird dieses Thema nach ersten Verordnungen und Abschussgenehmigungen Gerichte beschäftigen. So, wie wir es mit dem Verein Naturschutzinitiative mit dem Goldschakal beim OVG Schleswig oder bei gerichtlich gestoppten Entnahmebeschlüssen im Bereich der Rhön erlebt haben. „ Influencer“ und „Follower“ unter den Graugänsen Wenden wir uns einem anderen Thema und damit der Forschung zu, die vergleichbare Verhaltensmuster von Mensch und Tier aufzeigt. Unser Autor Christoph Boll berichtet in der nächsten Woche in unserem Blog darüber, dass es auch bei Gänsen so etwas wie Social Media gibt. Er geht auf eine neue Studie unter der Leitung der Konrad Lorenz Forschungsstelle (KLF) für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien ein. Sie lässt eine alte Frage der Verhaltensbiologie in neuem Licht erscheinen: Warum erlangen bestimmte Individuen innerhalb einer Gruppe mehr Einfluss als andere? Das führt zu dieser Aussage: Am und auf dem Wasser werden mutige Graugänse „Influencer“ und erkundungsfreudige „Follower“. Schließen will ich mit einer kleinen Notiz am Rande: Die Welt hat Kenntnis genommen vom Urlaub des amerikanischen Vizepräsidenten JD Vance beim britischen Außenminister David Lammy. Beide vergnügten sich beim Karpfenangeln in Chevening House, der Residenz des Außenamtschefs. Ein Haken, nicht nur an der Schnur: Es fehlte die Angellizenz, die auch in Großbritannien dazugehört. Sie ist vorgeschrieben für jeden, der in Süßwasser angelt und bringt dem Staat jährlich 22,5 Millionen Pfund ein. Ein Fall, den die Umweltbehörde in der Regel strafrechtlich verfolgt. Nun wird in Kent darüber diskutiert, ob man den Schein in diesem diplomatischen Ausnahmefall auch ohne Strafe nachträglich ausstellen kann. Für jeden, der bei uns das Wochenende vielleicht einmal zum Angeln nutzt, dient damit der Hinweis: Den Schein nicht vergessen. Das gilt auch für die Jagd im eigenen oder Gast-Revier. Mit diesem kleinen Hinweis mit der vielleicht unterhaltsamen Meldung zum Schluss dieses Wochenkommentars – auch als E-Mail-Newsletter – wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein gutes Wochenende Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination Zum Spendenformular

  • Neuer Streit um die Fangquoten: Überfischt oder nicht?

    Die deutsche Küstenfischerei befindet sich in der größten Krise seit der deutschen Einigung. Jetzt wollen trotz aller Einschränkungen Geomar-Forscher bereits eine Überfischung in Nord- und Ostsee festgestellt haben Foto: Didi01 / pixelio.de Die verbliebenen Betriebe in der Hochseefischerei Norddeutschlands stehen vor weiteren großen Herausforderungen. Der Zustand der Meeresfischerei ist jetzt bereits besorgniserregend: Fanggebiete entfallen durch den massiven Ausbau von Offshore-Windparks, die hohen Treibstoffpreise belasten zunehmend, der Nachwuchsmangel ist akut und die Öffentlichkeit nimmt die Fischerei als Stressfaktor für die Meeresumwelt wahr. Längst können die deutschen Fischer an Nord- und Ostsee nicht einmal mehr den Eigenbedarf ihrer Landsleute decken. Importe aus Dänemark und den Niederlanden sorgen für Ausgleich. Die Zahl der Fischereibetriebe ist im vergangenen Jahr weiter zurückgegangen. Laut Landesfischereiverband gibt es aktuell in Schleswig-Holstein nur noch 153 Betriebe mit eigenem Kutter, das sind zehn weniger als im Vorjahr. In neue Boote wird kaum noch investiert. Die größten Probleme sind demnach strenge Verordnungen und Fangquoten. Und mitten in dieser Existenzkrise braut sich ein neues Sturmtief zusammen – in Richtung der Fangnetze. Das Kieler Meeresforschungsinstitut Geomar wirft jetzt in einer aktuellen Studie der Europäischen Union vor, die „Überfischung in Nord- und Ostsee zu fördern“. Danach seien die „Fangquoten teils doppelt so hoch, wie es die natürliche Bestandsentwicklung verträgt“. Der gesamte Prozess der Entscheidungsfindung zeige seit 20 Jahren „eine systematische Tendenz zu überhöhten Mengen“, kritisieren die Geomar-Analysten in der Fachzeitschrift „Science“. Zur Stimmung unter den verbliebenen Fischer fallen aus der Betroffenheit heraus Sätze wie diese: „Verfasst haben das meist grün angehauchte Bürokraten.“ Man habe bereits viele Einschränkungen hinnehmen müssen. Weitere wissenschaftliche Bewertungen und folgende politische Diskussionen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern werden zeigen, wie belastbar die Warnungen des Instituts in Kiel sind und welche Folgen sie haben. „ Von der politischen Einflussnahme entkoppeln“ Als Beispiel führt Geomar die Situation beim Dorschfang an. Im Jahr 2022 sei in der westlichen Ostsee eine Fangmenge von 489 Tonnen erlaubt worden. Höchstens 284 Tonnen seien vertretbar gewesen, ohne dass der arg dezimierte Bestand weiter schrumpfe, sagte der Autor der Studie, Rainer Froese, dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag. Froese macht dafür die EU-Kommission und den EU-Ministerrat verantwortlich. Sie allein hätten die Fangquoten „viel zu hoch“ angesetzt. Dadurch seien 70 Prozent der Fischbestände in den nördlichen EU-Gewässern „überfischt oder gar zusammengebrochen“. Froese tritt dafür ein, Fangquoten von politischer Einflussnahme zu entkoppeln. Er fordert eine neue Institution, die ähnlich unabhängig agiere wie die Europäische Zentralbank in der Währungspolitik. Der Geomar-Vorstoß stößt in der ohnehin angeschlagenen Fischerei-Branche auf großes Unverständnis. Und auch beim Rostocker Thünen-Institut, das an der Festlegung der Fangquoten beteiligt ist. Dessen Leiter verteidigt das bisherige System der Entscheidungsfindung. „Wir versuchen, möglichst belastbare wissenschaftliche Ergebnisse vorzulegen, die nicht von Vorurteilen oder Klientelpolitik getrieben sind, weil die zukünftige Nutzbarkeit unserer Meere und die Zukunft unserer Fischerei davon abhängen“, sagte Christopher Zimmermann. Und fügte hinzu: „Diese Geomar-Autoren fallen schon seit Jahren mit umweltverbandsnahen Positionen auf. Sie liegen damit manchmal richtig, aber eben auch manchmal falsch.“ Zimmermann erinnert an die weit verbreitete Geomar-Meldung vor einigen Jahren, „die eingeschleppte Rippenqualle Mnemiopsis werde das Ende der Fischbestände einläuten. Passiert ist aber nichts.“ Wie aus einer aktuellen Urlauber-Umfrage in Schleswig-Holstein hervorgeht, wünscht sich die Gesellschaft eine vitale, zukunftsfähige Küstenfischerei. Sie soll, so heißt es bei der Zukunftskommission Fischerei (ZKF), „nicht nur den Markt mit einem gesunden und vergleichsweise umweltfreundlich erzeugten Lebensmittel versorgen, sondern auch den Tourismus und die kulturelle Identität fördern“.

