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- Klimaanpassung gehört ins Grundgesetz
Bund und Länder müssen die Städte und Gemeinden endlich besser finanziell unterstützen, um den unvermeidlichen gefährlichen Folgen des Klimawandels vor Ort vorzubeugen Die Idee ist zu gut, um sie länger in den Schubladen der Politik verschimmeln zu lassen. Der Städte- und Gemeindebund hat sie jetzt anlässlich des Inkrafttretens des Klimaanpassungsgesetzes zum 1. Juli wiederholt. Sie lautet: Wir brauchen im Grundgesetz eine neue „Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz und Klimaanpassung“. Weil global greifender Klimaschutz zwar eine Sache der großen Politik ist (wie die UN-Klimarahmenkonvention, das Pariser Abkommen oder das Europäische Klimagesetz), die Abfederung der oft lebensgefährlichen Auswirkungen aber im Kleinen passieren muss – in den Städten und Gemeinden, die vom Bund und den Ländern jetzt wieder einmal mit den unvermeidlich nötigen Kosten allein gelassen werden. Wie bei der Flüchtlingspolitik. Gemeinschaftsaufgaben sind laut dem Grundgesetz bisher der Agrar- und Küstenschutz sowie die Stärkung der regionalen Wirtschaft. Der Artikel 91 a gibt die Richtung vor. Dort heißt es in Absatz 1 Nr.1: „Der Bund wirkt auf folgenden Gebieten bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist.“ Das aber will und muss bezahlt werden. Auch da ist das Grundgesetz klar: Der Bund zahlt in diesen Fällen mindestens die Hälfte der Ausgaben in jedem Land. Die Beteiligung ist für alle Länder einheitlich festzusetzen. Kommunen rechnen mit acht Milliarden Investitionsbedarf Die Bereitstellung der Mittel bleibt der Feststellung in den Haushaltsplänen des Bundes und der Länder vorbehalten. Bund und Länder sind hier also in der Pflicht. Deshalb müssen sie im Haushalt dort, wo die Klimawandelfolgen immer dramatischer Leib, Leben und Existenzen bedrohen, Prioritäten auch im Grundgesetz neu setzen, statt sich sozial-selbstverliebt in Fünf-Euro-Kindergeld-Erhöhungen zu sonnen. Immerhin rechnen die deutschen Kommunen mit einem Investitionsbedarf von mindestens acht Milliarden Euro pro Jahr. Sinnvoll gebrauchtes Geld. Dass die Anpassung an die Folgen des Klimawandels zwingend nötig ist, steht außer Frage. Das Treibhausgas Kohlenmonoxid wird in der Atmosphäre noch viele Jahrzehnte wirksam sein und das Klima beeinflussen. Die damit verbundenen unvermeidlichen Schäden für Mensch, Tier und Umwelt müssen also so gering wie möglich gehalten werden. Und das fängt ganz unten an – bei den Kommunen. Angefangen von einer dem Klimawandel trotzenden Architektur mit Fassadenbegrünung und einer damit verbundenen besseren Kühlung der Innenräume, über die Stadtplanung mit der Vermeidung weiterer Bodenversiegelung, einer Neustrukturierung von Park- und Baumbewässerungen etwa durch Zisternen, über Rückhaltebecken für die Risikominimierung durch Hochwasserschäden an Brücken, den Umbau von Kiefern- oder Fichtenwäldern zur Vermeidung von Waldbränden bis hin zu einer generell an die Klimarisiken angepassten Landnutzung. Das Umweltbundesamt listet insgesamt 226 beispielhafte Maßnahmen auf. Das ist eine gewaltige Herausforderung, die allein von den Kommunen nicht bewältigt werden kann. Wer vor 75 Jahren grundgesetzlich erkannt hat, dass Küstenschutz eine Gemeinschaftsaufgabe ist, muss im Jahr 2024 einsehen, dass auch die Vorbeugung gegen andere schwere Folgen von Naturkatastrophen im Hinterland nicht den einzelnen Städten und Gemeinden aufgebürdet werden darf. Denn die schieben bereits einen Investitionsstau von rund 180 Milliarden Euro vor sich her. Bund und Länder dürfen sie nicht im Regen stehen lassen. Der gefährliche Klimawandel hört eben nicht an Stränden und Deichen auf.
- Weichenstellung in Brüssel – Rotwild, Bären und die große Politik
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, Brüssel mag für viele von uns kilometermäßig noch so entfernt sein – politisch ist es gerade dem ländlichen Raum sehr nahe. Entscheidungen, die auf EU-Ebene fallen, beeinflussen maßgeblich das Leben und die Zustände im ländlichen Raum. Umso wichtiger, wer in Brüssel politisch an den Schaltstellen der Macht sitzt. Vor diesem Hintergrund kommt der jüngsten Abstimmung über das Amt des Kommissionspräsidenten größte Bedeutung zu. Bis zuletzt blieb unklar, ob Ursula von der Leyen es erneut schaffen würde. Am Ende ist sie dann doch mit recht komfortabler Mehrheit ein zweites Mal für fünf Jahre zur Kommissionspräsidentin gewählt worden. Sie stützt sich auf 401 von 719 Stimmen, die von Christdemokraten, Sozialisten, Liberalen und recht geschlossen auch von den Grünen kamen. Von der Leyen sicherte sich die Wahl, indem sie allen Lagern etwas versprach. An die Wähler von CDU/CSU ging unter anderem die Zusage, für auskömmliche Löhne in der Landwirtschaft zu sorgen, berichtet unser Autor Ludwig Hintjens aus Brüssel. Außerdem versprach sie den Unternehmen Bürokratieabbau. Die Sozialdemokraten freuen sich über die Zusage, dass es einen Kommissar für Wohnungsbau geben soll, der die Wohnungsnot bekämpfen soll. Den Liberalen war wichtig, dass von der Leyen einen Verteidigungskommissar beruft und die Verteidigungsausgaben massiv erhöht. Die Grünen sind zwar nicht Teil der informellen Koalition, wurden aber bei Absprachen zum Personal eingebunden. Sie freuen sich über das Ziel, bis 2040 den CO₂-Ausstoß um 90 Prozent zu reduzieren. Doch zurück zum ländlichen Raum hier in Deutschland, wo unseren Autoren und mir das Thema Hege und Jagd besonders am Herzen liegt. Ein Beispiel ist die Sorge um das Wohlergehen von Rotwild. Gesetzlich eng beschränkte Lebensräume sowie eingezäunte Autobahnen, Kanäle mit steilen Spundwänden und andere Hindernisse machen die traditionellen Wanderkorridore für das Rotwild unpassierbar. Ihm droht die Inzucht und ein schleichendes Aus. Wildbiologen und Ökologen warnen vor der Verinselung und der daraus resultierenden genetischen Verarmung, die die dauerhafte Fortexistenz unserer größten Hirschart in Deutschland bedroht. Am kommenden Dienstag beschreibt ein Blogbeitrag unseres Autors Christoph Boll die Krise der Hirsche, deren Röhren in der herbstlichen Brunft ein imponierendes Naturschauspiel ist. Er gibt zugleich Zuversicht mit dem Verweis auf eine thüringisch-bayerische Kooperation. Dort haben sich in der „Arbeitsgemeinschaft Rotwild Rhön“ Freunde des Edelwildes zusammengefunden, die erstmals über Bundesländergrenzen hinweg die Isolation von Rotwildpopulationen aufbrechen wollen. Sie dürfen gespannt auf den Artikel sein! Angriffe auf Touristen Während über den Schutz und die Zukunft von Rotwild in Deutschland bislang leider noch viel zu wenig diskutiert wird, ist das Thema Wolf insbesondere im ländlichen Raum bekanntlich in aller Munde. Wir haben das Öfteren in unserem Blog darüber berichtet. Auch über die möglichen Gefahren für Menschen. Andernorts in der EU ist der Umgang mit gefährlichen Bären ein ebenso großes, wenn nicht gar vom breiten Publikum noch heftiger diskutiertes Thema. So wurde jüngst in der bei Urlaubern beliebten norditalienischen Provinz Trentino ein französischer Tourist von einem Bären angegriffen. Der 43-jährige erlitt Verletzungen an Arm und Beinen. Der Vorfall geschah in dieser Woche nach Angaben der Behörden am frühen Morgen im Wald in der Gemeinde Dro nördlich des Gardasees. Noch dramatischer ist die Situation in Rumänien. Nachdem eine junge Touristin beim Wandern durch einen Bärenangriff ums Leben gekommen war, hat das dortige Parlament Anfang dieser Woche in einer Sondersitzung die Zahl der jährlich erlaubten Bärentötungen mehr als verdoppelt . Künftig dürfen in Rumänien 481 Braunbären geschossen werden. Im Jahr 2023 waren es noch 220 gewesen. In den Karpaten sollen nach Schätzung der Regierung etwa 8000 Braunbären leben. Dies ist die größte Bärenpopulation in Europa nach Russland. Die Tiere greifen immer wieder Wanderer, Hirten und Bauern an. In den vergangenen 20 Jahren waren in Rumänien nach offiziellen Angaben 26 Menschen von Bären getötet worden. Auch in der Slowakei ist der Umgang mit Braunbären ein großes Thema. Erst kürzlich war ein Mann beim Wandern von einem Bären attackiert und verletzt worden. Das Tier wurde später aufgespürt und erschossen. Wie mittlerweile bekannt wurde , waren im Mai in der Slowakei innerhalb von 17 Tagen 16 Bären getötet worden. Die Regierung hatte zuvor die Regeln für den Abschuss der Tiere im Schnellverfahren gelockert. „Diese Überpopulation, die wir jetzt erleben, ist das Ergebnis jahrelanger Untätigkeit – ein absolutes Versagen des Staates“, erklärte Umweltminister Tomas Taraba. „ Ein Bürger der Slowakei hat das Recht, dass der Staat sein Leben schützt und seinen Besitz. Er hat auch das Recht, Pilze zu sammeln.