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- Ein Europäer als Kanzler und Erwartungen auf dem Lande
Wie der CDU-Politiker Merz in Brüssel wieder mehr das Gewicht Deutschlands in die Waagschale werfen will. Das verspricht auch viel für die nächste Periode gemeinsamer Agrarpolitik in Europa Foto: addit / pixelio.de Wenn Friedrich Merz in Brüssel ist, ist unverkennbar, dass der deutsche Kanzler seine politische Karriere in der EU-Politik begonnen hat. Als 33-Jähriger wurde er 1989 ins Europaparlament gewählt, dem er für eine Wahlperiode angehörte, um dann in den Bundestag zu wechseln. Merz versteht, wie die EU-Politik funktioniert. Und als deutscher Regierungschef hat er den Anspruch, die Europapolitik zu prägen. Noch wenige Tage, bevor er zum Kanzler gewählt wurde, versprach er Europa „mehr deutsche Führung“. Die EU werde mit der unter ihm geführten Regierung „die größten Unterstützer der EU bekommen“, die es jemals gegeben habe. Und er hat mit dem Zuschnitt der Ministerien die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass er diesen Führungsanspruch auch umsetzen kann. Die Union stellt den Kanzler, den Wirtschafts-, den Landwirtschafts- und den Verkehrsminister. Damit sollte es möglich sein, künftig in Brüssel und Luxemburg bei den wichtigsten Ministerräten mit einer Stimme zu sprechen. Unter der Regierung von Olaf Scholz war davon nichts zu spüren. Weil SPD, Grüne und FDP bei vielen Fragen, etwa auch dem Artenschutz für den Wolf oder den Klimazielen für die Autohersteller, zerstritten waren, hat sich Deutschland immer wieder enthalten. Das war so auffällig, dass die ständige Enthaltung der Deutschen im EU-Jargon „German Vote“ (übersetzt: deutsche Stimme) genannt wurde. Zeit der Zurückhaltung sollte vorbei sein Das Gewicht Deutschlands muss schon bald in die Waagschale gelegt werden, wenn es etwa darum geht, die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu verhandeln. Die Kommission will ihren Vorschlag dazu noch vor der Sommerpause vorlegen. In den Jahren der Regierungen Scholz und auch Merkel haben die anderen EU-Staaten häufig bedauert, dass Deutschland sich so oft zurückgehalten hatte. Seine Prioritäten macht Merz mit seinen ersten Auslandsreisen deutlich, zu denen er bereits am ersten Tag nach seinem holprigen Start ins Kanzleramt aufgebrochen ist. Er reiste traditionell nach Paris, dem wichtigsten Verbündeten, dann nach Warschau. Es geht Merz darum, das Weimarer Dreieck wiederzubeleben, gemeinsame Waffenkäufe der Europäer vorzubereiten und die Unterstützung der Ukraine zu sichern. Am Freitag dann ist Merz in Brüssel und trifft Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie Ratspräsident António Costa. Insbesondere Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzt auf Merz: Zwischen Scholz und Macron stimmte die Chemie nicht so richtig. Auch Angela Merkel ließ die ambitionierten Vorstöße von Macron für eine Vertiefung der EU, die er bei seiner Sorbonne-Rede vorgelegt hatte, weitgehend unerwidert. Macron rief Merz nach der gelungenen Kanzlerwahl zu: „Jetzt liegt es an uns, den deutsch-französischen Motor und das deutsch-französische Bewusstsein stärker denn je zu machen.“ Konkret können Deutschland und Frankreich ihre Zusammenarbeit etwa in den Bereichen Energie, Bürokratieabbau, Rüstung und Digitalisierung ausbauen. Schon bei ihrem ersten Treffen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs werden Merz und Macron über das Mercosur-Handelsabkommen sprechen. Aus Rücksicht auf die rebellischen französischen Bauern, die Mercosur vehement ablehnen, wollte Macron das Handelsabkommen blockieren. Merz setzt sich für das Abkommen ein, obwohl es auch bei den deutschen Bauern nicht populär ist. Merz hat der Präsidentin der Kommission, die für die Handelsabkommen allein zuständig ist, „volle Unterstützung“ zugesagt. Macron hat allerdings in jüngster Zeit angedeutet, dass er bei Mercosur vielleicht doch zustimmen könnte. Der Grund für seinen sich andeutenden Schwenk ist die aggressive Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump. Dem könnte Europa mit dem lange vorbereiteten Südamerika-Deal etwas entgegensetzen. Es wäre ein großer Erfolg für Merz, wenn er Macron eine Zusage abringen könnte. Das wäre dann das erste Mal, dass Merz seinem Anspruch gerecht würde, ein europäischer Kanzler zu sein.
- Happy End an einem historischen Tag
Friedrich Merz wurde erst im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt. Kein Drama, eher ein Schönheitsfehler. Jetzt kommt es darauf an, endlich durchzustarten Bundeskanzler Friedrich Merz (Foto: CDU / Tobias Koch) Um 16.15 Uhr war es geschafft: „Auf den Abgeordneten Friedrich Merz entfielen 325 Stimmen“, verkündete eine sichtlich angespannte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner das Ergebnis des zweiten Wahlgangs im Bundestag. Geschafft, sogar mit deutlich mehr Stimmen als der Parteivorsitzende der CDU und Kanzlerkandidat für seine Wahl zum Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gebraucht hat. Die berühmten Steine, die ihm, der CDU/CSU-Fraktion und wohl auch Lars Klingbeil vom Herzen gefallen sein mögen, dürften auf der nach oben offenen Richterskala der Politik bei sieben bis acht gelegen haben. Friedrich Merz, der Mann, der für die Eroberung seiner politischen Ämter immer mehr als einen Anlauf braucht. Drei Wahlen, bis er endlich Parteivorsitzender der CDU wurde. Und am Dienstag brauchte der Sauerländer eben einen zweiten Anlauf bei der Wahl zum Kanzler. Dabei bleibt ihm an dem historischen Tag für Deutschland ein schwacher Trost: Fast alle Kandidaten, die sich in der Geschichte der Bundesrepublik im Bundestag zur Kanzlerwahl gestellt haben, verzeichneten Gegenstimmen aus den eigenen Reihen. Mal waren es 12 – mal sogar über 35, als zum Beispiel Angela Merkel sich 2018 zur Kanzlerin der letzten großen Koalition aus CDU/CSU und SPD wählen ließ. Doch sie konnten sich das anders als der 69-Jährige eben leisten, verfügten Brandt, Merkel und Co. eben über eine komfortablere Mehrheit als Merz im Mai 2026. Rückschau auf einen historischen Tag Eigentlich hätte an diesem Morgen allen klar sein müssen, dass es eng werden kann. Oder sogar schiefgehen kann. Zwölf Stimmen hatten Union und SPD Mehrheit für die Kanzlerwahl. Doch alle vertrauten am Vormittag etwas sorglos wohl auf das ungeschriebene Gesetz, dass gerade knappe Regierungsmehrheiten die Abgeordneten disziplinieren. Tat es am 6. Mai 2025 aber nicht, der Tag, an dem Friedrich Merz seine politische Biografie krönen wollte. Der neuen Bundestagspräsidentin Julia Klöckner – sonst furchtlos und unbeeindruckt von Widerständen – stand der Schrecken im Gesicht, als sie am Vormittag das Ergebnis vorlesen musste: „Auf den Abgeordneten Friedrich Merz entfielen 310 Stimmen.“ Gebraucht hätte er 316 Stimmen. Nicht gewählt, obwohl beide Fraktionschefs Jens Spahn und Lars Klingbeil (in seiner letzten Amtshandlung als Fraktionschef der SPD) vorher versicherten, dass alle Abgeordneten „stehen würden“. Taten aber mindestens sechs zu viele nicht, bei drei Enthaltungen. Damit war der Eintrag ins Geschichtsbuch gemacht. Entsetzen bei der Union und SPD, auch bei den Grünen keine offene Häme. Die kam von ganz rechts und ganz links. Sofort ging die Suche los. Wer waren die Abweichler? Wollten sie alte oder neue Rechnungen mit der Parteispitze begleichen, vielleicht, weil die eigenen Karriereträume nicht erhört wurden? Oder waren es Parteilinke bei der SPD, die klammheimlich und im Vorfeld schon einmal gegen den Kurs des neuen Kanzlers in Sachen Wirtschafts- und Asylpolitik gestimmt haben? Oder vielleicht enttäuschte Abgeordnete aus Kreisen der Union, die den Schwenk bei der Schuldenbremse nicht mittragen wollen. Man wird es wohl nie erfahren. Die fehlende Mehrheit für Merz schickte jedenfalls Schockwellen mindestens durch Europa. Der deutsche Aktienmarkt knickte um 330 Punkte ein, auch der Euro Stoxx 50 reagierte mit Abschlägen. Deutschland als wichtigste Wirtschaftsmacht in Europa ohne Führung, gerade in diesen Zeiten des Krieges und der transatlantischen Turbulenzen – eine besorgniserregende Entwicklung. Aufatmen erst am Nachmittag Um 16.15 Uhr dann das Aufatmen. Nach einer von allen mitgetragenen Änderung der Geschäftsordnung kam es zur zweiten Abstimmung, die 325 Stimmen brachte. Viel weniger Enthaltungen und ungültige Stimmen als noch im ersten Durchgang. Merz als Kanzler gewählt. 325, ein gutes Ergebnis, angesichts der Tatsache, dass er nicht nur bei der SPD keine Beliebtheitspokale eingeheimst hatte. Der Kanzler kann jetzt loslegen, seine Versprechen einlösen. Neben außen- und wirtschaftspolitischen Themen wird es auch darum gehen, verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen. Auch bei den Menschen im ländlichen Raum, die von den zuständigen Ministern Dobrindt (Innen) und Rainer (Agrar) Antworten auf die Probleme und Herausforderungen der Gegenwart verlangen.
