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Heulen für und wider den Wolf – mit und ohne Sachkenntnis

  • Autorenbild: Christoph Boll
    Christoph Boll
  • vor 11 Minuten
  • 3 Min. Lesezeit

Es ist absehbar, dass in Deutschland Wölfe in größerer Zahl gejagt werden dürfen. Wahllos aber wird das nicht geschehen. Denn der günstige Erhaltungszustand der Art muss erhalten bleiben. Doch auch dieser Kompromiss bleibt umstritten


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Foto: ginger1967 / pixelio.de
Foto: ginger1967 / pixelio.de

Seit eine Herabstufung des Schutzstatus für den Wolf absehbar war, hat die Diskussion darüber in den sozialen Medien darüber massiv an Schärfe zugelegt. Gegenseitige Beschimpfungen als „Wolfshasser“ und „Wolfskuscheler“ gehören dabei noch zu den moderateren verbalen Entgleisungen. Hier diejenigen, denen jeder Isegrim ein Gräuel ist. Dort jene, denen es gar nicht genug von der Spezies Canis lupus geben kann. Allen gemeinsam ist allzu oft das Fehlen von Sach- und Fachkenntnissen. So geht es weniger um Fakten als um Emotionen und das Heulen für und wider Isegrim ist oft lauter, als es das Objekt des Streites zu heulen vermag.


Bevor sich jedoch in Deutschland am Umgang mit dem Wolf etwas ändern kann, muss der Rat der Europäischen Union, der sogenannte Ministerrat, dem die Fachminister der Mitgliedsstaaten angehören, ebenfalls der Anpassung an die Berner Konvention zustimmen. Erst dann ist der Status des Großprädators in der EU in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie von „streng geschützt“ auf „geschützt“ geändert. Nachdem das Parlament in Brüssel bereits mit großer Mehrheit so entschieden hat, zweifelt niemand, dass es so kommen wird. Damit besteht dann für die Mitgliedsstaaten mehr Spielraum beim Management von Wolfspopulationen.


Denn der Wolf ist zwar bereits in Sachsen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern im Jagdrecht, muss dort allerdings ganzjährig geschont werden. Gleichwohl drängen die Landesjagdverbände in weiteren Bundesländern, den Wolf möglichst schnell ins Jagdrecht aufzunehmen, zuletzt vor zehn Tagen in Thüringen auf dem Landesjägertag. Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) beteuerte dort, die Brombeer-Koalition wolle die Balance in der Natur auf diesem Feld wieder herstellen und wolle „alles dafür tun, dass der Wolf zeitnah ins Jagdrecht kommt“. Dies soll geschehen, wenn auf Bundesebene der günstige Erhaltungszustand von Isegrim festgestellt ist, präzisierte Tilo Kummer (BSW) später. Ansonsten schaffe man nur eine zusätzliche Hürde, wenn ein Wolf entnommen werden soll und statt bislang einer Ausnahmegenehmigung nach Naturschutzrecht eine weitere nach Jagdrecht erwirkt werden müsse.


Vorbeugenden Herdenschutz durch Abschuss sichern“


Auch Bauernverbände, Landnutzer- und Weidetierhalterverbände haben am 15. Mai anlässlich der Frühjahrs-Umweltministerkonferenz im saarländischen Orscholz in einer gemeinsamen Erklärung gefordert, eine Regulierung des Wolfsbestandes in Deutschland endlich auf den Weg zu bringen. Sie sehen die Haltung von Schafen, Ziegen, Rindern, Pferden und Gehegewild auf der Weide zunehmend vom Grundsatz her infrage gestellt. Herdenschutzmaßnahmen allein reichen nicht aus, um eine Koexistenz zu erreichen, heißt es in dem Papier. Es brauche neben den Schutz mit Zäunen und Herdenschutzhunden „auch einen vorbeugenden Herdenschutz durch Abschuss von Wölfen“. Die Verbände fordern dazu die „Festlegung eines Akzeptanzbestandes von 500 bis max. 1.000 Wölfen als nationalen Beitrag Deutschlands zum Erhaltungszustand der Wolfspopulation in Europa als Grundlage für das Bestandsmanagement“.


Ob solche Zahlen eine realistische Zielmarke sind, scheint fraglich. Denn klar ist, dass der Wolf eine geschützte Art bleibt und die EU-Mitgliedstaaten darauf achten müssen, dass der günstige Erhaltungszustand gewahrt bleibt. Isegrim wird also sicher nicht pauschal zum Abschuss freigegeben.


Schnelle Übernahme der EU-Entscheidungen


Bevor aber überhaupt über eine Bejagung in größerem Umfang nachgedacht werden kann, muss die Bundesregierung den günstigen Erhaltungszustand des Wolfes nach Brüssel melden und das Naturschutz- und Jagdrecht ändern. Immerhin hat die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass die Entscheidung auf EU-Ebene unverzüglich in deutsches Recht übernommen werden soll. Der Deutsche Jagdverband (DJV) sieht in der sich abzeichnenden Lösung einen „Meilenstein hin zu einem effektiven Wolfsmanagement, mit dem Konflikten im ländlichen Raum begegnet werden kann“.


Ziel ist ein regional differenziertes Management des Großprädators. Das heißt, es wird auch Bereiche Deutschlands geben, in dem er nicht oder nur dann bejagt wird, wenn er durch größere Schäden an Weidetieren auffällig wird. Doch auch dann wird nicht beliebig in die Rudel hineingeschossen und deren Struktur zerstört werden dürfen, wie DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke auf dem thüringischen Landesjägertag betonte. Sinnvoll sei vielmehr, bei Problemwölfen alle Welpen des entsprechenden Rudels zu erlegen, weil diese die Jagdstrategie der Elterntiere übernehmen.


Einen Vorschlag für eine entsprechende Jagdzeit hat Dammann-Tamke auch bereits: 1. August bis 31. Oktober. Dann sei der Nachwuchs noch sicher als solcher zu identifizieren. Später im Jahr werde das wegen des gewachsenen Winterfells immer schwieriger.

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