“ Heftige Kritik kommt von Umweltvertretern. Aus ihrer Sicht ist die Zahl von landesweit 1300 Tieren relativ stabil und nicht wirklich das Problem, weil angeblich zu wenig über Prävention, sondern nur noch von Abschuss geredet werde. Bahn weiter auf dem Abstellgleis Apropos Umweltvertreter. Hierzulande ist deren Hauptanliegen aktuell die Energie- und Verkehrswende. Wir haben in unserem Blog das Thema immer wieder kritisch und analytisch aufgegriffen. Dies gilt auch für den Streitpunkt Bahn – ein Verkehrsmittel, das von vielen immer noch als Allheilmittel der Verkehrswende gepriesen wird. Doch im ländlichen Bereich klingt das vielerorts wie Hohn. Dort gibt es zu wenige Bahnhöfe und die Züge fahren obendrein viel zu selten. Hier ist die Politik gefordert. Denn vom Unternehmen selbst ist wenig Änderung geschweige denn Gutes zu erwarten. Es hat sich gerade in den Tagen der Fußball-EM, als ganz Europa auf Deutschland schaute, wieder einmal nach Kräften blamiert. Auch die ausländischen Fußballfans mussten jetzt hautnah erleben, wie marode die Infrastruktur in Deutschland teilweise bereits geworden ist. Wer unter diesen Umständen im ländlichen Raum aktuell Bahn und Bus als eine für jedermann sinnvolle Alternative anpreist, erweist sich als reichlich weltfremd. Gleichwohl möchte Bundesverkehrsminister Volker Wissing nun Nägel mit Köpfen machen. In dieser Woche hat er das ehrgeizigste Projekt zur Modernisierung der Bahn seit Jahrzehnten gestartet. So wird die vielbefahrene Strecke zwischen Frankfurt am Main und Mannheim für fünf Monate komplett gesperrt, um sie von Grund auf zu erneuern. Die Sanierung weiterer 40 stark befahrener Korridore soll in den nächsten Jahren erfolgen. So überfällig diese Erneuerungen auch sein mögen: Sie werden wohl kaum den ganz großen Erfolg bringen. Denn zu Recht weist der Fahrgastverband Pro Bahn darauf hin, dass die Probleme nicht nur beim Netz, sondern auch im Zustand der Fahrzeuge liegen. Verspätungen würden in sehr vielen Fällen entstehen, weil technische Mängel die Züge lahmlegen. Gewaltiger Aufwand Auch erfordern die Modernisierungen einen gewaltigen personellen und materiellen Aufwand. Diese Kapazitäten fehlen notgedrungen an anderer Stelle. Und wo? Vermutlich im ländlichen Raum, weil da die Fahrgastzahlen niedriger liegen und die dortigen Menschen dem Verkehrsmittel Bahn ohnehin schon lange nicht mehr vertrauen. Die Ausdünnung von Fahrplänen jenseits der Metropolen dürfte deshalb weitergehen. Auch beim Ausbau von Nebenstrecken und der Aktivierung stillgelegter Strecken gibt es reichlich Handlungsbedarf. Denn schon jetzt ist das Schienennetz in Deutschland laut Ifo-Institut 15.000 Kilometer kleiner als vor 70 Jahren. Auch hier ist der ländliche Raum naturgemäß der Hauptleidtragende. Das heißt im Umkehrschluss: Wer dort lebt, ist zwingend auf ein Auto angewiesen. Das muss in der Politik in Sachen Steuer- und Abgabenbelastung stärker beachtet werden. Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination
- Ein Funken kann schon genügen
Eine achtlos weggeworfene Zigarette, ein ausglimmender Kohlegrill, die Trockenheit der vergangenen Jahre – all diese Risikofaktoren lassen aktuell die Waldbrandgefahr wieder steigen. Besonders in Brandenburg sind die Behörden im Alarmmodus Die Waldschützer und Forstleute, die privaten Waldeigentümer und die Mitarbeiter der Feuerwehren sind in Alarmbereitschaft. Seit einiger Zeit steigt die Waldbrandgefahr im forstreichen Brandenburg wieder deutlich an. In vielen Landkreisen steht die Warnstufe auf der Stufe drei des fünfstufigen Waldbrandgefahrenindexes, in einigen Landkreisen wurde diese sogar auf Stufe vier hochgesetzt. Auch in anderen Bundesländern im Osten wie Sachsen-Anhalt und dem südlichen Mecklenburg-Vorpommern zeigt der Zeiger auf der Skala Gefahrenstufe vier. In ganz Mecklenburg inklusive der Insel Rügen hat die Forstverwaltung große Angst, dass es bald wieder mit Bränden losgeht. Dabei ist in Brandenburg das Risiko besonders hoch. In dem Bundesland fällt besonders wenig Niederschlag. Das Land ist geprägt von ausgedehnten Kiefernwäldern und leichten Sandböden. Zudem locken die ausgedehnten Flächen, wunderschönen Seen und Wälder Großstädter aus der Hauptstadt zu einem Ausflug in die Natur – inklusive weggeworfener Zigaretten oder dem Kohlegrill, der noch ausglimmt, aber gern mal im Wald liegen gelassen wird. Auch im Großraum Berlin gibt es Gefahrenpotenzial: An vielen Stellen findet sich auch mehr als 70 Jahre nach Ende des Krieges Munition. Oder der gefährliche und nie entsorgte scharfe Nachlass der Roten Armee. Hoffen auf genügend Feuchtigkeit „Wir rechnen schon damit, dass in den nächsten Tagen und Wochen wieder etwas passieren kann“, erklärte der Waldbrandschutzbeauftragte des Landes Brandenburg, Raimund Engel, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Die zuständigen Stellen seien aber gut vorbereitet. „Wir haben alle Waldbrandschutzzentralen in Brandenburg besetzt.“ Engel hofft zudem, dass die Böden in seinem Land nach den letzten relativ regenreichen Wochen noch immer genug Feuchtigkeit aufweisen. Seit Jahresbeginn gab es in Brandenburg insgesamt 96 Waldbrände. In den Jahren 2023 und 2022 war die Anzahl der Waldbrände im gleichen Zeitraum dagegen mit 176 und 313 deutlich höher. „Bisher sind wir diesen Sommer gut gefahren“, zieht der Waldschutzbeauftragte eine erste vorsichtig positive Zwischenbilanz. Auch in anderen Bundesländern verlief die „Waldbrandsaison 2024“ bisher recht glimpflich. Doch noch stehen zwei Sommermonate aus, die die Bilanz ganz schnell drehen können. Dennoch: Die Tiere und das Ökosystem Wald dürften sich über den positiven Zwischenbericht aus Potsdam freuen. Auch wenn vor allem größere Tiere das Feuer wittern und dann flüchten können – Insekten und Spinnentiere verbrennen zu Tausenden, Mikroorganismen zu Millionen allein auf einem Quadratmeter. Zudem ist der Lebensraum der Tiere nach einem Feuer auf Jahre hinaus zerstört. Vom wirtschaftlichen Schaden für die Waldeigentümer oder den staatlichen Forst ganz zu schweigen. Der Mensch als Risiko Dabei kann der Mensch viel dazu beitragen, durch ein vernünftiges Verhalten gerade im Wald und im Forst das Risiko für den Ausbruch von Feuer möglichst kleinzuhalten. So ist es zum Beispiel in fast allen Bundesländern das ganze Jahr über verboten, im Wald und im Abstand von weniger als 50 Metern vom Waldrand entfernt ein Feuer anzuzünden oder zu rauchen. Genau dies wird oft ignoriert – vorsätzlich oder fahrlässig: 50 Prozent aller Waldbrände gehen auf das Fehlverhalten oder den Leichtsinn des Menschen zurück, wie Experten berichten. Die Ursachen reichen von der sorglos weggeworfenen Zigarettenkippe über das Abstellen von Fahrzeugen mit heißen Katalysatoren über brennbarem Untergrund und die Selbstentzündung von zum Beispiel alter Munition bis hin zur Fahrlässigkeit im Umgang mit offenem Feuer und Brandstiftung. „Wie oft haben wir schon beobachten müssen, dass Fahrlässigkeit diese Waldbrände entstehen lassen hat“, sagt ein Feuerwehrsprecher aus Rathenow. Wohl wissend, dass es morgen wieder so weit sein kann. Und dann helfen auch die Feuchtigkeit und der Mut der Feuerwehrmänner nicht mehr viel.
