Koalition muss jetzt schnell liefern
- Jürgen Wermser
- vor 20 Stunden
- 5 Min. Lesezeit
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik

Liebe Leserinnen und Leser,
Themen in unserem Wochenkommentar sind die recht turbulent verlaufene Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler, die Bildung des neuen Kabinetts und die sich damit abzeichnenden politischen Veränderungen auch für das Leben jenseits der Metropolen. Einen weiteren Schwerpunkt bildet der Umgang mit Wölfen. Wir blicken auf die jüngste Entwicklung in der EU, wo sich die dortigen Parlamentarier für einen schnelleren Abschuss einsetzen. Und wir beschäftigen uns anhand eines konkreten Beispiels mit den Auswirkungen der wachsenden Zahl von Wölfen auf die Bestände unseres heimischen Wildes.
Dass Friedrich Merz am Dienstag dieser Woche im Bundestag zwei Durchgänge brauchte, um zum Bundeskanzler gewählt zu werden, hatten wohl die wenigsten von uns erwartet. Auch die Abgeordneten, die ihm beim ersten Mal ihre Stimme verweigert hatten, dürften danach vom Ergebnis überrascht und über die drohenden schwerwiegenden Folgen betroffen gewesen sein. Der Schreck saß augenscheinlich tief. Dafür spricht der große Unterschied von 310 zu 325 Stimmen für Merz zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang. Den Nein-Sagern unter den Parlamentariern von Union und Sozialdemokraten scheint der Ernst der Lage erst spät, aber zum Glück nicht zu spät aufgegangen zu sein.
Daraus sollten alle Beteiligten Lehren für sich ziehen. Die Wichtigste: In dieser Koalition der Mitte müssen Denkzettel oder sonstige Scharmützel aus persönlichen oder parteitaktischen Motiven ein absolutes Tabu sein. Anderenfalls könnte die Sache schnell ein bitteres Ende nehmen. Denn viele Bürger haben nach dem unrühmlichen Ende der Ampelregierung die Geduld verloren. Sie erwarten jetzt endlich handfeste Maßnahmen zur Lösung vieler großer Probleme. Wer da nicht liefern kann, hat politisch rasch verloren.
Drei historische Herausforderungen
Deutschland steht aktuell vor drei Herausforderungen historischen Ausmaßes: Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen die russische Aggression, Umgang mit der grundlegend neuen amerikanischen Handels- und Sicherheitspolitik sowie eine umfassende Modernisierung und Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschlands. Die bisherige Ampelkoalition ist an diesen Aufgaben letztlich aufgrund interner Streitigkeiten gescheitert. Vergleichbares darf sich bei Union und Sozialdemokraten nicht wiederholen. Anderenfalls könnten radikale Kräfte weiter Aufwind bekommen, was die Lage nur noch schlimmer und gefährlicher machen würde. Damit es dazu nicht kommt, muss diese Regierung Erfolg haben. Und sie sollte den Umgang mit der demokratischen Opposition im Bundestag nicht unnötig verschärfen. Auseinandersetzungen über die richtige Politik müssen sein, aber das Gemeinsame an Werten und Umgangsformen darf dabei nicht beschädigt werden. Denn am Ende kann vieles nur gemeinsam gelöst werden – siehe die jüngsten Abstimmungen mit Zweidrittel-Mehrheiten im Bundestag. Hier besteht durchaus Hoffnung, wie die respektvollen Wechsel im Kanzleramt oder auch im Wirtschaftsministerium gezeigt haben, wo die neue Ressortchefin Katherina Reiche ungeachtet aller inhaltlichen Differenzen persönlich wertschätzende Worte über ihren Vorgänger Robert Habeck gefunden hat.
Wir können nur hoffen, dass der Kanzler und sein neues Kabinett den Frust über die Schlappe im ersten Wahlgang schnell abschütteln und zügig mit ihrer politischen Agenda starten. Denn die Aufgaben sind bekanntlich gewaltig, vor denen die Koalitionäre stehen. Und der misslungene Start macht es zusätzlich schwierig, die gewünschte Aufbruchstimmung im Land zu erzeugen. Dies gilt nicht zuletzt für den ländlichen Raum, wo sich eine Menge Probleme angestaut haben – von Folgen des Heizungsgesetzes über marode Infrastruktur bis hin zur teils immer noch lückenhaften Versorgung mit schnellem Internet. Es wird höchste Zeit, dass die Politik bei der Lösung dieser und anderer wichtiger Probleme Fahrt aufnimmt.