- SPD-Neustart am Kabinettstisch
Es ist die Stunde des Machtwechsels. CDU-Chef Friedrich Merz übernimmt am Dienstag als Bundeskanzler die Regierungsverantwortung. Seit Montag weiß er, wer für die SPD am Kabinettstisch der schwarz-roten Koalition mitarbeiten wird Lars Klingbeil (Foto: Tobias Koch) Raus aus dem Wartemodus, ran an die Arbeit. Die neue Bundesregierung steht vor großen nationalen und internationalen Herausforderungen. Friedrich Merz ist früher als noch vor Monaten gedacht am Höhepunkt seiner Karriere angekommen. Jetzt muss er im zähen politischen Tagesgeschäft beweisen, dass er besser, klüger und auch erfolgreicher regieren kann als sein Vorgänger Olaf Scholz. „Die Politik der kommenden Jahre wird maßgeblich darüber entscheiden, ob wir auch in Zukunft in einem freien, sicheren, gerechten und wohlhabenden Deutschland leben.“ Ein wuchtiger, aber im Kern wahrer Satz aus der Präambel des Koalitionsvertrags . CDU, CSU und SPD sind bereit, Verantwortung für Deutschland zu übernehmen. Das verdient Respekt. Die Union sitzt im Bundestag wieder auf der Regierungsbank, muss und will jetzt Tempo machen. Die Ampel bewegte sich nur noch lahm, vermied wichtige Entscheidungen und scheiterte am Ende kläglich. Bis heute stellen die Menschen im Land dem alten Dreierbündnis ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Über 70 Prozent sind in der Rückschau mit der Ampel-Arbeit unzufrieden. Verheerend. Dass die SPD nahtlos weiter in Berlin mitregiert, überrascht nach dem desaströsen Abschneiden bei der Bundestagswahl offensichtlich auch manchen Genossen. Tatsächlich kann das historisch schlechteste Ergebnis (16,4 Prozent) in so kurzer Zeit weder inhaltlich, organisatorisch noch personell aufgearbeitet worden sein. Die Sozialdemokraten können die Quittung, die ihnen die Wählerinnen und Wähler am 23. Februar ausgestellt haben, nicht einfach abheften. „ Fundamentale Krise der Glaubwürdigkeit“ Wer wissen will, wie es um die Gefühlslage steht, kann dies im Antragsbuch für den am 10. Mai terminierten Landesparteitag der NRW-SPD nachlesen. Ein selbstkritischer Leitantrag liefert Klartext. Von einer „fundamentalen Krise der Glaubwürdigkeit“ ist darin die Rede. Die SPD stecke in einem Tief und habe während der Ampelzeit zu lange in der Defensive verharrt. Die Aussagen sind ein Schuss in Richtung Olaf Scholz, treffen aber auch die Parteizentrale und die Parteiführung. Dem SPD-Parteivorsitzenden Lars Klingbeil, der als Bundesfinanzminister und Vizekanzler jetzt mit großer Macht ausgestattet ist, dürfte die Breitseite aus NRW gerade am Tag der Kanzlerwahl nicht behagen. Hat er doch ein weitgehend unverbrauchtes Team für seine Seite des Kabinettstischs zusammengestellt. Sechs Frauen und drei Männer sollen für einen personellen Neuanfang in schweren Zeiten stehen. Saskia Esken ist draußen. Ihr Wunsch nach einem Ressort erfüllte sich nicht. Co-Parteivorsitzende ist sie wohl nur noch auf Zeit. Boris Pistorius bleibt auch dank seiner nach wie vor hohen Beliebtheitswerte Verteidigungsminister. Amtsvorgängerin Christine Lambrecht hätte spätestens jetzt den Posten verloren. Bärbel Bas, ehemalige Bundestagspräsidentin, folgt im Arbeits- und Sozialministerium auf Hubertus Heil, der sich vor Tagen selbst aus dem Rennen genommen hat. Carsten Schneider, zuletzt Ostbeauftragter der Bundesregierung, wird Minister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Reem Alabali-Radovan, bisher Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration, wird Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Justizministerin Stefanie Hubig, Bauministerin Verena Hubertz, Staatsministerin Elisabeth Kaiser (Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland) und Staatsministerin Natalie Pawlik (Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration) – Namen und Gesichter, die vielen Menschen im Land nicht bekannt sind. Von der alten SPD-Ampelbesetzung gibt es im Kabinett kaum noch eine Spur. Scholz, Lauterbach, Faeser, Schulze, Geywitz, Heil, Kukies – seit heute Teil der Geschichte.
