Agri-PV kombiniert Stromerzeugung und landwirtschaftliche Produktion. Für die Landwirte bringt die Technik eine zusätzliche Einnahmequelle und weitere Vorteile. Doch es gibt auch Nachteile
Oben wird Strom produziert, unten Obst angebaut oder Wein, Hopfen, Getreide, Kartoffeln. Agri-PV (PV für Photovoltaik) macht es möglich. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine innovative Technik, bei der die Erzeugung von Solarstrom mit Landwirtschaft verknüpft wird – eine effiziente Doppelnutzung. Bauern profitieren von einer zusätzlichen Einkommensquelle und tragen gleichzeitig zur Energiewende bei. Eine Win-win-Situation.
Die Photovoltaik-Module werden bei Agri-PV je nach Kultur bodennah oder sogar vier, fünf, sechs Meter auf Ständern über der Erde aufgestellt, sodass Trecker oder Mähdrescher darunter durchfahren können. Diverse Konstruktionen sind möglich, zum Beispiel senkrecht aufgestellte Solarmodule, die in zwei Richtungen Sonnenstrahlen aufnehmen – das Fachwort dafür lautet bifazial (es bedeutet „zweigesichtig“). Oder Solarmodule, die sich mit dem Lauf der Sonne drehen, sogenannte getrackte Anlagen. Sie bringen einen höheren Ertrag als fest installierte Module. Es müssen mindestens zwei Drittel der landwirtschaftlichen Ernte im Vergleich zur vorherigen Nutzung ohne Anlage erzielt werden.
Schutz vor Frost, Hagel, Starkregen
Der Vorteil von Agri-PV angesichts der knappen, umkämpften Ressource Land: Anders als bei den Photovoltaik-Freiflächenanlagen, die stärker in die Umwelt eingreifen und Ackerfläche vernichten, können Landwirte weiter säen und ernten und die Anbauflächen für die Herstellung von Lebensmitteln nutzen. Ein anderer Vorteil: Wenn die nächste Generation das Grundstück erbt, spart sie Erbschaftssteuer, weil die Grundstücke weiterhin als landwirtschaftliche Flächen eingestuft werden. Solarmodule können zugleich vor Starkregen, Frost und Hagel schützen. Und Erfahrungen zeigen, dass sich in regenarmen Zeiten ein höherer Ertrag bei Feldfrüchten wie Winterweizen und Hafer erzielen lässt, weil weniger Wasser verdunstet.
Klingt alles erst einmal vielversprechend. Aber auch wenn die Vorteile überwiegen, bringt Agri-PV im Ackerbau und Gartenbau Nachteile mit sich. So verändern die Anlagen das Landschaftsbild. Im Vergleich zu Freiflächenanlagen sind sie häufig teurer, und sie liefern weniger Strom pro Fläche. Dass die Module Schatten werfen, kann sich negativ auf den Ertrag der Ernte auswirken. Dies führt zum Beispiel dazu, dass Körner nicht richtig reifen oder Äpfel eine andere Farbe annehmen. Mais, eine der am häufigsten angebauten Nutzpflanzen, erweist sich als nur bedingt geeignet: Die Pflanzen wachsen zu hoch. Und nicht immer passen die breiten, modernen Maschinen durch die Reihen zwischen den Solarmodulen. Hier gilt es, noch weitere Erfahrungen zu sammeln.
Maximal 15 Prozent Flächenverlust
Mit der Optimierung der Anlagen und generell mit den Herausforderungen befassen sich Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Der Gründervater Adolf Goetzberger hatte schon 1981 die Idee der doppelten Ernte. Heute erstellen die Wissenschaftler landwirtschaftliche und technische Analysen, begleiten Pilotprojekte und bewerten die Agri-PV-Anlagen mit Blick auf mögliche Umweltrisiken und Wettbewerbsfähigkeit.
Zusammen mit der Universität Hohenheim, dem Deutschen Institut für Normung und weiteren Wissenschaftlern hat das Fraunhofer-ISE die DIN-Spezifikation DIN SPEC 91434 entwickelt – und so Qualitätskriterien festgelegt. So darf etwa der Flächenverlust durch die Installation bei einer Bewirtschaftung unter der Agri-PV-Anlage maximal zehn Prozent betragen und bei einer Bewirtschaftung dazwischen höchstens 15 Prozent.
„Vier Prozent der Ackerflächen würden reichen“
Das Fraunhofer-Institut sieht in Agri-PV große Chancen: „Nur rund vier Prozent der deutschen Agrarflächen würden ausreichen, um mit hoch aufgeständerter Agri-PV bilanziell den gesamten aktuellen Strombedarf in Deutschland zu decken“, heißt es in einem Leitfaden. Doch um hier weiterzukommen, ist die Akzeptanz der Anlagen entscheidend. Zwingend erforderlich ist es daher, dass Bürgerinnen und Bürger frühzeitig eingebunden und umfassend informiert werden.
Die erste kommerzielle Agri-PV-Großanlage – eine getrackte Anlage – hat Anfang August Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) eingeweiht. In Schlier bei Ravensburg wird an drei Standorten auf 14 Hektar Ackerfläche Strom aus der Energie der Sonne erzeugt. Jedes Jahr soll diese riesige Anlage etwa 14 Millionen Kilowattstunden Strom liefern – und sie soll weiteren Großanlagen als Vorbild dienen.
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