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- Gezerre um Wolfszahlen
Zahlen sind klar und eindeutig. Da gibt es nichts zu diskutieren. Könnte man meinen. Dass es auch ganz anders geht, zeigt die Diskussion über die Größe der Wolfspopulation in Deutschland Foto: Alexas_Fotos Der Außenstehende kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die einen versuchen, möglichst viele Exemplare der Sippe Isegrim zu belegen, während die andere Seite alles daransetzt, die Zahl kleinzurechnen. Dazu gehört offenbar auch, die Veröffentlichung der jüngsten Erhebungsergebnisse möglichst lange hinauszuzögern. Deshalb hat der Deutsche Jagdverband (DJV) am 21. November das Bundesumweltministerium aufgefordert, umgehend die Zahlen für 2023 zu veröffentlichen. Diese seien „bereits vor Wochen“ von der zuständigen Ländergruppe zusammengetragen worden. Eine vom Bundesamt für Naturschutz seit Monaten zurückgehaltene Populationsstudie zum Wolf müsse ebenfalls umgehend publiziert werden. „Die Studie nicht zu veröffentlichen, schürt weiter das Misstrauen, ob das Bundesumweltministerium den Koalitionsvertrag in Sachen Wolf wirklich umsetzen will“, sagte DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke. Er spielte damit an auf den gegenüber Ministerin Steffi Lemke immer wieder erhobenen Vorwurf, sie tue alles, um eine Regulierung der Wolfspopulation zu verhindern. Bis dahin lagen nur die offiziellen Zahlen für das Monitoringjahr 2022/2023 vor. Danach gab es in Deutschland 184 Wolfsrudel sowie 47 Wolfspaare und 22 sesshafte Einzelwölfe. Zur Erhebung der amtlichen Statistik werden mehrere zehntausend Hin- und Nachweise ausgewertet, bevor sie vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) und der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) in Abstimmung mit den Ländern bekannt gegeben werden. So bezifferte das BfN am 26. November die Ergebnisse für das Monitoringjahr 2023/2024 mit 209 Wolfsrudeln. Nachgewiesen worden seien „in den bestätigten Wolfsterritorien insgesamt 1601 Wolfsindividuen … (Vorjahr 1339): 535 adulte Wölfe, 162 Jährlinge (Wölfe im 2. Lebensjahr) und 781 Welpen (Wölfe im 1. Lebensjahr). Bei 65 Individuen war nicht eindeutig zu ermitteln, ob es sich um adulte Wölfe oder Jährlinge gehandelt hat; bei 12 Individuen war nicht sicher, ob sie Jährlinge oder Welpen waren. Bei weiteren 46 Individuen konnte das Alter nicht bestimmt werden.“ DJV: Zuwachsrate von über 20 Prozent Das scheint hoch exakt und wissenschaftlich. Doch was das BfN als „aktuelle Zahlen und Daten zum Wolf in Deutschland“ bezeichnet, nennen Kritiker schlicht veraltete Angaben. So kommt der DJV in einer eigenen Hochrechnung für den vergangenen Sommer auf etwa 270 Rudel bei einer Zuwachsrate von 20 bis 25 Prozent pro Jahr. Er geht davon aus, dass nicht nur im Inland, sondern in der gesamten Europäischen Union mit veralteten Zahlen argumentiert wird. Deshalb teilt er auch nicht die Auffassung der Initiative für Großraubtiere in Europa (LCIE), dass eine Herabstufung des Schutzstatus für den Wolf in Europa voreilig wäre. Politik und Wissenschaft verspielten das Vertrauen der Bevölkerung im ländlichen Raum zusehend. „Das regional differenzierte Bestandsmanagement bleibt ein leeres Versprechen", bemängelt Dammann-Tamke. Die Zahl vom Wolf getöteter Nutztiere steige in Deutschland von Jahr zu Jahr drastisch an. Die LCIE hingegen behauptet, dass sich seit dem Schweizer Antrag für eine Herabstufung des Schutzstatus für den Wolf im Jahr 2022 weder die Zahl der Wölfe noch die Zahl der Nutztierrisse wesentlich verändert habe. In Deutschland habe es im Jahr 2023 aber 31 Prozent mehr Risse als im Vorjahr gegeben, nämlich insgesamt 5727 Schafe, Ziegen, Rinder und Pferde. Die ermittelten unterschiedlichen Wolfszahlen beruhen zum Teil auf unterschiedlichen Erhebungsmethoden. Die amtliche Statistik konzentriert sich auf die Ermittlung der Anzahl der Wolfsfamilien (Rudel) und Wolfpaare zum Stichtag 30. April, weil die Behörden die erwachsenen, fortpflanzungsfähigen Grauhunde in den Wolfsterritorien für maßgeblich halten zur Bewertung der Wolfspopulation und ihrer Entwicklung. Landwirte, Jäger und Reiter hingegen halten das für „eine Verharmlosung der tatsächlichen Dynamik“. Ihre Verbände fordern die Meldung des günstigen Erhaltungszustandes des Wolfes an die EU. Sie berücksichtigen nämlich auch Isegrims jährlichen Nachwuchs, der im Sommer geboren wird. Hat also jedes der in jedem Fall mehr als 200 Wolfspaare in Deutschland vier bis fünf Welpen, sind das rund 1000 Grauhunde mehr. Sie tauchen zwar in der amtlichen Statistik nicht auf, wollen aber auch alle satt werden. Die unterschiedliche Berechnung macht einen deutlichen Unterschied. So soll es in Niedersachsen laut BfN nur 48 Rudel geben, die tagesaktuelle Landesstatistik weist allerdings bereits 55 Rudel aus. Dass das Bundesamt von interessierter Seite auch Beifall erhält, ist fast selbstredend. So gab der BUND am Folgetag eine im Wortlaut fast identische Pressemitteilung heraus. Für ihn ist belegt, „dass die Anzahl der Wolfsterritorien im Vergleich zum vorherigen Monitoring-Jahr gemäßigt um unter vier Prozent angestiegen ist“. Im Übrigen lässt er den unwissenden Leser wissen: „Ein dauerhaft hohes Wachstum der Population gibt es bei keiner Tierart. Die neuen Zahlen zeigen, dass die Lebensraumkapazitäten des Wolfs in Deutschland begrenzt sind und der Wolfsbestand nicht mehr so schnell wie in den ersten Jahren der Wiederbesiedlung wächst.“ Die neue Koalition in Brandenburg zeigt sich entschlossen Das sieht die künftige Landesregierung von Brandenburg offenbar ganz anders. Dort haben sich SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nach knapp einmonatigen Verhandlungen auf den Entwurf eines Koalitionsvertrages verständigt. Darin findet sich auch eine Passage zum Jagdwesen, in der es heißt: „Wir werden das Jagdrecht novellieren und die Jagdverordnung überarbeiten. Wir werden alle Möglichkeiten nutzen, um ein Bestandsmanagement für den Wolf und den Biber einzuführen. Im Bund setzen wir uns für die notwendigen rechtlichen Änderungen ein.“ An anderer Stelle wird aufgeführt, dass man den Waldumbau weiterführen will, um stabile und gesunde Waldbestände zu erreichen. Dazu zählt auch die gezielte Reduzierung von Wildtierbeständen. Das für die Jagd zuständige Ministerium für Land- und Ernährungswirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz übernimmt die SPD in der neuen Koalition. Wer das Ressort als Minister leiten wird, ist noch nicht bekannt.
- Die Krankenhausreform schadet dem ländlichen Raum
Die nächste Bundesregierung korrigiert vermutlich Karl Lauterbachs umstrittene Krankenhausreform. Das wird im Interesse der Kliniken auf dem Land auch dringend nötig sein Dieses Gesetz trägt einen sperrigen Namen mit zwölf Silben und enthält eine der umstrittensten Gesundheitsreformen seit Jahren: das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, kurz KHVVG. Am 22. November passierte es den Bundesrat, da die Länder mit knapper Mehrheit darauf verzichteten, den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anzurufen. Nun ist es wahrscheinlich, dass die im Frühjahr gewählte künftige Bundesregierung nachbessert. Das wäre sinnvoll, denn die Reform-Bestimmungen schaden dem ländlichen Raum. „Die Krankenhausreform rettet Kliniken auf dem Land“, behauptete Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Sommer vollmundig im Interview mit dem Fachmagazin „Kommunal“ und sagte: „Ohne die Reform würden sehr viele ländliche Krankenhäuser in den nächsten Jahren nicht mehr klarkommen, schon weil Personal und Inflation die Kosten erhöhen.“ Mit der Reform, so der Sozialdemokrat, blieben die auf dem Land benötigten Krankenhäuser in den schwarzen Zahlen. Er erwartet, dass die meisten Krankenhäuser im ländlichen Raum erhalten blieben. Mehr Qualität, weniger finanzieller Druck sei das Ziel. Wartelisten, weite Wege und andauernde Verunsicherung Viele Experten und Verbände bezweifeln jedoch diese Aussagen, allen voran die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die von einem untauglichen Reformgesetz spricht und mehr Bürokratie erwartet. Vorstandschef Gerald Gaß übte nach der Bundesrats-Entscheidung scharfe Kritik: „Viele Krankenhäuser stehen am Rand der Insolvenz und werden durch das KHVVG keine spürbare Entlastung erfahren.“ Gaß sagt voraus, dass die Notfallversorgung in Deutschland sich vielfach verschlechtern und in einigen Regionen sogar ganz wegbrechen wird. Es drohten Wartelisten, weite Wege und ständige Verunsicherung. Unter Berufung auf zahlreiche Studien und Experten erklärt die Krankenhausgesellschaft: „Die Vorhaltefinanzierung des Ministers sichert kein einziges Krankenhaus im ländlichen Raum und wird keine einzige Insolvenz vermeiden.“ Defizite der Krankenhäuser reißen Löcher in kommunale Haushalten Ebenso heftig fiel das Urteil des Deutschen Landkreistages (DLT) aus: DLT-Präsident Achim Brötel warf dem Gesundheitsminister vor, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen und andere nicht mitzunehmen. Der Landkreistag befürchtet weitere Schließungen und erinnert daran, dass bereits 48 Kliniken in den vergangenen zwei Jahren Insolvenz anmelden mussten. Weitere Häuser würden folgen. „Vor allem wird dies wieder einmal in erster Linie die ländlichen Räume treffen“, sagt Brötel, hauptberuflich Landrat des Kreises Neckar-Odenwald. Eine aktuelle Studie der Vetebo GmbH bestätigt, dass die Reform die Existenz der ländlichen Kliniken nicht sichern kann. Zudem reißen die Defizite der Krankenhäuser in vielen Kommunen Löcher in die Haushalte. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, äußerte sich gemäßigter, sieht aber ebenfalls zahlreiche Leerstellen in der Reform hinsichtlich der flächendeckenden Grundversorgung und der nachhaltigen Finanzierung der Kliniken. Der Bund, so seine berechtigte Forderung, muss stärker auf Hinweise aus der Praxis hören. NRW-Gesundheitsminister Laumann setzt auf Konsens Mehr Zustimmung findet hingegen die Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen, die Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann im Sommer auf den Weg gebracht hat. Der Krankenhausplan orientiert sich nicht an der Bettenzahl, sondern an klaren Qualitätsvorgaben. Laumann will Doppelstrukturen abschaffen, aber keine zu großen Lücken in der Versorgung reißen. „Wenn ich keine Notärzte mehr auf dem Land habe, gefährdet das auch Leben“, unterstreicht der Gesundheitsminister. Positiv fällt auf, dass der CDU-Mann auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin maßgebliche Akteure mit im Boot hatte, so den Präsidenten der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, Ingo Morell, den stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der AOK Rheinland/Hamburg, Matthias Mohrmann, und die Spitzen der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen, Hans-Albert Gehle und Sandra Postel. Laumann betonte ausdrücklich, dass er auf Konsens statt auf Konfrontation setzt. Lauterbach sieht das offenbar anders, weshalb es viel Kritik an seiner Reform gibt. Angesichts der Neuwahl des Bundestages am 23. Februar richten sich viele Hoffnungen auf die Union, von der erwartet wird, dass sie rasch die Krankenhausreform korrigiert. Sollte es eine Koalition unter ihrer Führung geben, wird Lauterbach wohl nicht Gesundheitsminister bleiben. Den Menschen auf dem Land, die Verschlechterungen bei den Krankenhäusern und der medizinischen Versorgung befürchten, kann das nur Recht sein.