- Unsere Kolumne mit Blick auf die Woche vor der Kanzlerwahl und mit Waidmannsheil zur Bockjagd
Liebe Leserin, lieber Leser, in dieser Woche blicken wir wie im letzten Samstagskommentar von natur+mensch noch einmal mehr nach vorn als zurück: Dienstag wird der neue Kanzler gewählt. Voraussetzung: Die Abgeordneten stimmen so, wie der Vorstand der CSU, der kleine Parteitag der CDU und die SPD das mit ihrem Mitgliedervotum vorbereitet haben. Dann wird sich endgültig zeigen, ob und wie die neue Regierungsmehrheit im Parlament steht. Merz wird bis dahin auch wissen, wie der sozialdemokratische Teil seines Kabinetts aufgestellt ist. Mit den alten und neuen Köpfen der Union haben sich schon viele Talkshow-Gäste und Kommentatoren befasst. Hinter Klingbeil bleibt die SPD vorerst noch eine Blackbox. Dienstag beginnt dann die Lieferzeit des neuen Kabinetts. Wir schauen besonders weiter auf das, was im ländlichen Raum relevant ist – und auf die Jagd. Am Donnerstag ist bei uns zum traditionellen Datum die Bockjagd aufgegangen. In anderen Regionen Deutschlands läuft sie derweil zum Teil schon seit einem Monat, je nach regionalen und örtlichen Gegebenheiten oder zum Schutz nachwachsender Wälder. Seit dem 6. November letzten Jahres und damit seit 180 Tagen verharrt Deutschland im politischen Stillstand . Währenddessen hat sich um uns herum in der Welt und Europa viel ereignet. So hat das für eine angestaute Sehnsucht gesorgt, wonach sich nun endlich von Berlin aus wieder mehr bewegen sollte. Viele warten auf einen Ruck nach vorn , der nicht nur vom Kanzler ausgeht, sondern auch von den Ministerien und damit den Köpfen seines noch designierten Kabinetts. Wir wissen mit der Ausnahme von Lars Klingbeil als Finanzminister offensichtlich bis zum letzten Moment nicht, wer die anderen SPD-Köpfe sein werden. Da wird bis zuletzt noch viel spekuliert. Und es gibt offensichtlich bis zum Texten dieses Briefes noch ungelöste Fragen, was aus der Co-Chefin an der Parteispitze nun wird. Welche Verwendung wird es für Saskia Esken geben, der immerhin nachgesagt wird, in den Koalitionsverhandlungen Themen und Posten für die SPD durchgedrückt zu haben? Ihre vermeintliche Stärke hat letztlich zur Verärgerung in Unionskreisen geführt. Jedenfalls wurde immer wieder infrage gestellt, ob das aus dem Koalitionsvertrag abzuleitende Gewicht der SPD angemessen und verhältnismäßig zum Wahlergebnis von 16,4 Prozent steht. Sei´s jetzt drum: Wir schauen nach vorn und das mit dem ersten Eindruck, dass sich viel ändern wird. Dafür stehen viele Inhalte des Koalitionsvertrages mit einer anderen Richtung als bisher – auch wenn vieles unter Finanzierungsvorbehalt steht und wir gerade gelernt haben, was der Unterschied von „wir werden“ und „wir wollen“ ist. Erste Maßnahmen und Initiativen der benannten Ministerkandidaten Wir blicken nicht nur auf die in dem 144-seitigen Papier verabredeten Ziele, sondern folgend auf deren Umsetzung . Und damit gilt auch nicht nur die alte Wahlaussage von 1969 „Auf den Kanzler kommt es an“ , sondern aktuell auf die fachliche Leitungs- und Gestaltungskraft der Führungsspitzen der Ministerien. Da liefert offensichtlich die Union. Der Slogan stammt übrigens aus dem Wahlkampf von Kurt Georg Kiesinger, der damals nicht einhalten konnte, was die CDU auf die Wahlplakate gesetzt hat. Das soll nun anders werden – auch unter der schlichten Überschrift des Koalitionsvertrages „ Verantwortung für Deutschland“ – was wohl bewusst im Gegensatz zur Ampel mit „Mehr Fortschritt wagen“ formuliert wurde. Die von Merz und Söder benannten Minister und Ministerinnen setzen bereits erste Duftmarken . Der designierte Außenminister ist schon diplomatisch in Europa unterwegs. Bei ihm geht später formal alles über den Tisch, was an nationalen Initiativen die EU erreichen soll. Viele Themen, die auf Lösung warten, werden letztlich final in Brüssel und Straßburg geregelt. Das gilt auch für die dort bereits angestoßene Änderung des Schutzstatus für den Wolf. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erklärte: „In einigen europäischen Regionen sind Wolfsrudel insbesondere für Nutztiere zu einer echten Gefahr geworden. Heute schlagen wir eine Änderung des EU-Rechts vor, die den lokalen Behörden helfen wird, die Wolfspopulationen aktiv zu bewirtschaften und gleichzeitig sowohl die biologische Vielfalt als auch unsere Lebensgrundlagen im ländlichen Raum zu schützen.“ Der neue Agrarminister Alois Rainer wird sicherlich das Thema bald aufgreifen müssen. Ihm wird es auf eine schnelle Umsetzung ankommen, damit bei uns die Wolfsregulierung unter anderen gesetzlichen Rahmenbedingungen neu erfolgt. Eine Revitalisierung der Achse Berlin-Brüssel und wie Merz daran arbeitet Die schnelle Umsetzung von EU-Regelungen wird ein großes Thema bleiben. Das gilt in vielen Belangen insbesondere für den Agrarbereich. Dazu passt eine Feststellung des CEP, einem europäischen „Think Tank“, der regelmäßig die europäische Gesetzgebung auch hinsichtlich ihrer Umsetzung in den Mitgliedsstaaten untersucht. Dort wird angemahnt: „Zu viel Bürokratie gefährdet Investitionen, hemmt Innovationen und schwächt den Standort Europa.“ Eine sicher nicht repräsentative, aber doch aussagekräftige Unternehmensumfrage habe demnach ergeben, dass in der Wirtschaft in erster Linie nicht die Ziele europäischer Regulierung in der Kritik stehen, sondern deren Umsetzung. Dort anzusetzen, wird eine der Hauptaufgaben von Friedrich Merz sein. Es ist davon auszugehen, dass er Europa bereits im Blick hat. Er weiß, wie die EU mit ihren Organen und Institutionen vom Parlament über die Kommission bis zum Gerichtshof „tickt“. Jedenfalls leiten Beobachter das daraus ab, dass er seine politische Laufbahn als Abgeordneter in Straßburg begonnen hat und in den vergangenen Wochen oft in Brüssel aufgetaucht ist und zugehört hat. Von dort ist zu vernehmen, dass der künftige Kanzler die europäischen Gesetzesvorhaben auf dem Schirm hat. Er arbeitet damit offensichtlich bereits an der Stärkung der Achse nach Brüssel. Der neue Landwirtschaftsminister mit Bodenhaftung und politischer Erfahrung Mit dieser Kernaufgabe wird sich auch der von Markus Söder benannte Kandidat fürs Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und (neu) Heimat, Alois Rainer, vom ersten Tag an befassen müssen. Auf die bekannten Nominierungen sind wir im Blog natur+mensch bereits eingegangen. Wir haben dies auch in der Überschrift „Ein Metzger überrascht alle“ formuliert. Inzwischen scheint es mir eher unangemessen, wie sehr vor allem die Boulevardpresse beim designierten Minister Alois Rainer die Fähigkeiten auf dessen Beruf verengt. Rainer stammt aus einer politischen Familie , ist der Sohn eines erfahrenen Kommunal-, Landes- und Bundespolitikers. Er gehört seit zwölf Jahren dem Deutschen Bundestag an. Seinen Wahlkreis Straubing hat er dreimal mit Ergebnissen von über oder knapp unter 50 Prozent direkt gewonnen. Durch seine Ausschusstätigkeit hat er sich als erfahrener Haushalts-, Verkehrs- und Landwirtschafts- bzw. Ernährungspolitiker profiliert. Dass er als gestandener Bundespolitiker in seinem Beruf zusammen mit seinem Sohn im eigenen Metzgerbetrieb die Bodenhaftung pflegt, spricht nun einmal für ihn. So erwartet der ländliche Raum zunächst mit seinen dort verorteten mittelständischen Unternehmen, der Land- und Forstwirtschaft sowie u. a. Jagd wie Fischerei auch eine praxisnahe Politik . Sie wird wohl fachlich orientiert ausgerichtet sein. Diejenigen, die Rainer in seiner Heimat und mit seinem bisherigen politischen Wirken näher kennen, trauen ihm ein Wirken mit klaren und zeitgemäßen Positionen zu. Das wird sicher auch in der Breite insgesamt einen Unterschied zu Özdemir markieren. Somit ist das nicht allein auf die in den letzten Tagen von Alois Rainer oft zitierte Auffassung über eine gesunde