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Konflikte um EU-Gelder für die ländlichen Regionen, zwischen Forst und Jagd sowie um den Wolf

  • Autorenbild: Jost Springensguth
    Jost Springensguth
  • 17. Okt.
  • 6 Min. Lesezeit

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik


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Liebe Leserin, lieber Leser,


in dieser Rückbetrachtung auf die Woche streifen wir neben ein paar Bemerkungen über die Bundestagswoche und die großen Vorhaben in Berlin weitere Konfliktthemen. Sie betreffen die Landwirtschaftsförderung in der EU. Kommissionspräsidentin und Parlament streiten sich um die Zuständigkeit bzw. die Gestaltung der Fördertöpfe für die Regionalförderung. Weiter kommen wir auf die überfällige aktive Bestandsregelung beim Konfliktthema Wolf zurück. Die Bundesregierung hat dazu die nächste Hürde in Richtung Jagdgesetz genommen. Derweil macht ein sogenannter „auffälliger Wolf“ Schlagzeilen in Niedersachsen. Weiter geht es um den offensichtlich schwindenden Ausgleich zwischen Forst- und Jagdinteressen in Folge eines umstrittenen Gesetzes in Rheinland-Pfalz. Zum Schluss blicken wir noch auf die lebendige Tradition der Hubertusmessen.


Im Brennpunkt der politischen Woche standen wieder die bekannten großen Themen in Berlin. Ziel der vom Kabinett in dieser Woche beschlossenen Aktivrente ist es, dass das Erwerbspotenzial älterer Menschen besser genutzt und Erfahrungswissen länger in den Betrieben gehalten wird. Auf dem Lande und unter Selbstständigen wäre es gleichzeitig berechtigt, an dieser Stelle einmal darauf hinzuweisen, dass die Weiterarbeit älterer Selbstständiger, im Handwerk und auf den Höfen bisher ohne steuerliche Vorteile gang und gäbe war. Und das wird damit wohl auch so bleiben. In den weiteren produzierten Schlagzeilen dieser Woche ging es mehr um schwelende Kontroversen. Sie sorgen zunächst um weiter absehbar sinkende Zustimmungswerte, die die Demoskopen messen. Zwei zentrale Gesetzesvorhaben der schwarz-roten Koalition bleiben nach all den Debatten in den Reihen der Regierungsfraktionen umstritten: Das sind die Finanzierung der Renten auf dem in der Koalition vereinbarten Niveau und die Regelung zur Einführung eines neuen Wehrdienstes.


Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung abseits dieser Debatten im Bundestag insbesondere auf den für die nächste Woche geplanten EU-Gipfel eingestimmt. Dort werden das Spannungsfeld Ukraine und eine europäische Vorbeugung gegen russische Bedrohungen im Mittelpunkt stehen. Hier will er die EU stärken, auf einer anderen Seite wohl schwächer und damit attraktiver machen. Das ist die Brüsseler Regelungsdichte, gegen die der Kanzler mehr Druck aufbauen will. Jedenfalls hat er damit etwas angesprochen, was gerade im ländlichen Raum im Blick auf die Europäische Union vielen auf den Nägeln brennt und in ganz Europa die Nationalisten stärkt. Mal sehen, wie weit er da kommt.


Erst einmal ist in der EU weiter auch Selbstbeschäftigung angesagt. Zwischen den Christdemokraten im Europäischen Parlament und der Kommission schwelt ein Konflikt um die Gelder für die Landwirtschaft. Die Präsidentin will, dass die Gelder für die Regionalförderung und die Landwirtschaft künftig aus einem großen Topf kommen. Dabei befürchten die Agrarpolitiker im Parlament, dass dann weniger Geld in der Landwirtschaft landet. Die Stimmung zwischen den christdemokratischen Abgeordneten und Ursula von der Leyen, die aus der gleichen Parteienfamilie kommt, ist damit auf dem Tiefpunkt. Die Volksvertreter überlegen, ihren Vorschlag zurückzuweisen. Von der Leyen ist empört. Wir werden uns im Blog natur+mensch in der kommenden Woche mit dieser Richtungsdebatte über Fördertöpfe näher befassen.


