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  • AutorenbildJürgen Wermser

Politische Turbulenzen nach Brandenburg-Wahl

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche


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Liebe Leserinnen und Leser,


in unserem Wochenkommentar beschäftigen wir uns mit den Folgen der Brandenburg-Wahl für die Berliner Ampelkoalition und den ländlichen Raum. Dazu gehört auch die überraschende Bereitschaft der grünen Bundesumweltministerin, sich nicht länger gegen eine Herabstufung des Schutzes von Wölfen in der EU zu wehren. Wie brisant die unkontrollierte Ausbreitung von Wölfen sein kann, wird an einem Beispiel aus der Lüneburger Heide gezeigt. Weitere Themen sind unter anderem die geplante Reform des Waffenrechts sowie Auslandsjagden, speziell die Einfuhr von Trophäen.


Das Ergebnis der Landtagswahl in Brandenburg ist nicht sonderlich überraschend gewesen. Die hohen Stimmengewinne für die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht sind gleichwohl ein vielleicht letztes Warnzeichen in Richtung Berliner Ampelkoalition. Die Bürger sind offenkundig sehr unzufrieden mit der Art und Weise, wie die Regierungspartner zusammenarbeiten. Und auch die Ergebnisse der Koalition sorgen ebenfalls für großen Unmut – man nehme nur die Stichworte Migration und Heizungsgesetz.


Die Liberalen sind nach ihrem Desaster in Brandenburg erst einmal auf Tauchstation gegangen. Bei den Grünen zeigt der Rücktritt der beiden Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang, wie tief der Schock sitzt. Das jüngste Wahlergebnis dürfte hier für beide das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Nouripour hatte schon seit längerem seine Distanz zu dieser Ampel-Regierung erkennen lassen, während Lang nach außen hin unverdrossen gute Miene zum bösen Spiel machte. Dass mittlerweile auch der Vorstand der Grünen Jugend nicht nur seinen Rücktritt, sondern gleich auch den Austritt aus der Partei ankündigt, sorgt für weitere Brisanz. In der Öko-Partei gärt es augenscheinlich gewaltig – Ausgang offen.


Was all diese Verwerfungen für die Zusammenarbeit und damit letztlich auch für das Fortbestehen der Koalition bedeutet, dürfte sich bald zeigen. Aber keine Frage, die Fliehkräfte werden größer. Es fehlt nicht mehr viel und dann heißt die Parole nur noch: Rette sich, wer kann.


Und die SPD? Sie macht sich trotzig Mut und träumt davon, dass Olaf Scholz im kommenden Jahr eine ähnlich furiose Aufholjagd wie vor der letzten Bundestagswahl zeigen wird. Dem langjährigen SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke ist ähnliches jetzt in Brandenburg gelungen. Doch Scholz ist nicht Woidke. Seine Popularitätswerte sind im Unterschied zu denen Woidkes auf einem Tiefpunkt. Oder anders ausgedrückt: Falls die Sozialdemokraten wider Erwarten doch im kommenden Jahr erfolgreich sein sollten, dann wohl kaum wegen Scholz, sondern höchstens trotz dieses SPD-Kanzlers.


Neue Töne beim Thema Wolf


Derweil versucht die Koalition, vorhandene Konfliktfelder in quasi letzter Minute möglichst zu entschärfen und die Stimmung im Lande wenigstens etwas zu beruhigen. Ein Beispiel hierfür ist das Reizthema Wolf. Hier zeichnet sich endlich eine Bereitschaft zu mehr Realismus ab, wie unser Autor Ludwig Hintjens in seinem Beitrag von Donnerstag beschreibt. So gibt die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke nach langem Zögern endlich ihren Widerstand gegen den Vorstoß von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf, den Schutzstatus des Wolfs zu senken. Nach Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) hat das Bundeskanzleramt persönlich interveniert, nachdem die Umweltministerin und der Landwirtschaftsminister (beide Grüne) den Schutz nicht aufweichen wollten. Hintergrund sei offenbar der Druck der Landwirte beim Kanzleramt gewesen.


Damit zeichnet sich eine baldige Änderung der rechtlichen Bedingungen auch in der EU ab. Bis der Wolf hierzulande jagdbar ist, kann es allerdings noch dauern. Frühestens im Jahr 2026, eher 2027 sei mit einer neuen Rechtslage in der EU zu rechnen, schreibt Hintjens. Doch so ganz kann die grüne Umweltministerin offenbar nicht aus ihrer politischen Haut. Wie verlautete, habe die EU-Kommission der Ministerin zusichern müssen, in der kommenden Mandatsperiode keinen neuen Vorstoß zu unternehmen, weitere Arten von „streng geschützt“ auf „geschützt“ herabzustufen. Die Bewohner von ländlichen Regionen müssen darunter leiden. Denn es gibt Arten, die vor Jahrzehnten vom Aussterben bedroht waren, und sich mittlerweile zu Plagegeistern entwickelt haben. Biber, Kormoran und einige Gänsearten etwa haben keine natürlichen Feinde und sich im Bestand sehr gut erholt.