- Zwischen Adventskranz und Wahlkampf: Deutschland auf dem Weg zu Neuwahlen
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserin, lieber Leser, in dieser Zeit reden wir erst einmal über zwei Themen: Weihnachten und Wahlen. Beides folgt in dieser schnelllebigen Zeit nah aufeinander. Manche meinten, Wahlkämpfe passen nicht in diese festliche und besinnliche Zeit. Die Wirklichkeit ist anders. Überall werden Kandidaten aufgestellt, Programme geschrieben und Plakate gedruckt. Offiziell wird das alles in der kommenden Woche, wenn der Bundeskanzler die Vertrauensfrage gestellt hat. Wir reden also über Weihnachten und Scholz oder Merz. Das veränderte Wahlrecht ohne Überhangmandate wird Wirkung zeigen. Zum Ende dieses Wochenkommentars geht es um fressen oder gefressen werden. Mehr Kormorane und weniger Dorsche? Oder weniger Wölfe und mehr Weidetiere? Die Antworten fallen unterschiedlich aus. Die Adventszeit rennt. Morgen wird schon die zweite Kerze auf den Kränzen angezündet. Weihnachten – und schon ist das Jahresende da. Folgend wird dann schnell der Wahltermin am 23. Februar 2025 Wirklichkeit. In allen Parteien und dabei insbesondere in deren Kreisverbänden kommt Hektik auf, weil viel Personelles, Technisches und Inhaltliches zu erledigen ist. Dabei hat der Bundeskanzler noch nicht einmal die angekündigte Vertrauensfrage gestellt. Am Mittwoch soll das nun geschehen. Das Abstimmungsverhalten im Bundestag ist unter anderem bei den Grünen noch nicht sicher absehbar. Läuft trotzdem alles nach Plan, den die Vorsitzenden der großen Fraktionen, Merz und Mützenich, auf Geheiß des Noch-Kanzlers geschmiedet haben? Erst wenn die Abstimmung so gelaufen ist wie erwartet, sind formell die Weichen für die vorzeitigen Neuwahlen gestellt. Der Wahlkampf hat abseits aller Formalitäten gleichwohl landauf landab schon begonnen. Dabei fällt auf, dass die SPD bereits voll auf Angriff geschaltet hat, während sich die Union aus ihrer Parteizentrale heraus noch auffallend zurückhält. Keine spektakulären Meldungen in den Nachrichtensendungen und sparsame Auftritte in den Talkshows. Bei der SPD rätselte man schon, warum Merz, Söder & Dobrindt bis zur Fragestunde im Bundestag diese Woche abgetaucht schienen. Derweil müht sich Generalsekretär Carsten Linnemann um direkten Kontakt zu seiner Basis mit dem Format „CDU Live – Unsere Kampagne, unsere Ziele und Inhalte“. Da scheint zunächst erst einmal viel nach innen gerichtet zu sein. Wirbel um einen Stammplatz für Habeck Die Andeutung des Kanzlerkandidaten der Union, für ein Kabinett unter ihm sei vielleicht sogar ein Platz für Habeck weiter als Wirtschaftsminister frei, hat wiederum Markus Söder postwendend auf den Plan gerufen. Für viele Mittelständler gerade im ländlichen Raum wäre das ein No-Go. War das inszeniert oder der erste Streit im eigenen Lager? Es ist schon ungewöhnlich, vor Koalitionsbildungen oder gar vor Wahlen Posten zu verteilen. Der CSU-Vorsitzende hat schon Günther Felßner aus Bayern für das Amt eines möglichen Landwirtschaftsministers für die Union nominiert. Da rumort es gerade im Agrar- und Forstbereich, wie unser Autor Frank Polke in dieser Woche in unserem Blog beschrieb . Und auch um Bayerns Landwirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern, der selbst Ambitionen für Berlin zeigt. Scholz selbst („Ich will mein eigener Nachfolger werden“) leitet seine Wahlkampfstrategie zur Titelverteidigung mit außenpolitischen Duftmarken ein. Mit seiner Reise nach Kiew kam schon der Verdacht auf, er versuche wie einst Schröder das Bild eines Kriegsvermeidungskanzlers zu malen. Und von den Grünen werden zunehmend außenpolitische Annäherungssignale an die Union gesendet, während innenpolitisch auf Bundesebene wenig Schnittmengen existieren. Das gilt insbesondere für die Themen, auf die wir mit unseren Beiträgen besonders blicken. Was die Bauern auf die Straße getrieben hat, ist längst nicht erledigt Über den ländlichen Raum, seine tragenden Wirtschaftsbereiche und die über 60 Prozent der Menschen, die auf dem Lande leben, wird mit Ausnahme von Söder unter den politisch führenden Köpfen in der Bundesrepublik derzeit wenig wahrnehmbar gesprochen. Das bleibt im Moment bei den Verbänden, die sich mit Blick auf die Formulierung von Wahlprogrammen in Stellung bringen. Was die Bauern und ihre Verbündeten auf dem Lande auf die Straße getrieben hat, ist längst noch nicht erledigt . Von Cem Özdemir und Steffi Lemke schon gar nicht. Die detaillierten Absichtserklärungen für die einzelnen Politikbereiche entstehen jetzt. Bis zur Verabschiedung auf den Parteitagen im Januar muss alles fertig sein, was am Ende eventuell in einem Koalitionsvertrag landet. Wir werden uns in unseren Blog-Beiträgen weiter mit den entsprechenden Inhalten wie Zukunft der Jagd, Landwirtschaft, Forsten oder generell Wirtschaft und Strukturpolitik auf dem Lande befassen. Nicht jeder, der gewählt wird, bekommt einen Sitz Zunächst stehen überall im Lande Personalfragen im Vordergrund – besonders mit Blick auf die Konsequenzen aus dem neuen Wahlrecht. Danach wird der Bundestag kleiner. Auch der eine oder andere Wahlgewinner bei der Erststimme mit ihrem lokalen Bezug wird vielleicht leer ausgehen. Die Gefahr ist nach dem entsprechenden Verfassungsgerichtsurteil da. Danach gibt es jetzt keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr. Taktisches Wählen durch differierende Erst- und Zweitstimmenabgaben mit Blick auf Wunsch-Koalitionspartner werden die Parteien ihren Anhängern damit nicht mehr empfehlen können. Der zuletzt mit Überhang auf 736 Sitze gewachsene Bundestag wird künftig auf 630 Abgeordnete begrenzt. Der Wahlkreissieg garantiert nach dem neuen System kein Parlamentsmandat. An einer Musterberechnung der Bundeswahlleiterin für Baden-Württemberg mit Übertragung des letzten Wahlergebnisses von 2021 auf das neue Wahlsystem lässt sich das anschaulich darstellen: Damals hat die CDU dort 33 Wahlkreise gewonnen, würde jetzt aber mit demselben Ergebnis nur 22 direkt gewählte Abgeordnete nach Berlin schicken können. Auf der einen Seite sparen die Steuerzahler durch den verkleinerten Bundestag nach Schätzungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft dadurch zwar 125 Millionen Euro pro Jahr. Auf der anderen Seite wird es weniger Abgeordnetennähe zur Basis geben. Wie sehr das ländliche Wahlkreise treffen wird, werden wir am 24. Februar 2025 wissen. Wirtschaftskrise und gefühlte Inflation Inhaltlich wird sich der Wahlkampf – ob Scholz, Habeck und Heil das wollen oder nicht – auf das Thema Wirtschaftskrise konzentrieren. Deutschland wird nach einer Prognose der Industriestaaten-Organisation OECD im kommenden Jahr so langsam wachsen wie keine andere entwickelte Wirtschaftsnation. Die bekannt besorgniserregende Situation in der Automobilbranche wird sich über die Standorte in strukturschwachen Regionen zusammen mit der Schwächung der vielen mittleren und kleineren Zulieferer bis in die letzten Winkel ausbreiten. Nicht nur die Sorgen um Arbeitsplätze und mögliche Lohnkürzungen wie bei VW kommen direkt bei den Menschen an. Sondern gleichzeitig mehren sich die Meldungen, ob die Teuerungsrate zu zusätzlichen Belastungen führt. Da kommt das Thema Lebensmittel und Ernährungswirtschaft ins Spiel, wenn wir etwa lesen müssen: „ Die Butter wird kurz vor den Festtagen so teuer wie nie.“ Der Preis war schon in diesem Herbst auf Rekordniveau – das hat Auswirkungen auf die Weihnachtsbäckerei. Die Erklärungen der Molkereiindustrie mögen schlüssig sein, wenn flächendeckend Milch mit geringerem Fettgehalt angeliefert wird, gibt es eben weniger Butter. Handelsexperten bezeichnen dieses Produkt als „ Eckpreisartikel“ mit Signalwirkung. Ist sie teuer, werden auch andere Waren in den Lebensmittelregalen ebenfalls als teurer wahrgenommen. In geringeren Prozentraten werden die Preise für Mehl, Nudeln oder Rapsöl im Minus gemeldet. Über die Vögel, die Dorsche fressen Gehen wir noch einmal nach draußen. Dort herrscht auch Hunger in der Natur. Bei den Meeresfrüchten klagen die Fischer über die drastisch herabgesetzten Fangquoten. Da ist es vielleicht interessant, dass das Thünen-Institut die mögliche Rolle von Kormoranen bei der Entwicklung der Dorschbestände untersucht. Dabei geht es um die Auswirkung der wachsenden Population dieser fischfressenden Vogelart. Die Studie geht davon aus, dass der EU-weit geschützte Kormoran im Bestand stark anwächst. Allein im Ostseeraum Dänemark, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern liegt er bei 50.000 Brutpaaren. 