  • „Zitterpartie“ auf den Feldern: Im Durchschnitt und regional unterschiedlich

    Die letzten Erntemaschinen für das Getreide sind noch unterwegs, schon wird eine erste Bilanz vorgelegt. Der Deutsche Bauernverband (DBV): Danach haben die Bauern mit 43,5 Millionen Tonnen Getreide ein durchschnittliches Jahr zu erwarten Foto: Erich Keppler / pixelio.de Gehen wir einmal nicht nur von den permanent laufenden Klimadebatten aus, fällt dieses Jahr durchwachsen aus. Dem ungewöhnlich warmen und trockenen Frühjahr – besonders in Teilen Ostdeutschlands – folgten gefühlt viel zu frühe und bereits heiße Sommerwochen. Die Durchschnittstemperatur bis Juni lag nach Feststellung des Deutschen Wetterdienstes bis dahin bei 18,5 Grad und damit 3,1 über den erfassten Vergleichsmittelwerten. Dazu kamen in vielen Regionen dürrende Winde. Kurz vor der Ernte haben wir dann einen niederschlagsreichen Juli erlebt. Mit 14 itern Regen pro Quadratmeter war er der erste Monat in diesem Jahr, in dem bundesweit mehr Niederschlag fiel als im jeweiligen Monatsmittel vorher. Mancherorts war der Juli so regenreich, dass es wegen der aktuellen Nässe Sorgen gab, ob die Mähdrescher pünktlich auf die Felder kommen und die Getreidebauern es schaffen, gute Qualitäten in die Silos zu bringen. Weitgehend genau zur richtigen Zeit gab es dann sonnige, warme und trockene Phasen, die sie nun einmal brauchen. Und das sind die arbeitsreichen Tage auf den Feldern, die im Getreideanbau am Ende darüber entscheiden, ob das Jahr in jedem einzelnen Fall gut oder schlecht wird. Über den schlechten Ergebnissen der letzten Jahre Und nun diese Bilanz: Die erwartete Gesamterntemenge liegt über den schlechten Ergebnissen der letzten zwei Jahre (2024: 39 Mio. Tonnen). Gleichzeitig gibt es nach Angaben des DBV je nach Region und Standort bei den meisten Kulturen sehr große Ertragsspannen. In vielen Regionen hätten die Qualitäten zum Teil erheblich unter den wochenlangen, teils sehr intensiven Niederschlägen gelitten. Die Erntemenge der wichtigsten Kultur, des Winterweizens, falle nach den aktuellen Zahlen mit 21,7 Mio. Tonnen deutlich über der des Vorjahres aus (2024: 17,8 Mio. Tonnen). Dies liege sowohl an besseren Erträgen pro Hektar als auch an der deutlichen Ausweitung der Anbaufläche im Vergleich zum Vorjahr. Insbesondere beim Winterweizen seien jedoch die Qualitäten teilweise ungenügend. Insgesamt bezeichnet der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, die diesjährige Getreideernte jedoch erneut als Zitterpartie: „Der anhaltende Niederschlag während der eigentlichen Erntezeit hat auch in diesem Jahr die Arbeit von uns Landwirten erheblich behindert.“  Herausforderung: Einschränkungen beim Pflanzenschutz Auch die zunehmenden Einschränkungen beim Pflanzenschutz verschärfen nach seiner Einschätzung die ohnehin bestehenden Herausforderungen im Ackerbau weiter. Der starke Schädlings- und Infektionsdruck in diesem Jahr zeige deutlich, wie wichtig es sei, Pflanzen ausreichend schützen zu können, betont Rukwied. „Effektiver Pflanzenschutz ist eine zwingende Voraussetzung für sichere und gesunde Lebensmittel“, so der Bauernverbandspräsident weiter. Das gelte auch für andere Kulturen: Vor allem im Apfel- und Salatanbau treten derzeit massive Probleme mit Krankheiten und Schädlingen auf. Auch die Schilf-Glasflügelzikade breitet sich immer weiter im Bundesgebiet aus und sorgt damit für massive Herausforderungen, da die Handlungsmöglichkeiten der Landwirte nach wie vor sehr eingeschränkt sind. Quelle: DBV

  • Löns und das Sakrileg der Heidewachtel-Zucht

