Autorin Anke Engelke will „Rollenbilder ins Wanken bringen“ und bedient am Ende doch nur ein billiges Klischee
Es sei ihr „um die Geschichte“ gegangen, sagte Entertainerin Anke Engelke der Süddeutschen Zeitung. Dafür habe sie einen „Buhmann“ in Kauf nehmen müssen. Der Verlag wünschte sich schließlich für die Neuinterpretation der vor 100 Jahren erstmals erschienenen „Häschenschule“ einen Konflikt oder eine Gefahr. Daraus wurde in der modernen Version des Kinderbuchklassikers auf mehreren düsteren Seiten ein Zerrbild der Landwirtschaft und der Jagd.
„Gefahr = Mensch“ lautet zum Beispiel die Gleichung unter einer Zeichnung, die einen Mann mit Hut und Mistgabel zeigt. Wohl die althergebrachte Darstellung eines Landwirts. Dem Jäger geht es nicht besser: Er hält stehend die Waffe im Anschlag – was auch sonst. Felder und Äcker voller Gift, Fallen und gefährliche Maschinen wie Traktor oder Mähdrescher. Letzter erleichtert nicht die Getreideernte, sondern bedroht im Büchlein mit seinem Schneidwerk den Hasen „Hoppich“. Gut, dass es den Fuchs gibt, denn der ist – verkehrte Welt 2.0 – der Freund und neue Mitschüler der Hasenklasse.
Der Fuchs als Raubtier und Allesfresser passt bei dem von Esslinger verlegten Buch nicht ins Konzept. Fuchs „Brehm“ tritt als Klassenneuling vor die Hasenschar. Auf seinem rosafarbenen T-Shirt steht „I love Möhre“. Damit ist der Fuchs dem veganen Hasen ernährungstechnisch nah aufs Fell gerückt. Wokeness lässt grüßen.
Gedankenlosigkeit oder gar Arroganz?
Dass Bäuerinnen und Bauern der „Häschenschule“ von Ange Engelke nicht allzu viel abgewinnen können, liegt auf der Hand. Man stelle sich die abendliche Lesestunde vor, bei der im Bilderbuch so nette Reime wie „Es ist traurig, aber wahr: Menschen sind eine Gefahr“ oder „Hier bloß nix essen, nix berühren, sonst bekommt man Gift zu spüren“ neben dem Bauern und dem Feld auftauchen. Ist das pure Gedankenlosigkeit oder gar Arroganz gegenüber dem Landleben?
„Ich bin ehrlich gesagt fassungslos“, reagierte Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk auf das Buch, das immerhin im Jubiläumsjahr der Schule erscheint. 1924 ging es in der Geschichte von Albert Sixtus um Möhrenkunde und Ostereiermalerei. Vor dem Fuchs wurde gewarnt.
Sie wolle den Kindern zeigen, dass Menschen viel falsch machen und dass man sich überlegen müsse, wie man es in Zukunft anders machen könne, erklärt Anke Engelke. Das Buch biete keine Lösungen, aber rege zu Gesprächen an.
Heftige Reaktionen in den sozialen Kanälen
Damit hat die Autorin zweifellos Recht, auch wenn ihr nicht alle Beiträge gefallen dürften. In den sozialen Kanälen im Netz wird schon seit Erscheinen des Bilderbuchs heftig gestritten. Deutschlandfunk Kultur spricht von einem „Shitstorm“ und bemühte sich darum, in einem längeren Beitrag die Kritik an dem Buch der Komikerin aus Köln zu analysieren. Der Sender ging so weit, den aktuellen Fall mit früheren Auseinandersetzungen über den Inhalt von Kinderbüchern zu vergleichen und zu fragen, wie Verlage und Autoren mit Hass im Netz umgehen.
Bei „Die neue Häschenschule“ lag eine drängende Frage auf der Hand, die allerdings sauber umkurvt wurde: Wie fühlen sich Landwirtinnen und Landwirte, wenn sie in einem Kinderbuch im Jahr 2024 so in die Ecke gestellt und zum großen Feind der süßen Häschen erklärt werden? In der Bilderwelt sind sie für den Hasen gefährlicher noch als der Fuchs – denn der ist ja inzwischen vegan. Blödsinniger geht es kaum.
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