2027 sollen wir vom Thünen-Institut mehr darüber wissen, wie viel Fisch sie fressen. Derweil fordert der Landesverband der Binnenfischer in Mecklenburg-Vorpommern jetzt schon eine Abschussprämie für Kormorane. Das Thema wurde bereits im Bundestag Mitte des Jahres auf Antrag der CDU/CSU debattiert – ohne greifbares Ergebnis, weil die Mehrheiten eben anders sind. Dabei fällt schon auf, dass dort der Vertreter der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Schleswig-Holstein nach dem Protokoll von einem „stabilen Bestand seit 20 Jahren“ gesprochen hat und diese Zahlen nannte: Deutschland habe etwa 23.000 Paare. Entscheidend sei, dass sich das Wesentliche des Bestandes auf wenige Bundesländer konzentriere. Etwa die Hälfte des gesamten Bestandes siedele in Mecklenburg-Vorpommern mit rund 11.000 Paaren. Schleswig-Holstein habe etwa 3.000 Paare. Demnach müssen nach der Zahl des Thünen-Instituts die restlichen 36.000 ihre Nahrung allein an der dänischen Küste suchen. Oder habe ich falsch gerechnet? Um geschönte oder realistische Zahlen geht es auch bei anderen Tieren, die die Gemüter zwischen Betroffenen und Naturschützern nach eigenem Selbstverständnis immer wieder bewegen. Auch in dieser Woche gibt es etwas Neues zum Thema Wolf. Unser Autor Christoph Boll hat für unseren Blog aufgezeichnet , was es bedeutet, wenn der Wolf nach einer Entscheidung dieser Woche künftig im Rahmen der Berner Konvention weniger geschützt ist (oder besser sein soll). Wie kompliziert das ist und wie lange es dauern kann, bis Jäger und Weidetierhalter auf aufatmen können, ist Inhalt seines Textes. In der kommenden Woche wird er noch ein anderes Wolfs-Thema aufgreifen. Auch dabei geht es wie bei den Kormoranen um Populationsraten und verschiedene Zahlen, die hier zum Teil auf unterschiedliche Erhebungsmethoden zurückgehen. Sein Eindruck : „Der Außenstehende kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die einen versuchen, möglichst viele Exemplare der Sippe Isegrim zu belegen, während die andere Seite alles daransetzt, die Zahl kleinzurechnen. Dazu gehört offenbar auch, die Veröffentlichung der jüngsten Erhebungsergebnisse möglichst lange hinauszuzögern.“ Ich kann den Text, der in kommenden Woche in unserem Blog erscheinen wird, Ihnen nur empfehlen. Damit wünsche ich Ihnen ein hoffentlich schönes Vor-Weihnachtswochenende, obwohl die Prognosen auf ein wahrscheinlich schmuddeliges Novemberwetter im Dezember hinweisen. Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination
- Große Medien-Sympathien für die Grünen?
Unter den Betroffenen auf dem Lande ist das Gefühl verbreitet, sich oft im Gespräch oder auch durch Medienbeiträge nicht verstanden zu fühlen. Themen wie Jagd, Land- und Forstwirtschaft, Wald oder Tierschutz sind oft strittig. Warum? Die Medien-Landschaft ist seit jeher gespalten. Gesellschaftlich und politisch erleben Leser, Zuschauer oder Hörer, ob ein Beitrag ihrer Auffassung entspricht oder das Gegenteil spiegelt. Das ist nichts Neues. In der Zeit vor den sogenannten sozialen Medien konnte man leichter unterscheiden, welche Tendenz etwa eine Tageszeitung oder eine Zeitschrift hat. Öffentlich-rechtliche Medien wie die ARD-Sender oder das ZDF haben traditionell und gesetzlich den Auftrag, ausgewogen und neutral zu senden. Wie ist die Wirklichkeit heute? In vielen einzelnen Fälle fragt man sich, wer die Tonart eines einzelnen Beitrages bestimmt. Oder wenn es um die Auslegung von strittigen Themen geht. Mediennutzer stellen immer wieder fest: „Durch welche Brille schaut der Autor?“ Das gilt sicher auch für diesen Blog. Auf solche Fragen kann man in jedem Einzelfall unterschiedliche oder auch gesellschaftlich strittige Antworten geben. Zuspitzend sind etwa solche Fragen: Soll die Jagd verboten werden? Braucht der Bauer Glyphosat oder nicht? Machen Schockfotos auf der Verpackung von Fleisch gesund? Sollte ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf der Autobahn gelten oder nicht? Was bringt eine Sondersteuer auf angeblich ungesunde Lebensmittel? Wollen wir Holznutzung oder brauchen wir Urwälder, um der Natur zu dienen? Gefährdet ein Verbot von Tierversuchen unsere Gesundheit oder soll Marihuana legalisiert werden? Das sind zugegebenermaßen polarisierende Fragestellungen, auf die in einigen Medienbeiträgen neutral eingegangen wird oder in anderen aber offensichtlich nach Autoren-Motivation auch Wirkung ausgelöst werden soll. Selbst Moderatorinnen und Moderatoren von Talkshows können sich davon nicht frei machen. Oder warum bekommt Caren Miosga von den einen Beifall, wie sie Christian Lindner „grillt“, und anders meint ein namhafter Berufskollege wie Gabor Steingart, der FDP-Chef werde nicht nur kritisch befragt, sondern von Medien gejagt. Woher kommen diese Unterschiede? Die einfache Antwort: Meinungsvielfalt gibt es überall, auch bei denen, die Meinung machen. Nicht in jedem Fall gelingt es Autoren oder Moderatoren, sich von eigenen Haltungen zu befreien, wenn es an die Arbeit geht. Hinweise gibt uns jetzt unter anderem eine Studie der Universität Dortmund. Daraus kann man entnehmen, dass auch Journalisten „Parteineigungen“ haben und als Befragte sich dazu bekennen. Viele ihrer Beiträge werden in der heutigen Zeit vielfach unter dem „überparteilichen“ oder „unabhängigen“ Deckmantel verbreitet, zeigen aber offensichtliche Haltungstendenzen. Nach dieser Untersuchung sind die Grünen in der deutschen Medienlandschaft deutlich überrepräsentiert. 41 Prozent von 525 Journalisten, die im Rahmen der Studie „Journalismus und Demokratie“ befragt wurden, fühlen sich den Grünen nahe. Das ist ein deutlich größerer Anteil als in den bundesweiten Wahlumfragen, wo die Grünen zwischen zehn und 13 Prozent gelistet sind. CDU-Sympathisanten hingegen sind mit acht Prozent unterrepräsentiert. Bundesweit liegt die CDU bei rund 33 Prozent. Ein himmelweiter Unterschied also zur Realität. 16 Prozent halten es danach mit der SPD, sechs mit den Linken und nur drei Prozent mit der FDP. Die Rechtsaußen-Parteien AfD und BSW spielen hier übrigens keine Rolle. Im Gegensatz dazu gab es bis in die 90er Jahre in der damals dominierenden Zeitungslandschaft bekennende Medien. Das zeigt ein Blick in die Mediengeschichte. Die Frankfurter Allgemeine etwa war bekennend konservativ, die Frankfurter Rundschau links zu verorten. Viele Regionalzeitungen in lokalen Konkurrenzlagen machten aus ihrer Tendenz keinen Hehl. Der Begriff „Tendenzmedien“ ist heute unter den in Deutschland erscheinenden Titeln kaum noch anzuwenden. Fast überall erscheint heute nur noch eine Tageszeitung am Ort. Sie versuchen, allen Lesern gerecht zu werden. Die großen Parteien übrigens haben damals direkt über Zeitungen und Zeitschriften kommuniziert. Beim CSU-nahen „Bayernkurier“ oder dem SPD-Organ „Vorwärts“ stand jeweils drauf, was drin war. Die erstmals am 3. Juni 1950 erschienene konservative Zeitung, die von der Christlich-Sozialen Union (CSU) herausgegeben wurde, hatte als thematische Schwerpunkte Wirtschaft, Politik und Kultur. Obwohl der „Bayernkurier“ als Parteizeitung fungierte, war er keine reine Mitgliederzeitung, sondern für jeden erhältlich und wurde entsprechend auch über Zeitungskioske vertrieben. Besonders im süddeutschen ländlichen Raum erfreute sich der Titel großer Beliebtheit. Von 1950 bis Ende 2015 erschien er als Wochenblatt, anschließend monatlich. Ende Mai 2019 wurde seine geplante Einstellung bekanntgegeben. Die letzte Ausgabe erschien am 16. November 2019. Die heutige SPD-Mitgliederzeitung „Vorwärts“ hat eine noch längere Geschichte. Sie wurde 1876 gegründet, damals als Zentralorgan der Sozialistischen Arbeiterpartei und ging später ins Lager der SPD über. Seit 2015 erscheint sie noch sechsmal im Jahr, als Herausgeber fungiert jetzt der SPD-Generalsekretär Matthias Miersch. Nach Angaben der SPD liegt die Auflage noch immer bei über 300.000 Exemplaren. Bayernkurier und Vorwärts, zwei Zeitungen mit offenem Visier. Aber nur eine hat überlebt. Die CDU verschickt jetzt über das Netz in großem Verteiler wöchentlich die „MerzMail“. Einen offiziellen Parteien-Proporz gibt es in den heutigen sogenannten öffentlich-rechtlichen Redaktionen nicht. Er ist in der Praxis offensichtlich auch nicht gewollt. Die Diskussionen über die Zusammensetzung von Rundfunk- und Verwaltungsräten bei den Sendeanstalten fordern zunehmend eine Zurückdrängung der Einflüsse von Regierungsvertretern und Landesparlamentariern, obwohl die Länder praktisch gesetzliche Herausgeberfunktion haben. Im NDR-Staatsvertrag der norddeutschen Trägerländer heißt es, „der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den sogenannten öffentlich-rechtlichen Programmauftrag zu erfüllen, der in den entsprechenden gesetzlichen Grundlagen verankert ist. Danach müssen die Programme den Zuschauern und Zuhörern umfassend und ausgewogen Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung anbieten.“ Die Diskussion über das Thema Ausgewogenheit, also unter den Gebührenzahlern, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Spiegelt der politische Journalismus in Deutschland wirklich das Meinungsbild der Gesellschaft wider? Jede oder jeder hat am Ende seine Meinung zu einzelnen Beiträgen und ihrer Wahrnehmung. Wie sich das in Zeiten der wachsenden Bedeutung von Social Media, Streaming-Diensten oder Online-Medien ändert, wird die Fortsetzung dieser Diskussion immer wieder auch technisch bedingt aktualisieren. Auch über Fake News und Cyber-Angriffe und Einflussversuche auf die Bundestagswahl mit Desinformationen und Manipulationen im Netz, wovor das Bundesamt für Verfassungsschutz gerade warnt. Diese Erscheinungen gehören jetzt zur Medienwirklichkeit. Auch sie ist ein politisches Thema.