- Schlechter Empfang auf dem Land
Die Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft, die den Kampf gegen Funklöcher gerade im ländlichen Raum führen sollte, wird nach dem Willen der Ampel-Regierung abgewickelt. Das wird wohl Folgen haben … Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, sagt der Volksmund. Im politischen Disput um die richtigen Maßnahmen gegen die „weißen Flecken“ auf der Mobilfunkkarte gilt dies nicht. Die „Dritten“ haben in diesem Fall das Nachsehen: Es sind die zigtausend Betroffenen draußen im Land, die bei der Sprach- und Datenübertragung via Mobilfunk bis heute auf ein zeitgemäßes technisches Angebot oder zumindest auf eine Perspektive warten. Als im Jahr 2021 das Bundesverkehrsministerium die Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft, kurz MIG, als Tochter der Toll Collect GmbH gründete, blitzte Licht am Ende des Tunnels auf. Da Privatinvestoren aus Renditegründen abgewunken hatten, die abgehängten Gebiete zu versorgen, wollte der Staat die Errichtung neuer Mobilfunkmasten fördern und die Funklöcher in Deutschland ausradieren. Bei den digitalbasierten Entwicklungsmöglichkeiten der Regionen sollte endlich Chancengleichheit hergestellt werden. Der Aufbau der MIG dauerte allerdings viel länger als erwartet. Aufgrund der bisher nur geringen Zahl der umgesetzten Projekte erhielt die Gesellschaft von der Ampel zuletzt trotz der Länderproteste im Bundesrat keine Unterstützung mehr. Die Mobilfunkförderung läuft nun zum Jahresende aus. Die MIG selbst wird bis zum Ende 2025 abgewickelt. Vergeblicher Rettungsversuch zur Beseitigung von Funklöchern Ohne Ergebnis versuchte die CDU/CSU-Fraktion jetzt im Bundestag mit einem weitreichenden Antrag zur digitalen Infrastruktur die GmbH zu retten, damit schon weiter fortgeschrittene Projekte noch umgesetzt werden können. Die Union gestand ein, dass der Start der MIG und die Gewinnung von Fachpersonal am Standort Naumburg/Saale mehr Zeit in Anspruch genommen haben, als bei ihrer Gründung 2020 ursprünglich vorgesehen war. „Mittlerweile ist sie zwar voll arbeitsfähig, hat aber bis zu ihrer Abwicklung bis Ende 2025 keine Chance mehr, zu einer signifikanten Verbesserung der Versorgung in den weißen Flecken beizutragen“, heißt es im Antrag. Dabei befänden sich laut Bundesregierung derzeit Mobilfunkmasten an 48 Standorten in der Projektrealisierung durch die jeweiligen Zuwendungsempfänger. Weiterhin sei die MIG an 1127 Standorten in ganz Deutschland im Rahmen der Standortvorbereitung aktiv. „Unfassbar teuer“, „nicht effektiv genug“. Mit deutlichen Worten wiesen die Ampelfraktionen den, wie Maximilian Funke-Kaiser (FDP) genüsslich formulierte, „Andi-Scheuer-Gedächtnisantrag“ der Union in diesem Kernpunkt zurück. Der Gesamtantrag mit seinen vielen anderen Facetten wurde an den Ausschuss für Digitales, den Wirtschaftsausschuss und den Verkehrsausschuss überwiesen Die Zeit der Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft läuft damit ab, ohne dass aber klar ist, wie das seit Jahren beklagte Funklochproblem denn nun gelöst werden soll. Das „Recht auf schnelles Internet“ besteht an diesen Stellen nur auf dem Papier. Die CDU/CSU-Fraktion wirft der Bundesregierung vor, trotz großer Ankündigungen keine zukunftsweisenden Impulse im Bereich Mobilfunk oder der digitalen Infrastruktur zu setzen – vielmehr scheitere die Ampel-Koalition bereits an der Umsetzung der bestehenden rechtlichen Möglichkeiten und zeige sich auch in der Digitalpolitik zerstritten und uneinig. Der ländliche Raum aber braucht auf dem Feld der digitalen Versorgung keine politisch ausgelösten Verzögerungen, sondern eine deutliche Beschleunigung. Das sieht in der Ampel auch die SPD so. Sie weiß, dass die Mobilfunkversorger die schwer zu erschließenden Gebiete in der Vergangenheit sehr gerne links liegen ließen. Die nächste Vergabe für die Mobilfunkfrequenzen durch die Bundesnetzagentur soll mit der Auflage verbunden sein, dass 99,5 Prozent der Fläche des Landes abzudecken sind. Gut gedacht, aber ob der Markt danach handeln wird? Und was wird in den verbleibenden 0,5 Prozent passieren? Da hilft es wenig, wenn die FDP bereits heute im Bundestag frohlockt, dass man „bis 2030 eines der modernsten Mobilfunknetze weltweit“ haben werde. Gleiches wurde auch mal von der Deutschen Bahn gesagt.
- Protestieren die Landwirte im Winter erneut?
Die Ampelkoalition lobt ihr Agrarpaket, doch die meisten Bauern sehen weder einen Bürokratieabbau noch spürbare Entlastungen. Im Bauernverband gibt es daher Befürworter erneuter Proteste Als im Januar tausende Landwirte wochenlang mit ihren Traktoren lautstark protestierten, hat das in der Öffentlichkeit und bei Politikern Eindruck hinterlassen – und Wirkung gezeigt. Vordergründig ging es den Bauern um Änderungen beim Agrar-Diesel, doch das war längst nicht der einzige Grund für ihre Unzufriedenheit. Inzwischen hat die Regierung zwar mehrere Maßnahmen zurückgenommen, aber zufrieden ist der Deutsche Bauernverband mit dem Agrarpaket nicht : Es sei „Lichtjahre von dem entfernt, was wir als Landwirte an Entlastungen brauchen“, kritisierte Verbandspräsident Joachim Rukwied im ZDF-Morgenmagazin und sprach von einem „Päckchen“. Nicht nur Rukwied fühlt sich von der Ampel-Koalition unverstanden. Das Agrarpaket sieht vor, die Weidetierhaltung auf Grünland zusätzlich zu fördern und die Pflicht zur Flächenstilllegung für drei weitere Jahre auszusetzen. Einige Melde- und Aufzeichnungspflichten werden zurückgenommen. Unlautere Handelspraktiken wie das Zurückschicken nicht verkaufter Produkte vom Handel ohne Zahlung des Kaufpreises sollen unterbunden werden. Vorgesehen ist auch, dass die Landwirte kleinerer Betriebe ihre Einkünfte aus guten und schlechten Jahren steuerlich besser verrechnen können und sich durch diese Tarifglättung wetterbedingte Schwankungen bei Gewinnen und Verlusten ausgleichen lassen. Allerdings profitieren davon nicht die großen ostdeutschen Betriebe, die als „juristische Personen“ gelten. Die Grünen sprechen vom „Zukunftspaket“ – Experten wollen Nachbesserungen Während die Grünen das Agrarpaket sogar als „Zukunftspaket“ vermarkten wollen, forderten Experten in einer Anhörung im Bundestag deutliche Nachbesserungen. Albert Stegemann, der agrarpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, nannte es „besonders dreist“, dass Landwirtschaftsminister Cem Özdemir versuche, die von der EU beschlossenen Vereinfachungen für Landwirte als eigenen Erfolg zu verkaufen, obwohl gerade die Bundesregierung die EU-Vorschläge zur Entlastung beim Ministerrat nicht mitgetragen habe. Auch Bernhard Forstner, Agrarökonom am Institut für Betriebswirtschaft des Thünen-Instituts, hält das Entlastungspaket nicht für den großen Wurf, wie er dem Portal „web.de“ sagte. Beim Bürokratieabbau sei mehr drin. Die Landwirte beklagen eine Regulierungswut, weil sie heute Daten an staatliche Stellen gleich mehrfach und zu unterschiedlichen Zeitpunkten melden müssen. Das gilt auch für die geplanten Änderungen im Düngerecht, die der Bauernverband als Bürokratiemonster ansieht. Ein entsprechendes Gesetz der Ampelkoalition, Anfang Juni im Bundestag beschlossen, scheiterte im Bundesrat am Widerstand der Länder. Agrarminister Özdemir zeigt sich selbstkritisch Die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Hessen, Dietmar Woidke (SPD) und Boris Rhein (CDU), lehnten es ebenso ab wie Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU). Geplant war, die hohe Nitratbelastung im Grundwasser zu senken; damit sollten EU-Vorgaben umgesetzt werden. „Wenn die Ampel Bürokratieabbau tatsächlich ernst nimmt, dann hätte sie dieses Gesetz so nicht verabschieden dürfen“, kritisierte der Agrarexperte der Union, Stegemann, das Scheitern des Düngegesetzes. Bemerkenswert ist, dass auch Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) vor einer anhaltenden Unzufriedenheit vieler Landwirte warnt. Und Kritik an den Vorschlägen aus den Fraktionen der Ampel-Koalition kommt. Gut möglich, dass es im Herbst oder Winter weitere Proteste des Bauernverbandes gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung geben wird. Landwirtschaftsminister Özdemir bekommt derweil auf seiner Sommertour den Unmut der Landwirte zu spüren. Sie fühlen sich von dem Grünen-Politiker im Stich gelassen. Die Berliner Politik, so muss er sich zum Beispiel im Osten Niedersachsens anhören, vernachlässige die Bauern und die Probleme auf dem Land. Immerhin zeigt sich Özdemir selbstkritisch. „Die Grünen werden traditionell stärker als Partei der Universitäts- und Großstädte wahrgenommen“, wird er in der „Frankfurter Allgemeinen“ zitiert. „Wahrscheinlich haben wir hier und da dazu beigetragen, dass das so ist.“
