Unser Blick auf den Start der Regierung und auf jagdliche Themen mit politischem Hintergrund
- Jost Springensguth
- 16. Mai
- 7 Min. Lesezeit

Liebe Leserin, lieber Leser,
die Woche haben wir im ganzen Land natürlich gespannt verfolgt, wie der neue Bundeskanzler nach den außenpolitischen Aufschlägen in Paris, Warschau, Brüssel und seinem ersten Trump-Telefonkontakt in sein Amt dann auch innenpolitisch gestartet ist. Darauf gehen wir in unserer Wochenkolumne ebenso ein wie auf berechtigte Proteste gegen Pläne der Mainzer Landesregierung und ihre Ziele bei der Novellierung des Jagdgesetzes. Sie gehen zu Lasten unseres Wildes. Zwangsabschuss zur Waldentwicklung lautet dort das Stichwort. In Kiel wird dagegen geplant, wie man unserem Wild gewohnte Wege bei Zerschneidung der Lebensräume erhalten kann. „Wildwegeplan“ lautet das Vorhaben. Letztlich werfen wir einen kritischen Blick auf Schlagzeilen, die den Umgang mit Hunden betreffen.
Zum Start in seine neue Aufgabe haben wir einen verändert auftretenden Friedrich Merz mit anderer Tonalität erlebt. Seine erste Regierungserklärung am Mittwoch vor dem Parlament als Bundeskanzler und TV-Auftritte wie etwa bei Maybrit Illner zeigten Züge des Ausgleichs und der Gelassenheit. Die oft polarisierende Oppositionsrolle und den Wahlkampfmodus hat Merz weit hinter sich gelassen. Der Stolperstart ist kaum noch ein Thema. Verbindendes zwischen Union und SPD stellt er in verbindlichen Tönen voran. Erste kleine Scharmützel innerhalb der Koalition wie z.B. nach Äußerungen von Bas, Miersch oder auch Wadephul zu Renten, Taurus oder Nato-Finanzierung versucht er zu neutralisieren. Die enge Abstimmung zwischen ihm und Klingbeil scheint in der immer wieder betont „guten Arbeitsatmosphäre“ unverändert von Irritationen auch in den ersten Tagen einer veränderten Migrationspolitik zu gelingen. Zu seinem Einstieg legt der Kanzler allerdings die Latte mit politischen Lieferterminen wieder sehr hoch. So etwa mit der Ankündigung: „Schon im Sommer sollen die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass es vorangeht“. Mal sehen, wer das im Kabinett so alles beherzigt.
Was gehört noch zu den erhofften Veränderungen? Schon mehrfach haben wir in unserem Blog und diesen Wochenkommentaren darauf hingewiesen, dass wir die Politik aus der Interessenlage des ländlichen Raumes beobachten und kommentieren. Das verbreiten wir mit unserem Absender „Stiftung natur+mensch“, weil sich der ländliche Raum nun einmal in vielfältigen gesetzlichen Abhängigkeiten entwickelt. Naturschutz, Klima, Wald, Forst, Landwirtschaft, ländliche Heimat und auch Jagd gehören selten zu den großen Themen der Tagespolitik. Da fällt schon auf, wenn der neue Bundeskanzler in seiner ersten Regierungserklärung betont: „Meine Heimat liegt im sogenannten ländlichen Raum in Deutschland. Die Erhaltung dieses Raumes, seiner Kultur und seiner Lebensweise ist mir sehr wichtig. Ganz zentral ist dabei die Sicherung einer vielfältigen, leistungsstarken und nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft. Auch in diesem Bereich sind die Herausforderungen immens – vom Klimawandel über die fortschreitende Technisierung bis zum Fachkräftemangel und der überbordenden Bürokratie.“ In der Wahrnehmung der Medienwirklichkeit gehörten diese Sätze in der Berichterstattung über seine Regierungserklärung eher zum Kleingedruckten. Bemerkenswert ist weiter seine Ergänzung, dass seine Regierung diese Herausforderungen angehen müsse. „Denn nur wenn es unseren land-, forst- und ernährungswirtschaftlichen Betrieben in all ihrer Vielfalt gut geht, gibt es eine verlässliche regionale Wertschöpfung und weiterhin eine verlässliche Versorgung der Verbraucherinnen und Verbraucher überall in Deutschland mit gesunden Lebensmitteln.“ Damit das gelinge, brauche es auch hier einen Politikwechsel. Merz will weg von immer kleineren Stellschräubchen und dem Prinzip Misstrauen. Und er will den Land- und Forstwirten vertrauen, weil sie selbst am besten wüssten, wie sie ihre Betriebe erfolgreich führen.