- Neue Kultur der Zusammenarbeit
Die hochkarätig besetzte Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) hat erneut einen richtungsweisenden Bericht vorgelegt. Bereits der Titel enthält ein Plädoyer: „Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe in schwierigen Zeiten“. Elf große Themen-Kapitel, verteilt auf über 20 Seiten, gespickt mit Empfehlungen, Vorschlägen und Stellungnahmen. Jede Bundesregierung, die den aktuellen Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft ernst nimmt, steht vor großen Aufgaben. Denn in der Agrar-, Umwelt- und Tierschutzpolitik läuft beileibe nicht alles rund. Es gibt gute Ansätze und Ideen, doch es hapert an der Umsetzung. Die ZKL legt an vielen Stellen den Finger in die offenen Wunden. Das Gremium, in dem Vertreter der Landwirtschaft, der Wirtschaft, der Verbraucher-, Umwelt-, Tierschutzorganisationen und der Wissenschaft über die alten Gräben hinweg offen diskutieren, wünscht sich von der Politik an vielen Stellen mehr Mut und eine bessere Kommunikation. In ihrer Analyse kommen die Mitglieder der Kommission zu dem Ergebnis, dass es einer neuen Kultur der Zusammenarbeit bedarf. Gleich an mehreren Stellen wird dies in dem Bericht angesprochen. Offensichtlich hat der ZKL-Kreis am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, wenn man den Meinungsgegner nicht nur mit Argumenten torpediert, sondern gemeinsam nach Kompromissen und Auswegen sucht. Olaf Deiniger von Agrarzeitung Digital beschrieb das Gremium durchaus zutreffend als „Konsensmaschine“. Dies war nicht negativ gemeint, denn ohne eine Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft werden sich auch im Agrarsektor die drängenden Probleme nicht lösen lassen. Ampel: Fachlich fundierte Vorschläge halbherzig berücksichtigt Beispiele des Scheiterns gibt es viele, und sie sind nicht nur der im Auflösungsprozess befindlichen Ampelregierung anzulasten. Immer wieder wurden fachlich fundierte Vorschläge im politischen Abstimmungsprozess nur halbherzig berücksichtigt oder trotz Zusagen am Ende ignoriert. Der aktuelle ZKL-Bericht enthält viele Empfehlungen für eine wie auch immer zusammengesetzte neue Bundesregierung. Ganz konkret wird zum Beispiel gefordert, den Agrardiesel künftig mit dem europäischen Durchschnittssatz zu besteuern und alternative Kraftstoffe entsprechend ihrem Beitrag zum Klimaschutz steuerlich zu entlasten. Dringend durchforstet werden muss aus Sicht des Gremiums der Dschungel der Regelungen für die Landwirtschaft und den Gartenbau. Die ZKL spricht offen von einer Überforderung: „Landwirtschaft bedeutet Wirtschaften unter freiem Himmel und mit Lebewesen. Dies erfordert bei allen Regelungen einen gewissen Handlungsspielraum bzw. Orientierung vor Ort, um Ziele des Klima-, Umwelt- und Tierschutzes zu erreichen, ohne die Betriebe bei der Durchführung zu überfordern und gesellschaftliche Ziele zu konterkarieren.“ So klar dies ist, so sehr stehen diesen Gedanken Regelwerke und Behörden gegenüber, die immer kleinteiliger prüfen und regulieren wollen. Dabei weiß jeder Praktiker, dass es gerade dadurch erst zu Fehlern kommt, die am Ende dem Gesamtziel schaden. „ Vorschlägen der Borchert-Kommission folgen“ Als Negativbeispiel führt die ZKL den Umbau der Tierhaltung in Deutschland an. Sehr deutlich wird die Politik aufgefordert, den Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung – besser bekannt als Borchert-Kommission – zu folgen. Der aktuell verfügbare Finanzierungsrahmen sei „absolut unzureichend“. Die ZKL unterstützt unisono langfristige Vereinbarungen mit den Betrieben, damit diese den Umbau finanzieren können. Und das Gremium sieht in der moderaten Anhebung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf tierische Produkte das geeignetste Instrument. Düngerecht, Stoffstrombilanz, Pflanzenschutz, GAP-Weiterentwicklung, Agrar-Umwelt-Kooperation, Flächenzugang – viele Themen werden im ZKL-Bericht behandelt und bewertet. Die Resonanz fiel in Fachkreisen positiv aus. Für Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, wird im ZKL-Papier deutlich, dass die laufende Transformation der Landwirtschaft „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die einer gesicherten Finanzierung bedarf und den Betrieben auf diese Weise eine Perspektive bieten kann“. In dem einstimmig verabschiedeten Papier mit viele wichtigen und richtigen Empfehlungen und Vorschlägen für die Bundesregierung wird unter anderem eine neue Kultur der Zusammenarbeit gefordert. Eine zukunftsfähige Agrar-, Umwelt- und Tierschutzpolitik brauche eine noch stärkere Einbeziehung der gesamten Gesellschaft. Vieles funktioniere noch nicht gut. Das staatliche Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, über dessen Auswirkungen wir kürzlich noch berichtet haben , sei ein solches Negativbeispiel. Die in der Praxis bereits bewährten Systeme und Prüfmechanismen seien nicht richtig eingebunden worden. Die Kommission spricht auch zu vielen weiteren Themen Klartext. Ob Düngerecht , Weiterentwicklung der GAP, Agrardiesel oder Bürokratieabbau – die 25 Seiten sind gut gefüllt mit vielen im Konsens entwickelten Anregungen und Hinweisen.
