Was tun, wenn zu viele Waschbären seltene heimische Tierarten bedrohen?
- Christian Urlage
- vor 11 Stunden
- 3 Min. Lesezeit
Waschbären sind niedliche Tiere, aber auch Nesträuber. Ihre rasante Verbreitung bedroht einheimische Arten. Zu ihrem Schutz müssen Jäger eingreifen

Waschbären sehen possierlich aus mit ihren geringelten Schwänzen, der schwarzen Gesichtsmaske, dem gräulichen Fell und der buckeligen Körperhaltung beim Laufen. Wegen des Pelzes wurden die Tiere seit den 1920er Jahren aus Nordamerika nach Deutschland gebracht, sie zählen also zu den invasiven, gebietsfremden Arten, auch Neozoen genannt. Ausgewachsene Waschbären sind etwa 70 Zentimeter lang, wiegen sechs bis zehn Kilogramm und können 16 Jahre alt werden.
Zunächst lebten sie in Deutschland hauptsächlich in Pelzfarmen. Einige Waschbären wurden ausgesetzt, andere entkamen der Gefangenschaft. Da sie anpassungsfähig sind, können sie hierzulande gut überleben – im Wald, an Bächen oder Seen, aber auch in der Stadt. Sie schwimmen und klettern und sind überwiegend nachtaktiv. In Mitteleuropa haben sie kaum Feinde, abgesehen vom Straßenverkehr. In den vergangenen Jahren hat sich der Bestand daher rasant vermehrt, wie der Deutsche Jagdverband (DJV) in einer Pressemitteilung feststellt. Für das Jahr 2023 haben 69 Prozent aller Jagdreviere ein Vorkommen festgestellt – erheblich mehr als 2011.
Sie plündern Nester von Greif- und Singvögeln
In der bundesweiten Jagdstatistik ist die Zahl von Waschbären laut DJV von 2011 bis 2023 um das Dreifache auf 203.306 gestiegen. Schwerpunkte hat der Waschbär demnach in Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Aber die Tiere breiten sich auch in Niedersachsen vom Osten des Landes in Richtung Westen aus. Eine Zunahme der Population wird ebenfalls in Baden-Württemberg registriert. In den Bundesländern mit dem höchsten gemeldeten Vorkommen hat der Waschbär laut Jagdverband mittlerweile sogar den Rotfuchs in der Statistik überholt.
So fotogen Waschbären auch aussehen – sie bedrohen die biologische Vielfalt. Die Räuber auf vier Pfoten sind bei ihrer Nahrung vielseitig: Sie fressen kleine Fische, Echsen und Mäuse, aber auch Obst und Nüsse, Essensreste im Müll und Fallobst. Eine Gefahr bilden sie für Amphibien wie Kröten, Frösche oder Molche, vor allem während der Paarungszeit. Sie plündern die Nester von Greif- und Singvögeln, und zwar beim Kiebitz am Boden ebenso wie auf Bäumen beim Gelege von Rotmilanen, da sie gut klettern können. Waschbären haben es darüber hinaus auf die Eier von Rebhühnern, Fasanen und Rotkehlchen abgesehen.
Der NABU hält eine Bejagung nur im Einzelfall für sinnvoll
Was also tun, um gefährdete heimische Vogel- und Amphibienarten vor dem Aussterben zu schützen? Hier gehen die Meinungen weit auseinander. Der Naturschutzbund (NABU) hält eine Bejagung oder einen Fang dieser Nesträuber höchstens im Einzelfall für sinnvoll und eine friedliche Koexistenz für möglich. Der NABU lehnt die Bejagung mit dem Argument ab, dass Waschbären Verluste der Population durch eine vermehrte Fortpflanzungsrate ausgleichen könnten. Zudem würden bei einem Tiermanagement neue Kleinbären aus umliegenden Gebieten nachrücken. Für wichtiger hält es der NABU, geeignete Lebensräume für Amphibien und Vögel zur Verfügung zu stellen.
Wildbiologen wie Egbert Strauß, der bei der Landesjägerschaft Niedersachsen angestellt war und jetzt im Ruhestand ist, sehen das anders. Ebenso der DJV, der eine staatlich unterstützte Fangjagd mit teuren Lebendfallen für notwendig hält und dazu ein klares Bekenntnis von der Politik fordert. Es geht den Jägern keineswegs darum, die Waschbären auszurotten, wie der NABU befürchtet. Sondern darum, ihre Zahl zu verkleinern, um die Bedrohung der hiesigen Tierwelt zu verringern.
Denn was würde ohne ein Eingreifen passieren? „Man kann den Waschbären auch laufen lassen“, wird der Jägermeister der Stadt Osnabrück, Jürgen Lambrecht, in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ zitiert. „Aber dann hören wir morgens und abends keine Vögel mehr.“
Comments