Zahlen sind klar und eindeutig. Da gibt es nichts zu diskutieren. Könnte man meinen. Dass es auch ganz anders geht, zeigt die Diskussion über die Größe der Wolfspopulation in Deutschland
Der Außenstehende kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die einen versuchen, möglichst viele Exemplare der Sippe Isegrim zu belegen, während die andere Seite alles daransetzt, die Zahl kleinzurechnen. Dazu gehört offenbar auch, die Veröffentlichung der jüngsten Erhebungsergebnisse möglichst lange hinauszuzögern. Deshalb hat der Deutsche Jagdverband (DJV) am 21. November das Bundesumweltministerium aufgefordert, umgehend die Zahlen für 2023 zu veröffentlichen. Diese seien „bereits vor Wochen“ von der zuständigen Ländergruppe zusammengetragen worden. Eine vom Bundesamt für Naturschutz seit Monaten zurückgehaltene Populationsstudie zum Wolf müsse ebenfalls umgehend publiziert werden. „Die Studie nicht zu veröffentlichen, schürt weiter das Misstrauen, ob das Bundesumweltministerium den Koalitionsvertrag in Sachen Wolf wirklich umsetzen will“, sagte DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke. Er spielte damit an auf den gegenüber Ministerin Steffi Lemke immer wieder erhobenen Vorwurf, sie tue alles, um eine Regulierung der Wolfspopulation zu verhindern.
Bis dahin lagen nur die offiziellen Zahlen für das Monitoringjahr 2022/2023 vor. Danach gab es in Deutschland 184 Wolfsrudel sowie 47 Wolfspaare und 22 sesshafte Einzelwölfe. Zur Erhebung der amtlichen Statistik werden mehrere zehntausend Hin- und Nachweise ausgewertet, bevor sie vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) und der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) in Abstimmung mit den Ländern bekannt gegeben werden.
So bezifferte das BfN am 26. November die Ergebnisse für das Monitoringjahr 2023/2024 mit 209 Wolfsrudeln. Nachgewiesen worden seien „in den bestätigten Wolfsterritorien insgesamt 1601 Wolfsindividuen … (Vorjahr 1339): 535 adulte Wölfe, 162 Jährlinge (Wölfe im 2. Lebensjahr) und 781 Welpen (Wölfe im 1. Lebensjahr). Bei 65 Individuen war nicht eindeutig zu ermitteln, ob es sich um adulte Wölfe oder Jährlinge gehandelt hat; bei 12 Individuen war nicht sicher, ob sie Jährlinge oder Welpen waren. Bei weiteren 46 Individuen konnte das Alter nicht bestimmt werden.“
DJV: Zuwachsrate von über 20 Prozent
Das scheint hoch exakt und wissenschaftlich. Doch was das BfN als „aktuelle Zahlen und Daten zum Wolf in Deutschland“ bezeichnet, nennen Kritiker schlicht veraltete Angaben. So kommt der DJV in einer eigenen Hochrechnung für den vergangenen Sommer auf etwa 270 Rudel bei einer Zuwachsrate von 20 bis 25 Prozent pro Jahr. Er geht davon aus, dass nicht nur im Inland, sondern in der gesamten Europäischen Union mit veralteten Zahlen argumentiert wird. Deshalb teilt er auch nicht die Auffassung der Initiative für Großraubtiere in Europa (LCIE), dass eine Herabstufung des Schutzstatus für den Wolf in Europa voreilig wäre.
Politik und Wissenschaft verspielten das Vertrauen der Bevölkerung im ländlichen Raum zusehend. „Das regional differenzierte Bestandsmanagement bleibt ein leeres Versprechen", bemängelt Dammann-Tamke. Die Zahl vom Wolf getöteter Nutztiere steige in Deutschland von Jahr zu Jahr drastisch an. Die LCIE hingegen behauptet, dass sich seit dem Schweizer Antrag für eine Herabstufung des Schutzstatus für den Wolf im Jahr 2022 weder die Zahl der Wölfe noch die Zahl der Nutztierrisse wesentlich verändert habe. In Deutschland habe es im Jahr 2023 aber 31 Prozent mehr Risse als im Vorjahr gegeben, nämlich insgesamt 5727 Schafe, Ziegen, Rinder und Pferde.
