Nach der jüngsten Entscheidung des höchsten EU-Gerichts zum Beutegreifer ist ein aktives Management, wie es von Österreich und Frankreich praktiziert wurde, nicht mehr möglich
In Österreich wurden 2022 und 2023 zwölf Problemwölfe von den Behörden abgeschossen. In Frankreich wurden 2023 gezielt 209 Wölfe getötet. Diese Zahl entspricht 19 Prozent des Bestands des Beutegreifers in Frankreich. Österreich und Frankreich praktizieren ein aktives Management der Populationen. Sobald Wölfe, die Nutz- oder Weidetiere gerissen haben, identifiziert sind, werden in den beiden Nachbarländern die Behörden aktiv und „entnehmen“ Problemwölfe. Diese Wolfs-Politik, wie sie in Frankreich und Österreich seit Jahren mit viel Erfolg praktiziert wurde, gerät nun auf die abschüssige Bahn.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat letzte Woche ein Urteil zu einem Schadwolf in Österreich gesprochen, der allein 20 Schafe in Tirol gerissen hatte, bevor er von den Behörden getötet wurde. Das höchste EU-Gericht legt jetzt die Latte für den behördlichen Abschuss noch einmal deutlich höher. Die Behörden dürfen nicht mehr Almen, also Wiesen in den Hochlagen der Alpen, pauschal als nicht schützbar ausweisen. Bevor der Jäger mit Genehmigung der österreichischen Behörden auf einen Schadwolf anlegen darf, muss vielmehr künftig nachgewiesen werden, dass ein Schutz der Weidetiere mit Zäunen oder Hirten nicht möglich sei.
Auf die gesamte EU anwendbar
Wie bei jedem EuGH-Urteil bezieht es sich zunächst auf einen konkreten Einzelfall. Doch ist der Richterspruch zum Problemwolf aus Tirol auf die gesamte EU anwendbar. Das heißt: Künftig können Kritiker der „Entnahme“-Politik in Frankreich sich auf das EuGH-Urteil berufen und Abschuss-Verbote durchsetzen.
Die rechtliche Grundlage des Umgangs mit dem Beutegreifer Wolf ist in allen 27 EU-Mitgliedstaaten dieselbe: Es handelt sich um die FFH-Richtlinie der EU (Fauna, Flora, Habitat) zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. Dieses EU-Gesetz hätte auch in Deutschland längst ein konsequenteres Management der Wolfsbestände zugelassen. Doch in dieser Bundesregierung fehlte dazu der politische Wille. Die Behörden in Frankreich, Österreich und Schweden gingen viel zielgerichteter gegen Schadwölfe vor als hierzulande. Nun ist es für die deutschen Behörden zu spät, sich ein Beispiel an den Nachbarn zu nehmen. Der pragmatischere Umgang mit dem EU-Gesetz in Frankreich und Österreich dürfte Geschichte sein.
Das EuGH-Urteil ist ein Weckruf für das neu gewählte Europaparlament. Wenn das Vorgehen der Behörden in Österreich illegal war, dann muss jetzt die aus dem Jahr 1992 stammende Richtlinie überarbeitet und angepasst werden.
Bestände haben sich deutlich erholt
Die Welt hat sich verändert in den letzten drei Jahrzehnten. Der Wolf, der Bär und etliche andere Tiere, die laut FFH-Richtlinie den besonders strengen Schutzstatus genießen, haben sich in ihren Beständen deutlich erholt. Vielfach breiten sie sich inzwischen unkontrolliert aus, zum Nachteil der Weidetierhalter und im Fall des Bären eindeutig auch zur Gefahr von Wanderern und Naherholungssuchenden. Es reicht nicht, dass die FFH-Richtlinie überarbeitet wird. Zuvor muss die Berner Konvention geändert werden. Der entsprechende Vorstoß durch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wenige Monate vor der Europawahl verpuffte, weil sich keine Mehrheit in der Staatenkammer dafür abzeichnete.
Der Richterspruch aus Luxemburg unterstreicht, dass ein neuer Anlauf genommen werden muss. Wenn das EU-Recht ebenso kontrollierte wie sinnvolle Abschüsse nicht mehr ermöglicht, dann muss eben die Rechtsgrundlage geändert werden. Ansonsten könnte es sein, dass bald die Wölfe den Nutztieren und damit dem Menschen noch sehr viel häufiger gefährlich nah kommen.
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