- EuGH-Urteil zum Wolf ist ein Weckruf
Nach der jüngsten Entscheidung des höchsten EU-Gerichts zum Beutegreifer ist ein aktives Management, wie es von Österreich und Frankreich praktiziert wurde, nicht mehr möglich In Österreich wurden 2022 und 2023 zwölf Problemwölfe von den Behörden abgeschossen. In Frankreich wurden 2023 gezielt 209 Wölfe getötet. Diese Zahl entspricht 19 Prozent des Bestands des Beutegreifers in Frankreich. Österreich und Frankreich praktizieren ein aktives Management der Populationen. Sobald Wölfe, die Nutz- oder Weidetiere gerissen haben, identifiziert sind, werden in den beiden Nachbarländern die Behörden aktiv und „entnehmen“ Problemwölfe. Diese Wolfs-Politik, wie sie in Frankreich und Österreich seit Jahren mit viel Erfolg praktiziert wurde, gerät nun auf die abschüssige Bahn. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat letzte Woche ein Urteil zu einem Schadwolf in Österreich gesprochen, der allein 20 Schafe in Tirol gerissen hatte, bevor er von den Behörden getötet wurde. Das höchste EU-Gericht legt jetzt die Latte für den behördlichen Abschuss noch einmal deutlich höher. Die Behörden dürfen nicht mehr Almen, also Wiesen in den Hochlagen der Alpen, pauschal als nicht schützbar ausweisen. Bevor der Jäger mit Genehmigung der österreichischen Behörden auf einen Schadwolf anlegen darf, muss vielmehr künftig nachgewiesen werden, dass ein Schutz der Weidetiere mit Zäunen oder Hirten nicht möglich sei. Auf die gesamte EU anwendbar Wie bei jedem EuGH-Urteil bezieht es sich zunächst auf einen konkreten Einzelfall. Doch ist der Richterspruch zum Problemwolf aus Tirol auf die gesamte EU anwendbar. Das heißt: Künftig können Kritiker der „Entnahme“-Politik in Frankreich sich auf das EuGH-Urteil berufen und Abschuss-Verbote durchsetzen. Die rechtliche Grundlage des Umgangs mit dem Beutegreifer Wolf ist in allen 27 EU-Mitgliedstaaten dieselbe: Es handelt sich um die FFH-Richtlinie der EU (Fauna, Flora, Habitat) zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. Dieses EU-Gesetz hätte auch in Deutschland längst ein konsequenteres Management der Wolfsbestände zugelassen. Doch in dieser Bundesregierung fehlte dazu der politische Wille. Die Behörden in Frankreich, Österreich und Schweden gingen viel zielgerichteter gegen Schadwölfe vor als hierzulande. Nun ist es für die deutschen Behörden zu spät, sich ein Beispiel an den Nachbarn zu nehmen. Der pragmatischere Umgang mit dem EU-Gesetz in Frankreich und Österreich dürfte Geschichte sein. Das EuGH-Urteil ist ein Weckruf für das neu gewählte Europaparlament. Wenn das Vorgehen der Behörden in Österreich illegal war, dann muss jetzt die aus dem Jahr 1992 stammende Richtlinie überarbeitet und angepasst werden. Bestände haben sich deutlich erholt Die Welt hat sich verändert in den letzten drei Jahrzehnten. Der Wolf, der Bär und etliche andere Tiere, die laut FFH-Richtlinie den besonders strengen Schutzstatus genießen, haben sich in ihren Beständen deutlich erholt. Vielfach breiten sie sich inzwischen unkontrolliert aus, zum Nachteil der Weidetierhalter und im Fall des Bären eindeutig auch zur Gefahr von Wanderern und Naherholungssuchenden. Es reicht nicht, dass die FFH-Richtlinie überarbeitet wird. Zuvor muss die Berner Konvention geändert werden. Der entsprechende Vorstoß durch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wenige Monate vor der Europawahl verpuffte, weil sich keine Mehrheit in der Staatenkammer dafür abzeichnete. Der Richterspruch aus Luxemburg unterstreicht, dass ein neuer Anlauf genommen werden muss. Wenn das EU-Recht ebenso kontrollierte wie sinnvolle Abschüsse nicht mehr ermöglicht, dann muss eben die Rechtsgrundlage geändert werden. Ansonsten könnte es sein, dass bald die Wölfe den Nutztieren und damit dem Menschen noch sehr viel häufiger gefährlich nah kommen.
- Wisentauswilderung: Vom Vorzeigeprojekt zum Sorgenkind
Das Gezerre um die zotteligen Schwergewichte der Wisente ist ein Paradebeispiel für die Probleme, die die (Wieder-)Ansiedlung großer Landsäuger schafft Seit gut zehn Jahren erregen die Wisente am Rothaarsteig die Gemüter und beschäftigen fast ebenso lange die Gerichte. Die jüngste Runde hat nun der nordrhein-westfälische Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eingeläutet. Er hat beim Verwaltungsgericht Arnsberg einen Eilantrag auf Erlassung einer Freilassung der Wildrinder per einstweiliger Anordnung gestellt. Dabei hat alles so hoffnungsvoll begonnen. Politiker aller Ebenen vom Bürgermeister über den Landrat und Minister bis hin zum Ministerpräsidenten sonnen sich im Glanz des in Westeuropa einmaligen Auswilderungsprojektes. Für die Kommunalpolitiker vor Ort ist der Artenschutz ein Mittel des Regionalmarketings und der Tourismusförderung. Wisente seien Staatsräson in der Region, stellt die Wochenzeitung „Die Zeit“ fest. Gut 4.300 Hektar des Sayn-Wittgensteinschen Besitzes sollen als Lebensraum dienen. Die Neuankömmlinge aber halten sich nicht an Grenzen und wechseln immer wieder in den Hochsauerlandkreis. Massiv schälen sie dort in privaten und öffentlichen Wäldern die Rinde von Buchen. Spätestens als unter dem grünen Landesumweltminister Johannes Remmel, der seinen Landtagswahlkreis in Siegen-Wittgenstein hatte, die braunen Kolosse in den Katalog der jagdbaren Arten aufgenommen werden, lässt das Jäger aufhorchen. Sie argwöhnen, die Schädigungen könnten einmal ersatzpflichtiger Wildschaden werden. Derweil klagen die privaten Waldeigentümer durch alle Instanzen, letztlich erfolgreich. Für den Verein „abgeschlossen“ und „beendet“ Mit dem letzten Urteil beginnt ein Gezerre um Schuldzuweisungen und Zuständigkeit. Denn dem Projekt-Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein drohen fortan massive Schadensersatzforderungen, denen er nicht gewachsen ist. Er erklärt kurzerhand das Wiederansiedlungsprojekt für „abgeschlossen“, seine Aufgabe für „beendet“, die Wisentherde damit für herrenlos, beantragt Insolvenz und löst sich auf. Dem Verein hatte bereits kurz zuvor ein vom Land in Auftrag gegebenes Gutachten der Tierärztlichen Hochschule Hannover bescheinigt, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Es brauche ein internationales Experten-Gremium als Partner, ein besseres Herden- und Konfliktmanagement, eine intensive wissenschaftliche Begleitung sowie eine deutlich höhere Finanzierung des Projekts von jährlich mindestens einer halben Million Euro. Außerdem heißt es: „In sechs Jahren hat die Wisentherde Schäden angerichtet wie eine 15-fache Zahl an Rotwild.“ Die Gesamtsumme wird zu dem Zeitpunkt mit 600.000 Euro beziffert. Quasi als Vermächtnis erklärt der Verein, mit der Eigentumsaufgabe fielen die Wisente „in die Zuständigkeit des Landes NRW“. Gemäß Artenschutzrecht seien die streng geschützten Wildrinder „damit auch von den Waldbauern (wieder) zu dulden“. Das Landesumweltministerium reagiert verhalten: „Der einseitige Schritt des Trägervereins wirft vertragsrechtliche, artenschutzrechtliche und finanzielle Fragen auf, die es jetzt zu klären gilt.“ Es macht im weiteren Verlauf zugleich immer wieder deutlich, dass es die zugewiesene Verantwortung nicht übernehmen wird. Harscher reagiert der Kreis Siegen-Wittgenstein. Er teilt mit, das Projekt solle „jetzt abgewickelt werden“, zumal es nicht möglich sei, einen Konsens für eine Weiterführung in der Region herzustellen. „Zu diesem Ergebnis kommen die beteiligten Naturschutz-, Forst- und Ordnungsbehörden, die über öffentlich-rechtliche Verträge dem Trägerverein bislang die für das Projekt erforderlichen Genehmigungen für die nur als Probephase angelegte Freisetzungsphase erteilt haben.