und ausgewogene Ernährung – auch in Kitas und Schulen – zu reduzieren. Rainers Auffassung können wir uns nur anschließen und zusätzlich noch darauf hinweisen, dass besonders unser Fleisch vom Wild zu einem gesunden Leben passt. Der für Natur und Jagd besondere Monat Mai Foto: Eugène Reiter Unsere Jagd trägt entscheidend zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz unserer natürlichen Ressourcen bei. Vielen Menschen, die sich in Feld und Wald regelmäßig erholen und einen großen Teil ihrer Freizeit dort verbringen, ist oft nicht bewusst, dass wir in Mitteleuropa in einer Kulturlandschaft leben, die seit Generationen vom Menschen gestaltet und auch genutzt wird. Da erleben wir immer wieder auch andere Auffassungen, die medial gern verstärkt werden. Alles sich selbst überlassen kann nicht allein ein Rezept für die Zukunft unserer Landschaftsbilder sein. Gerade hat für uns alle mit dem Mai ein besonderer Monat begonnen. Die Natur bricht überall auf. Wir genießen sattes Grün und weiße oder gelbe Flächen mit ihren Blütenmeeren von Raps oder Obstbäumen. Wir müssen uns wohl daran gewöhnen, dass wir dort mit allem früher dran sind als noch vor einigen Jahrzehnten. Das führt vielleicht zu notwendigen Konsequenzen bei der Entwicklung der Jagdzeiten. Aktuell beginnt jetzt in vielen Revieren wieder die jagdliche Aktivität. Der traditionelle Aufgang der Bockjagd lässt ein vielfaches Waidmannsheil hören. Auch wenn der Bock sich nicht zeigen sollte, genießen alle auf den Ständen und Sitzen die aufgehende Natur im frühen Licht. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes Wochenende und unseren Jägerinnen und Jägern ein kräftiges Waidmannsheil! Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination
- Grüne Doppelmoral: Führen ja, dienen lieber nicht
Während Union und SPD die letzten Hürden vor der Wahl von Friedrich Merz überwunden haben und die Kabinettsliste steht, müssen die Grünen noch ihre Rolle in der Opposition finden Robert Habeck (Foto: Nils Leon Brauer) Annalena Baerbock hat sich bereits entschieden: Ein Bundestagsmandat reicht ihr nicht. Robert Habeck schwankt noch, ob er in der zweiten oder dritten Reihe mitarbeiten will. Moralisch so überlegen, wie Grüne sich gern geben, sind sie definitiv nicht. Habeck ist nicht der erste Kanzlerkandidat, der sein Wahlziel weit verfehlt hat. Aber keiner hat bisher die Frage, wie es mit ihm politisch weitergeht, so spannend unbeantwortet gelassen wie der geschäftsführende Noch-Wirtschaftsminister von den Grünen. Nach der herben Wahlniederlage hatte Habeck zunächst verkündet, er strebe bei den Grünen keine Führungsrolle mehr an. Zugleich ließ er offen, ob er sein Bundestagsmandat überhaupt annehmen werde. Das sorgte bei den Habeck-„Jünger*innen (m/w/d)“ geradezu für Panik. Per Online-Petition wurde er beschworen, ja angefleht, unbedingt weiterzumachen. „Du bist für viele ein Hoffnungsträger. Und Hoffnungsträger dürfen nicht gehen, wenn sie am meisten gebraucht werden, sondern müssen Führung und Verantwortung übernehmen“, hieß es dort. Und mehr als 200.000 Habeckianer unterschrieben. Ihr Hoffnungsträger erhörte sie. Er nahm sein Mandat an. Doch kurz darauf waberten neue Gerüchte durch Berlin: Habeck werde sein Mandat vor der Sommerpause niederlegen. Das dementierte dann eine Grünen-Sprecherin: „Nein, das können wir nicht bestätigen. Es ist nicht besprochen, dass Robert Habeck sein Mandat vor dem Sommer zurückgibt.“ Sie betonte: „Wir haben Robert Habeck immer gesagt, dass wir uns sehr freuen, wenn er Mitglied unserer Fraktion bleibt.“ Die Co-Vorsitzende der Fraktion, Birgit Haßelmann, unterstrich dies: „Wir konstituieren gerade die Fraktion, und Robert Habeck wird sich – in Absprache mit uns – künftig im Auswärtigen Ausschuss um das Verhältnis Deutschland-USA kümmern.“ Wie lange bleibt Habeck bei seinem über die Landesliste gewonnenen Mandat? Damit wissen wir immer noch nicht, wie lange Habeck im Bundestag bleibt. Mandatsniederlegung nicht vor dem Sommer, aber vielleicht im Herbst? Bleibt er noch eine Zeitlang Abgeordneter, bis ihm ein attraktiver Job angeboten wird? Oder volle vier Jahre bis zum Ende der Legislaturperiode? Nur eines ist sicher: Das über die Landesliste gewonnene Mandat scheint Habeck nicht viel wert zu sein. Nach seiner Kür zum Kandidaten „für die Menschen“ im November 2024 hatte er angekündigt, er wolle Deutschland „dienend führen“. Er wolle da sein für die Menschen, „die glauben, dass dieses Land seine beste Zukunft noch vor sich hat“, schwadronierte er, vom Parteivolk umjubelt. Nun ja: Ganze 11,6 Prozent der Wähler waren der Meinung, mit Habeck habe Deutschland seine „beste Zukunft“ noch vor sich. Im Wahlkreis Schleswig-Flensburg verlor er das 2021 gewonnene Direktmandat an die CDU-Kandidatin Petra Nicolaisen. Die Grünen erreichten dort in einer ihrer Hochburgen nur noch 15,9 Prozent der Zweitstimmen. Mit solchen Ergebnissen Deutschland zu „führen“, ist natürlich illusorisch. Aber „dienen“ kann man dem Land auch als einer von 630 Bundestagsabgeordneten. Für Habeck hängen „Dienen“ und „Führen“ aber offenbar sehr eng zusammen – vielleicht sogar untrennbar? Die mit Habeck gescheiterte Co-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock hat noch viel deutlicher als die Nummer eins der Grünen die Öffentlichkeit wissen lassen, dass ein Abgeordnetenmandat aus ihrer Sicht nicht viel wert ist. Sie will nicht einfache Bundestagsabgeordnete bleiben; sie zieht es auf die weltpolitische Bühne. Nun ist es nicht so, dass ein vielstimmiger, multinationaler Chor nach der Erfinderin feministischer Außenpolitik gerufen hätte, um Präsidentin der UN-Vollversammlung zu werden. Baerbock hat mit brutalstmöglicher Offenheit nach dem Job gegriffen und dabei die bereits nominierte, ihr fachlich haushoch überlegene Spitzenbeamtin Helga Schmid zur Seite gedrängt. Ein Mann hätte eine Frau nie so skrupellos aus dem Weg räumen können, ohne von den Grünen als übler Macho beschimpft zu werden. Obwohl sie bereits am Kofferpacken ist, hat Baerbock ihr Mandat natürlich angenommen. Zu tun hat sie als Abgeordnete zurzeit nichts. Von ihren Ministerbezügen von knapp 17.000 Euro im Monat könnte sie gut leben. Aber zusätzlich für ein paar Monate noch die (bei Ministern gekürzten) rund 8.600 Euro an Diäten und Aufwandsentschädigung als Abgeordnete mitzunehmen, kann ja nicht schaden. Das Verhalten von Spitzenkandidaten nach Wahlniederlagen verrät viel Baerbock ist auch hier die Nachfolgerin von Joschka Fischer. Der war nach der von Rot-Grün im September 2005 verlorenen Bundestagswahl noch bis November amtierender Außenminister, hatte aber keine politischen Ambitionen mehr. Sein Bundestagsmandat behielt er dennoch bis Ende August 2006. So flossen selbst in der sitzungsfreien Sommerpause die Diäten weiter, bis er als Gastdozent nach Princeton aufbrach. Das Verhalten von Spitzenkandidaten nach Wahlniederlagen verrät viel über deren Charakter und ihr Verständnis von politischer Glaubwürdigkeit. Wer sich anbietet, das Land als Kanzler zu regieren, dem sollte das Land nicht völlig egal sein, wenn es für Platz eins nicht reicht. Der einzige Kanzler, der nach einer verlorenen Bundestagswahl sein Mandat nicht annahm, war 2005 Gerhard Schröder. Die gescheiterten Kanzlerkandidaten der vergangenen 20 Jahre akzeptierten allesamt das Votum der Wähler und nahmen ihren Sitz im Bundestag ein: Frank-Walter Steinmeier (SPD/2009), Peer Steinbrück (SPD/2013), Martin Schulz (SPD/2017) und Armin Laschet (CDU/2021). Auch der abgewählte Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, seinen Aufgaben als direkt gewählter Abgeordneter nachzukommen. Unser Gastautor: Dr. Hugo Müller-Vogg zählt zu den erfahrenen Beobachtern des Berliner Politikbetriebs. Als Publizist und Autor zahlreicher Bücher analysiert und kommentiert er Politik und Gesellschaft.
