Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche
Liebe Leserinnen und Leser,
in unserem Wochenkommentar befassen wir uns mit der Rolle und dem Stil von Bundeskanzler Olaf Scholz beim Auseinanderbrechen der Berliner Ampelkoalition, der Entwicklung der deutschen Wirtschaft und den Auswirkungen des Ampel-Aus auf die Agrarpolitik und Forstwirtschaft. Weitere Themen sind das Chaos bei der Umsetzung des neuen Waffenrechts, der anhaltende Unmut über das neue rheinland-pfälzische Landesjagdgesetz sowie eine aktuelle und erfreuliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Jagd- und Schonzeiten für Schalenwild in Bayern.
Endlich will Olaf Scholz den Weg zu baldigen Neuwahlen frei machen. Nichts ging mehr. Seine Regierung bot zuletzt ein Trauerspiel. Die Partner waren zerstritten, überzogen sich gegenseitig mit Vorwürfen und kamen inhaltlich in keiner Weise voran. Und der Kanzler selbst machte beim großen Finale auch eine denkbar schlechte Figur. Sein persönliches Nachkarten gegen Finanzminister Christian Lindner war eines Bundeskanzlers unwürdig. So etwas macht man nicht, wenn sich ein Regierungschef von einem Minister trennt. Doch Scholz ist augenscheinlich sofort von der Rolle des Amtsinhabers in die des schmutzigen Wahlkämpfers geschlüpft. Das passt eigentlich nicht zu der vornehmen hanseatischen Art, die der frühere Hamburger Bürgermeister so gern für sich reklamiert. Im Übrigen sagte Scholz nur, was Lindner angeblich alles falsch oder nicht gemacht habe. Was er selbst und die Sozialdemokraten dagegen besser machen wollten, verschwieg der Kanzler. Wen wundert es da, wenn selbst in der SPD mittlerweile öffentlich die Frage immer lauter gestellt wird, ob Scholz tatsächlich noch ein geeigneter Spitzenkandidat sei oder man nicht doch besser in quasi letzter Minute auf den viel beliebteren Boris Pistorius setzen sollte. Für einen amtierenden Kanzler, der wieder gewählt werden möchte, sind solche Äußerungen aus der eigenen Partei schlicht ein Armutszeugnis.
Positiv bleibt, dass Regierung und Opposition in bestimmten Teilbereichen noch vor den Wahlen gemeinsam Klarheit schaffen. Dies betrifft etwa die Höfeordnung, die die Übergabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg regelt. Die Höfeordnung soll grundsätzlich eine Zerschlagung von familiengeführten Bauernhöfen verhindern, indem lediglich ein Familienmitglied den Betrieb erbt und alle anderen eine Abfindung erhalten. Mit der jetzt vom Bundestag beschlossenen Neuregelung beträgt die Mindestabfindung künftig das 0,6-Fache des Grundsteuerwerts A.
Note ungenügend
Es wird höchste Zeit, dass auch wirtschaftlich nach Neuwahlen wieder ein klarer Kurs gefahren wird. Die deutsche Wirtschaft stagniert. Nach der aktuellen Prognose des Sachverständigenrats schrumpft sie in diesem Jahr leicht und im nächsten Jahr wächst sie kaum. Der Vergleich gegenüber 2019 sieht noch düsterer aus. In diesem Zeitraum ist die deutsche Wirtschaft nur um 0,1 Prozent gewachsen. Bei den Euro-Ländern waren es im Schnitt vier Prozent und bei der amerikanischen Wirtschaft zwölf Prozent. Das sei überhaupt nicht zufriedenstellend, kritisierte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer jetzt in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Man könnte es auch noch drastischer formulieren: Note ungenügend in der Wirtschaftspolitik.
Im Bereich Agrarpolitik und Forstwirtschaft hat die gescheiterte Ampelregierung ebenfalls reichlich Arbeit liegen gelassen, wie unser Autor Frank Polke am Freitag bereits thematisierte. In der Branche löst dies keinesfalls Bedauern aus, ganz im Gegenteil. So hatte es beim Bundeswaldgesetz Kritik sowohl an inhaltlichen Einzelheiten als auch an einem erneuten Bürokratiemonster für Waldbesitzer und Forstwirte gehagelt. Das höchst umstrittene Tierschutzgesetz gilt ebenfalls als gescheitert. Und mit einem neuen Düngegesetz muss sich nun die künftige Regierung nach den Wahlen befassen. Gewiss keine leichte Aufgabe, die aber hoffentlich besser und unbürokratischer als von der Ampel angegangen wird.
Stichwort überbordende Bürokratie. Sie kostet Deutschland jährlich bis zu 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung, wie aus einer jüngst veröffentlichten Untersuchung des Münchner Ifo-Instituts hervorgeht. Einer der Gründe für die hohen Kosten liegt den Angaben zufolge an der mangelnden Digitalisierung des Staates und seiner Behörden. „Würde Deutschland bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung auf das Niveau von Dänemark aufschließen, wäre die Wirtschaftsleistung um 96 Milliarden Euro pro Jahr höher“, sagte der Leiter des Ifo-Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien, Oliver Falck. Diese Zahlen zeigen einmal mehr, wie dringend geboten der Abbau von unsinnigen und viel zu komplizierten Vorschriften ist.