“ Massiv mit öffentlichen Geldern gefördert Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Kreis Siegen-Wittgenstein den Trägerverein mit „insgesamt über 350.000 Euro gefördert“, das Land NRW habe mit „rund drei Millionen Euro unterstützt“. Dem Verein wirft der Kreis vertragswidriges Verhalten vor. Mit einem „rechtlichen Kniff“ wolle er sich „seiner Verpflichtungen erledigen, die grundlegende Voraussetzung dafür waren, dass der Trägerverein die Tiere seinerzeit überhaupt freisetzen durfte. Der Verein will damit die Verantwortung für die Herde auf die öffentliche Hand überwälzen und zulasten der privaten Eigentümer eine Pflicht zur Duldung von Fraßschäden auslösen.“ Nachdem ein von den ehemaligen Umweltministern Remmel und Ursula Heinen-Esser moderierter Runder Tisch ergebnislos bleibt, fühlt sich niemand mehr für die Tiere zuständig. Auch der Nachfolger des inzwischen verstorbenen Ideengebers für die Auswilderung, Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein, will von dem Projekt nichts mehr wissen. Der Kreis Siegen-Wittgenstein sieht sich lediglich als Aufsichtsbehörde in der Pflicht, die Grundversorgung der Tiere zu übernehmen. Dazu gehören eine Winterfütterung und das Errichten eines Fanggatters, in dem sich die 40 Tiere nun befinden. Alle Bemühungen zielen darauf, die Herde aufzulösen, und der Kreis ist zuversichtlich, dass andere Wisentprojekte noch in diesem Jahr die Tiere aufnehmen könnten. Dagegen wehren sich die Naturschützer, die selbst aber auch nicht die Verantwortung für die Wildrinder übernehmen wollen. Aus ihrer Sicht werden die Tiere „ohne Rechtsgrundlage gefangen gehalten“. Scheitern sie, dürfte auch die zu Projektbeginn aufgeworfene Frage negativ beantwortet sein, ob Europas größte pflanzenfressende Wildart erfolgreich in relativ dicht besiedelten Gebieten eine neue Heimat bekommen kann. Damals hieß es, bei einem Erfolg könne Deutschland eine Vorreiterrolle für andere Staaten Westeuropas einnehmen. Denn nur noch rund 3200 Wisente leben, davon etwa 2000 in freier Wildbahn, alle in Osteuropa. Das bekannteste Vorkommen ist im ostpolnischen Bialowieza. Der Stammbaum aller Tiere geht auf zwölf Exemplare zurück.
- Besondere Blüten in blühenden Landschaften – Zitterpartie für Ursula von der Leyen
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, die Woche begann mit einem sehenswerten Ereignis, das nicht mehr zu sehen ist. Am Montag haben sich im Botanischen Garten der Universität Leipzig an mehreren Pflanzen über 30 Blüten der Königin der Nacht geöffnet. Das ist ein Naturspektakel, das sich in der Geschlossenheit eines Botanischen Gartens für nur wenige Stunden oder – wie der Name schon sagt – für nur eine Nacht ereignet. Die Blüten sehen nach Schilderung des Botanischen Gartens wunderschön aus: „Ein bisschen wie eine Sonne. Sie können einen Durchmesser von bis zu 30 cm erreichen und sind weiß-gelblich. Sie duften auch ein wenig nach Vanille.“ Diese Blüten sind auch der Grund für die Namensgebung der „Königin“, denn jede zeigt sich in ihrer prallen Schönheit mit einem Durchmesser von bis zu 30 Zentimetern für nur eine Nacht. Und man kann zusehen, wie sich die Blüten öffnen und wieder schließen. Der Garten wurde an diesem Abend zusätzlich geöffnet und man wird länger warten können, bis es wieder so weit ist. Wahrscheinlich circa ein Jahr. Politisch übertragen erinnert dies an das Bild der „Blühenden Landschaften“ und das geflügelte Wort von Helmut Kohl von 1990. So formulierte er als Kanzler der Einigung seine Erwartung, wie sich die neuen Bundesländer entwickeln würden. Inzwischen ist nach mehr als einem Vierteljahrhundert gesellschaftlich, politisch wie auch wirtschaftlich der Alltag so eingekehrt, wie sich der Einigungskanzler das damals nicht vorgestellt hat. Vor den Landtagswahlen am 1. September in Sachsen und Thüringen sowie am 22. desselben Monats in Brandenburg diskutiert jetzt Deutschland über die Sorge vor wachsender Instabilität in den (immer noch) neuen Ländern. Die für viele unter uns nicht zu erklärende und sogar befürchtet starke Rolle der AfD in ihren verschiedenen regionalen Schattierungen dort hat etwas mit einer gesellschaftlichen Entwicklung zu tun, die Deutschland eher wieder trennt . Die viel zitierte und von Kohl einst erhoffte Einigung der Herzen der Deutschen ist damit nicht eingetreten. Damit müssen wir umgehen und nicht ablassen, daran zu arbeiten. Ob das Einigungswerk des aktuellen Kanzlers mit dem Abschluss der Haushaltsberatungen für die Ampel dazu beiträgt, müssen wir eher skeptisch beurteilen. Damit sind wir in dieser Wochenkolumne in der aktuellen Tagespolitik, die erst einmal nach allen Anspannungen in den Urlaubsmodus wechselt. Das nimmt uns nicht die Sorgen, ob es wirklich haltbar ist, was die Spitzen der Ampel-Koalition nach 15 Stunden Haushaltsberatungen für 2025 als Durchbruch gefeiert haben. Zum Schluss soll es am frühen Morgen so dramatisch geworden sein, dass mehrere Korrespondenten meldeten „Ampel-Aus abgewendet“ , weil es final doch wohl Spitz auf Knopf stand. In den Inhalten und Zielen war viel von Belebung der Konjunktur, Wachstumspaketen, dem Verteidigungshaushalt und der Einhaltung der Schuldenbremse wahrzunehmen, aber praktisch nichts davon, was die Strukturentwicklung des ländlichen Raumes voranbringt. Und wofür die Bauern mit zur Entwicklung der Agrarwirtschaft mit ihren Treckern und Transparenten auf die Straßen gerollt sind. EU-Parlament mit dem Start in die nächste Legislaturperiode Noch nicht im Urlaubsmodus ist dagegen das EU-Parlament, das am kommenden Donnerstag darüber abstimmt, ob Ursula von der Leyen wirklich weiter die Präsidentin der EU-Kommission bleibt. Jedenfalls bleibt es unsicher, ob die Abgeordneten in geheimer Wahl bestätigen, was als Nominierung mit Widerständen und Enthaltungen von rechts auf der Ebene der 27 Regierungschefs zur Annahme durch das EU-Parlament im ersten Schritt beschlossen wurde. Beantwortet wird dann die Frage, ob die Mehrheit mit mindestens 361 Stimmen der 720 frisch gewählten EU-Abgeordneten für sie zustande kommt. Die Kandidatin hat sich zwar zum umstrittenen „Green Deal“ aus der letzten Legislaturperiode bekannt, aber will gleichwohl mit Unterstützung der EVP auf die Agrarwirtschaft und betroffene Bereiche der ländlichen Wirtschaft zugehen. Das wiederum klingt nach Aufweichung. Es wird also am Donnerstag spannend und niemand kann prognostizieren, was passiert, wenn sie am Ende doch durchfällt… Der strenge Schutz für den Wolf auf EU-Ebene juristisch festgezurrt Aus der EU gibt es auch neue juristische Nachrichten, die uns Sorgen machen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Donnerstag ein Urteil zum Artenschutz beim Wolf gefällt. Der besonders strenge Schutz, dem der Wolf laut europäischer Gesetzgebung unterliegt, wurde noch einmal festgezurrt. Es geht um einen Fall in Österreich. Das höchste EU-Gericht widerspricht der seit etwa zwei Jahren in Österreich praktizierten Regel, Problemwölfe gezielt abzuschießen. Die Richter haben die Hürde für einen Abschuss noch einmal erhöht. Unser Autor für EU-Themen, Ludwig Hintjens, wird in der kommenden Woche in unserem Blog noch detaillierter darauf eingehen. Das Urteil dürfte EU-weit Forderungen anheizen, die betreffende FFH-Richtlinie zu ändern . Zuständig dafür ist die EU-Kommission. Wie jedes EuGH-Urteil betrifft es zunächst einmal einen konkreten Fall in einem Mitgliedsland. Es hat aber Gültigkeit für alle in der EU. Ein anderes Thema für die Justiz: Auswilderung der Wisente Bei uns im Lande beschäftigen sich ebenfalls Richter mit einem anderen umstrittenen Thema aus der Tierwelt. Seit gut zehn Jahren erhitzt die Auswilderung von Wisenten am Rothaarsteig die Gemüter. Sie begann als westeuropäisches Vorzeige-Projekt mit Modellcharakter. Inzwischen erwies sich das Ganze als äußerst konfliktträchtig. Unser Autor Christoph Boll zeigt auf, warum sich heute niemand mehr für die Wildrinder verantwortlich fühlt. Einige derer, die sich als Naturschutzaktivisten bezeichnen, plädieren weiter dafür, die Herde ungehindert durch die Wälder streifen zu lassen. Ansonsten fühlt sich