Happy End an einem historischen Tag
- Frank Polke
- 6. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Friedrich Merz wurde erst im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt. Kein Drama, eher ein Schönheitsfehler. Jetzt kommt es darauf an, endlich durchzustarten

Um 16.15 Uhr war es geschafft: „Auf den Abgeordneten Friedrich Merz entfielen 325 Stimmen“, verkündete eine sichtlich angespannte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner das Ergebnis des zweiten Wahlgangs im Bundestag. Geschafft, sogar mit deutlich mehr Stimmen als der Parteivorsitzende der CDU und Kanzlerkandidat für seine Wahl zum Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gebraucht hat. Die berühmten Steine, die ihm, der CDU/CSU-Fraktion und wohl auch Lars Klingbeil vom Herzen gefallen sein mögen, dürften auf der nach oben offenen Richterskala der Politik bei sieben bis acht gelegen haben.
Friedrich Merz, der Mann, der für die Eroberung seiner politischen Ämter immer mehr als einen Anlauf braucht. Drei Wahlen, bis er endlich Parteivorsitzender der CDU wurde. Und am Dienstag brauchte der Sauerländer eben einen zweiten Anlauf bei der Wahl zum Kanzler. Dabei bleibt ihm an dem historischen Tag für Deutschland ein schwacher Trost: Fast alle Kandidaten, die sich in der Geschichte der Bundesrepublik im Bundestag zur Kanzlerwahl gestellt haben, verzeichneten Gegenstimmen aus den eigenen Reihen. Mal waren es 12 – mal sogar über 35, als zum Beispiel Angela Merkel sich 2018 zur Kanzlerin der letzten großen Koalition aus CDU/CSU und SPD wählen ließ. Doch sie konnten sich das anders als der 69-Jährige eben leisten, verfügten Brandt, Merkel und Co. eben über eine komfortablere Mehrheit als Merz im Mai 2026.
Rückschau auf einen historischen Tag
Eigentlich hätte an diesem Morgen allen klar sein müssen, dass es eng werden kann. Oder sogar schiefgehen kann. Zwölf Stimmen hatten Union und SPD Mehrheit für die Kanzlerwahl. Doch alle vertrauten am Vormittag etwas sorglos wohl auf das ungeschriebene Gesetz, dass gerade knappe Regierungsmehrheiten die Abgeordneten disziplinieren. Tat es am 6. Mai 2025 aber nicht, der Tag, an dem Friedrich Merz seine politische Biografie krönen wollte. Der neuen Bundestagspräsidentin Julia Klöckner – sonst furchtlos und unbeeindruckt von Widerständen – stand der Schrecken im Gesicht, als sie am Vormittag das Ergebnis vorlesen musste: „Auf den Abgeordneten Friedrich Merz entfielen 310 Stimmen.“ Gebraucht hätte er 316 Stimmen. Nicht gewählt, obwohl beide Fraktionschefs Jens Spahn und Lars Klingbeil (in seiner letzten Amtshandlung als Fraktionschef der SPD) vorher versicherten, dass alle Abgeordneten „stehen würden“. Taten aber mindestens sechs zu viele nicht, bei drei Enthaltungen. Damit war der Eintrag ins Geschichtsbuch gemacht.
Entsetzen bei der Union und SPD, auch bei den Grünen keine offene Häme. Die kam von ganz rechts und ganz links. Sofort ging die Suche los. Wer waren die Abweichler? Wollten sie alte oder neue Rechnungen mit der Parteispitze begleichen, vielleicht, weil die eigenen Karriereträume nicht erhört wurden? Oder waren es Parteilinke bei der SPD, die klammheimlich und im Vorfeld schon einmal gegen den Kurs des neuen Kanzlers in Sachen Wirtschafts- und Asylpolitik gestimmt haben? Oder vielleicht enttäuschte Abgeordnete aus Kreisen der Union, die den Schwenk bei der Schuldenbremse nicht mittragen wollen.
Man wird es wohl nie erfahren. Die fehlende Mehrheit für Merz schickte jedenfalls Schockwellen mindestens durch Europa. Der deutsche Aktienmarkt knickte um 330 Punkte ein, auch der Euro Stoxx 50 reagierte mit Abschlägen. Deutschland als wichtigste Wirtschaftsmacht in Europa ohne Führung, gerade in diesen Zeiten des Krieges und der transatlantischen Turbulenzen – eine besorgniserregende Entwicklung.
Aufatmen erst am Nachmittag
Um 16.15 Uhr dann das Aufatmen. Nach einer von allen mitgetragenen Änderung der Geschäftsordnung kam es zur zweiten Abstimmung, die 325 Stimmen brachte. Viel weniger Enthaltungen und ungültige Stimmen als noch im ersten Durchgang. Merz als Kanzler gewählt. 325, ein gutes Ergebnis, angesichts der Tatsache, dass er nicht nur bei der SPD keine Beliebtheitspokale eingeheimst hatte. Der Kanzler kann jetzt loslegen, seine Versprechen einlösen. Neben außen- und wirtschaftspolitischen Themen wird es auch darum gehen, verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen. Auch bei den Menschen im ländlichen Raum, die von den zuständigen Ministern Dobrindt (Innen) und Rainer (Agrar) Antworten auf die Probleme und Herausforderungen der Gegenwart verlangen.
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