    Hermann Löns wird oft mit der Heidewachtel, deren korrekte Bezeichnung „Kleiner Münsterländer Vorstehhund“ ist, in Verbindung gebracht. Der Heidedichter hat zwar über diesen Jagdhund geschrieben, verdient gemacht hat sich aber der jüngere Bruder Edmund Foto: privat Mal heißt er Spion, Spiönken, Magisterhündchen oder auch Pastorshund. Die Bezeichnung bezieht sich mal auf die Arbeitsweise des Hundes, mal auf den Beruf der Jäger, die sich Anfang des vergangenen Jahrhunderts gerne ein solches Tier hielten, darunter eben viele Lehrer und Geistliche. Als Edmund Löns 1922 sein Buch „Der Heidewachtel – Kleiner Münsterländer Vorstehhund oder Spion. Seine Geschichte, Abrichtung und Führung“ veröffentlicht, ist das ein frühes umfassendes Werk über diese Rasse. Fünf Jahre später, der in Osnabrück ins Leben gerufene „Verein für Kleine Münsterländer Vorstehhunde (Heidewachtel) V.K.M.“ ist gerade anderthalb Jahrzehnte alt, begeht dessen Mitbegründer und Vorstandsmitglied Löns stillschweigend ein Sakrileg gegen die Vorschriften der Reinzucht. In seinem Zwinger wölft „Kesselflickers Flora“ zwei Welpen – „Becass-Löns“ und „Bingo-Löns“. Sie werden die Stammväter der gesamten KLM-Braunschimmelzucht. Das Geheimnis ihrer Abstammung hat Elisabeth Brand-Böhmer, Jagdelevin und Nachlassverwalterin von Edmund Löns, erst im Jahr 2007 in einem Anhang zur zweiten Auflage des Heidewachtel-Buches gelüftet. „ Mit der Größe steigt nicht die Leistung“ Löns dürfte schon aus seiner Kindheit und Jugend in Münster Nachfahren jener mit hoher Nase suchenden und stöbernden langhaarigen Vogelhunde gekannt haben, die später auch als „Wachtelhunde“ bezeichnet wurden. Doch sterben diese kleinen Vierläufer gegen Ende des 19. Jahrhunderts fast aus, weil die Jäger größere und kräftigere Hunde fordern. Eine Diskussion, die auch später bei den Kleinen Münsterländern auflodert und in der Löns sich mit dem Hinweis „Mit der Größe steigt nicht die Leistung“ entschieden für die Bewahrung des kleinen Schlages eingesetzt hat. Diese Äußerung verrät, dass der Förster und Jagdaufseher vorrangig Praktiker ist und Hunde in erster Linie nach ihrer jagdlichen Brauchbarkeit beurteilt. Das belegt auch seine Charakterisierung der Heidewachtel: „Er ist der Hund des Suchjägers, er findet schnell und sicher, sucht in mäßig schnellem Galopp in kurzer Entfernung vor dem Jäger gründlich jede Deckung ab, ohne jemals aus der Hand zu gehen. Mit dem hübschen Spiel der Fahnenrute gewährt er einen ganz reizenden Anblick. Da zieht er an, zieht nach, wird auffällig still und steht in wunderbarer Pose das Wild vor. Wer im Münsterland gejagt hat, im Lande der dornigen Wallhecken, des zerrissenen Geländes und der vielen Büsche und Heiden mit ihren Wirrnissen, der wird begreifen, dass ein todsicheres Verlorenapportieren hier die wichtigste Eigenschaft des Hundes ist, die der Spion in hervorragender Weise besitzt. Das geschossene Wild wird schnell mit festem Griff gefasst und herbeigeholt. Die Spursicherheit ist bewundernswert. Totverbeller sind sehr häufig, fast alle verweisen. Die meisten apportieren selbst schwere Hasen, denn sie haben eine stark entwickelte Nackenmuskulatur.“ Orientierung am Leistungsprinzip Bereits für diese kleinen Vorsteh- und Stöberhunde wird immer wieder die frühe Einkreuzung von Epagneul Breton vermutet. Seit Elisabeth Brand-Böhmer im vergangenen Jahr das Zuchtgeheimnis gelüftet hat, ist die Querverbindung der gesamten Kleinen Münsterländer Braunschimmelzucht zu dieser französischen Rasse nun belegt. Danach erschien Anfang der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein Lumpensammler (Kesselflicker) aus Holland an Löns` Tür. Mit einem Strick hat er eine kleine Hündin von Braunschimmelfarbe an seinen Karren gebunden, in der Löns sofort den Epagneul Breton erkennt und das Tier kaufen will. Der Lumpensammler aber will es um keinen Preis abgeben. Löns sieht den vermuteten Wert des Tieres bestätigt, als er die beiden heimlich beobachtet. „Die Hündin saß auf dem Karren, sprang plötzlich herunter, zog mit hoher Nase weit an, um dann bombenfest vorzustehen. Dann wurde ihr ‚Herr‘ mobil, zog seine Flinte unter seinem Kram hervor und schoß.