offensichtlich niemand mehr für die Tiere zuständig. Auch der Nachfolger des inzwischen verstorbenen Ideengebers für die Auswilderung, Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein, will von dem Projekt nichts mehr wissen. Jetzt zieht der BUND mit einem Eilantrag auf „Erlassung einer Freilassung der Wildrinder“ wieder vor Gericht. Damit bleibt abzuwarten, ob die Arnsberger Verwaltungsrichter das Gatter wieder öffnen und was dann wohl passiert. Ich empfehle Ihnen am Montag unseren Beitrag dazu. Und zum Schluss noch einige Sätze in eigener Sache In dieser Woche hat der Stiftungsrat von natur+mensch getagt und mit dem Vorstand beschlossen, das Programm mit bewährten und weiter entwickelten Stiftungsprojekten zu intensivieren. Dazu gehört die wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit als neue Stimme der Jagd für den gesamten ländlichen Raum . Die Stiftungswebseite ( www.stiftung-natur-mensch.de ) wurde inhaltlich überarbeitet und technisch neu aufgesetzt. Mit dem Fokus auf Benutzerfreundlichkeit und Reichweite haben wir unsere Online-Präsenz auf ein neues Level gehoben. Ganz nach dem Vorbild des Relaunches unseres Blogs, haben wir uns bei der Umsetzung für die innovative, cloudbasierte Entwicklungsplattform WIX entschieden. Sie bietet herausragende Funktionen im Bereich Suchmaschinenoptimierung, Blogs, mobile Optimierung und die nahtlose Integration von Social Media. Damit wollen wir optimale Nutzererfahrung gewährleisten. Inhaltlicher Kern bleiben die täglichen Beiträge unserer professionellen Autoren mit den zusätzlichen Wochenkolumnen am Samstag, die auch kostenfrei über E-Mail zu beziehen sind. Durch eine gezielte und neu ausgerichtete Social-Media-Strategie, die insbesondere auf Facebook für hohe Zugriffszahlen sorgt, konnten wir unsere Nutzerzahlen nicht nur in den ländlichen, sondern insbesondere auch städtischen Regionen erheblich steigern. Mittlerweile erreichen wir über 60.000 Menschen monatlich – Tendenz steigend. In der Kombination aus inhaltlicher, journalistischer Kompetenz und technischer Expertise in einer strategischen Kommunikation konnten wir in den letzten Monaten unsere Zielgruppenansprache signifikant steigern. Wir werden weiterhin daran arbeiten, unsere digitale Medienarbeit auszubauen. Das soll Sie, liebe Leserinnen und Leser, weiter über Zusammenhänge von Politik, ländlichem Raum und Jagd informieren. Damit empfehlen wir auch diesmal unsere Texte zur Lektüre oder im Audio-Format als Hörbeiträge. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen mit unserem Team ein angenehmes Wochenende Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination
- Natur, Gesellschaft und Jägerschaft
Wie gehen Gesellschaft und Politik mit der Natur um, wieweit sollten gesetzliche und politische Eingriffe gehen und welche Rolle spielen Landnutzer dabei? Hierzu ein Meinungsbeitrag Wenn es um Natur und Umwelt geht, fühlen sich fast alle Parteien angesprochen. Stichworte sind hier oftmals die Verarmung von Flora und Fauna in ihrer Artenvielfalt, weil Lebensräume immer intensiver durch Menschen genutzt worden sind oder gänzlich ausgelöscht wurden. Hier dürfen wir aber zum Beispiel auch nicht vergessen, dass noch vor einigen Jahrzehnten viele Bürgermeister, Stadt- oder Gemeindevertreter stolz den Bürgern verkündeten, mal wieder einige Kilometer Bach oder Flusslauf begradigt und betoniert zu haben. Und wurde einst nicht mit gleicher Intensität die Drainage von feuchten Wiesen und Wäldern betrieben? Da dürften schließlich auch Hochwasserkatastrophen zum Teil „hausgemacht“ sein. Es kann nicht nur darum gehen, Wasserfluten mit Schutzwänden, Deichen und Dämmen zu beherrschen. Eine gewisse Selbstregulierung der Natur muss wieder hergestellt werden. So zum Beispiel mit natürlichen Überschwemmungsgebieten, Auen und Wiesen. Sie müssen erhalten bzw. neu angelegt werden. Auch die Umfunktionierung von Naturweihern zu Nutzteichen, Regenrückhaltebecken usw. führte zum weitgehenden Schwund natürlicher Gewässer, die es nicht alleine betrifft. Auch künstlich geschaffene Nassstellen in Kies-, Sand- oder Lehmgruben, ja sogar speziell angelegte naturnahe Teiche erfreuen sich zunehmender Beliebtheit in der Bevölkerung und bereichern die Natur. Derartige vorbildlichen Biotope werden vielfach von Grundbesitzern, Revierinhabern, Hegeringen, Kreisjägerschaften, Landesjagdverbänden und auch von Jagdgebrauchshundvereinen mit erheblichen Geldmitteln und Arbeitsaufwand ohne staatliche Zuschüsse erhalten oder neu angelegt. Das wird meiner Meinung nach oftmals von der Politik nicht genügend gewürdigt und ist in der Breite der Bevölkerung nicht genügend bekannt. So bleibt es sehr zu hoffen, dass diese Bemühungen zum Erhalt von Tier- und Pflanzenwelt in Eigeninitiative anhalten und nicht durch gegenläufige Gesetzgebungen in den Ländern zum Erliegen kommen. Das gilt insbesondere auch für andere naturnahe Strukturen wie etwa Hecken, Niederwälder, Wildäcker (mit entsprechender Einsaat), Wildwiesen, Feldholzinseln, Bienenweiden oder Streuobstwiesen. Maßnahmen zur Verbesserung der Existenzsicherung von typisch bäuerlichen Betrieben sollte uns stets ein Anliegen sein als Landnutzer – etwa als Grundstückseigentümer, Landwirte oder Jäger – öffentlich sichtbar machen. Fazit: Eigeninitiativen zum Erhalt von Lebensräumen politisch erleichtern Festzustellen ist, dass die private Eigeninitiative zur Anlage und zum Erhalt von Lebensräumen teuer und arbeitsaufwändig sind. Das gilt insbesondere dann, wenn noch Flächen angekauft oder angepachtet werden. Um Lebensräume und eine Artenvielfalt (ob Tiere oder Pflanzen) zu erhalten, investieren Landnutzer oftmals viel Arbeit und Geld. Allerdings bedarf es hier auch keiner staatlichen Bevormundung oder Eingriffe in das Eigentumsrecht. Um das Überleben einer hohen Artenzahl und Lebensräume in unserer gewachsenen Kulturlandschaft zu sichern, sollte eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung gefördert werden. Seit Jahren erleben wir von Politikern der Gemeinden, der Kreise, der Länder und des Bundes Bestrebungen, der Natur mit diversen Schutzprogrammen auf die Sprünge zu helfen. Das führt zu Eingriffen in das Eigentums- und Jagdrecht – in der Überzeugung, für die Natur und im Interesse der betroffenen Landbevölkerung zu handeln, aber oft ohne deren Beteiligung. Gleichzeitig ist aber hierbei auch zu bedenken, dass vernünftige Maßnahmen nicht ausschließlich durch Gesetze realisierbar sind – insbesondere nicht durch ideologisch geprägte. Fatal wird das alles, wenn auch noch mit falschen Fakten oder Zahlen gearbeitet wird. Die Darstellung über die geleistete Eigenarbeit im Bereich von Natur- und Landschaftsschutz und unsere Erfahrungen und Auffassungen dazu wären ein wichtiger Beitrag im Interesse der Sache. Für alle Landnutzer kommt es damit weiterhin unter anderem auch auf eine intensive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an. Die Darstellung über die geleistete Arbeit im Bereich von Natur- und Landschaftsschutz und unserer Meinung sind hierzu ein wichtiger Beitrag. Insbesondere gilt es, hier auch die neuen Medien zur Meinungsbildung in der Bevölkerung zu nutzen. Unser Gastautor Joachim Orbach ist Jäger und regelmäßiger Verfasser von Beiträgen zu Jagd und Natur. Er gehört zur Redaktion der Jagdfibel im Forum Lebendige Jagdkultur: www.jagdfibel.de
- Ein Ticket, das Stadt und Land spaltet