- Künftig geringerer Schutzstatus für Wölfe
Der Wolf ist künftig im Rahmen der Berner Konvention weniger geschützt. Bis zu einem geregelten Bestandsmanagement oder gar einer Bejagung ist es aber noch ein weiter Weg Endlich, sagen die einen. Katastrophe, schreien die anderen. Gestern haben die Unterzeichnerländer der sogenannten Berner Konvention entschieden, den Schutzstatus des Wolfs auf der völkerrechtlichen Ebene zu senken. Am Freitag soll im Rahmen der noch laufenden Tagung der formale Beschluss fallen. Isegrim wird dann nicht mehr in Anhang II („streng geschützt“) geführt, sondern in Anhang III („geschützt“). Die mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit der anwesenden Staaten getroffene Entscheidung besagt für den praktischen Umgang mit den Grauhunden jedoch noch nichts. Sie schafft nur die Voraussetzung, den Schutzstatus des Wolfs auch in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU (FFH-Richtlinie) entsprechend zu ändern. Jäger, Landwirte, Weidetierhalter und Reiter fordern dies schon lange. Der Deutsche Jagdverband (DJV) begrüßte die Änderung daher umgehend als „einen ersten wichtigen Schritt hin zu einem umfassenderen Wolfsmanagement“, das auch „eine reguläre Bejagung unter Wahrung des günstigen Erhaltungszustandes“ einschließen müsse. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wertet die Änderung ebenfalls positiv als eine „wichtige Nachricht für unsere ländlichen Gemeinden und Landwirte“. Es brauche „einen ausgewogenen Ansatz zwischen der Erhaltung der Wildtiere und dem Schutz unserer Lebensgrundlagen", so die Politikerin, deren Pony Dolly vor geraumer Zeit von Wölfen gerissen worden war. Die Grauhunde dürfen in der EU bislang nur getötet werden, wenn sie eine Gefahr für Menschen oder Weidetiere sind. In der Praxis jedoch sind die Hürden zur Erteilung einer Abschussgenehmigung sehr hoch, oft sogar unüberwindlich. Nach einer Absenkung des Schutzstatus ist laut Bundesumweltministerium ein aktives Bestandsmanagement möglich. Der Wolf bleibt zwar weiter geschützt, eine Jagd auf ihn ist aber grundsätzlich möglich. Ministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) hatte ihren Widerstand gegen entsprechende Forderungen erst im September mit der Begründung aufgegeben, die Bestandszahlen des Wolfes sein inzwischen so hoch, „dass diese Entscheidung aus Sicht des Naturschutzes verantwortbar und aus Sicht der Weidetierhalter notwendig ist“. Bis zu einer ordentlichen Regulierung der Wolfspopulation dürfte es aber noch ein langer, wahrscheinlich jahrelanger Weg sein. Denn zunächst muss nach der Berner Konvention, die ein völkerrechtlicher Vertrag des Europarates zum Schutz europäischer, wildlebender Tiere und Pflanzen ist, die FFH-Richtlinie als Umsetzungsinstrument geändert, dann in Deutschland das Bundesnaturschutzgesetz angepasst werden oder die Jagdgesetze. Insofern ändert der nun erfolgte erste Schritt draußen in der Natur noch nichts. Er schafft nur die Voraussetzung, die auch die Bundesländer Sachsen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz bereits in ihren Landesjagdgesetzen bereits geschaffen haben. Kein Automatismus auf nationaler Ebene Selbst wenn der Wolf nicht mehr wie derzeit in Anhang IV der FFH-Richtlinie, der strengsten Schutzkategorie, gelistet ist, gibt es jedoch keinen Automatismus auf nationaler Ebene. Die Vertragsstaaten können nämlich innerhalb von drei Monaten Vorbehalte anmelden. Die Änderung tritt nicht in Kraft, wenn ein Drittel der Vertragspartner der Berner Konvention widerspricht. Für diejenigen Staaten, die solche Vorbehalte anmelden, wird die Änderung des Schutzstatus auch dann nicht wirksam, wenn sie insgesamt in Kraft tritt. An diesem Punkt dürften einige einschlägigen Tierschutz- und Umwelt-Organisationen ihre Chance sehen. Es gehört daher wenig Fantasie zur Vorhersage, dass sie in nächster Zeit offen und hinter den Kulissen kräftig entsprechend bemüht sein werden. Der WWF etwa mahnt, Tierhalter bräuchten Unterstützung beim Zaunbau und weitere Schutzmaßnahmen, „um Konflikte mit Wölfen zu minimieren, anstatt auf undifferenzierte Jagd zu setzen“. Andere befürchten, der geänderte Schutzstatus für den Wolf könne ein Präzedenzfall etwa für Bären, Luchse oder Kormorane sein. In der Debatte hatte unter anderem Bulgarien gefordert, auch den Schutzstatus von Bären zu überprüfen. Die EU-Kommission lehnte das aber am Dienstag erneut ab.
- Söders Mann für Berlin
Geht es nach Markus Söder, kommt der neue Bundeslandwirtschaftsminister aus Bayern. Und dann soll alles besser werden für die Bauern und den ländlichen Raum So recht überraschend ist die Personalie nicht, aber der frühe Zeitpunkt lässt doch aufhorchen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat Günther Felßner für das Amt eines möglichen Landwirtschaftsministers in einer unionsgeführten Bundesregierung nominiert. Und das drei Monate vor der Bundestagswahl – und vor möglichen Koalitionsverhandlungen, die natürlich je nach Ergebnis entweder mit der SPD oder mit den Grünen zu führen sein werden. Günther Felßner, ein Name, der sowohl in Bayern als auch in Landwirtschaftskreisen durchaus bekannt ist. Der 58-Jährige steht seit einigen Jahren an der Spitze des Bayerischen Landwirtschaftsverbandes. Zudem ist er Vize-Chef des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Und fast noch wichtiger: Der Funktionär ist ein enger Verbündeter des CSU-Chefs Markus Söder. Beide eint die Herkunft aus Franken, beide eint die als „durchsetzungsfähig“ freundlich umschriebene Art und Weise, wie sie handeln. Und beide eint die Ablehnung der Grünen. Freie Wähler im Blick Gründe genug, dass Söder den bayerischen Bauernfunktionär jetzt nach Berlin entsenden will. Auf Platz fünf der CSU-Landesliste ist Felßner jetzt vorgerückt. Doch diese Liste wird nach der Wahlrechtsreform wohl eher nicht ziehen. Die CSU wird auf die Direktmandate vertrauen müssen und können, um wieder in der Bundespolitik mitmischen zu wollen. Dafür stehen die Chancen angesichts der fast schon historischen Schwäche der SPD und der Grünen auch im Freistaat für die Christsozialen gut. Bisher ist Alexander Dobrindt der Mann, der für die CSU den meisten Einfluss auf die Geschicke der Unions-Bundestagsfraktion ausüben kann. Und dies auch tut. Söder wäre nicht Söder, wenn er mit der Besetzung des Agrarministers nicht nur seinen Einfluss in der Bundespolitik oder auch auf europäischer Ebene geltend machen will. Söder denkt auch Bayern first. Denn genau dort ist die Welt aus der Sicht von Söder nicht mehr ganz in Ordnung. Grund eins ist die Unzufriedenheit vieler Landwirte auch und gerade in Bayern. Wettbewerbsverzerrende Auflagen, zu viel Bürokratie, zu wenig Förderung – all das sorgte Anfang des Jahres dafür, dass Hunderte Traktoren sich auch aus Bayern auf den Protestzug nach Berlin machten. Nicht erst seit dieser Zeit rumort es im Agrar- und Forstbereich. Sichtbar wurde das an dem Erfolg der Freien Wähler, die unter der Führung des charismatischen Hubert Aiwanger bei den Landtagswahlen im Jahr 2023 knappe 16 Prozent holten. Danach musste die CSU eine Koalition mit den Freien Wählern eingehen, Söder sitzt mit Aiwanger am Kabinettstisch. Harmonisch ist das nicht. Aiwanger träumt von mehr, nämlich davon, seine Freien Wähler auch in den Bundestag zu führen. Aktuelle Umfragen geben das nicht her, aber ausgemacht ist es noch nicht. Auch die rechtspopulistische AfD verzeichnet nicht erst seit den Ampel-Plänen zur Abschaffung einiger Steuerprivilegien für die Landwirte Zulauf auch in dieser Bevölkerungsgruppe. Eine Entwicklung, die die CSU-Oberen natürlich stoppen wollen. Auch aus dieser Motivationslage dürfte die Auswahl und Platzierung von Felßner ein Zeichen in die Landwirtschaft hinein sein: Seht her, wir haben verstanden. Wir kümmern uns. Denn nicht erst seit Özdemirs Amtszeit als Bundesminister fühlen sich Bauern, Forsteigentümer und Forstwirte, Angler und Jäger aus und in Bayern in ihren Interessen nicht richtig vertreten. Über Berlin schimpfen, das hat Tradition in Bayern. Große Aufgaben warten Diesem Gefühl der Ohnmacht will man jetzt auf Unions-Seite entgegenwirken. Deutschland solle, so ist Felßners Auftrag, nicht immer noch mehr draufsatteln, was ohnehin an Auflagen aus Brüssel komme. Deutschland solle dafür sorgen, dass die anstehenden globalen Agrarverhandlungen nicht auf dem Rücken der deutschen (oder europäischen) Landwirte ausgetragen werden. Und eine unionsgeführte Bundesregierung soll dafür sorgen, dass das Gefühl der Ohnmacht gerade im ländlichen Raum nicht noch größer wird und die demokratische Grundordnung nicht weiter erodiert. Nicht wenig Gepäck im Rucksack des bayerischen Bauernvertreters in der Schlangengrube Berlin.