Das Thema Wolf sorgt im ländlichen Raum immer wieder für großen Ärger. Wir haben in unserem Blog des Öfteren kritisch darüber berichtet. Viele Tierhalter sehen sich trotz vielerlei Schutzmaßnahmen durch Wolfsrisse in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Doch auch Städter sind zumindest indirekt betroffen, wie sich in meiner Heimat Lüneburger Heide zeigt. Die Region ist ein beliebtes Ziel für Urlauber und Wochenendtouristen. Im Mittelpunkt steht dabei der Naturpark mit seinen großen Heideflächen, die insbesondere in der Blütezeit ein Markenzeichen für Urlaub im eigenen Land geworden sind – eine Form des Reisens, die angesichts der Klimakrise ideal in die Zeit passt. Und genau hier kommt nun der Wolf ins Spiel, denn die Heideflächen würden in ihrer jetzigen Form ohne Schafherden nicht überleben. Die Heidschnucken sind nicht nur ein beliebtes Fotomotiv, sondern tragen mit ihrem Verbiss wesentlich dazu bei, dass die Flächen frei bleiben und nicht von Büschen oder Bäumen überwuchert werden. Die zunehmende Ausbreitung der Wölfe hat sich zu einer Gefahr für diese traditionelle Form der Tierhaltung und damit für die historische Kulturlandschaft entwickelt.


Jüngst ist es in den frühen Morgenstunden wieder einmal zu einem Übergriff von Wölfen auf Heidschnucken und Ziegen der VNP-Stiftung Naturschutzpark gekommen. Die Tiere waren gemäß der Herdenschutzrichtlinie des Landes Niedersachsen durch einen mobilen Elektrozaun eingepfercht gewesen. Der Zaun führte circa 8000 Volt. Gleichwohl wurden die Tiere angegriffen, eine Heidschnucke und eine Ziege getötet. Die Herde musste daraufhin vom Schäfer in ein anderes Weidegebiet verbracht werden. Sie wird jetzt mit einem doppelten Elektrozaun in einem Abstand von zwei Metern geschützt, was natürlich einen erhöhten Geld- und Arbeitsaufwand bedeutet. Die VNP-Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide fordert seit Jahren, die Wolfsbestände zu regulieren. Andernfalls bestehe die große Gefahr, dass die Hütehaltung eingestellt werden müsse. Die Folgen für das Gebiet und den Tourismus seien nicht absehbar. VNP-Geschäftsführer Marc Sander sagt, eine Regulierung der Wolfspopulation könne nur durch Bejagung erreicht werden. Ähnlich sehen dies auch die Landkreise Uelzen und Lüneburg.


Ein strittiges Thema sind vielerorts auch die Jagdzeiten für Rehwild. So endet etwa die Verfügung des NRW-Umweltministeriums zur Verkürzung der Schonzeit für Rehwild am 31. März kommenden Jahres. Wie verlautete, wird über eine Verlängerung erst nach der Sitzung des Landesjagdbeirats am 15. Oktober verbindlich entschieden.


Erfolgreicher Protest gegen neues Waffenrecht


In der vergangenen Woche hat mein Kollege Jost Springensguth im Newsletter auf die Petition des Bundesverbandes zivile Legalwaffen (BZL), dem rund 170 Vereine und Verbände angehören, hingewiesen. Mit Ihrer Unterschrift, liebe Leserinnen und Leser, unter diesen Protest gegen das heftig kritisierte Sicherheitspaket der Ampelkoalition haben Sie zu dessen Erfolg beigetragen. Quasi in letzter Minute hat der Bundestag die für diese Woche geplante Verabschiedung der Verschärfung des Waffenrechts von der Tagesordnung abgesetzt. Mittlerweile mehr als 115.000 Unterzeichner hatten die Petition innerhalb weniger Tage zu einer der erfolgreichsten auf der Plattform openPetition gemacht.


Dass ein solcher Druck den Bundestag zum Umdenken bewegt, ist außergewöhnlich. Einen Anteil daran hatte sicher ebenfalls die öffentliche Anhörung des Innenausschusses am Montag. Denn auch die geladenen Sachverständigen übten deutliche Kritik. Nahezu einhellig beschrieben sie die geplanten Regelungen als zu weitgehend, unpräzise und unsystematisch. Konsens war, dass Taten wie die in Solingen oder Mannheim damit nicht zu verhindern gewesen wären. Im Klartext heißt dies: Das Gesetzesvorhaben ist mehr Drangsalierung gesetzestreuer Bürger als der ernsthafte Versuch zur Entwaffnung von Kriminellen und geistig Gestörten sowie religiöser und politischer Extremisten. Dem BZL dürfte aber bewusst sein, dass das Thema nun nicht zwangsläufig vom Tisch ist. Er tut deshalb gut daran, an seinem Ziel von mindestens 130.000 Unterschriften unter die Petition festzuhalten.


Zum Schluss noch eine interessante Meldung aus dieser Woche zum Thema Auslandsjagd. Wir hatten im Mai über die heftige Kritik aus Botsuana an einem von Bundesumweltministerin Steffi Lemke betriebenen Einfuhrverbot von Jagdtrophäen berichtet. Jetzt hat der Präsident von Botsuana angekündigt, 20.000 Elefanten abschießen zu lassen. Sein Land erlebe die schwerste Dürre seit 50 Jahren. Die Menschen würden hungern, und die Elefanten drohten zu sterben, sagte Mokgweetsi Masisi der Bild-Zeitung. Wenn das Volk hungere, sei man in der Pflicht, es zu ernähren. „Und ich kann es Ihnen offen sagen: Sie essen auch Elefanten“, so der Präsident. Egal, wie ernst diese Drohung tatsächlich gemeint ist: Sie zeigt einmal mehr, wie wichtig Auslandsjagden für einzelne Länder sind. Mit den entsprechenden Einnahmen können sie die wirtschaftliche Lage ihrer Bevölkerung verbessern und zugleich den für sie auch finanziell attraktiven Artenschutz fördern. Was will man mehr?


Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, wünsche ich eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen

Ihr Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

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