Der 49-Euro-Fahrschein wird zum krassen Beispiel für die Klientelpolitik der Ampel und stellt ländliche Regionen noch weiter aufs Abstellgleis Kaum sind die Reue-Schwüre nach der Europawahl-Schlappe verklungen, belebt die Großstadt-Politik der Ampel eine bekannte Ungerechtigkeit. Das Deutschlandticket soll so bleiben, auch wenn es weiteren Rückzug der Bahn aus der Fläche kostet. Gleichwertige Lebensbedingungen für den ländlichen Raum sähen anders aus. Wahr ist: Kritik kommt längst nicht nur aus Bayern. Auch dem öffentlichen Nahverkehr gemeinhin zugetane Blätter und Politiker bemerken, dass die Bahn und die Verkehrsverbünde sparen müssen, um einem Teil der Menschheit Mobilität zum Schnäppchen-Preis anzubieten. Und sie sparen meist ausgerechnet dort, wo die Menschen ohne Auto kaum über die Runden und schon gar nicht zur Arbeit kommen. Immer deutlicher wird zudem: Vom eigentlichen Ziel, Autofahrende im größeren Stil zum Umstieg auf Öffentliche zu bewegen, ist der hoch subventionierte Fahrschein weit entfernt. Bisher wirkt er eher als kleine, teure Aufmerksamkeit für Menschen, die ohnehin schon Bus und Bahn nutzen. Und sogar für Rucksack-Touristen: Bis auf einschlägige Internet-Seiten in Asien und den USA ist durchgedrungen, wie billig es sich doch kreuz und quer durch Deutschland reisen lasse. … wenn die Schienen kaputt sind und die Züge nicht fahren Die Kehrseite bleibt Urlaubsreisenden eher verborgen: Nicht nur wegen der Einnahmeausfälle, sondern auch aus Personal- und Materialmangel haben zumal Regionalbahnen ihr Angebot zum Teil deutlich ausgedünnt. „Es fährt ein Zug nach nirgendwo“, kommentiert der „Spiegel“ die Folgen der gestiegenen Nachfrage in den Ballungsgebieten. CSU-Mann Ulrich Lange wird für seine Bundestagsfraktion deutlicher: Das „übergünstige deutschlandweite ÖPNV-Ticket“ bringe überhaupt nichts, „wenn die Schienen kaputt sind und die Züge nicht fahren“. Während zunehmend auch Regional- und Landespolitiker der Ampelparteien auf die Schieflage hinweisen, gibt sich die SPD auf Bundesebene kampfbereit für das „Erfolgsprojekt“, das den Bahnen zwar mehr Fahrgäste in den Ballungsräumen einbringt, aber keineswegs entsprechend mehr Geld in die Kassen spült. Im Gegenteil: Zuschüsse zum Erhalt von öffentlichen Verkehrsverbindungen auf dem Lande werden gestrichen. In Schleswig-Holstein treffen die Ausdünnungen den gesamten Regionalverkehr auf der Schiene. Im Münsterland beispielsweise werden weniger Schnellbusse vom Land in die regionale Metropole fahren. Die Fahrpläne werden ausgedünnt, weil die Kreise nicht für auslaufende Förderungen einspringen wollen. Im besonders betroffenen Flächenland Bayern erinnert CSU-Verkehrsminister Christian Bernreiter an die alte Regel, dass für die Musik derjenige zahlt, der sie bestellt hat: Der Bundeskanzler habe den Ländern zugesagt, unverbrauchte Mittel für das Ticket zurückzugeben: „Diese Zusage ist bis heute nicht erfüllt … und ich weiß nicht, in welcher Republik wir leben, wenn die Zusage eines Bundeskanzlers nichts mehr gilt.“ Mit seiner Einschätzung, das eigentliche Problem bestehe darin, dass für das Spar-Ticket kein zusätzliches Geld ins System geflossen ist, steht Bernreiter jedenfalls nicht allein. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt die Gretchenfrage, ob die 49 Euro bleiben sollen? Oder aber die dringend notwendigen Investitionen für die Bahn nicht länger auf die lange Bank geschoben werden? Bevor das Bundesverfassungsgericht die Schuldenbremse anzog, schätzte die Koalition den akuten Finanzbedarf der Bahn auf 45 Milliarden Euro. Davon blieb dann mit 27 Milliarden gut die Hälfte übrig. Und die Frage, wo die Milliarden-Subvention fürs Deutschland-Ticket abgezweigt werden könnte. Womöglich naht die Stunde der Wahrheit nach den Landtagswahlen im Herbst. Ohne Finanzspritzen, ahnt selbst NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer von den Grünen, werde das Sparpreis-Reisen wohl nicht zu halten sein. Das Bahn-Management bedient sich zum Ausgleich der Kosten für die Klientel-Politik derweil auf einem Feld, das der Umweltpolitik beträchtlich schadet: Seine Güterverkehrspreise hat der Staatskonzern so angehoben, dass Industrie und Gewerbe scharenweise zum Lastwagen-Transport zurückkehren.
- Auf dem Stundenplan steht: Ausfall
Für immer mehr Schüler fällt der Unterricht aus. Das beschäftigt Kinder und Eltern, Lehrer und auch die Wirtschaft. Jetzt startet eine Initiative in Sachsen-Anhalt einen ungewöhnlichen Versuch, genau dies zu ändern So sieht der Schulalltag für viele Kinder nicht nur in dem kleinen Städtchen südlich von Köthen aus. Von 30 Stunden Unterricht, die eigentlich auf dem Stundenplan der einzügigen Grundschule stehen, fallen pro Woche mindestens vier Stunden aus. Manchmal ist es auch ein ganzer Tag, manchmal sind es nur ein paar Stunden. Grund: zu wenig Lehrkräfte. Was die Kinder und Jugendlichen nicht nur in Sachsen-Anhalt am Anfang noch zu freuen vermochte, ist längst zu einem bildungspolitischen Ärgernis nicht nur in diesem Bundesland geworden. Es gibt in den neuen Ländern viel zu wenige junge Lehrerinnen und Lehrer. Dies hat zum einen den Grund, dass zu wenige junge Frauen und Männer aus dem Westen an die Universitäten in den Osten gehen, um ein Lehramtsstudium aufzunehmen. Vorurteile, Vorbehalte gegen den Osten und speziell den ländlichen Raum. Und Hürden, die nicht nur für ein Lehramtsstudium an der Universität der Landeshauptstadt Magdeburg immer noch sehr hoch sind. Und „einheimische Studienanfänger“ sind nach dem demografischen Knick, der im Osten die Bevölkerungszahlen in den 90er Jahren vor allem jenseits der Ballungszentren deutlich nach unten rauschen ließ, nicht mehr viele zu finden. Nicht nur hinter vorgehaltener Hand warnen Wirtschaftsvertreter, dass die schlechte Versorgung der Schulen für viele Fachkräfte ein Hindernis werden könnte, demnächst rund um Magdeburg, Leipzig oder Halle arbeiten zu wollen. Ungewöhnliche Initiative Grund genug, Wege zu suchen, wie man der Misere Herr werden kann. In Sachsen-Anhalt hat sich vor einem halben Jahr eine sehr ungewöhnliche Initiative gebildet. Ein Bildungsforum aus etwa zwei Dutzend Organisationen und Institutionen hat Vorschläge für die Zukunft des Schulsystems in Sachsen-Anhalt vorgelegt. Es gehe darum, dass „Menschen mit Menschen reden“, lautet die Grundidee. Zu den Unterzeichnern des Memorandums gehören etwa die Arbeiterwohlfahrt, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die GEW, der Grundschulverband, die IHK Halle-Dessau, der Landesschülerrat und der Landeselternrat. Zu den 35 Vorschlägen gehört die Gründung einer Lehrkräfteagentur, die sich um die Rekrutierung von Pädagoginnen und Pädagogen kümmern soll. „Noch immer gibt es viel zu hohe Hürden für die Aufnahme eines Lehramtsstudiums in unserem Land“, schimpfte zum Beispiel Eva Gerth, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit Blick auf die Universität Magdeburg. Seiteneinsteiger oder Lehrkräfte, die nur ein Fach studiert und abgeschlossen hätten, würden zudem noch immer von den Schulverwaltungen links liegen gelassen. Bemühungen des Landes Sachsen-Anhalt, Personal aus dem Ausland für die Unterrichtung der Landeskinder zu gewinnen, seien ebenfalls krachend gescheitert. Deswegen, so schlägt die Initiative nun vor, soll eine neue Landesagentur mit zusätzlichem Personal im Landesschulamt unabhängig vom Online-Bewerbungsportal neue Lehrkräfte anwerben und unmittelbar in den Schuldienst einstellen. Ob dies gelingt? Zweifelhaft. Ein Scheitern der Pläne jedenfalls ist verboten. Denn dies hätte nicht nur Konsequenzen für das Bildungssystem, sondern auch die Zukunft des Zusammenlebens. „Durch den Unterrichtsausfall bleibt ja nicht nur die Vermittlung von Wissen auf der Strecke“, sagt zum Beispiel Matthias Rose, Vorsitzender der Landeselternratsinitiative Sachsen-Anhalt. Gerade das soziale Lernen, der Umgang miteinander, die soziale Kompetenz seien gefährdet. Genau das, was Bildungsexperten heute als eine der schlimmsten Folgen aus der Corona-Zeit immer wieder nennen. Dramatische Lage auch in anderen Bundesländern Der Lehrermangel ist dabei bestimmt nicht nur auf Ostdeutschland beschränkt. Und er trifft nicht nur den ländlichen Raum. Auch in Nordrhein-Westfalen ist die Lage vor allem in sozialen Problemregionen schon jetzt dramatisch. So werden aktuell Grundschullehrerinnen und Lehrer aus vergleichsweise gut versorgten Regionen wie Münster oder dem Niederrhein nach Gelsenkirchen, Duisburg oder Hamm abgeordnet, um dort die größten Lücken im Lehrerzimmer zu stopfen. Ein Grund ist die verfehlte Personalpolitik der verschiedenen Schulminister seit den 90er Jahren. Aber auch die zunehmende Zuwanderung und die Umsetzung der Inklusionsvorgaben der UNO sind in den Schulen angekommen. So müssen in Nordrhein-Westfalen schon in diesem Schuljahr knapp 100.000 Kinder und Jugendliche mehr unterrichtet werden als prognostiziert.