“ Mit aller Macht will nun Löns den Hund haben. Dies gelingt ihm letztlich mit Hilfe eines Wilddiebes, den Löns einmal erwischt hat und der ihm noch einen Gefallen schuldet. Wie genau der des Hundes habhaft wird, ist unklar. Auf jeden Fall wird die Hündin künftig „Kesselflickers Flora“ genannt und wölft 1927 „Becass-Löns“ und „Bingo-Löns“. Dass das nicht abgesprochene Einbringen von „Kesselflickers Flora“ in die Münsterländer-Zucht unzulässig ist, weiß auch Löns. Es ist ihm aber relativ egal. Um den leistungsmäßig durchschlagenden Zuchterfolg zu erklären und nicht zu gefährden, spricht Löns von „Mutation“ und zieht sich auf falsche Abstammungsangaben zurück. Schon bald sickert durch, dass mit den Lönsschen Hunden „etwas nicht stimmt“, was ihm zeitlebens ausgesprochen oder auch unterschwellig den Vorwurf einbringt, ein Lump, Lügner und Betrüger zu sein. Als der Verband sich weigert, die Braunschimmel ins Zuchtbuch einzutragen, gründet Löns den Deutschen Heidewachtelclub. Bernd-Dieter Jesinghausen, früherer Präsident des Verbandes für Kleine Münsterländer Vorstehhunde, formuliert in seinem Grußwort zur Neuauflage des Löns-Buches diplomatisch, dass der Autor „im Wesen wohl nicht immer so umgänglich gewesen ist wie seine Heidewachtel“. Ein streitbarer Geist Foto: privat Dass Löns zumindest ein streitbarer Geselle ist, für den es noch lange nicht dasselbe ist, wenn zwei das gleiche tun, zeigt sich 1947. Nachdem es im Dritten Reich zur Vereinigung beider Verbände gekommen ist, folgt wieder Streit und die Neubelebung des Wachtelclubs, für den in der Folge Elisabeth Brand-Böhmer das Zuchtbuch führt. Auslöser sind wieder Zuchtfragen, aber auch Löns´ ganz persönliche Verärgerung. Er empört sich, dass Hunde ohne Abstammungsnachweis in einen Registerband zum Zuchtbuch eingetragen und zur Zucht zugelassen werden. Als er selbst einen Wurf anmeldet, konfrontiert Zuchtbuchführer Fleddermann ihn mit einer immens hohen Geldforderung. Der Beschwerde beim Vorstand folgen die Erkenntnis, dass der Verband gar nicht ins Vereinsregister eingetragen ist, und der Bescheid, dass der Zuchtbuchführer die Eintragungsgebühren, die ihm als Aufwandsentschädigung zustehen, nach eigenem Ermessen festsetzen kann. Löns sieht darin einen Freibrief, in die eigene Tasche zu wirtschaften, und tituliert den Zuchtbuchführer als „Fleddermensch“, was ihm eine gerichtliche Auseinandersetzung einbringt. Schließlich heißt fleddern nichts anderes als einen Wehrlosen seines Hab und Gutes zu berauben. Erst 1961, drei Jahre vor Löns Tod, kommt es zur endgültigen Vereinigung beider Verbände. Elisabeth Brand-Böhmer hingegen charakterisiert Löns gleichwohl als zwar in der Sache harten, gleichwohl menschenfreundlichen Typen, der im westfälischen Mettingen als Förster der Familie Brenninkmeyer zurückgezogen lebt, plattdeutsch spricht und mit der Landbevölkerung gut auskommt. Besonders Außenseiter unter den Kindern versteht er, an sich zu ziehen und ihnen die Natur zu erklären. Den meisten Mitbewohnern im Dorf aber bleibt er wohl stets fremd, ein Exot und Sonderling. Sein Händchen für Hunde aber ist unbestritten, schließlich heißt es schon zu Löns` Lebzeiten im Ort: „ He küert met sine Rüens at met Mensken, und se verstoaht ehm.“ (Er spricht mit seinen Hunden wie mit Menschen, und sie verstehen ihn.) Hundeverstand führt ins Königshaus Seinen Hundeverstand bewies Löns vielfältig. So soll er als Kind Foxterrier gehabt und später neben den KLM zeitweilig auch einen anderen langhaarigen Hundeschlag gehabt sowie Hirtenhunde gezüchtet haben. Wirklich erfolgreich aber war er neben der Zucht der Heidewachtel auch mit seinen roten Kurzhaar-Teckeln. Das hat laut Elisabeth Brand-Böhmer dazu geführt, dass es eines Tages zu einem Telefonat kam, in dem sich der Anrufer als Prinz Heinrich der Niederlande vorstellte. Er wolle einen Teckel aus der Löns-Zucht kaufen, aber stubenrein müsse der Hund schon sein. Als beide Seiten sich einig geworden waren, bat Löns den Anrufer, ihm doch nun zu sagen, wer er sei. Nach der erneuten Vorstellung als „Prinz Heinrich der Niederlande“, fühlte er sich zunächst auf den Arm genommen und war erst nach einiger Zeit davon zu überzeugen, dass er wirklich einen Hund ins holländische Königshaus bringen solle. Mit dem jungen Tier im Rucksack trat er wenig später die Bahnreise an. Schon das äußere Erscheinungsbild des Forstmannes habe am niederländischen Hof befremdlich gewirkt. Wirklich die Nase gerümpft aber hätten seine Gastgeber, so Elisabeth Brand-Böhmer, als der junge Hund, gerade dem Rucksack entnommen, nach der langen Reise und vor lauter Aufregung als erstes auf den echten Perserteppichen sein Geschäft verrichtet habe und damit hinter die gewünschte Stubenreinheit ein großes Fragezeichen setzte.