Kurswende in der Agrarpolitik mit kritischer Begleitmusik
Der erste und fast einstündige Redeaufschlag des neuen Bundeskanzlers war also nicht nur von versöhnlichen Tönen geprägt. Er vermittelte auch einen Eindruck nach dem Motto „Wir packen es jetzt an“. Weite Teile der Innenpolitik scheint Friedrich Merz dann hauptsächlich eher seinen Fachministerinnen und -ministern im Kabinett zu überlassen. Nicht jeder von ihnen meldet sich gleich in den ersten Tagen zu Wort. Vor allem die Quereinsteiger(innen) scheinen sich zunächst in ihre Ressorts einzuarbeiten, die sie zu führen haben, und ihre Stäbe aufzubauen. Das gilt auch für Alois Rainer, den neuen Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat. Von ihm wurde erst mal bekannt, was über seine Haltung zu Fleisch und Wurst überall reflexartig zitiert und im übertragenen Sinne durch den Fleischwolf gedreht wurde. Kritiker meldeten sich zu Wort und wagten Prognose wie z.B. zu den Themen Tierwohl und Ausgewogenheit von Ernährung. „Das lässt für die kommenden vier Jahre nichts Gutes ahnen.“ So formulierte ein Kommentator der Süddeutschen Zeitung unter der Eingangsfrage, wem das nützen solle, wenn Rainer noch vor seiner Amtseinführung eine Lanze fürs Fleisch breche. Damit werden schon erste Konfliktlinien sichtbar, mit denen der neue Landwirtschaftsminister künftig zu rechnen hat.
In seiner ersten Rede vor dem Bundestag umriss Rainer dann, wie er seinen Kurswechsel in der Agrarpolitik anstrebe. Dabei überraschte nicht, dass er als erste Maßnahmen die Wiedereinführung der Agrardieselrückvergütung einleiten wolle. Das werde die Betriebe „sofort entlasten“. Wer Tiere versorge oder Felder bestelle, brauche Freiräume statt Formulare. Zum Bürokratieabbau will er bestehende Maßnahmen überprüfen und neue Vorschläge erarbeiten. So will Rainer für eine spürbare Entlastung bei Berichts- und Dokumentationspflichten sorgen. Das passt dann zu unserem Beitrag von Ludwig Hintjens „Mehr Zeit für Acker und Stall“ über den von EU-Kommissar Christophe Hansen eingeleiteten Bürokratieabbau auf europäischer Ebene.
Weiter Proteste gegen ein neues Jagdgesetz in Rheinland-Pfalz
Wie sehr gerade die Jagd von politischen Richtungsentscheidungen abhängt, erleben wir immer wieder auf Landesebene, wenn Hand an die Jagdgesetze gelegt wird. Aktuell geht es in Rheinland-Pfalz darum, dass trotz erheblicher Proteste der Jägerschaft Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) an ihrem Gesetzentwurf festhält, der in einem der strittigsten Kernpunkte das Prinzip „Wald vor Wild“ vor „Wald und Wild“ setzt. Der Landesjagdverband stellt fest, dass das Gesetzesvorhaben insbesondere dem Grundkonzept folge, die private Jägerschaft in Rheinland-Pfalz durch behördlichen Druck zu immer höheren Abschüssen zu zwingen. Aus der Sicht des LJV, auch als anerkanntem Naturschutzverband, sei der damit einhergehende Kniefall vor wirtschaftlichen Interessen untragbar. „Lassen Sie sich nicht blenden: Es geht nicht um einen wie auch immer gearteten Klimawald. Es geht um wirtschaftliche Profite zu Lasten der Wildtiere“, so formulierte es Verbandspräsident Dieter Mahr.
Seit Sommer vorletzten Jahres gibt es Gespräche und Auseinandersetzungen in der Jägerschaft mit der dort zuständigen Ministerin über verschiedene geplante Änderungen in der Jagdgesetzgebung. Nach Angaben des Verbandes ist das Ministerium bereits durch fachliche Einwände zu weitreichenden Korrekturen gezwungen worden. Als diese Woche der finale Entwurf Eders nach Beschluss des Mainzer Ministerrats in den Landtag eingebracht wurde, kam es erneut zu heftigen Protesten aus der Jägerschaft. Im Prinzip soll es darum gehen, den Waldumbau mit drastischen Eingriffen und hohem Abschusszwang wegen befürchteter Wildschäden zu betreiben. Auf einem Plakat der Jäger stand „Wir sind nicht Ihre Auftragskiller“. Das zielt auf angestrebte Abschuss-Vorgaben mit angedrohten Zwangsmaßnahmen ab, wenn ein „Mindestabschussplan“ nicht umgesetzt werden sollte. Wir werden auch dort die jagdpolitische Entwicklung weiterverfolgen. Dass der Waldumbau im Einklang mit ausgewogen kontrollierten Wildbeständen gelingen kann, bleibt Thema unserer Stiftung.
