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Keine Sonderwege in der EU-Agrarpolitik

Ludwig Hintjens

Warum es keine gute Idee ist, wenn Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das EU-Agrarbudget im gemeinsamen Haushalt auflösen und die dreistelligen Milliardenbeträge direkt an die Mitgliedstaaten auszahlen will


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Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Foto: Dati Bendo / EU-Kommission - Audiovisueller Dienst)
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Foto: Dati Bendo / EU-Kommission - Audiovisueller Dienst)

Im EU-Haushalt sind die Posten für Landwirtschaft und zur Förderung strukturschwacher Regionen mit dem meisten Geld hinterlegt. Jeweils ein Drittel des EU-Budgets im auf sieben Jahre angelegten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFF) gehen an die Bauern sowie in die Regionalförderung. In Zahlen für die Jahre 2021 bis 2027: 372 Milliarden Euro für die Regionen und 376 Milliarden für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Die Mittel sind hart umkämpft. Bislang war es so, dass die Kommission einen Vorschlag gemacht hat, wie das Geld ausgegeben wird, und das Europäische Parlament und das Gremium der Mitgliedstaaten auf dieser Basis einen Kompromiss erarbeitet haben.


Nun soll alles anders werden. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will, dass im nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen, der ab 2028 gelten soll, die beiden größten Budgetposten, für Landwirtschaft und für Strukturförderung, wegfallen. Stattdessen soll das Geld als Zuschuss an die 27 Mitgliedstaaten der EU ausgezahlt werden. Wenn das so kommt, wäre es keine gute Lösung.


Bislang ist der Prozess der Geldvergabe kompliziert, aber sehr transparent. Demokratisch gewählte Abgeordnete aus der ganzen EU entscheiden maßgeblich mit, wie das Geld der EU-Steuerzahler ausgegeben wird. Ein Beispiel aus der Landwirtschaft: Parlament und Rat haben lange darum gerungen, letztlich aber festgelegt, welche Agrarumweltmaßnahmen die Landwirte in der gesamten EU zu erfüllen haben.


Parlament soll kaltgestellt werden


Künftig soll das Europaparlament kaltgestellt werden. Die Kommission würde den Regierungen der Mitgliedstaaten nur noch sogenannte Meilensteine in der Landwirtschaft vorgeben. Daraufhin würde die Kommission mit den nationalen Regierungen bilaterale Verhandlungen über die Ausgestaltung der Meilensteine beginnen. Am Ende würde feststehen, was die Bauern des Landes zu erfüllen haben, damit die Agrarbeihilfen aus Brüssel fließen. Nicht nur das Europäische Parlament, auch die Bundesländer bangen um Einfluss auf die Agrarpolitik. Bislang waren sie aber immer eingebunden, wenn die Bundesregierung mit der Kommission über die Agrarumweltmaßnahmen verhandelt hat.


Der EU-Agrarpolitiker Norbert Lins (CDU) warnt eindringlich davor, den EU-Haushalt so umzugestalten. Dadurch würden noch weniger als bisher die gleichen Spielregeln für die Landwirte in der gesamten EU gelten. Lins: „Wir haben keine guten Erfahrungen damit gemacht, wenn Regelungen für die Landwirtschaft zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten direkt ausgehandelt wurden.“


In der laufenden Förderperiode der GAP hat die Kommission dies etwa bei den Ökoregelungen bereits getan. Es geht um beträchtliche Summen: Dafür stehen im Jahr allein in Deutschland etwa 1,25 Milliarden Euro zur Verfügung. In Deutschland aber wurde im Zuge der Verhandlungen mit der Kommission die Latte für die Landwirte recht hochgelegt. In anderen EU-Ländern, etwa in Süd- und Osteuropa, müssen die Landwirte bereits heute deutlich weniger tun, um an das Geld aus den EU-Töpfen für die Ökoregelungen zu kommen.


Das Beispiel zeigt: Bilaterale Verhandlungen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten über die Bedingungen in der GAP führen in die Irre. Dadurch werden die Wettbewerbsbedingungen verzerrt. Das Gegenteil muss der Fall sein: EU-weit sollten für die Landwirte die gleichen Bedingungen gelten. Das ist der Anspruch, den der Binnenmarkt auch künftig gewährleisten muss. 

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