- Kitzrettung ist eine gemeinsame Aufgabe
Frühjahrsmahd der Wiesen in der Brut- und Setzzeit vieler Wildtiere: Bundesweit werden jetzt viele Teams mit Drohnen und Infrarotkameras Rehkitze, Junghasen und Gelege von Vögeln vor Verstümmelung und dem Tod durch Mähwerke bewahren Foto: Hans-Jürgen Kleinohl / pixelio.de Im Mai und Juni wird der Großteil des Rehnachwuchses geboren. Leider fällt dies mit der Zeit zusammen, in der die Landwirte ihre Wiesen mähen. Die Ricken nutzen diese Flächen aber vielfach als Kinderstube, in der sie ihre Kitze ablegen. Zeitnot, Gleichgültigkeit, Unwissenheit, aber auch Unfähigkeit und fehlende Absprachen zwischen Landwirten und Revierinhabern sind dann oft die Gründe dafür, dass das junge Wild durch den Kreiselmäher verstümmelt oder getötet wird. Jäger haben das in der Vergangenheit zu verhindern versucht, indem sie die betroffenen Flächen kurz vor der Mahd verstänkert oder mit dem Anbringen von akustischen und visuellen Scheuchen wie Knistertüten oder Flatterbändern sowie akustischer Vergrämung das Wild fernzuhalten oder zu vertreiben. Im zeitigen Frühjahr aber sind die Jungtiere noch ohne Fluchtreflex. Sie bleiben trotz solcher Maßnahmen oft in ihren Verstecken liegen. Deshalb suchen Jäger obendrein die Wiesen mit firmen Hunden ab und bringen gefundenes Jungwild in Sicherheit. Technischer Fortschritt als Segen Inzwischen wird dies vielfach mit Drohnen und Wärmebildgeräten erledigt. Da ist der technische Fortschritt ein wirklicher Segen. Zu der Erkenntnis ist auch das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) gekommen. Es fördert in diesem Jahr erneut die Jungwildrettung während der Frühjahrsmahd mit 1,5 Millionen Euro. Anträge können bis zum 17. Juni gestellt werden. Antragsberechtigt sind Kreisjägerschaften und Vereine, die sich die Pflege und Förderung des Jagdwesens oder die Rettung von Wildtieren bei der Wiesenmahd (sogenannte Kitzrettungsvereine) zur Aufgabe gemacht haben. Der Aufwand, den die durchschnittlich achtköpfigen Rettungsteam investieren, ist enorm. Das belegen Ergebnisse einer gemeinsamen Umfrage von Deutscher Wildtierrettung, Deutscher Wildtier Stiftung und Deutschem Jagdverband (DJV). Allein im Hauptmonat Mai engagierten sich die Helfer drei volle Arbeitswochen ehrenamtlich. Jedes Team fliegt dabei durchschnittlich 4,5 Quadratkilometer Grünland mit der Drohne ab. Es besteht in der Regel zu zwei Dritteln aus Jägern und einem Drittel aus Landwirten. Gerettet werden neben Rehkitzen und Junghasen auch Eier und Küken von Fasanen, Rebhühnern sowie Rohr- und Wiesenweihen. Jagdgegner mit widersinnigen Vorwürfen Von Jagdgegnern wird die Kitzrettung immer wieder verächtlich gemacht mit der Behauptung, der Einsatz der Jäger sei schizophren, weil sie später die Rehe tot schießen. Solche Vorwürfe sind in doppelter Hinsicht widersinnig. Zum einen wird aus dem kleinen Kitz als erlegtem Reh ein wertvolles Lebensmittel. Unter diesem Gesichtspunkt verhält der Jäger sich wie jeder Viehhalter, der seine Tiere vor Krankheiten bewahrt. Zum anderen ist das Vermeiden von Verstümmelungen und dem Mähtod ein Gebot des Tierschutzes, der sogar im Grundgesetz als Staatsziel festgeschrieben ist. Deshalb schreibt das einschlägige Gesetz den Flächenbewirtschaftern, also den Landwirten, vor, Maßnahmen zu ergreifen, wenn mit dem Tod oder der Verletzung von Wirbeltieren zu rechnen ist. Erfolgt dies nicht ausreichend, kann es durchaus zu Strafanzeigen und Gerichtsverfahren kommen. Außerdem haben auch Bauern als Inhaber des Jagdrechts eine Hegeverpflichtung. Denn die Schaffung und Bewahrung eines gesunden, artenreichen Wildbestandes ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb sind nach dem Verursacherprinzip auch in erster Linie der Landwirt und der Traktorfahrer für das Absuchen der zu mähenden Flächen zuständig. Der Jagdausübungsberechtigte, sprich der Revierpächter, aber hat eine Mitwirkungspflicht. Häufig genug wird ihm sogar die Gesamtverantwortung für die Jungwildrettung im Pachtvertrag auferlegt. Auch Landwirte haben eine Hegepflicht Auf ganz dünnes Eis aber begeben sich Jagdgenossen, wenn sie nicht auf eine gute Absprache mit den zuständigen Jägern setzen, sondern Außenstehenden die Jungwildrettung übertragen. Zwar sind Rehkitze süß und Maßnahmen zu ihrem Schutz lassen sich unter Tier- und Naturschutzmaßnahmen gut öffentlichkeitswirksam vermarkten. Das Nachstellen und gezielte Aufsuchen von Wild ist aber qua Definition Jagdausübung, sodass sich dann die Frage der Wilderei stellt. Folgerichtig verweisen die Bundesarbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer (BAGJE), der Bundesverband Lohnunternehmen (BLU), der Bundesverband der Maschinenringe (BMR), der Deutsche Bauernverband (DBV) und der DJV darauf, dass effektiver Wildtierschutz bereits vor dem Mähen beginnt. „Entscheidend ist dabei, die anstehenden Termine für den Grünschnitt – für Silage oder Biomasseproduktion – rechtzeitig dem jeweiligen Jagdpächter mitzuteilen und die Mähweise dem Tierverhalten anzupassen“, so die Organisationen. Sie empfehlen generell, das Grünland möglichst von innen nach außen oder von einer Seite zur anderen zu mähen. Das ermögliche den Tieren, während der Mahd in die anliegenden Feldraine zu flüchten, ohne dabei den Schutz des hohen Grases verlassen zu müssen. Zudem verweisen sie auf weitere Techniken, etwa an Schleppern und Mähwerken verbaute Infrarot-Sensortechnik mit Echtzeiterkennung, die zunehmend Eingang in die Praxis finden und ebenfalls ein Mittel der Wahl sein können. Die Organisationen sehen weiterhin einen hohen Bedarf für Forschungs- und Innovationsförderung zum Schutz von Wildtieren und fordern die zukünftige Bundesregierung auf, diesem eine hohe Priorität einzuräumen.