- Jagd: „Megatrend zur Oberflächlichkeit“
Eine Studie zeigt alarmierende Trends: Jagd verliert an Tiefe, Wissen und Engagement. Immer weniger Jäger sehen darin eine Lebensaufgabe – stattdessen wird Jagd zunehmend zum Hobby Um die Zukunft von Jagd und Jägern ist es nicht gut bestellt. Zu diesem Ergebnis kam der Soziologe Prof. Dr. Werner Beutelmeyer in einer Untersuchung 2011. Darin beleuchtete der Leiter des renommierten Marktforschungsunternehmens Market Institut in Linz und Lehrbeauftragte an den Universitäten Innsbruck, Salzburg und Linz die Entwicklung der nächsten beiden Jahrzehnte. Nach mehr als der Hälfte der Zeit hat er seine Prognosen überprüft. Die Ergebnisse damals ließen aufhorchen und führten zu Diskussionen unter Jagdfunktionären. Die jetzigen Resultate geben dazu noch viel mehr Anlass. Denn unter dem Strich kommt dabei heraus, dass das Handwerk immer mehr verflacht und die Jagd zu einem Freizeitvergnügen, einem Outdoor-Event, verkommt. Die Ableitungen damals wie heute basieren auf einer Umfrage unter österreichischen Jägern. Doch sind die Ergebnisse sehr wohl übertragbar. Das betont Beutelmeyer im Fachmagazin WILD UND HUND: „Gemeinsam mit der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg/Neckar soll diese Studie auch im süddeutschen Raum durchgeführt werden, um eine länderübergreifende Betrachtung anstellen zu können, denn der Wandel in der Jagd zeigt in Deutschland ein noch deutlicheres Veränderungstempo. Mit anderen Worten: Jagdliche Entwicklungen in Deutschland oder beispielsweise den Niederlanden oder Schweden haben durchaus auch eine Benchmark-Funktion für Österreich.“ Die Basis des Wertewandels ist eine veränderte grundsätzliche Haltung zur Jagd. 2011 gaben noch 42 Prozent der Befragten an, die Jagd sei für sie eine Lebensaufgabe. Heute sind es nur noch 14 Prozent. Für immer mehr Jäger wird das Waidwerk zu einem Hobby unter etlichen Freizeitaktivitäten. Das jagdliche Engagement insgesamt lässt also nach. Da ist nur folgerichtig, dass immer weniger sich aktiv in einer Genossenschaftsjagd einbringen. Der Wert hat sich auf 34 Prozent mehr als halbiert. Die Mehrzahl (51 Prozent) wird vielmehr immer wieder von Freunden zur Jagd eingeladen. 2011 lag der Wert noch bei 37 Prozent. Jagdeinladungen haben also seit damals massiv an Bedeutung gewonnen. 435.930 Menschen in Deutschland hatten nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes (DJV) Anfang dieses Jahres einen Jagdschein. Das ist ein Spitzenwert und ein Plus von 36 Prozent innerhalb von drei Jahrzehnten. Folgt man Beutelmeyers Analyse, verbringt aber der einzelne Jäger durchschnittlich immer weniger Zeit mit dem Waidwerk. Jagdwissen nimmt ab Bestätigt sieht der Wissenschaftler seine Annahme, dass das Jagdwissen abnimmt. „Die Zukunftsjäger 2030 sind in nahezu allen abgefragten Themenfeldern weniger informiert als der derzeitige Durchschnittsjäger. Der Megatrend zur Oberflächlichkeit dürfte bis 2030 damit auch die Jagd erfassen.“ Besonders stark seien „die Wissensdefizite bei der Jagdkultur, aber auch im handwerklichen Bereich“. Im jagdlichen Brauchtum und Handwerk von der Jägersprache bis zum Liedgut gebe es „eine besorgniserregende Erosion“. Beides, so die Schlussfolgerung, wird heute als deutlich weniger wichtig angesehen als noch vor 14 Jahren. Das gilt sogar für die zur Waidgerechtigkeit zählende Nachsuche von krankgeschossenem Wild. Bewerteten 2011 noch 89 Prozent der Befragten sie als sehr wichtig, sind es jetzt nur noch 64 Prozent. Die Beurteilung der Wichtigkeit von Jagdhunden hat sich von 61 auf 29 Prozent mehr als halbiert. Klar zu erkennen ist die veränderte Einstellung der Jäger auch daran, dass sich immer mehr eine nächtliche Jagd auf Reh- und Hochwild (von 7 auf 25 Prozent), extreme Weitschüsse (von 6 auf 23 Prozent) und die Jagd vom Auto aus (von 8 auf 16 Prozent) wünschen. Beutelmeyer erwartet angesichts der Ergebnisse, „dass der Jäger 2030 weiter an Kompetenz und Ansehen in der breiten Öffentlichkeit verliert“. Schon heute werden Jäger kaum als „Natur-Verantwortliche“ gesehen. „Bis 2030 dürfte dieser jagdkritische Trend zum Kippen der Stimmung gegenüber der Jagd führen. Dann spätestens werden die Jagdkritiker in Österreich in der Mehrheit sein und die Politik bedrängen, neue – vermutlich sehr enge – Spielregeln für Jäger zu definieren“, prophezeit der Wissenschaftler. Abschließend geht er in WILD UND HUND mit einem Querverweis zur Fliegerei mit den Jägern kritisch ins Gericht: Wer eine Privatpiloten-Lizenz erwerbe, müsse jährlich eine Mindestzahl an Flugstunden absolvieren sowie alle zwei Jahre zur Verlängerung der Lizenz umfangreiche Tests ebenso bestehen wie regelmäßige medizinische Untersuchungen. „Bei der Fliegerei gehts ja um viel, und zwar um Leben und Tod des Piloten bzw. seiner Passagiere. Und bei der Jagd? Geht’s da nicht auch um Leben und Tod? Aber eben nur von Wildtieren.“ Das mag polemisch klingen, sollte aber zumindest zur Selbstreflexion anregen.
- Es muss wieder aufwärts gehen
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, in unserem Wochenkommentar befassen wir uns nach dem Ampel-Aus mit den Wahlchancen der Union sowie der Stimmung innerhalb der SPD, nachdem Boris Pistorius zu Gunsten von Olaf Scholz auf die Kanzlerkandidatur verzichtet hat. Ferner geht es um Themen, die im jetzt begonnenen Wahlkampf im Interesse des ländlichen Raums stärker in den Mittelpunkt gerückt werden sollten. Dazu gehören die Defizite im öffentlichen Nahverkehr. Weiter beschäftigen uns die Zukunft der deutschen Landwirtschaft, der Handlungsbedarf in Sachen Wolf, die sich ausbreitende Hasenpest sowie die langfristige Zukunft der Jagd. Mit dem Slogan „Wieder nach vorne“ will die CDU die Bundestagswahl am 23. Februar gewinnen. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass es ihr unter der Führung von Friedrich Merz auch gelingen wird. Auf tatkräftige Unterstützung durch die ehemalige Kanzlerin und Parteivorsitzende Angela Merkel kann Merz bei seiner Kampagne allerdings nicht setzen. Dies wurde in dieser Woche einmal mehr bei Merkels mit Spannung erwarteter Memoiren-Präsentation deutlich. Bei zentralen Themen wie Migration, Atomkraft, Schuldenbremse und Russland hat sich Merkel von ihrer Partei inzwischen entfremdet – und umgekehrt. Merz, ohnehin kein Freund von Merkel, setzt in diesen Fragen eigene Akzente. Auch hier gilt das viel strapazierte Wort von der Zeitenwende. Anders die SPD. Sie setzt nicht auf einen Neuanfang, sondern auf den mit seiner Ampelkoalition gescheiterten Kanzler Olaf Scholz. Der frühere Hamburger Bürgermeister hat auf Biegen und Brechen um seine erneute Spitzenkandidatur gekämpft. Zum Nachteil der SPD zählte in diesem Falle persönlicher Ehrgeiz mehr als politische Vernunft und Solidarität. Denn die Kandidatur von Scholz schafft in der SPD keine Aufbruchstimmung geschweige denn Begeisterung. Ganz im Gegenteil, momentan glauben nur noch 14 Prozent der Mitglieder, dass die SPD bei den Neuwahlen wieder stärkste Partei werden kann, während 84 Prozent es nicht glauben. Dies ist das Ergebnis einer Forsa-Umfrage nach dem Ampel-Aus in diesem Monat. Und nur knapp die Hälfte der SPD-Mitglieder war unmittelbar vor dem Rückzug von Verteidigungsminister Boris Pistorius in der K-Frage der Meinung, dass Scholz wieder antreten solle. Dagegen hatten 41 Prozent angegeben, Pistorius wäre ihnen lieber. Laut aktuellem RTL/n-tv-Trendbarometer würde die SPD mit Pistorius als Kanzlerkandidaten sechs Prozentpunkte mehr erhalten als mit Scholz . In der jüngsten Forsa-Umfrage kommen die Sozialdemokraten nur noch auf 15 Prozent. Gewiss, bis zum Wahltag am 23. Februar kann noch viel geschehen. Aber angesichts solcher Zahlen gleicht es einem Hochrisiko-Spiel, dass die SPD im Wahlkampf mit Scholz auf den erfolglosesten Kanzler der letzten Jahrzehnte, anstatt mit Pistorius auf den beliebtesten Politiker des Landes setzt. Eine bessere Schützenhilfe können sich Merz und Co. kaum wünschen ... Busse und Bahnen fahren zu selten Es wird höchste Zeit, dass es in Deutschland wirtschaftlich und sozial wieder mit Vernunft und Augenmaß aufwärts geht. Denn die Defizite in vielen öffentlichen Bereichen sind offensichtlich – nicht zuletzt im ländlichen Raum, den wir mit unserem Blog besonders im Blick haben. Ein Beispiel ist der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Laut dem in dieser Woche veröffentlichten Mobilitätsbarometer 2024 der Allianz ProSchiene, des BUND und des deutschen Verkehrssicherheitsrates wird vor allem die unzureichende Taktung von Bussen und Bahnen beklagt. Speziell in den Flächenstaaten fahren sie zu selten, meinen die über 2000 repräsentativ Befragten. Mehr als 80 Prozent der Menschen im ländlichen Raum würden entweder Stillstand oder sogar eine Verschlechterung des ÖPNV am eigenen Wohnort beklagen. Darauf müssen die Parteien im Wahlkampf Antworten geben. Dies betrifft nicht zuletzt die Zukunft des Deutschlandtickets, von dem vor allem Menschen in Ballungsgebieten profitieren. Auch nach Ansicht des Präsidenten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich, geht das Deutschlandticket am Bedarf vieler Menschen im ländlichen Bereich vorbei. Als Beispiel nannte er frühe Morgenstunden, wenn man zur Baustelle oder zum Ausbildungsplatz kommen wolle. Azubis im ländlichen Raum wäre mehr geholfen, wenn sie stattdessen einen Zuschuss für den Führerschein