  • Die neue Tierschutzbeauftragte kennt den Stallgeruch

    Die Bauerntochter, Juristin und CDU-Politikerin Silvia Breher befasst sich schon länger mit dem Tierschutz. Sie kommt aus einer bedeutenden Agrarregion im Westen Niedersachsens Silvia Breher (Foto: Anne Hufnagl) Als Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) kürzlich seine Parlamentarische Staatssekretärin Silvia Breher zur neuen Tierschutzbeauftragten ernannte, hagelte es Kritik: Die Grünen, der Umweltverband BUND, der Deutsche Tierschutzbund sowie die Organisationen Peta und Vier Pfoten bezweifelten die Unabhängigkeit der CDU-Politikerin. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin, der parteilosen Tierärztin Ariane Kari , gehört Breher dem Landwirtschaftsministerium an. Sie übernimmt die Aufgabe ab September zusätzlich, da die neue Koalition die Zahl der Beauftragten reduzieren und Kosten sparen will. Doch wer ist Silvia Breher? Die 52-Jährige mit den punkig hochfrisierten blonden Haaren ist in Lindern im Kreis Cloppenburg auf einem Bauernhof aufgewachsen, als Tochter eines Maurers, der im Nebenerwerb einen landwirtschaftlichen Betrieb führte. Sie kennt also den Stallgeruch seit Kindheitstagen. Breher studierte Jura in Osnabrück und arbeitete dann 18 Jahre als selbstständige Rechtsanwältin. Dabei vertrat sie Handwerker in Bau-Streitigkeiten. Von 2011 bis 2017 setzte sie sich als Geschäftsführerin des Kreislandvolkverbandes (Bauernverband) Vechta für die Interessen der Landwirte ein. Gegen drei Männer durchgesetzt 2017 zog sie für die CDU erstmals in den Bundestag ein, als Vertreterin des Wahlkreises Cloppenburg-Vechta im Westen Niedersachsens. Diese Region, das katholisch geprägte Oldenburger Münsterland, ist eine traditionelle Hochburg der Christdemokraten. In früheren Zeiten errangen sie sogar mehr als 60, 70 Prozent der Erst- und Zweitstimmen. Wer hier für die CDU antritt, kann damit sicher sein, auch ins Parlament gewählt zu werden. Entscheidender ist es daher, überhaupt für die Direktkandidatur aufgestellt zu werden. Breher gelang es. In einer Urwahl mit fast 2000 CDU-Mitgliedern schlug sie mit ihrem erfrischenden Auftritt drei Männer mit klarem Abstand. „Da wurde mir nichts geschenkt“, sagte sie der „Zeit“. Bei der Bundestagswahl 2017 gewann die Quereinsteigerin in ihrem Wahlkreis mit 57,7 Prozent der Erststimmen – das höchste Ergebnis aller Kandidaten bundesweit. Seitdem hat sie eine steile politische Karriere hingelegt: Schon zwei Jahre später wurde Breher zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU gewählt. Sie ist auch Vorsitzende des CDU-Landesverbandes Oldenburg und gehört damit dem Landesvorstand der CDU in Niedersachsen an. Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Das Wahlergebnis bei der Bundestagswahl in diesem Jahr fiel mit 45,8 Prozent der Erststimmen zwar deutlich schlechter aus als 2017 (57,7 Prozent) und 2021 (49,0 Prozent), doch damit erzielte Breher immer noch eines der besten Ergebnisse deutschlandweit. Nach der Wahl kursierten Gerüchte, Kanzler Friedrich Merz könnte sie und nicht einen Politiker der Schwesterpartei CSU für das Ressort Landwirtschaft, Ernährung und Heimat ins Kabinett holen. Tatsächlich wurde sie dort Parlamentarische Staatssekretärin. Die Sorgen und Nöte der Landwirte sind der Politikerin bestens vertraut. In ihrer ersten Wahlperiode im Bundestag gehörte sie dem Agrarausschuss an, in ihrer zweiten Wahlperiode war sie dort stellvertretendes Mitglied. Außerdem engagierte sich die Mutter von drei Kindern in der Familienpolitik und war familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion. Wichtig sind ihr darüber hinaus die ländlichen Regionen: „Ich möchte, dass wir alle auch zukünftig gut in ländlichen Räumen leben und arbeiten können“, schreibt Silvia Breher auf ihrer Homepage . „Das ist eine Herzensangelegenheit und dafür stehe ich.“ Die größte Dichte an Veredelungsbetrieben in ganz Deutschland Mit der Tierhaltung beschäftigt sich die CDU-Abgeordnete schon länger, allein schon, weil ihr Wahlkreis, das Oldenburger Münsterland, mit Geflügel, Schweine- und Rinderzuchtbetrieben deutschlandweit die größte Dichte an Veredelungsbetrieben aufweist. Hier sitzen Unternehmen, die zu den größten Lieferanten des deutschen Lebensmitteleinzelhandels zählen. Im Agrarausschuss des Bundestages hatte sie mit Tierschutz zu tun. Zur Tierwohl-Initiative des Handels sagte sie dem „Weser-Kurier“ vor zwei Jahren: „Ich hätte nie gedacht, dass bei mir auf dem Land im Supermarkt das Regal mit den entsprechenden Haltungsstufen so breit gefüllt sein würde.“ Die Bauern bräuchten aber auch die Chance, die Anforderungen des Marktes umzusetzen. Dafür müssten erst im Baurecht die Voraussetzungen geschaffen werden. Und es ist aus ihrer Sicht nicht hilfreich, wenn es in Deutschland eine Tierhaltung auf höchstem Niveau gibt, aber schmutzige Geschäfte ins Ausland verlagert werden. Den Tierschutz sieht Breher als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Als besonders wichtig bezeichnet die designierte Beauftragte den „Dialog mit den Tierschutzverbänden, der Landwirtschaft, der Wissenschaft und der Gesellschaft“. Man kann gespannt sein, wie sie sich in den kommenden Jahren für den Tierschutz – nicht allein bei Nutztieren – einsetzt.