- Ein Metzger überrascht alle
Viele Namen im Kabinett Merz waren schon vorher bekannt, doch gerade beim neuen Landwirtschaftsminister gab es eine faustdicke Überraschung Alois Rainer (Foto: Inga Haar) Zuerst sollte es Günther Felßner werden. Der Chef des Bayrischen Landwirtschaftsverbandes wurde im Wahlkampf sehr früh von Markus Söder aufs Schild gehoben . Doch nach einer überfallartigen Protestaktion von Naturaktivisten, die seinen landwirtschaftlichen Betrieb heimsuchten und die Familie in Angst und Schrecken versetzten, zog Felßner seine Bewerbung für das Berliner Amt zurück . Offen ist geblieben, ob es noch andere Gründe für den Verzicht von Felßner gab oder nicht. So mussten die CSU-Granden schnell einen neuen Kandidaten fürs Agrarministerium suchen. Gerüchten zufolge versuchte die Parteispitze um Söder und auch den ehemaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer die amtierende bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber für den Job im fernen Berlin zu begeistern. Erfolglos offenbar, da Kaniber doch lieber in München bleibt. „ Leberkäse statt Tofu-Tümmelei“ Am Montag also präsentierte – kurz nachdem der CDU-Chef Friedrich Merz seine Minister und Staatssekretäre vorgestellt hatte – Söder seinen neuen Kandidaten fürs Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und (neu) Heimat: Alois Rainer. Mit dem 60-jährigen Bundestagsabgeordneten aus Straubing hatten selbst Insider der Agrarbranche und Journalisten nicht gerechnet. Er sei der „perfekte Kandidat für das um das Thema ‚Heimat‘ erweiterte Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Statt des grün-veganen Özdemir kommt jetzt der schwarze Metzger“, spielte der bayrische Ministerpräsident gewohnt bilderreich auf die berufliche Vita seines Überraschungskandidaten an. „Jetzt gibt es wieder Leberkäs' statt Tofu-Tümelei“, ergänzte Söder. Ungeachtet dieser gewohnt eingängigen Worte seines „Chefs“ macht die Wahl von Alois Rainer aber für die CSU durchaus Sinn: Der langjährige Bundestagsabgeordnete holte stets verlässlich gute Stimmergebnisse in seinem Wahlkreis Straubing (zuletzt satte 44 Prozent), gilt als seriös und fleißig. Und ist durch seine Vita als gelernter Metzgermeister bodenständig im besten Sinn. Das streichelt nicht nur die bayrische Volksseele, sondern dürfte auch eine Konsequenz aus der Tatsache sein, dass es im designierten Kabinett Merz eine Vielzahl von Juristen gibt. Als Parlamentarische Staatssekretärin werden Rainer, dessen Schwester die ehemalige Ministerin und Bundestagsvizepräsidentin Gerda Hasselfeldt ist, die CSU-Bundestagsabgeordnete Martina Englhardt-Kopf sowie die bisherige stellvertretende Fraktionschefin Silvia Breher zur Seite stehen. Die CDU-Politikerin galt selbst als aussichtsreiche Ministerkandidatin, fiel aber wohl dem internen Unionsproporz zum Opfer. Vom – gerade für die Union stets wichtigen – regionalen Ausgleich konnten hingegen einige andere Ministerkandidaten profitieren. So gilt die für das Wirtschaftsministerium gesetzte Katharina Reiche als weibliche Vertreterin aus den östlichen Landesverbänden, weil sie in Brandenburg ihre Heimat hat. Doch die 51-jährige ehemalige Staatssekretärin arbeitet (und lebt) heute in erster Linie in Nordrhein-Westfalen. Seit 2020 ist die gelernte Chemikerin nämlich Vorsitzende der Geschäftsführung des Unternehmens „Westenergie“, einer Tochter des Stromkonzerns Eon. Seit Juni 2020 ist Reiche zudem Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung. Ihre Kontakte in und mit der Politik ließ sie nie ruhen. Genau diese Expertise ließ Merz auf sie aufmerksam werden – trotz räumlicher Distanz. Überraschung auch beim Thema Gesundheit Viel näher arbeitete der designierte Kanzler aber seit dreieinhalb Jahren mit Nina Warken zusammen. Die Rechtsanwältin war seit der Wahlniederlage 2021 Parlamentarische Geschäftsführerin in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wirkte also zu Zeiten der Opposition im Maschinenraum des Berliner Regierungsapparats. Dies zur Zufriedenheit des neuen Kanzlers. Zudem sprach ihre Herkunft aus Tauberbischofsheim für die 45-Jährige. Berührungspunkte zu den Themen Gesundheit sind bei ihr allerdings nicht überliefert. Es wird spannend zu beobachten sein, ob gerade in diesem fachlich und emotional schwierigen Amt dies noch zu einem Nachteil wird.
- Unsere Wochenkolumne mit der Hoffnung auf politische Sicherheit
Liebe Leserin, lieber Leser, in dieser Woche blicken wir mehr nach vorn als zurück: Wahrscheinlich gibt es bis spätestens Mittwoch grünes Licht für die Koalition von Union und SPD. Dann wissen wir hoffentlich endgültig, wie es politisch in unserem Lande weitergeht. Bisher wurde beim Koalitionsvertrag alles nur unter Vorbehalt veröffentlicht. Es gibt nur vermutete oder auch teilweise verworfene Kabinettslisten. Nur die Zahl, welche Ministerien von CDU, CSU und SPD geführt werden sollen, steht fest. Unser außen- und wirtschaftspolitisches Umfeld schreit nach Lösungen und mehr Sicherheit. Friedrich Merz, wenn er denn am 6. Mai durch das Parlament gewählt wird, steht dann als Kanzler vor großen Aufgaben. Weiter gehen wir im Folgenden auf ein paar Themen ein, die mit unserer Jagd direkt und indirekt zu tun haben. Die Verbindung von Politik, ländlichem Raum, Landwirtschaft und Jagd verkörpert unser Gründer der Jägerstiftung natur+mensch, Jochen Borchert. Er ist in dieser Woche 85 geworden. Das ist ein Anlass, auf die Lebensleistung dieses Politikers und ehemaligen Verbandspräsidenten zu schauen. Der politische Betrieb bleibt auch in der Woche nach Ostern reduziert. Alles blickt natürlich darauf, wie die Parteivorsitzenden von CDU, SPD und CSU die im Koalitionsvertrag vereinbarte Ressortzuteilung mit Namen füllen . Das wird offiziell nicht vor Montag (kleiner Parteitag CDU) oder Dienstag der kommenden Woche (Abschluss Mitgliedervotum SPD) geschehen. Obwohl die CSU formal dem ausgehandelten Regierungsvertrag zugestimmt hat, werden auch ihre drei Ministerialen für Innen, Forschung und Landwirtschaft zeitgleich offiziell benannt. Bis zu den beiden genannten Stichtagen wird es weiter nur Spekulationen über alte oder neue kursierende Listen geben. Alles hängt im Kern natürlich vom Votum der rund 360.000 Mitglieder der SPD ab. Ein Fünftel der Mitglieder muss sich mindestens beteiligen. Es wäre eine Überraschung, wenn das nicht klappen würde, zumal das auch eine Schicksalsfrage für Lars Klingbeil wäre, wenn ihm die Genossen oberhalb der notwendigen Quoren nicht folgen würden. Bleiben wir noch mal beim Rätselraten um die Ministerriege . Lediglich der CDU-Generalsekretär Linnemann hat für sich und damit auch für die Öffentlichkeit Klarheit geschaffen. Er will nicht dabei sein, obwohl Merz ihm alle Optionen am Kabinettstisch offengehalten hat. Das ihm offensichtlich zugedachte Wirtschaftsministerium wird so klein geschnitten, dass er (zunächst einmal?) für sich im Kabinett Merz keine Perspektive sieht. Er hatte es mehr auf ein Superministerium mit Wirtschaft und Sozialem abgesehen, da diese großen Themen nach seiner Auffassung nicht isoliert anzugehen sind, sondern nur im Zusammenhang. Außerdem hat sich der Wirtschaftsmann aus Paderborn im Ausschuss „Arbeit und Soziales“ profiliert und Ideen für die Flexirente entwickelt. Seine Ambitionen hat ihm wohl Klingbeil zusammen mit Heil in den