Günstig für den Wolf, noch ungünstig für Weide- und Wildtiere


Der in der gesamten EU unter strengem Schutz stehende Wolf hat sich in den vergangenen Jahren innerhalb Deutschlands stark ausgebreitet. Das ist nun einmal unzweifelhaft. Eine Hürde zu einer Bestandsregelung blieb die nun erfolgte formelle Feststellung, dass der Erhaltungszustand des Wolfes nicht nur in Teilen, sondern im ganzen Land als „günstig“ eingestuft wird. Bisher galt der „günstige Erhaltungszustand“ nur für einzelne Bundesländer. Dass wir fast überall nicht mehr von einer gefährdeten Art sprechen können, belegt die nachweisbar starke Population mit ansteigenden Rudelbildungen. Das Ausmaß und die Folgen spüren betroffene Weidetierhalter unter anderem mit ihren Schafen, Ziegen, Pferden – von den Deichen im Norden bis zu den Almen im Süden. Derweil hat am Donnerstag das niedersächsische (grün geführte) Umweltministerium bekannt gegeben, dass ein „auffälliger Wolf“ im Raum Cuxhaven abgeschossen werden kann. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) werde die Ausnahmegenehmigung „auf Bitten und mit Unterstützung des Landkreises und der Stadt Cuxhaven“ anordnen. Mal sehen, wie lange es dauert, bis dagegen geklagt wird. Der bisherige Ausgang juristischer Verfahren wird den Geschädigten wenig Hoffnung machen.


Dazu gehören auch Revierinhaber. Natürlich sind Wolfsangriffe auch in der Jagd insbesondere bei Muffel-, Rot- und Rehwild ebenso beängstigend, nur in Publikumsmedien offensichtlich kein größeres Thema – allenfalls am Rande: Jägerinnen und Jäger spüren unverändert ein eher nachrangiges politisches und öffentliches Interesse, wenn es um dieses Thema geht. Sie erleben aber in ihren Revieren wachsende Risszahlen, sinkende Bestände und vielfach ein gravierend verändertes Verhalten unter den bedrohten Wildarten – etwa bei den Rotwildrudeln.


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Der von der Bundesregierung in dieser Woche der EU gemeldete „günstige Erhaltungszustand“ der Wölfe in Deutschland gilt nun nicht mehr für die bisher eingegrenzten Bereiche der „atlantischen Regionen“ im Nordwesten der Bundesrepublik, sondern auch für die „kontinentalen Teile des Landes“. Nicht nur wir haben in diesem Blog und unseren kommentierenden Newslettern darüber berichtet, wie stark sich das Wolfsproblem bis hoch hinauf in die Almwirtschaft ausgebreitet hat. So wird aus Bayern auch nach dem aktuellen Bericht weiter zu Recht moniert, dass es keine entsprechenden Angaben für die Alpenregion gibt.


DJV mahnt Klärungsbedarf an und fordert ein aktives Bestandsmanagement


Es drängt nun mal, dass eine Lösung auf den Tisch kommt. Die Meldung nach Brüssel kommt aus dem Umweltministerium, die Ankündigung der Konsequenz durch eine entsprechende Veränderung des Jagdrechts aus dem Landwirtschaftsministerium. Hoffentlich läuft das nicht auf Reibereien unter Ministern in einem Kabinett hinaus. Wir werden natürlich am Thema bleiben.


Der Deutsche Jagdverband (DJV) begrüßt die Wolfs-Zustands-Meldung aus Berlin, mahnt aber noch deutlichen Klärungsbedarf an. „Der heutige Schritt markiert einen Wendepunkt: Die Art und Weise, wie wir mit dem Wolf künftig umgehen wollen, fällt jetzt einzig und allein in die nationale Zuständigkeit“, sagte DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke laut einer Mitteilung des DJV. Der Verband drängt auf ein aktives Bestandsmanagement, das über ein reines Reaktionsmanagement nach Nutztierrissen hinausgeht. Besonders wichtig sei dies in Regionen mit Zielkonflikten, in denen die Akzeptanz für den Wolf weiter schwinde.


Kürzlich hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Regierung ein nationales Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat erstellen muss. Die Frage, wie das Programm dann am Ende formuliert wird, wird wohl zwangsläufig zu heftigen Diskussionen zwischen Betroffenen führen. Dazu gehören Landwirte, auch Jägerinnen und Jäger und die Organisationen, die als öffentliche Wächter in Naturschutzangelegenheiten auftreten. Hauptquelle der Verunreinigung seien „Wirtschaftsgüter“, sagen die Verwaltungsrichter. Selbst aus den Landwirtschaftsverbänden ist zu hören, das sei ein „positives Signal hin zu mehr kooperativen Maßnahmen und weniger pauschalen Verboten“. Ihnen geht es darum, dass landwirtschaftliche Betriebe, die verantwortungsbewusst und gewässerschonend arbeiten, nicht unter pauschalen Auflagen leiden sollten. Belastungen müssen strikt nach dem Verursacherprinzip angegangen werden. Manchmal sind wir zu schnell, bei diesem Problem allein auf die Bauern zu zeigen.