Wildwegeplan als erster Schritt gegen Zerschneidung von Lebensräumen
In anderen Bundesländern hat die Politik auch einen anderen Blick auf unser Wild. Im Herbst letzten Jahres hat unser Autor Christoph Boll in unserem Blog über die Dokumentation von Rotwildwanderungen in Norddeutschland berichtet. Danach legte ein 18-Ender vom zehnten Kopf 70 Kilometer zurück, um in der Segeberger Heide an der Brunft teilzunehmen und dann wieder heimzukehren in das Naturschutzgebiet Duvenstedter Brook am nördlichen Hamburger Stadtrand.
Die Zerschneidung von Lebensraum durch Siedlungen und Verkehrswege etwa bei Rothirschen führt bekanntlich vermehrt zu Missbildungen durch Inzucht. Daher kommt die berechtigte Forderung aus der Jagd an die Politik, für mehr Wanderkorridore und Querungshilfen über Verkehrswege in Deutschland zu sorgen. In Kiel hat jetzt das Landwirtschaftsministerium in der schwarz-grünen Landesregierung begonnen, einen Wildwegeplan für Schleswig-Holstein zu entwickeln. Ziel ist eine nachhaltige und tierschutzgerechte Koexistenz von Wildtieren und uns Menschen. Es gehe nicht nur ums Rotwild, sondern um alle relevanten Wildtierarten, die von den Maßnahmen mit Querungshilfen profitieren können. Das ist aus meiner Sicht ein gutes Beispiel für eine Politik mit einem ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Gesellschaft und Jagd.
Immer wieder Schlagzeilen und Aufregungen zum Thema Hund
Umgang und Erlebnisse mit Hunden sind für viele Menschen immer wieder ein großes Thema. Das weckt in der Regel bzw. je nach Fall Emotionen und auch aufgeregte Reaktionen. Da reißt ein Jagdhund eine Katze und häufiger ein von der Leine gelassener Haushund ein Reh. Gleich mehrere Artikel von der bekannt größten Boulevardzeitung bis zu verschiedenen Lokalausgaben eher ländlicher Titel sind mir in den letzten Tagen in die Augen gesprungen. Das fing an mit der Bild-Schlagzeile aus Thüringen „Jagdhund zerfleischt Katze, Jäger schaut zu“. Grundlage der Berichte dazu ist ein gepostetes Video. Die Polizei ermittelt gegen den 64-jährigen Hundehalter wegen „Vergehen gegen das Tierschutzgesetz“. Bei Peta ist es dann ein „mutmaßlicher Jäger“. Natürlich müssen Hunde grundsätzlich gut sozialisiert oder gehorsam sein. Der biologische Trieb wird bei allen Hunden durch Ausbildung und Erziehung in richtige Bahnen gelenkt, wie das offensichtlich in diesem zitierten Beispiel missraten ist. Halter haben dafür zu sorgen, dass sie mit ihren Hunden Regeln beachten und die Tiere unter Kontrolle halten. Wenn das in Ausnahmefällen – und die sind es – nicht geschieht, so rechtfertigt es übrigens nicht, solche Schlagzeilen zu formulieren.
Sogenannte Tierrechtsorganisationen greifen solche Vorfälle gern auf, um dann im Netz etwa so reißerisch zu formulieren, wie die zitierte Schlagzeile. Sie ist eine Steilvorlage etwa für diese Bemerkung, die Peta in ihre Meldung über denselben Vorfall einbaut: „Was sich in den Wäldern zuträgt, wo die Wildtiere den Sadisten wehrlos ausgeliefert sind, mag man sich kaum ausmalen. Es sind keine Einzelfälle, daher muss die Hobbyjagd endlich verboten werden“. Diffamierender geht’s wohl nicht!

Natürlich sollte, nein muss, jeder Halter für gute Ausbildung und Kontrolle sorgen. So hat er Verantwortung zu tragen. Das gilt übrigens auch für die Haltung von Katzen. Der Konflikt von Tieren untereinander ist biologisch bedingt. Das beobachten wir immer wieder in Stadtparks oder in Feld und Flur.
Wenn es um unser aller aktuelles Wetterproblem geht, kann man in dieser Woche übrigens am besten aus dem Tagespiegel-Checkpoint aus der Hauptstadt zitieren: „In Berlin ist nicht nur der Humor trocken, sondern seit Wochen auch der Boden. Fehlende Niederschläge erhöhen weiterhin die Waldbrandgefahr und gefährden außerdem die Versorgung junger Pflanzen und sogar tiefwurzelnder Bäume. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ruft nun Bürgerinnen und Bürger auf, das Stadtgrün zu gießen.“ Das geht auf dem Lande und in unseren Wäldern in der Regel nicht und wir können nur die Daumen drücken, dass sich das Problem zeitnah überall vom Himmel aus löst und wir vor einer weiter nachhaltig wirkenden Trockenheit wie 2020 verschont bleiben.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes Wochenende.
Ihr Jost Springensguth
Redaktionsleitung / Koordination
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