bekämen, sagte Dietrich der Funke-Mediengruppe. Ein guter Vorschlag. Neue Zahlen zur Ausbreitung der Wölfe Handlungsbedarf besteht auch beim Thema Wolf, das im ländlichen Raum bei Naturnutzern und anderen Bürgern für heftige Kritik sorgt. Zwar wurden die Schutzregeln inzwischen etwas gelockert, aber die Wölfe breiten sich in Deutschland weiterhin praktisch ungehindert aus. Laut aktueller Zählung des Bundesamts für Naturschutz (BfN) gibt es inzwischen offiziell 1601 Tiere, verteilt auf 209 Rudel sowie in 46 Paare oder einzeln (19). Bei der Zählung ein Jahr davor waren es noch 1339 gewesen. Die tatsächliche Zahl dürfte aber noch höher liegen, denn die Statistik enthält lediglich eindeutige Nachweise etwa durch DNA-Abgleiche oder Fotos. Und noch ein wichtiges Thema wird unser Autor Wolfgang Kleideiter in unserem Blog in der kommenden Woche aufgreifen. Die hochkarätig besetzte und breit aufgestellte Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) hat zum zweiten Mal einen richtungsweisenden Bericht vorgelegt. Bereits der Titel enthält ein Plädoyer: „Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe in schwierigen Zeiten“. In dem einstimmig verabschiedeten Papier mit viele wichtigen und richtigen Empfehlungen und Vorschlägen für die Bundesregierung wird unter anderem eine neue Kultur der Zusammenarbeit gefordert. Eine zukunftsfähige Agrar-, Umwelt- und Tierschutzpolitik brauche eine noch stärkere Einbeziehung der gesamten Gesellschaft. Vieles funktioniere noch nicht gut. Das staatliche Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, über dessen Auswirkungen wir kürzlich noch berichtet haben , sei ein solches Negativbeispiel. Die in der Praxis bereits bewährten Systeme und Prüfmechanismen seien nicht richtig eingebunden worden. Die Kommission spricht auch zu vielen weiteren Themen Klartext. Ob Düngerecht, Weiterentwicklung der GAP, Agrardiesel oder Bürokratieabbau – die 25 Seiten sind gut gefüllt mit vielen im Konsens entwickelten Anregungen und Hinweisen. Treibjagden mit bitterem Beigeschmack Die Wochen vor Weihnachten sind für die Jäger die Haupterntezeit. Der Hörnerklang bei Treib- und Drückjagden hat aber in diesem Jahr einen bitteren Beigeschmack. Die Hasen-Myxomatose lässt manches traditionelle herbstliche Treffen der Waidleute ausfallen. Dabei sind die Reviere in NRW und Niedersachsen sehr unterschiedlich betroffen. In einigen bricht die Population nahezu vollständig zusammen. Andere bleiben bislang verschont und sehen den richtigen Weg darin, den Hasenbesatz jagdlich auszudünnen, um so eine Ausbreitung der Krankheit durch Kontakt der Tiere untereinander einzudämmen. Für den Menschen ist die Hasen-Myxomatose ungefährlich. Anders als die Hasenpest, auch Tularämie, Lemming- oder Hirschfliegenfieber genannt. Im Jahresverlauf ist sie besonders in Bayern und Baden-Württemberg immer wieder aufgeflackert. Nach Angaben des Robert-Koch-Institutes haben sich dabei bereits 180 Menschen mit dem Bakterium infiziert. Die Tularämie, deren Anzeichen Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie schmerzhafte Schwellungen der Lymphknoten sind, ist zwar gut behandelbar, kann in Ausnahmefällen für den Menschen aber auch tödlich sein. Auch die Afrikanische Schweinepest (ASP) greift weiter um sich. Offenbar hat sie einen Sprung von rund 50 km in den Rhein-Hunsrück-Kreis nach Rheinland-Pfalz gemacht, direkt angrenzend an den Mayen-Koblenz-Kreis. Bei Spay am Rhein ist ein totes Wildschwein angeschwemmt worden, dessen erste Beprobung auf ASP positiv ausfiel. Der Forst hat bereits vorsorglich alle anstehenden Drückjagden abgesagt. Über flächendeckende Jagdverbote bzw. über die Einrichtung von Restriktionszonen berät gegenwärtig ein Krisenstab. Brauchtum bei Jägern verflacht Über diese punktuellen Probleme hinaus, die schwerwiegend genug sind, haben Jagd und Jäger eine grundsätzliche Herausforderung. Denn um ihre Zukunft ist es schlecht bestellt. Diese Prognose seiner 2011 erstellten Studie hat der Soziologe Prof. Dr. Werner Beutelmeyer auf der Basis einer aktuellen Zwischenbilanz bekräftigt. Es gibt zwar immer mehr Jäger. Aber deren Wissen über das Handwerk und das Brauchtum verflacht zunehmend. Die Jagd, so der Wissenschaftler, ist nicht mehr Lebenseinstellung, sondern verkommt zu einem gelegentlichen Freizeitvergnügen , einer interessanten Freiluft-Veranstaltung. Beutelmeyer erwartet deshalb, dass Jäger weiter an Kompetenz und Ansehen in der breiten Öffentlichkeit verlieren, die Stimmung ihnen gegenüber endgültig kippt und Jagdkritiker in der Mehrheit sein werden. Dadurch werde die Politik unter Druck geraten, „neue – vermutlich sehr enge – Spielregeln für Jäger zu definieren“, prophezeit der Wissenschaftler. Über die Studie zum Zustand von Jagd und Jägern im Jahr 2030, die auf der Befragung von Jägern basiert, berichtet unser Autor Christoph Boll in der kommenden Woche in einem Blog-Beitrag. Sie dürfen darauf gespannt sein! Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination
- Unser Wald: Eine Zukunft mit Wild
Nahezu täglich finden wir im TV und in den Zeitungen beunruhigende Meldungen zur Zukunft unserer Wälder. Bei über elf Millionen Hektar macht die bewaldete Fläche rund ein Drittel unseres Landes aus. Was kann man machen? Den Wald, wie wir ihn kennen, wird es Experten zufolge bald nicht mehr geben. Viele erinnern sich an unsere Wälder aus Kindheitszeiten. Gesund, ertragreich, vielfältig, aber auch mit überwiegend Fichten- und Buchenbeständen. Beim Blick von oben prägte in den Mittelgebirgen saftiges Grün die Bilder der Regionen. Sie sind in dieser Zeit und nach den aktuellen Waldzustandsberichten in den Ländern im Vergleich zu früheren Jahrzehnten heute nicht mehr wiederzuerkennen. Große Brände, Stürme wie Kyrill, Vivian, Wiebke oder Lothar zogen Bänder der Verwüstung durch verschiedene Landstriche. Sie sind heute noch sichtbar in Waldregionen wie dem Harz, dem Sauerland oder dem Schwarzwald. Viele Baumarten konnten den Orkanen nicht standhalten. Der „Saure Regen“ war in aller Munde, als in der Politik und in der Öffentlichkeit der Begriff „Waldsterben“ in unser festes Vokabular rückte. Dann kamen Trockenjahre und Schädlinge – allem voran der Borkenkäfer. An ihm geht bei Fahrten durch unsere Mittelgebirge inzwischen kein Auge vorbei. Und die Experten sind sicher, dass unsere Klimaentwicklung mit einer Reihe beklagenswerter Entwicklungsprozesse ziviler Verbrauchsgesellschaften in Zusammenhang zu bringen ist. CO₂ in aller Munde. Und welcher Rolle spielt unser Wald? Grundlegende Herausforderungen für ein Generationenthema Waldbauern und Förster stehen vor grundlegenden Herausforderungen, unter diesen Bedingungen Reviere umzubauen, aktuell und für kommende Generationen zukunftsfest zu machen. Der Wald ist von je her ein Generationenthema. Dessen Funktionen und aktuelle gesellschaftliche Ansprüche wachsen dramatisch mit den unterschiedlichen Bestrebungen zwischen wirtschaftlich verpflichtetem Eigentum und öffentlichem Wohl. Bundesforsten, Landesforsten und private Waldbesitzer befassen sich aktuell mit hoher Intensität mit dem biologischen, aber auch gesellschaftsgerechten Umbau unserer Wälder. Kulturlandschaft, wie der Mensch sie kennt und liebt, braucht nicht nur den dichten Wald, sondern auch freie Flächen. Der gesunde Mischwald der Zukunft mit geplanten Veränderungen in den Baumarten soll mit Hitze, Trockenheit und großen Naturereignissen besser klarkommen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Auf der einen Seite geht es um das Holz als nachwachsendem Rohstoff aus wirtschaftlich erfolgreich betriebenen Wäldern. Eine andere Theorie befürwortet den aus politischen Gründen und oft mit öffentlichen Geldern geförderten Wald, der der Ansicht folgt, dass die Natur die Dinge selbst am besten regelt. Das wäre der Wald als Allgemeingut – befreit von kommerzieller Nutzung. Dass Natur der Artenvielfalt oft eher entgegenwirkt statt ihr zu nützen, haben Waldbesitzer schon vor Jahrzehnten nachgewiesen. Wird ein Wald sich selbst überlassen, setzen sich die stärksten Arten durch. Zu den zentralen Streitfragen hinter den akuten Debatten gehört nicht nur die populäre Naturwald-Theorie. Mindestens genauso spannend ist der Streit um immer intensivere Freizeit-Nutzung. Zum Wald gehört von je her die Jagd als fester Bestandteil in der Naturnutzung. Die Jagd hat den Kompetenzanspruch, im Einklang mit wirtschaftlichen Eigentumsinteressen ihren Beitrag zu leisten. Unterschiedliche Forstwirtschaftsformen geben dem Wild angemessen Raum oder verfolgen das Konzept Wirtschaftswald mit bis auf null zu reduzierenden Wildbeständen – insbesondere Rot- und Rehwild. Die Stiftung natur+mensch wendet sich aktuell dem Thema zu. Sie hat sich entschieden, sich an dieser gesellschaftlichen, politischen und fachlichen Diskussion zu beteiligen. Nach ihrer Satzung verfolgt sie diese Grundprinzipien: Schutz der Naturlandschaften, Pflege der Artenvielfalt, Erhalt artenreicher Kulturlandschaften. natur+mensch bringt sich mit eigenen Positionen ein Ihren Zweck sieht sie in der Förderung „von Umweltschutz, Naturschutz, Tierschutz und Landschaftspflege durch Förderung der Entwicklung, der Erhaltung und des Schutzes einer artenreichen und gesunden Tierwelt und der Sicherung ihrer Lebensgrundlage“. Hierzu zählen Maßnahmen und Projekte im Rahmen des Umwelt-, Natur- und Tierschutzes und der Landschaftspflege (z. B. Erhaltung, Gestaltung und Vernetzung von Biotopen, Renaturierungsmaßnahmen, Artenschutzprogramme für bestimmte Tierarten). Daraus leitet die Stiftung in der aktuellen Debatte den Auftrag ab, sich mit eigenen Positionen einzubringen, die der Jagd in Wäldern der Zukunft ausgewogen einen angemessenen Platz sichert. Dazu widmet sie sich konkreten Beispielen der Waldentwicklung, die beides zulässt: Wirtschaftswald und Jagdbetrieb. Konkret befasst sie sich mit der Reaktivierung historischer Waldnutzungsformen. Ziel ist es, den Nachweis einer möglichst ausgeglichen ökologischen und ökonomischen Bewirtschaftung zu führen. Sie will einen konkreten Beitrag zu den gesellschaftlichen Diskussionen über Nachhaltigkeit, CO₂-Speicherung, Klima- und damit Zukunftsstabilität von Wäldern leisten. Dazu gehören die Aspekte der Energieversorgung, Biodiversität, Gesundheits- und Erholungsfunktionen – sowie „Wald mit Wild“ statt „Wald vor Wild“ als Praxisbeispiel. https://www.stiftung-natur-mensch.de/