Wald und Wild zwischen Anordnungen und Interessenausgleich


Um weitere Konflikte bei gemeinsamen Zielen geht es immer wieder und gerade zu dieser Zeit, wenn wir über den Wald in seiner Funktion als Lebensraum unseres Wildes diskutieren. Bei der Balance zwischen Wildpopulation und Nutzungsinteressen von Waldbesitzern und denen, die in den Revieren die Jagd ausüben, wird zunehmend politische Einseitigkeit kritisiert. Das verschärft sich beispielsweise gerade in Rheinland-Pfalz, ausgelöst durch das neue Jagdgesetz. So etwa, wenn in Bezug auf die neuen jagdgesetzlichen Grundlagen die Wilddichte zum rechtlichen Problem wird. Wie hoch darf sie sein und ab wann kann von nicht mehr hinzunehmenden Schäden gesprochen werden? Da gibt es Interpretationsspielräume, die dem Jagdinteresse nach der veränderten Gesetzgebung wenig Raum lassen. Etwa, wenn es in der Bewertung bei Verbissgutachten statt der Übereinkunft zwischen Interessenträgern um einseitig verordnete Maßstäbe geht. Verwaltungsvorschriften auf Landesebene lassen den Forstbehörden offensichtlich selbst definierte Spielräume. Kann man bei der Begutachtung schon beim Verbiss weniger einzelner Pflanzen von „Schaden“ reden? Wir hören jedenfalls aus Rheinland-Pfalz vielerorts in den Revieren von einem verschärften Vorgehen der Forstbehörden. Zu den Kritikpunkten gehört, dass begutachtende Forstbehörden sich selbst kontrollieren. Offensichtlich fehlen im System unabhängige Beschwerdeinstanzen, wenn Revierinhaber Bestände anmahnen, die dem Prinzip „Wald und Wild“ statt „Wald vor Wild“ unterliegen. Wie steht es da um das in anderen Bereichen selbstverständliche „Selbstprüfungsverbot“?


Wir von natur+mensch haben schon im Gesetzgebungsverfahren angemahnt, dass es auch andere Wege zum Interessenausgleich von Forst und Jagd gibt. So etwa diese schon mehrfach von unserer Stiftung zitierte Haltung: „Zum Wald gehört von je her die Jagd als fester Bestandteil in der Naturnutzung.“ Die Jagd hat den Kompetenzanspruch, im Einklang mit wirtschaftlichen Eigentumsinteressen ihren Beitrag zu leisten. Unterschiedliche Forstwirtschaftsformen geben dem Wild angemessen Raum oder verfolgen das Konzept Wirtschaftswald mit bis auf Null zu reduzierenden Wildbeständen – insbesondere Rot- und Rehwild. Da halten wir von natur+mensch nun einmal gegen.


Es kommt die Zeit der Hubertusmessen


Vielleicht findet die Anregung Anklang, wieder einmal in Ihrer Region an einer Hubertusmesse teilzunehmen. In guter Erinnerung ist die bewegende Messfeier im vergangenen Juni am Rande des Bundesjägertages im Kölner Dom. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen waren insbesondere ergriffen vom Zusammenspiel der Hörner mit der Domorgel. Das war ein Höhepunkt außerhalb der üblichen Zeit für diese Messen, die jetzt anbricht. Im Netz finden wir bereits Ankündigungen, dass diese Tradition regional fortgesetzt wird. So etwa am 15. November mit der Landeshubertusmesse in Schleswig-Holstein. Nach Angaben des dortigen Landesjagdverbandes kehrt dann diese traditionsreiche Veranstaltung zurück in die St. Nikolai-Kirche in Kiel. Erwartet werden unter anderem Parforcehornbläser nicht nur aus Schleswig-Holstein, sondern auch aus anderen Bundesländern. Das ist für die Liebhaber dieser jagdlichen Tradition sicher ein Termin, den man neben den Jagden zu dieser Zeit in den Kalender schreiben kann.


Mit dieser Anregung verbleibe ich mit besten Grüßen und einem kräftigen Waidmannsheil

Ihr Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination

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