  • 100 Tage Regierung Merz, Streit um Jagdgesetze und neue Impulse für Naturpädagogik

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik Liebe Leserin, lieber Leser, mit unserem kommentierenden Rückblick auf diese Woche verbinden wir regelmäßig Betrachtungen zu den politischen Entwicklungen, die überall im Fokus stehen, mit dem Blick auf unsere Themen auf dem Lande und damit am Rande. Der Bundeskanzler hat aus außenpolitischen Gründen seinen Urlaub unterbrochen. Und die Innenpolitik geht weiter. Wir fragen zunächst, ob es in diesen Zeiten überhaupt noch immer so etwas wie eine 100-Tage-Schonfrist für eine neue Regierung gibt oder nicht. Daneben erinnern wir daran, dass das Thema Klima und damit zusammenhängend Wälder mit ihren Lebensräumen weiter in aller Munde ist. Es macht Sinn, diese Entwicklungen bei aller großen Politik nicht aus dem Blick zu lassen. Wir schauen also wieder in einige unserer Regionen und kommen zum Schluss auf Anliegen der Jagd und die Arbeit von natur+mensch zurück. Die 100-Tage-Frist nach einem Regierungswechsel ist traditionell und sprichwörtlich die Zeit, in denen Opposition und Medien die neuen Köpfe in neuen Ämtern mit Kritik schonen. Sie sollen sich einarbeiten können, ihre Stäbe aufbauen und Richtungsentscheidungen einleiten. Das geht zurück auf eine Praxis, die aus der amerikanischen Demokratie stammt und in Washington einmal so aussah: Die im Weißen Haus akkreditierten Journalisten wurden vom neuen Präsidenten 100 Tage nach seiner Einarbeitung zu einem festlichen Dinner eingeladen. Das war das Ende eines so befristeten „Stillhalteabkommens“. Nach ersten Erfahrungen im neuen Amt folgte üblicherweise die Ankündigung neuer grundlegender Regierungsmaßnahmen, die dann auf den Weg gebracht wurden. Das ist Geschichte und gilt wohl auch nicht mehr. Trump hat jedenfalls direkt nach seiner Amtsübernahme bekanntlich erst einmal die an seinem Amtssitz akkreditierten Korrespondenten der Medien neu sortiert und eine Flut von Dekreten unterzeichnet. Das ist Regierungshandeln aus dem Stand. Alle Welt reibt sich die Augen, was dabei herauskommt. Bei uns ist dagegen in dieser Woche überall von den ersten 100 Tagen die Rede, in denen die Regierung Merz im Amt ist. Sie hat sich selbst keine Schonfrist gegeben. Es gilt die Ankündigung, dass vor der Sommerpause die Menschen einen Aufschwung im Lande spüren sollten, der nach dem Ende der Ampel-Koalition sofort ausgelöst werde. Dementsprechend müssen sich Friedrich Merz und Lars Klingbeil fragen lassen, ob ihr Plan aufgeht, wonach ein schnell eingeleitetes Wirtschaftswachstum wieder mehr Geld in die Staatskasse spült. Der Haushalt sollte so für die nächsten Jahre abgesichert werden, um auch die angekündigten Sozialreformen zu stemmen. Darüber wird bereits viel gestritten. So hat sich jetzt eine große Zahl an Wirtschafts- und Politikwissenschaftlern zur 100-Tage-Frist zu Wort gemeldet und erst einmal weiter düstere Aussichten prognostiziert. Die FAZ schreibt: „Deutschlands Ökonomen geben der Regierung Merz schlechte Noten“ Es wird eine Umfrage zitiert, wonach 42 Prozent der befragten Volkswirte die Wirtschaftspolitik der ersten 100 Tage als eher oder sehr negativ bezeichnen. Nur 25 Prozent sehen die wirtschaftspolitische Bilanz der Regierung Merz danach eher positiv. Auf der anderen Seite lese ich Einschätzungen wie diese: Gelingt eine Neuausrichtung der Politik in drei Monaten? 100 Tage seien kein Maßstab. Seriöserweise lasse sich erst „nach einem Jahr angemessene Bilanz ziehen“ , sagt beispielsweise der Politikwissenschaftler Volker Kronenberg von der Uni Bonn gegenüber dem Focus. Also bleibt nur der Schluss, dass vielleicht auch etwas mehr Geduld gefragt ist. Mit Beginn der Rentendebatte sehen wir, welch hohe finanzielle und in dem Falle demographische Hürden vor grundlegenden Veränderungen in unseren Sozialsystemen liegen. Vielleicht haben wir auch zu viele Fehler in der Vergangenheit gemacht. Wir bleiben dabei, unser Augenmerk auf strukturelle und politische Entwicklungen des ländlichen Raumes zu legen. Wie läuft die Wirtschaft dort, wo immerhin mehr als 60 Prozent der Menschen bei uns leben und arbeiten? Auch dort gilt, dass nach dem letzten ARD-Deutschlandtrend nur noch 29 Prozent der Deutschen mit der schwarz-roten Regierung zufrieden sind . Die politische Sommerpause, die es in diesem Jahr eigentlich nicht gibt, lenkt unsere Blicke auf Themen, die für uns wichtig bleiben. Wir stehen beispielsweise vor Landtagswahlen Anfang nächsten Jahres in Ländern wie Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Es lohnt sich schon einmal, sich frühzeitig damit zu befassen. Uns geht es um den Erhalt der Lebensräume des Wildes Oft haben wir anlässlich aktueller Themen und mit Blick auf Landesstrukturen darauf hingewiesen, dass für den Wald auch unter veränderten klimatischen Bedingungen die Rolle als Lebensraum für die Vielfalt unserer wild lebenden Tierarten  erhalten werden muss. Das lehnt sich seit Generationen an die Rolle an, die die Jagd gesellschaftlich einnimmt. Sie hat sicher auch in der Entwicklung der Menschen viel mit Emotionen zu tun. Aber: Sie weckt auch Emotionen, wie wir es gelegentlich und manchmal in schriller