EU macht Tempo beim Thema Wolf
Dass dies durchaus möglich ist, macht die viel gescholtene EU aktuell beim Thema Wolf vor. So sprachen sich die Parlamentarier des Europaparlaments Anfang der Woche für ein Eilverfahren aus, um endlich über einen schnelleren Abschuss von Wölfen entscheiden zu können. Die sonst üblichen weiteren Beratungen in den Ausschüssen des Parlamentes sollten übersprungen werden. Ziel der von der EU-Kommission vorgeschlagenen und dann vom EU-Parlament am Donnerstag auch beschlossenen Änderung ist es, dass der Wolf künftig nicht mehr als „streng geschützt“ gilt, aber der Erhalt der Art weiter sichergestellt wird. Dadurch sollen die Voraussetzungen für den Abschuss von Wölfen rechtlich deutlich vereinfacht werden. Der Rat der EU, in dem die Regierungen der Mitgliedsstaaten vertreten sind, muss nun ebenfalls noch zustimmen, bevor die Änderung in Kraft tritt. Es liegt dann an den Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten, diese Regelung praktisch umzusetzen. Bei der neuen Bundesregierung sollte es in dieser Hinsicht eigentlich schnell und unkompliziert vonstatten gehen. Doch es gibt immer noch viele „Wolfsfreunde“ im politischen Berlin, die Sand in das rechtliche Getriebe streuen wollen und können. Deshalb gilt auch beim Thema Wolf: Man sollte den Tag nicht vor dem (parlamentarischen) Abend loben.
Die Debatte über einen unkomplizierteren Abschuss von Wölfen läuft bereits viel zu lange. Es wird höchste Zeit, dass auch Deutschland der überhand nehmenden Wolfspopulation Herr wird. Nicht nur der Deutsche Bauernverband, in dem viele Weidetierhalter organisiert sind, und der Deutsche Jagdverband drängen auf entsprechende Änderungen des Naturschutz- und Jagdrechts. Auch der Deutsche Landkreistag fordert im Interesse der Kommunen einen ideologiefreien Blick auf die Situation. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Kai Ruge betont: „Es geht nicht um Symbolpolitik, sondern um konkrete Lösungen für die Menschen im ländlichen Raum. Die Regulierung der Population muss endlich Realität werden.“ Dem kann man nur zustimmen.
Jäger zunehmend besorgt

Auch wir Jäger sind zunehmend besorgt über die starke Ausbreitung der Wölfe. So geht etwa ein Kreisjägermeister aus der Lüneburger Heide mittlerweile von 15 bis 18 Rudeln mit insgesamt 150 bis 180 Wölfen allein im Heidekreis aus. Der Vorsitzende der Jägerschaft Soltau berichtete zudem in der örtlichen Tageszeitung, dass sich die Verhaltensweise des Wildes verändert habe. So suche Rehwild mittlerweile gezielt die Nähe menschlicher Zivilisation und die Wildschweine würden regelrechte Wagenburgen bilden, bei denen die wehrhaften Bachen die Verteidigung übernehmen. Statt zu fliehen, greifen sie eher an. All dies hat natürlich Konsequenzen für die Bestände an Wild. So wurde der letzte Mufflon im Altkreis Soltau im Jagdjahr 2015/16 erlegt. Auch insgesamt gesehen nehmen die Strecken wegen des mitjagenden Wolfs ab. So hat etwa die Jägerschaft Soltau im Jagdjahr 2009/10 noch 3732 Stück Rehwild erlegt, im Jagdjahr 2024/25 waren es nur noch 2180 Stück.
Ein neues Problem für Wildtiere ergibt sich auch aus den wolfabweisenden Einzäunungen, die Weidetierhalter vermehrt zum Schutz ihrer Bestände verwenden. Denn dann gelten alte Wildwechsel nicht mehr, sie sind versperrt und es passieren plötzlich Wildunfälle an Stellen, wo zuvor nie ein Wildwechsel war. Dies zeigt: Auch die von Behörden und Naturschützern stark propagierten Zäune sind kein Patentrezept gegen Wolfrisse. An einer mit dem Artenschutz angepassten Bejagung führt letztlich kein Weg vorbei.
Es lauern Gefahren
Momentan hat in den Revieren die Bockjagd begonnen. Jäger genießen diese Zeit und auch andere Naturliebhaber freuen sich angesichts des Frühlingswetters über schöne Tage im Freien. Doch sollte man dabei nicht zu sorglos werden. Mit den steigenden Außentemperaturen werden Zecken zunehmend aktiver. Es sind unscheinbare kleine Tiere. Doch ihr Biss kann massive gesundheitliche Folgen haben. Es drohen Borreliose und FSME. Mit diesem für jeden Naturnutzer wichtigen Thema wird sich unser Autor Christoph Boll in der kommenden Woche ausführlich beschäftigen. Sie dürfen gespannt sein.
Mit einer anderen Gefahrenquelle – allerdings nicht für Menschen, sondern für einheimische Arten – wird sich unser Autor Christian Urlage in Kürze befassen: der zunehmenden Ausbreitung von Waschbären. Deren Zahl hat sich von 2011 bis 2023 um das Dreifache auf über 200.000 Exemplare erhöht. Waschbären können die Nester von Greif- und Singvögeln plündern, sie fressen Kröten, Frösche, Molche und haben es auch auf die Eier von Rebhühnern, Fasanen und Rotkehlchen abgesehen. Mehr dazu demnächst in unserem Blog …
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und eine gute, für Sie positive Woche.
Mit den besten Grüßen
Ihr Jürgen Wermser
Redaktionsleitung/Koordination
Comments