Koalitionsverhandlungen durch die ausgehandelte Ressorttrennung für die Bereiche Wirtschaft und Soziales zerschossen. So will sich Linnemann weiter als Generalsekretär der Profilschärfe für die CDU widmen. Jedenfalls konnte er damit überzeugend begründen, warum er seinen Parteivorsitzenden und designierten Kanzler erneut auf die Suche nach dem richtigen Mann oder die richtige Frau für das Wirtschaftsministerium geschickt hat. Der neueste Name auf den Spekulationslisten neben Jens Spahn, der auch als Fraktionschef gehandelt wird: Katharina Reiche. Sie gehörte dem Bundestag bis 2015 an, war Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen und arbeitet jetzt als Managerin im E.ON-Konzern. Das wäre eine vielversprechende Alternative für Merz. Schon ein 100-Tage-Programm für das Landwirtschaftsministerium? Auf das Thema Landwirtschaft, ländlicher Raum und damit auch Zuständigkeit für Jagen, Fischerei und Forst sind wir an dieser Stelle schon mehrfach eingegangen. Obwohl noch nicht bekannt ist, wer das Amt übernimmt, soll in der Union angeblich bereits ein 100-Tage-Programm vorliegen. Unter anderem spekuliert das die BILD-Zeitung mit der Kernaussage, dass die zentralen Punkte der Politik von Noch-Minister Cem Özdemir rückabgewickelt werden. Oben auf der Liste steht dabei natürlich die Rücknahme der Agrardiesel-Besteuerung. Gleich danach folgt die schnelle Absenkung des Schutzstatus für den Wolf , die aus dem EU-Recht in nationales Recht überführt werden soll. Zitiert wird der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger dort weiter mit der Absicht, das Werbeverbot für angeblich ungesunde Lebensmittel wieder abzuräumen und das Düngemittelrecht so zu reformieren, dass „ unser Wasser geschützt ist und unnötige Bürokratie vermieden wird“ . Weiter soll das Agrarstatistikgesetz so angefasst werden, dass mit 90 Millionen Entlastung gerechnet wird. Bilgers Stichworte: „Weniger Gängelung, mehr Praxistauglichkeit, finanzielle Entlastung, weniger Bürokratie und mehr Freiraum”. Dann hoffen wir mal, dass das alles aufgeht, ohne zu wissen, wer Ressortchef wird. So warten wir ab, wer oder welche Dame aus der CSU das umsetzen soll. Heißeste Kandidatin ist nach dem aktuellen Stand verbreiteter Spekulationen Michaela Kaniber , die aktuelle Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus. Die direkt für den Kreis Berchtesgadener Land in den Bayerischen Landtag gewählte 47-jährige Ministerin gilt als Söder-Vertraute und könnte ein weiteres CSU-Gesicht neben Alexander Dobrindt und Dorothee Bär in Berlin werden. Sie gilt in der CSU als „Bauernflüsterin“. Würde sie es werden, hat der Ministerpräsident ein Personalproblem in München, zumal unverändert Hubert Aiwanger als ungeliebter Koalitionspartner Söders aus dem Kabinett die 100.000 bayerischen Landwirte ständig im Auge hat. Die Grünen versuchen erst einmal, sich neu zu sortieren Von den Grünen reden in Berlin in diesen Tagen nur wenige politische Beobachter. Das sind in überwiegender Zahl diejenigen, die in der Politik nach meiner Wahrnehmung auf möglichst vielen Ebenen versuchen, aus meist urbanen Perspektiven und Ansichten die Regeln für das Leben und Wirtschaften auf dem Lande durchzusetzen. Da werden sie wohl auch nicht nachlassen, wie die ersten Bewertungen des Koalitionsvertrages ausfallen. Unser Gastautor Hugo Müller-Vogg stellt in einem Kommentar fest : „Moralisch so überlegen, wie sich Grüne gerne geben, sind sie definitiv nicht.“ Er befasst sich mit dem Verhalten ihrer Spitzenkandidaten nach der Wahlniederlage und dem Verständnis von politischer Glaubwürdigkeit. Wir werden seinen Beitrag in der kommenden Woche in unserem Blog veröffentlichen. Zahlen zu den Folgen von Wildunfällen und das Thema Kitzrettung Foto: Rainer Sturm / pixelio.de Zum Ende der Woche hat eine Studie zu Wildunfällen mit Versuchen von Unfallforschern zu dem Ergebnis geführt, dass viele Auto- und Motorradfahrer zu Schaden kommen, weil sie sich nicht richtig verhalten. Meist werden die Zahlen von Wildunfällen mit gefallenen Stücken in Statistiken gemeldet. Dabei gibt es unbestritten eine hohe Dunkelziffer. Polizeilich erfasst werden sie in der Regel, wenn Menschen zu Schaden kommen. So verunglücken jährlich fast 3000 Menschen bei Wildunfällen . In der zitierten aktuellen Studie wurden nach diesen Angaben für 2023/2024 genau 2351 Wildunfälle untersucht, bei denen 2771 Menschen verletzt wurden. Von ihnen kamen acht zu Tode. Die Björn Steiger Stiftung konnte damit nachweisen, wie gefährlich Wildunfälle für Auto- und Motorradfahrer sind. Die schweren Folgen treten meist ein, wenn die Fahrer versuchen, dem plötzlich wechselndem Wild auszuweichen und dann in eine gefährlichere Situation geraten, indem sie etwa von der Straße abkommen und mit Bäumen kollidieren oder in Gräben abkommen. Erfahrene Jäger haben schon immer den Rat gegeben, möglicherweise gegen eigenes Empfinden dem Tier nicht auszuweichen, um einen schwereren Schaden auch an Leib und Leben zu vermeiden. Es lohnt sich, die Veröffentlichung der Unfallforscher zu lesen . Um die Rettung vorwiegend von Rehwild geht es dagegen bei vielen ehrenamtlichen Einsätzen. Unser Autor Christoph Boll schildert in seinem Beitrag „Kitzrettung ist gemeinsame Aufgabe“ , mit welchem Engagement in dieser Zeit bundesweit viele Teams mit Drohnen und Infrarotkameras Rehkitze, Junghasen und Gelege von Vögeln vor Verstümmelung und dem Tod durch Mähwerke bewahren. Und er schildert, wie die Jungwildrettung gefördert wird und wie das beantragt werden kann. Aktuell ist das Thema wieder im Frühjahr, wenn die Frühjahrsmahd der Wiesen mit der Brut- und Setzzeit vieler Wildtiere zusammenfällt. Glückwunsch an Jochen Borchert zum 85. Geburtstag StagiaireMGIMO , Jochen Borchert (2018) , CC BY-SA 4.0 „Es geht um den Grundsatz und die Stärke des ländlichen Raumes: Jagd geht nicht ohne Bauern, Eigentümer, Waldbesitzer und Fischer – das gilt auch umgekehrt. Ich nenne hier nur die großen Gruppen beispielhaft. Ohne diese Gemeinsamkeit gibt es auch keinen wirkungsvollen Naturschutz.“ Das hat Jochen Borchert bei seiner letzten Rede als Präsident des Landesjagdverbandes 2012 hinterlassen. Aktueller Anlass waren damals die Diskussionen um die politischen Rahmenbedingungen und damit um die Zukunft der Jagd . Das hat sich bis heute nicht geändert. Daran erinnert heute die Jägerstiftung natur+mensch anlässlich des 85. Geburtstags, den Borchert gestern im Kreis seiner „Großfamilie“ und mit Weggefährten in Bochum feiern konnte. Die Stiftung war von ihm 2005 gegründet worden, um unter anderem durch eine zusätzliche Kommunikation den Interessen der Jagd im Verbund des ländlichen Raumes ein zusätzliches Gewicht zu verleihen. Sein Nachfolger als Vorsitzender der Stiftung, die diesen Blog herausgibt, Georg Graf von Kerssenbrock, erinnert daran, dass das damals zukunftsweisend war und auch heute nicht an Aktualität verloren habe. Insofern sei sein Vorgänger Jochen Borchert mit seiner Stiftungsinitiative ein Visionär gewesen. Es gehe nun unter anderem weiter darum, die Jagd aus ihrem gesellschaftlichen Rechtfertigungsdruck herauszuführen und die Bewirtschaftung der Natur als Handlungsprämisse des Eigentums zu festigen. Borchert wurde in Nahrstedt bei Stendal geboren, absolvierte eine landwirtschaftliche Lehre, erwarb den Abschluss als Agraringenieur und schloss