Zurück zur zerbrochenen Berliner Ampelkoalition. Zu dem Chaos, das diese in vielen Bereichen hinterlassen hat, gehört das neue Waffenrecht. SPD-Innenministerin Nancy Faeser wollte mit der Neuregelung Handlungsfähigkeit des Staates demonstrieren und die Sicherheit der Bevölkerung erhöhen. Beides ist ihr gründlich misslungen. In Sachen Sicherheit gibt es keinerlei Fortschritte, denn das Problem sind nicht die legalen, sondern die illegalen Waffen. Und gegen sie hat Faeser keine neuen wirksamen Maßnahmen ergriffen. Sie wären wohl aus ihrer Sicht zu teuer und auch nicht plakativ genug gewesen. Stattdessen werden jetzt Jäger, Angler und viele andere Naturnutzer sowie unbescholtene Bürger in die Nähe von Kriminellen gerückt – eine fatale Entwicklung für den Zusammenhalt der Gesellschaft.
Große Probleme in der Verwaltung
Hinzu kommen noch erhebliche Vollzugsprobleme in der Verwaltung. Hier gehören Jäger ebenfalls zu den Hauptleidtragenden. Im ländlichen Raum wichtige Organisation wie der Deutsche Jagdverband (DJV) oder auch der Verband deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VDB) kritisieren, dass es derzeit bundesweit zu massiven Schwierigkeiten bei der Erteilung von Jagdscheinen und waffenrechtlichen Erlaubnissen kommt. Hintergrund ist schlechtes Regierungshandwerk. Denn es blieb unklar, wie die drastisch erweiterten Zuverlässigkeitsanfragen bearbeitet werden sollen. Das führt zu großer Unsicherheit in der ohnehin völlig überlasteten Verwaltung und zu entsprechenden zeitlichen Verzögerungen bei der Erteilung der Dokumente. Nahezu alle Experten hatten im Vorfeld immer wieder vor solchen negativen Auswirkungen gewarnt. Die Ministerin zeigte sich leider beratungsresistent. Unser Autor Christoph Boll wird auf das Thema in der kommenden Woche noch mal ausführlich eingehen.
Anhaltend großen Unmut gibt es weiter unter Jägern in Rheinland-Pfalz. Dort hatte das zuständige Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität im August einen überarbeiteten Entwurf für das neue Landesjagdgesetz vorgelegt. In dieser Fassung sollten eigentlich Verbesserungsvorschläge der betroffenen Verbände eingearbeitet sein. Der rheinland-pfälzische Landesverband deutscher Berufsjäger (BDB) etwa gab 2023 dazu eine 100-seitige Stellungnahme ab. Genutzt hat es offenbar wenig. Die fachlichen Verfehlungen des Ministeriums seien in Teilen noch gravierender als die Unzulänglichkeiten des ersten Regierungsentwurfs, kritisierte der Verband in einer Pressemitteilung. Die wesentlichen Kritikpunkte seien eine Verschlechterung des Tierschutzes, die Verstaatlichung verschiedener Entscheidungen, die eigentlich Akteuren in den Jagdrevieren treffen sollten, der schädlingsähnliche Umgang mit einigen Tierarten und die Unterwerfung des Wildes unter die Maßgaben von Forstideologen. Die Verbesserungsvorschläge, die der Verband eingebracht habe, würden sich im neuen Entwurf „in keiner Silbe“ wiederfinden, kritisiert der stellvertretende Landesvorsitzende des Verbandes, Revieroberjäger Nico Schulze. In Anspielung auf die Zentralisierung der Jagd und die Ermächtigung der Forstbehörde zum Erlassen von Vorschriften für die Jagd meinte Schulze, dies sei, als ob ein Urologe bestimme, wie ein Zahnarzt seine Patienten behandeln müsse: „Jedem ist klar, dass beide Ärzte sind, der Urologe aber von Zähnen keine Ahnung hat.“
Richter geben Jägern Recht
Doch es gibt auch positive Nachrichten und Entwicklungen beim Thema Jagd. Anfang diesen Monats ist das Bundesverwaltungsgericht der Argumentation des Verein Wildes Bayern e.V. gefolgt und hat die Verordnung zur Änderung der Jagd- und Schonzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern für nicht rechtskonform erklärt. Seit über 20 Jahren war das Wild auf Dutzenden Flächen in den oberbayerischen Gebirgswäldern auch im Winter und im Frühjahr nicht mehr zur Ruhe gekommen. Alle fünf Jahre – und aktuell wieder – hob die Regierung von Oberbayern per Verordnung großräumig die Schonzeit für Rehe, Gämsen und Hirsche auf. Ausgerechnet die überlebenswichtigen Winterlebensräume des Gamswildes werden dann zu Todeszonen. Der Verein Wildes Bayern e.V. hielt diese Praxis nicht für rechtskonform und hat schon vor 2019 Klage gegen die damals aktuelle Verordnung eingereicht – zunächst erfolglos. Bis jetzt. Man freue sich riesig über diesen Sensationserfolg, der sich möglicherweise auch auf das gesamte Schutzwaldmanagement der Staatsforstverwaltung auswirken werde, verlautete von Seiten Wildes Bayern e.V.
Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen
Ihr Jürgen Wermser
Redaktionsleitung/Koordination
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