top of page
  • AutorenbildFrank Polke

„Frost hat die Ernte vernichtet“

Noch liegen keine offiziellen Zahlen vor. Aber die ersten Meldungen aus den Ländern zeigen, dass die deutschen Landwirte mit einer höchst unterschiedlichen Ernte rechnen müssen. Regional und je nach Anbauart


Beitrag anhören (MP3-Audio)

Foto: ideogram.ai

Glück oder Pech kann von wenigen Metern abhängen. Esther Wernien, Agrarwissenschaftlerin beim hessischen Landwirtschaftsverband, bringt es auf den Punkt. „Das Entscheidende ist, ob man in diesem Frühling noch einmal kräftigen Frost abbekommen hat. Oder ob man eben keinen Frost abbekommen hat und Glück gehabt hat." Teilweise kann die Ernte schon innerhalb eines Dorfes höchst unterschiedlich ausfallen.


„Manche Betriebe werden eine recht normale Ernte haben, bei anderen kann der Frost zum Totalausfall führen“, erklärt Esther Wernien die Situation, die nicht für Hessen prägend ist. Auch in anderen Regionen ist das Bild ähnlich. Die Lage entscheidet über Ernte und Umsatz, über Gewinn oder Totalausfall. Das Hauptproblem für viele Betriebe sei der späte Frost Ende April gewesen mit Temperaturen von bis zu minus sieben Grad. Einen Unterschied macht etwa, ob die Obst-Bäume in Senken mit einem kühleren Mikroklima stehen oder weiter oberhalb. In den leichten Senken habe es große Schäden gegeben, „teils hängt dort kaum ein Apfel am Baum".


Die schwersten Ernteausfälle drohen dabei den Obst- und Gemüsebauern im Osten. In Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg berichten Betriebe vereinzelt von Ausfällen von bis zu 90 Prozent. Auch die Weinbauern in der Region stehen vielerorts vor dem Nichts. Für die Verbraucher schlägt sich das zunächst in höheren Preisen nieder, die im Supermarkt für Obst und Gemüse zu zahlen sind. Dort verdrängen Importe aus Chile, China oder Südtirol die heimischen Waren immer mehr. Verbraucher, die heimische Äpfel oder Birnen kaufen wollen, erhalten aktuell wenig bis nichts. „Wir haben nichts“, sagt ein Hof in Rathenow in Brandenburg. „Und das wird sich nicht so schnell ändern.“


Getreideernte zufriedenstellend


Offiziell wird der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, die Bilanz für das Wirtschaftsjahr 23/24 erst in einigen Tagen bekannt geben. Dabei machen die ersten Meldungen aus den Ländern, die hier ausgewertet worden sind, beim Getreide durchaus Hoffnung. So haben zum Beispiel die Landwirte in Schleswig-Holstein bislang eine etwas größere Getreideernte eingefahren als im Vorjahr. Wie das Statistikamt in Kiel in dieser Woche bekannt gab, konnten die Landwirte im Norden ersten Schätzungen zufolge rund 2,2 Millionen Tonnen Getreide ernten – eine Steigerung der Erträge um ein Prozent. Im langjährigen Durchschnitt fällt die Ernte aber um fünf Prozent geringer aus. Ein Grund: Auch in Schleswig-Holstein geht die Fläche zurück, auf der Landwirte Getreide anbauen können und wollen. Rückgänge bei der Anbaufläche und dem Ernteertrag gab es bei Roggen, Winterweizen und Winterraps. Gleichzeitig aber steigt der Ertrag pro Hektar von 75 Dezitonnen im Vorjahr auf 82 Dezitonnen – auch durch den Einsatz neuer Technik und Verbesserung der Anbau- und Erntemethoden.


Kampf gegen strengere Auflagen


Doch genau diesem verantwortungsvollen Einsatz neuer Technik steht die heimische Politik entgegen.  „Wir kämpfen zum Beispiel bei der aktuellen Rapsernte mit zunehmenden Beschränkungen im Pflanzenschutz“, sagt Karsten Trunk, Bauernpräsident von Mecklenburg-Vorpommern. „Unseren Bauern stehen immer weniger geeignete Spritzmittel zur Verfügung.“ Deutschland gehe auch in diesem konkreten Fall über Vorgaben der EU hinaus. Brüssel habe zum Beispiel die geplante Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln zurückgezogen, Deutschland nicht. „Deutschland steht einmal mehr auf der Bremse und bedroht mit dem ‚Zukunftsprogramm Pflanzenschutz‘ zunehmend den Anbau von Getreide und Ölfrüchten in Deutschland“, kritisierte Trunk. Landwirte brauchten wie auch Ärzte in der Humanmedizin aber eine breite Palette von Wirkstoffen, um ihre Ernte einfahren zu können.


Genau dieses Vorgehen der in Berlin regierenden Ampel-Koalition bringt die Landwirte – landesweit sind beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern etwa 21.000 Menschen in der Land- und Ernährungswirtschaft beschäftigt, weitere 14.000 in Verarbeitungsbetrieben – auf die Palme. Beobachter gehen deswegen davon aus, dass die Protestwelle vom Frühling bald wieder aufleben könnte.

Comments


bottom of page