- Waffenrecht: Symbolpolitik statt Gefahrenabwehr
Nach fast jeder Gewalttat mit Waffen gibt es den reflexartigen Ruf nach einer Verschärfung des Waffenrechts. Jetzt ist das Thema im Bundesrat gelandet Das „Dritte Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften“ wurde in Reflexion auf den Anschlag von Halle Anfang 2020 vom Bundestag beschlossen. Nur zwei Tage später gab es einen Terroranschlag in Hanau. In der Folge kam eine Prüfung des Innenministeriums zu dem Ergebnis, dass es erneut ergänzender Anpassungen bedürfe, damit den Waffenbehörden das relevante Wissen anderer Dienststellen schnell und effizient zur Verfügung gestellt wird. Jüngstes Beispiel ist die gerade gestartete Bundesratsinitiative Niedersachsens. Sie ist Folge des öffentlichen Aufschreis über den Mord an dem 29-jährigen Polizisten Rouven Laur in Mannheim. Bei Enthaltung von Sachsen-Anhalt und Ablehnung der Bayern wurde die Entschließung „Messerkriminalität wirksam bekämpfen und Novelle des Waffenrechts zügig voranbringen“ in der Länderkammer verabschiedet. Wesentlicher Inhalt des Papiers ist ein Verbot von Springmessern und die Ausweitung der Verbote von Messern in der Öffentlichkeit mit einer Klingenlänge von mehr als sechs Zentimeter. Letzteres wirkt beliebig – warum nicht fünf oder sieben Zentimeter – und undurchdacht. Zumal es keine statistischen Zahlen zu kriminellen Messerdelikten gibt. Da wird auf einem Nebenkriegsschauplatz um Streitäxte, Samuraischwerter und Macheten gekämpft, die in martialischen Mittelalter- und Fernostfilmen eine größere Rolle spielen als in der bundesdeutschen Kriminalitätsstatistik. Ganz zu schweigen von Schälmessern aus der Küche. Wenn die Entschließung erfolgreich ist, darf nämlich ein solches nicht mehr mitgenommen werden, um beim Picknick einen Apfel zu schälen. Viel Aktionismus mit einem trügerischen Sicherheitsgewinn also. Neuer Vorstoß aus Niedersachsen Doch mit seinem populistischen Vorstoß belebt der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil ein Lieblingsprojekt seiner SPD-Parteifreundin Nancy Faeser, die im Koalitionsvertrag vorgesehene Novelle des Waffenrechts. Was als zentrales Instrument im „Kampf gegen Rechts“ gedacht war, liegt auf Eis, seit Christian Lindner sein Veto eingelegt hat. Dabei ist auch für den FDP-Chef und Bundesfinanzminister unstreitig, dass Extremisten, Kriminelle oder psychisch kranke Menschen keinen Zugriff auf Waffen haben sollen. Er moniert das Fehlen der ebenfalls von den Koalitionären vereinbarten Evaluierung vergangener Änderungen auf diesem Feld als Voraussetzung für mögliche weitere Maßnahmen. Es gibt bis heute keine solche Überprüfung, die wissenschaftlichen Standards genügt. Das liegt vorrangig daran, dass Faeser den zweiten vor dem ersten Schritt getan hat. Bereits kurz nach ihrem Amtsantritt wurde die Absicht bekannt, Schreckschusswaffen erlaubnispflichtig zu machen. Im März 2022 kündigte sie an, mit einem „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ die entsprechenden Personen „konsequent entwaffnen“ zu wollen. Als am 7. Dezember 2022 bei einer Razzia gegen „Reichsbürger" viele legale, aber auch illegale Waffen gefunden wurden, nahm die Ministerin das zum Anlass, umgehend eine weitere Verschärfung des Waffenrechts anzukündigen. Der 48-seitige Gesetzentwurf dazu wurde Anfang Januar 2023 öffentlich bekannt. Offenbar lag das Papier aber längst vorher vor und die Staatsstreichpläne der „Reichsbürger“ um Prinz Reuß lieferten nur den geeigneten Anlass, es als „Reaktion“ zu präsentieren. Die Tageszeitung „Die Welt“ spricht in dem Zusammenhang von „Tricksereien“. Diesem Entwurf, der im Kabinett dank Lindners Veto nie beschlossen wurde, will die niedersächsische Bundesratsinitiative neues Leben einhauchen. In der Konsequenz einer Umsetzung wären hunderttausende Jäger und Sportschützen sowie die Besitzer von Schreckschuss-, Reizstoff- oder Signalwaffe betroffen. Neu eingeführt wird mit dem Gesetzesentwurf die Kategorie der „kriegswaffenähnlichen halbautomatischen Schusswaffen“. Dabei geht es nicht um die Funktion der Waffen, sondern allein um das Aussehen, den nur schwer definierbaren Anschein. Ein Verbot dieser Waffen würde laut „Die Welt“ mehr als eine Milliarde Euro an Schadenersatzzahlungen für Betroffene auslösen. Die Millionen von illegalen Waffen ausgeblendet? Faesers Bemühungen offenbaren ein generelles Misstrauen gegen weite Teile der gesetzestreuen Bevölkerung. Weil sie mehr Aktionismus und Symbolpolitik als Sicherheitsgewinn bringen, kritisiert der CDU-Abgeordnete Marc Henrichmann, der Mitglied in dem für das Waffenrecht zuständigen Arbeitskreis II im Bundestag ist, die Ministerin deutlich: „Faesers Vorstellungen vom Waffenrecht sind untauglich. Mit komplizierterem Verwaltungsrecht statt wirksamen Schwerpunkten wird sie den wirklichen Problemen bei der inneren Sicherheit niemals Herr. Und insbesondere beim notwendigen Kampf gegen die riesige Zahl illegaler Waffen hat sie gar nichts im Angebot. Stattdessen drangsaliert sie rechtstreue Schützen und Jäger sowie überlastete Vollzugsbehörden. Faesers Reformvorschläge sind überwiegend reine Placebo-Ideen einer nicht nur mit dem Waffenrecht überforderten Ministerin.“ Henrichmann spricht damit zugleich an, dass die knapp fünf Millionen legalen Schusswaffen ein marginales Problem sind im Vergleich zu den seriös geschätzten 30 bis 40 Millionen illegalen Waffen in Deutschland. Dieses Thema wird seit 20 Jahren politisch ausgeblendet. Letztmals wurden im „Jahresbericht zur Waffen- und Sprengstoffkriminalität“ für das Jahr 2002 öffentlich Zahlen ausgewiesen zu legalen und illegalen sowie erlaubnispflichtigen und erlaubnisfreien Waffen, die bei Straftaten verwendet wurden. Für das Jahr 2014 weist die polizeiliche Kriminalstatistik insgesamt knapp 6,1 Millionen Straftaten aus. In nur fünf Fällen waren legal besessene Schusswaffen beteiligt. Zu den mit Legalwaffen verübten Delikten werden dabei auch Selbsttötungen und Straftaten mitgezählt, die mit Dienstwaffen von Polizei oder Bundeswehr begangen wurden. Angesichts dieser Zahlen ist fraglich, ob ein Sicherheitsgewinn von 0,00008 Prozent in Bezug auf alle Straftaten weitere Waffenrechtsänderungen rechtfertigt. Das Bundesinnenministerium jedenfalls bewertete in seinem Bericht an die Innenministerkonferenz der Bundesländer am 13. Oktober 2014 die Deliktsrelevanz legal besessener Feuerwaffen als „gering“.