Form von Jagdgegnern wahrnehmen. Da ist dann in der Regel wenig von Akzeptanz zu spüren, wenn es um Fakten, Praxiserfahrung und Sachkenntnis über natürliche Abläufe geht. Das wird gern ignoriert. Die Jägerschaft nimmt im Prinzip eine Rolle des Verbündeten zum Erhalt der Weiterentwicklung der Natur ein, wie es über Generationen anerkannt geschieht. In vielen aktuellen Debatten, die wir gerade in der Jagdpolitik etwa über gesetzliche Grundlagen, erweiterte Abschussverordnungen mit Argumenten zum Waldschutz oder auch den Umgang mit invasiven Arten erleben, drängt sich dieser Eindruck auf: Konfliktlinien  laufen nicht zwischen den Ansprüchen der Natur und unseren Jägern bzw. Jägerinnen, sondern oft und zunehmend zwischen Naturnähe und Naturferne . So sprechen wir zum Beispiel über ein faktenbasiertes „Wald-Wild-Bewusstsein“ . Das ist ein Begriff, den der Landesjagdverband Baden-Württemberg gerade zum Schwerpunktthema gemacht hat. Als Ausdruck einer tiefen Verbindung zwischen Menschen, Natur und Jagd trage man so Verantwortung nicht nur für das Wild, sondern auch für den Wald, die Biodiversität und das Gleichgewicht der Ökosysteme. So wird in der Verbandszeitschrift „Jagd“ Landesjägermeister Dr. Jörg Friedmann zitiert. Solche Debatten werden verstärkt vor dem Hintergrund weiterer möglicher grundlegender Veränderungen in verschiedenen Landesjagdgesetzen geführt. Auslöser sind insbesondere die jüngsten Parlamentsbeschlüsse in Rheinland-Pfalz. Dem folgen etwa ähnliche jagdpolitische Zielsetzungen der rot-grünen Mehrheit im Saarland. Aus aktuellem Anlass, aber auch mit Blick auf den bevorstehenden Landtagswahlkampf hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag von Baden-Württemberg, Manuel Hagel, das Thema aufgenommen. Er ist selbst Jäger und Kreisjägermeister in Ehingen, vor allem aber Spitzenkandidat seiner Partei für die nächste Landtagswahl am 8. März. Dann will er die Grünen als bisherige Koalitionspartner aus der Regierung drängen. Und strebt so gleichzeitig die Nachfolge von Wilfried Kretschmann als Ministerpräsident an. Damit will er auch Cem Özdemir als grünen Nachfolger Kretschmanns verhindern.  Sicher auch angesichts der Verabschiedung des Landesjagdgesetzes im benachbarten Rheinland-Pfalz mit seinen Paradigmenwechseln für die Jagd- und Forstpolitik sieht sich Hagel veranlasst, rechtzeitig klar Position zu beziehen. Sollte er die Regierung künftig führen, werde es keine Änderungen der Jagdzeiten auf Rehwild  geben. Zur Rotwildverordnung merkt er an, dass das Abschussgebot auf Hirsche aufgehoben werde. Dies soll es nicht mehr außerhalb der Rotwildgebiete geben. Weiter werde er dafür sorgen, dass das Thema Generalwildwegeplan aus dem Verkehrsministerium in das Ressort für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz übertragen werde. Dem ist jedenfalls zu entnehmen, dass die Jagdpolitik in seinem anstehenden Wahlkampf eine besondere Rolle  spielen wird. Wie neutral kann eine Tierschutzbeauftragte sein? Zurück zu Cem Özdemir und damit zu seiner Ampel-Vergangenheit als Landwirtschafts- und Ernährungsminister. Er hat während seiner Amtszeit neben den Landestierschutzbeauftragten auch für den Bund eine vergleichbare Position geschaffen. Unser Autor Wolfgang Kleideiter ist gestern mit seinem Beitrag auf die Entscheidung des Özdemir-Nachfolgers Alois Rainer (CSU) mit der Ablösung von Ariane Désirée Kari in diesem Amt eingegangen. Nachfolgerin wird Staatssekretärin Silvia Breher (CDU). Sie wird von unserem Autor Christian Urlage zeitnah als neue Tierschutzbeauftragte in unserem Blog porträtiert. Ein aufmerksamer Leser dieser Wochenkolumnen stellt die zweifelnde Frage, wie neutral die bisherige Tierschutzbeauftragte gewesen sei, auch wenn sie keiner Partei angehörte. Daneben bemerkt er, dass das auch für die Jagd zuständige Ministerium aus dem CIC, dem „Internationalen Rat zur Erhaltung des Wildes und der Jagd“, ausgeschieden sei und ob das nun wieder rückgängig gemacht werde. Förderung der Naturpädagogik und Kooperation Die Übergabe des Waldrucksacks natur+mensch erfolgte im Beisein von Schulleiter Ulrich Solbach und Silvia König (Biologie). Alle zeigten sich erfreut über die Unterstützung und betonten die Bedeutung außerschulischer Lernangebote für nachhaltige Bildung. (Foto: privat) Mehrfach haben wir darüber berichtet, wie sich Rotarier und Lions für Naturpädagogik in Schulen einsetzen. Durch Vermittlung von Prof. Martin Thieme-Hack leisteten der Rotary Club Osnabrück und das örtliche Gymnasium Carolinum einen besonderen Beitrag zur Umweltbildung in Kooperation mit unserer Stiftung. Dort wurde der Waldrucksack von natur+mensch mit Material des Programms Lernort-Natur aus der Jägerschaft übergeben. Er enthält vielfältiges Anschauungs- und Arbeitsmaterial rund um Wildtiere , Lebensräume, Fährten, Jagd und Waldpädagogik – darunter Tierpräparate, Lupen, Bestimmungshilfen, Spiele und naturpädagogische Unterrichtsideen. Das besondere Highlight ist ein hochwertiges Fernglas zur Tierbeobachtung. Das Material soll Lehrkräften helfen, Naturwissen lebendig und praxisnah zu vermitteln. Aus dieser Verbindung über die „International Rotary Fellowship of Hunters“ entstand auch die