Die ermittelten unterschiedlichen Wolfszahlen beruhen zum Teil auf unterschiedlichen Erhebungsmethoden. Die amtliche Statistik konzentriert sich auf die Ermittlung der Anzahl der Wolfsfamilien (Rudel) und Wolfpaare zum Stichtag 30. April, weil die Behörden die erwachsenen, fortpflanzungsfähigen Grauhunde in den Wolfsterritorien für maßgeblich halten zur Bewertung der Wolfspopulation und ihrer Entwicklung. Landwirte, Jäger und Reiter hingegen halten das für „eine Verharmlosung der tatsächlichen Dynamik“. Ihre Verbände fordern die Meldung des günstigen Erhaltungszustandes des Wolfes an die EU.
Sie berücksichtigen nämlich auch Isegrims jährlichen Nachwuchs, der im Sommer geboren wird. Hat also jedes der in jedem Fall mehr als 200 Wolfspaare in Deutschland vier bis fünf Welpen, sind das rund 1000 Grauhunde mehr. Sie tauchen zwar in der amtlichen Statistik nicht auf, wollen aber auch alle satt werden. Die unterschiedliche Berechnung macht einen deutlichen Unterschied. So soll es in Niedersachsen laut BfN nur 48 Rudel geben, die tagesaktuelle Landesstatistik weist allerdings bereits 55 Rudel aus.
Dass das Bundesamt von interessierter Seite auch Beifall erhält, ist fast selbstredend. So gab der BUND am Folgetag eine im Wortlaut fast identische Pressemitteilung heraus. Für ihn ist belegt, „dass die Anzahl der Wolfsterritorien im Vergleich zum vorherigen Monitoring-Jahr gemäßigt um unter vier Prozent angestiegen ist“. Im Übrigen lässt er den unwissenden Leser wissen: „Ein dauerhaft hohes Wachstum der Population gibt es bei keiner Tierart. Die neuen Zahlen zeigen, dass die Lebensraumkapazitäten des Wolfs in Deutschland begrenzt sind und der Wolfsbestand nicht mehr so schnell wie in den ersten Jahren der Wiederbesiedlung wächst.“
Die neue Koalition in Brandenburg zeigt sich entschlossen
Das sieht die künftige Landesregierung von Brandenburg offenbar ganz anders. Dort haben sich SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nach knapp einmonatigen Verhandlungen auf den Entwurf eines Koalitionsvertrages verständigt. Darin findet sich auch eine Passage zum Jagdwesen, in der es heißt: „Wir werden das Jagdrecht novellieren und die Jagdverordnung überarbeiten. Wir werden alle Möglichkeiten nutzen, um ein Bestandsmanagement für den Wolf und den Biber einzuführen. Im Bund setzen wir uns für die notwendigen rechtlichen Änderungen ein.“
An anderer Stelle wird aufgeführt, dass man den Waldumbau weiterführen will, um stabile und gesunde Waldbestände zu erreichen. Dazu zählt auch die gezielte Reduzierung von Wildtierbeständen. Das für die Jagd zuständige Ministerium für Land- und Ernährungswirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz übernimmt die SPD in der neuen Koalition. Wer das Ressort als Minister leiten wird, ist noch nicht bekannt.
Der Tippfehlerteufel hat sich eingeschlichen. Korrektur: 2023 wurden 5.272 Weidetiere vnachweislich von Wölfen getötet.
Ich bitte den Moderator das im Original zu korrigieren.
Endlich traut sich das jemand laut auszusprechen!
Draufkommen könnte man auch selbst.
So steigen die Opferzahlen jedes Jahr um ca. 30 %, die Reproduktionsrate der Wölfe. Der Spruch des BUND, es gäbe in Deutschland nicht mehr genügend Lebensraum für Wölfe ist lediglich eine Zweckbehauptung. So lange es Weidetiere und freilaufende Heimtiere wie Hunde und Katzen gibt, so lange gibt es genügend Nahrung für Wölfe. Die Habitatansprüche der Wölfe sind ausgesprochen übersichtlich. Wo immer man einen Fuchs sehen kann, kann man auch einem Wolf begegnen, lediglich beschränkt durch deren Körpergröße. Wo der Kopf durchpasst, passt auch der ganze Wolf durch.
Unser Wolfsmonitoring ist sehr fehlerbehaftet. Wildtiere kann man nicht zählen. Das ist eine alte und bekannte Weisheit.
Das dbbw kann nur…