- An neuen Haltungsformen führt kein Weg vorbei
Auch über ein Jahr nach Einführung stößt das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz wegen verschiedener Geburtsfehler auf Kritik. Den Nutztierhaltern hilft dies wenig. Sie müssen ihren Betrieb immer mehr nach den Vorgaben ausrichten Als die Initiative Tierwohl (ITW) im Sommer den neuen Anforderungskatalog für das kommende Jahr vorlegte, läuteten in etlichen Schweinemastbetrieben, die nach ITW-Vorgaben produzieren, die Alarmglocken. Denn die zehn Jahre bestehende branchenübergreifende Organisation kündigte die Anpassung des ITW-Programms an die Stufe zwei der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung an. Das neue staatliche Label kennt fünf verschiedene Haltungsformen. Stufe zwei heißt „Stall + Platz“. Und die damit verbundenen Vorgaben für Schweinefleischprodukte bedeuten konkret, dass viele Landwirte für die neuen ITW-Vorgaben noch einmal Geld in die Hand nehmen müssen. Denn die Schweine erhalten dort über die gesetzlichen Vorgaben hinaus 12,5 statt bisher zehn Prozent mehr Platz. Zudem – und das ist die größte Änderung – müssen aus einer Liste von Strukturierungselementen für jede Bucht im Stall drei Elemente ausgewählt und eingebaut werden. Alternativ kann auch ein Auslauf angeboten werden. Zurückhaltung der Verbraucher, wenn´s um mehr Geld geht Wieder investieren? Während das Gros der Verbraucher laut einer aktuellen Studie der Universität Bonn und der Technischen Universität München nach wie vor nicht bereit ist, für Fleisch aus besserer Haltungsform mehr Geld auszugeben? Manch ein Branchenkenner befürchtete ausgerechnet bei der so wichtigen Initiative Tierwohl eine Austrittswelle. Inzwischen wurde bekannt, dass rund 400 Schweinemäster ihre ITW-Teilnahme zum Jahresende gekündigt haben. Dass es trotz der steigenden Anforderungen nicht mehr waren, liegt nach Einschätzung der Interessengemeinschaft der Schweinehalter nicht zuletzt daran, dass die ITW noch rechtzeitig Übergangsregelungen einführte. So wurde beschlossen, dass Landwirte, die zum 1. Januar 2025 zum Beispiel wegen der Lieferprobleme von Stallelementen nicht alles umsetzen können, ihre Teilnahme für einige Zeit ruhen lassen dürfen. Sie bekommen dann nicht den entsprechend besseren Preis, müssen aber auch nicht fürchten, dass bei ihnen die erst kurz vorher angekündigte Kontrolle des ITW stattfindet und Strafzahlungen fällig werden. Die „Pausentaste“, so berichtete top agrar, könne maximal für ein halbes Jahr gedrückt werden. Inzwischen kündigte die Initiative an, dass sie auch bei den weiteren Haltungsformen im Laufe des kommenden Jahres die Anforderungen erhöhen wird. In den Stufen drei „Frischluftstall“ und vier „Auslauf/Weide“ werden die höheren Tierwohlkriterien gelten. Es ist unübersehbar, dass die Nutztierhalter ihre Arbeit mehr und mehr an den im Tierhaltungskennzeichnungsgesetz definierten Regeln ausrichten müssen. Und dabei haben die Betriebe penibel darauf achten, dass sie nicht Dinge falsch machen oder nicht zu 100 Prozent umsetzen. Kaum noch zu überschauendes Regelwerk Ein Beispiel gefällig? Es ist genau festgelegt, wie groß die Öffnungsfläche im Offenfrontstall für Schweine sein muss. Die Summe der Öffnungen im Dach und den Außenwänden muss mindestens 30 Prozent der Wandflächen des Stalles oder ein Quadratmeter je zehn Tiere betragen. Für die Variante des Frischluftstalles mit Auslauf ist zudem festgelegt, dass der Auslauf bei einer Mindestseitenlänge von zwei Metern eine Mindestfläche von 0,3 Quadratmeter je Tier haben muss. Auch hier ist festgelegt, dass pro angefangene zehn Tiere ein Quadratmeter Öffnung in Dach oder Außenwand vorliegen muss. Und bei der Stallfläche wird natürlich auch noch der Platz vom Lebendgewicht der Schweine abhängig gemacht. Für Außenstehende sind die Kriterien für die einzelnen Haltungsformen, die der Verbraucher am Ende auf einem Siegel findet, kaum noch zu überschauen. Was bei der Schweinefleischproduktion jetzt mehr und mehr Alltag wird, kommt nun auch beim Rindfleisch ins Rollen. Anfang November wurde bekannt, dass die Initiative Tierwohl eine Fortsetzung des Rindprogramms zunächst einmal für den Zeitraum bis Ende 2025 beschlossen hat. Länger ging nicht, denn ein von vielen Seiten kritisiertes Eckpunktepapier zur Tierhaltungskennzeichnung von Rindfleisch, verfasst im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, hat auf den Höfen für Verunsicherung gesorgt. Darin werden Bedingungen formuliert, die aus Sicht der Branche die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Tierhalter weiter einschränkt und zusätzliche Bürokratie erzeugt. Der Nutzen für das Tierwohl sei eher fraglich. Eine ärgerliche und im Grunde unnötige Debatte. Man fragt sich, warum das Özdemir-Ministerium die Verbände und Organisationen der Wirtschaft nicht im Vorfeld intensiver einbezogen hat.
- Streckenstatistik: Das Schalenwild im Aufwind
Die Erfassung der Jagdstrecke wird jeweils für das Jagdjahr vom 1. April bis 31. März ausgewiesen. Die Statistik dokumentiert die Population der einzelnen Arten. Sie dokumentiert auch Vitalität und Qualität ihrer Lebensräume. Teil 2: Schalenwild Insgesamt im Aufwind ist das Schalenwild. Bereits 2012 erläuterte dazu Dr. Frank Tottewitz vom Fachbereich für Wald und Umwelt vTI – Institut für Waldökologie und Waldinventuren der Fachhochschule Eberswalde in einem Interview mit dem Deutschen Jagdverband (DJV): „Eine Verdreifachung der Jagdstrecke beim Schalenwild in Zentraleuropa innerhalb der vergangenen 40 Jahre zeigt: Die teilweise beobachtete Bestandsexplosion bei einzelnen Wildarten ist kein deutsches Phänomen und unabhängig von unterschiedlichsten Jagdgesetzgebungen und Zielstellungen in einzelnen Ländern. Die Ursachen sind komplexer. Allgemein gesprochen haben sich die Lebensgrundlagen für das Schalenwild verbessert – mehr Nahrung und mehr Deckung sind die Hauptfaktoren. Fehlende Witterungsextreme und energiereiche Nahrung wie Raps und Mais in der Landwirtschaft sowie sich häufende Baummasten im Wald verringern die natürliche Sterblichkeit. Eine Erhöhung der Abschusszahlen ist die folgerichtige Konsequenz.“ Immer neue Rekordzahlen bei den Rehen Das gilt in Deutschland besonders für Rehe. Immer neue Rekordzahlen stehen zu Buche, sodass die Jahresstrecken inzwischen bei 1,3 Millionen Stück liegen. Bei keiner anderen Schalenwildart können die Strecken so sehr schwanken wie beim Schwarzwild. Ursache ist die mögliche Zuwachsrate von bis 300 Prozent. Bei anhaltend nass-kaltem Wetter aber gehen viele junge Frischlinge ein. Auch die intensive Bejagung im Rahmen der Prävention vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP) spielt eine Rolle. So lag die bundesweite Sauenstrecke 2022/23 bei 492.594 Stück. Ein Jahr zuvor waren es noch 711.407. Zuvor schien sie bereits der Millionengrenze zuzustreben. Manchmal allerdings lassen sich auch die Unterschiede in der Streckenentwicklung einzelner Bundesländer nicht wirklich erklären. So konnten 2019/20 in Rheinland-Pfalz 12,88 Prozent mehr Sauen erlegt werden als der bis dahin geltende Rekordwert, in Hessen waren es hingegen 12,11 Prozent weniger. Und das, wo doch beide Bundesländer aneinandergrenzen. Und an Hessen grenzt Thüringen, das 2019/20 auch ein Rekordergebnis hatte. Leichte Streckenrückgänge auch durch den Wolf Beim Rot-, Dam- und Muffelwild sind in den vergangenen Jahren bundesweit leichte Streckenrückgänge zwischen etwa drei und fünf Prozent verzeichnet, allerdings auf hohem Niveau. Beim Rotwild etwa wurde im Jagdjahr 2016/17 ein Rekordergebnis von 79.122 Stücken erzielt. In 2022/23 waren es noch 74.822 Stücke. Beim Damwild waren es 64.686 Stücke nach 68.269 im Vorjahr. Beim Muffelwild ging die Strecke um rund 3,5 Prozent auf 7.873 Stücke zurück. Das scheint wenig angesichts der Tatsache, dass der Wolf dem Wildschaf in vielen Gebieten bereits den Garaus gemacht hat. Die gerade für NRW veröffentlichte Statistik weist teilweise Rekordzahlen für das wiederkäuende Schalenwild aus. Nicole Heitzig, Präsidentin des Landjagdverbandes (LJV), wertet das als Beleg für die Bemühungen der Jägerschaft, einen Beitrag zur Schaffung klimastabiler Wälder durch Wiederaufforstungen zu leisten. Denn erlegte Rehe, Rot-, Dam- und Sikahirsche sowie Muffel fressen eben keine jungen Bäume mehr. Lesen Sie auch Teil 1: Niederwild