Gelegenheit, über die Aktivitäten unserer Stiftung natur+mensch in einem Vortrag zu berichten. Dazu wurde auch die Anregung weitergegeben, in Kooperation mit Förderung durch die genannten Service-Clubs das naturpädagogische Programm von natur+mensch verstärkt örtlich anzustoßen. Amy Schweinhouse und Keiler Minogue am Tegelsee Die Onlineausgabe „Checkpoint“ der Hauptstadtzeitung Tagesspiegel meldet aus dem Wildtierschaugehege der Revierförsterei Tegelsee, dass die Forstverwaltung ihre Instagram-Community um Namensvorschläge für zwei neue Wildschweine gebeten habe. Über das Internet wurden Vorschläge geliefert, merkt die Redaktion an: Die einjährige Bache hört danach nun auf den Namen „Amy Schweinhouse“ , der zweijährige Keiler heiße Keiler Minogue . Amy Schweinhouse löste sofort neuen Eifer aus, einen weiteren Namen zu kreieren, weil sie unmittelbar danach für Nachwuchs sorgte. Der Wurf schien nicht so üppig ausgefallen zu sein. Er brachte wohl nur einen Frischling auf die Läufe. Der Name für das kleine Schwein war schnell da: „ Ziros“ . So heißt es wie eine kleine Gemeinde auf Kreta, aber auch das Sturmtief, das am Tag der Frischlingsgeburt für Schlagzeilen über Schäden in Berlin gesorgt hatte. Mit dieser weniger wichtigen, dafür vielleicht unterhaltsamen Meldung aus der Berliner Sommerflaute wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein möglichst unbeschwertes Wochenende Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination

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    Mit einer stärkeren Einbindung der neuen Tierschutzbeauftragten in sein Ministerium setzt Ressortchef Rainer einen Punkt des Koalitionsvertrags um. Das gefällt nicht allen, denn die vom Vorgänger Özdemir ernannte Vorgängerin hat auch Punkte gesammelt Ariane Kari (Foto: BMLEH) Als im Mai die Amtszeit von Ariane Désirée Kari nur noch um drei Monate verlängert wurde, war die Angelegenheit klar. Die bisher erste Beauftragte der Bundesregierung für Tierschutz, von Haus aus Fachtierärztin, würde ihre Stelle in absehbarer Zeit verlieren. Vor allem der Tierschutzbund haute von diesem Zeitpunkt an mächtig auf die Pauke, sprach von „verspieltem Vertrauen“ und einem „tierpolitischen Beben“. Als sei mit der Amtsinhaberin das Wohl und Weh des Tierschutzes in Deutschland verbunden. Tierschutz hat hierzulande und damit anders als in vielen Regionen auf dem Globus Verfassungsrang. Seit 2002 ist der Schutz der Tiere ein Staatsziel. Auch deshalb wird nach Ariane Kari weiter jemand mit entsprechendem Rang den Tierschutz auf Bundesebene im Blickfeld haben. Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) will seine Parlamentarische Staatssekretärin Silvia Breher (CDU) mit der Funktion betrauen. Die Mutmaßung der Kritiker, die Stelle werde es nach dem Ausscheiden von Kari überhaupt nicht mehr geben, war also falsch. Die Nachbesetzung findet vor der Kulisse des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und SPD statt. Dort steht der folgende Satz, den bestimmte Interessengruppen offenbar überlesen haben: „Das ausgeuferte Beauftragtenwesen des Bundes reduzieren wir um rund 50 Prozent.“ Im Mai hat das Kabinett Merz folgerichtig die Abschaffung von 25 der insgesamt 60 Stellen von Beauftragten und Koordinatoren beschlossen. Weggefallen sind so Stellen und Stäbe wie der „Bundesbeauftragte für die Modernisierung der Fortbildungslandschaft“, die ans Auswärtige Amt gekoppelte „Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik“ oder der „Radverkehrsbeauftragte“. Beim Tierschutz gibt es in elf Bundesländern die Landestierschutzbeauftragten. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf Prävention, Aufklärung und langfristigen, strategischen Lösungen. Sie sind also nicht wie staatliche Behörden für die Überwachung und Durchsetzung tierschutzrechtlicher Vorschriften verantwortlich. Cem Özdemir war dies offenbar zu wenig, deshalb legte er auf Bundesebene nach. Die parteilose Ariane Kari wurde 2023 vom grünen Bundeslandwirtschaftsminister ernannt. Damals lehnte die Union dieses neue Amt als „überflüssig und falsch“ ab. Jetzt wird es im Zuge einer Reform im Ministerium neu platziert. Mit Silvia Breher wird im Ministerium eine Parlamentarische Staatssekretärin gleichzeitig die Bundestierschutzbeauftragte. Breher ist zwar nicht Mitglied der Bundesregierung, aber zweifellos sehr nah dran und kann in puncto Tierschutz mehr auf das Kabinett einwirken als jemand von außen. Stellungnahmen und Empfehlungen hatte Ariane Kari an vielen Stellen platziert. Auch wenn sie in der Tierschutz-Szene Beifall erhielt, durchsetzen konnte sie sich mit den Forderungen auch während der Ampel-Zeit nicht. Da hilft es wenig, wenn der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, Kari exzellente Arbeit bescheinigt und Brehers Unabhängigkeit im Amt bezweifelt. Man sollte jetzt abwarten, wie Silvia Breher diesen neuen Part ihres Amtes nutzt und Tierschutzpolitik mitgestaltet. Gemessen werden sollte sie einzig und allein an den Ergebnissen, zu denen sie beiträgt. Themen gibt es reichlich – darunter das Tierwohl bei der Nutztierhaltung, das Tierschutzgesetz und Tierversuche.

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