sein Studium als Diplom-Ökonom ab. Von 1989 bis 2009 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und von 1993 bis 1998 Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Als passionierter Jäger war er in Nachfolge von Constantin Freiherr von Heereman lange Jahre im Anschluss an seine Aufgaben als Minister Präsident des Deutschen Jagdschutzverbandes und des NRW-Landesjagdverbandes. In dieser Zeit gründete er die „Jägerstiftung natur+mensch Zukunft stiften“. Zu seinen Ämtern und Aufgaben gehörte zuletzt die Leitung der nach ihm benannten Borchert-Kommission. Sie formulierte aus gegensätzlichen Interessen rund um die Nutztierhaltung heraus Empfehlungen zum Umbau zu zukunftsfesten Haltungsformen von Nutztieren. Das Ergebnis fand übrigens jetzt unter anderem seinen Niederschlag in der aktuellen Koalitionsvereinbarung von Union und SPD. Borchert ringt stets um vernünftige Lösungen auf der Grundlage von Argumenten. Besonnen, ruhig überlegend, Nüchternheit in der Analyse und ohne Eitelkeit. So war es gestern wieder unter anderem in Stichworten über seine Art und sein stets zielführendes Wirken zu hören. So verbleibe auch ich ebenfalls mit meinem herzlichen Glückwunsch zum 85. Und mit besten Grüßen an Sie, liebe Leserinnen und Leser Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination
- Jagd auf den Wolf
Der Weg, den Schutzstatus des Beutegreifers zu senken, ist frei. Schon sehr bald werden die Voraussetzungen dafür geschaffen sein, dass der Wolf in Deutschland wieder unter das Jagdrecht fällt. Foto: Alexas_Fotos Jetzt dürfte es ganz schnell gehen. Dann kann er erstmals seit Jahrzehnten unter strengen Voraussetzungen hierzulande wieder erlegt werden. Am Mittwoch vor Ostern haben die EU-Botschafter der 27 Mitgliedstaaten keine Bedenken geltend gemacht gegen den Vorschlag der Kommission, den Schutzstatus des Beutegreifers im Anhang der Richtlinie Fauna-Flora-Habitat (FFH) von „streng geschützt“ auf „geschützt“ herabzusetzen. Vor anderthalb Jahren war das noch undenkbar. Eine Sperrminorität von Mitgliedstaaten, darunter Deutschland und Länder ohne Wolfspopulation wie Irland, war dagegen oder zerstritten und musste sich deswegen enthalten. In Deutschland und in Irland blockierten die Grünen in den jeweiligen Regierungen die sinnvolle Herabstufung mit dem Hinweis auf den Artenschutz. Dabei sollte es keinen Zweifel geben, dass die Bestände in Kontinentaleuropa nicht mehr gefährdet sind. Mehr noch: In Deutschland etwa vermehrt sich die ehemals vom Aussterben bedrohte Art so erfolgreich, dass es zu vielen Rissen von Weidetieren und anderen Konflikten kommt. Auch im Europaparlament hat sich die Vernunft durchgesetzt. Der federführende Ausschuss für Umwelt, Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (ENVI) will die Sache sogar im Eilverfahren beschließen. Darauf haben sich die Koordinatoren, wie im Europaparlament die Obleute heißen, geeinigt. Das bedeutet, dass der Ausschuss die Entscheidung durchwinkt und darauf verzichtet, Änderungsanträge zu behandeln. Dass sich die Umweltpolitiker auf das Eilverfahren verständigt haben, ist eine kleine Sensation. In der letzten, der neunten Wahlperiode war der ENVI so ambitioniert in Sachen Green Deal, dass seine Beschlüsse vielfach im Plenum keine Mehrheiten bekamen. Wenn dann beide Kammern auf EU-Ebene, der Ministerrat der Mitgliedstaaten und das Parlament, grünes Licht gegeben haben, ist der deutsche Gesetzgeber am Zug. Hierzulande sind Bund und Länder bereit, die EU-rechtliche Lockerung umzusetzen. Darauf konnten sich Union und SPD im Koalitionsvertrag einigen. Dort heißt es, „unverzüglich“ werde die neue Bundesregierung das Bundesnaturschutzgesetz anpassen, sobald die FFH-Richtlinie geändert ist. Der Bundesrat hat eine Entschließung verabschiedet, die Lockerung rasch umzusetzen. Damit würde der wohl nächste Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) beim ersten Test sein Versprechen halten, dass die Bundesregierung sich in Brüssel künftig nicht mehr so häufig enthält. Die ständige Enthaltung der deutschen Ampelregierung im Rat bei wichtigen Dossiers hatte die anderen Mitgliedstaaten so entnervt, dass dieses Abstimmungsverhalten scherzhaft schon als „German Vote“ bezeichnet wurde. Die Erwartung in Brüssel ist, dass unter einem Kanzler Merz Deutschland auf EU-Ebene wieder mehr in die Offensive geht. Die EU ist lange gut damit gefahren, als der deutsch-französische Motor noch lief. Und das ging so: Die Regierungen in Paris und Berlin haben immer wieder ihre häufig widerstreitenden Interessen erst untereinander beigelegt und dann bei den anderen Mitgliedstaaten um die nötigen Mehrheiten geworben. Schon bald kommt der Vorschlag der Kommission für die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Spätestens dann sollten der französische Präsident Emmanuel Macron und Kanzler Merz an alte Zeiten angeknüpft haben.
- Küstenfischerei mitten in großer Krise
Die Küstenfischerei in schweren Gewässern. Das beschreibt sprichwörtlich die aktuellen Sorgen an der See. Kleine Familienbetriebe mit ihren Kuttern, Handel, Gastronomie und Verbraucher spüren die Auswirkungen Foto: Uwe Steen / pixelio.de „Angesichts der Krise der Fischerei in der Ostsee, aber auch in Anbetracht der Entwicklungen in der Nordsee, stellt sich die Frage nach einer Langfristperspektive der deutschen Küstenfischerei.“ So beschreibt das Thünen-Institut die Probleme direkt und indirekt Betroffener. Klimawandel, Fangverbote, Brexit, ausufernde Bürokratie, eine überalterte Flotte, Corona-bedingte Absatzprobleme und zunehmende Konkurrenz in der Flächennutzung: Die Küstenfischerei an Nord- und Ostsee stelle sich großen, teils existenzgefährdenden Herausforderungen. Umgekehrt würden viele Menschen gerade mit der Küstenfischerei positive Eigenschaften verbinden; etwa weil sie mit ihrer nachhaltig wirkenden und handwerklichen Tätigkeit frischen, regional gefangenen Fisch aus den Gewässern hole. Die Auswirkungen sind direkt an der Küste für Händler, Gastronomie und Verbraucher zu spüren sowie auch im Geldbeutel bzw. den Urlaubskassen der Gäste auf den Inseln oder an der Küste von Nord- und Ostsee. Damit inzwischen auch dort, wo der Tourismus seit einigen Jahren ein größerer Wirtschaftsfaktor ist als die Fischerei, die hier über Jahrhunderte betrieben wird. Beispiel von Gegensätzen: die Insel Sylt Im und vor dem nördlichsten Fischrestaurant Deutschlands pulsiert das Leben. Und der Umsatz. Bei „Gosch“ in List auf Sylt läuft das Geschäft. Touristen-Ansturm über die Oster-Feiertage. „Jönne“ Gosch, der hier Anfang der 70er-Jahre mit einer Fischbude begann und heute mit einem deutschlandweiten Imperium die Branche anführt, mischt sich fast jeden Tag unter die Gäste und geht keinem Gespräch aus dem Weg. Die großen Sorgen der Fischerei sind ihm nicht fremd, gesprochen aber wird darüber kaum. Bei „Gosch“ wird gefeiert, tagaus tagein. Wenige hundert Meter weiter, im Hafen von List, herrscht grauer Alltag. Die Fischbestände gehen zurück, was in diesem Jahr besonders die Krabben betrifft. Ein Krabbenbrötchen kostet zwischen sieben und zehn Euro. Auf dem gerade eingelaufenen und in die Jahre gekommenen Kutter sind die Netze nicht einmal halbvoll. So geht es jetzt schon seit mehreren Jahren. Krabben und Heringe sind besonders knapp. In der größten Krise seit der deutschen Einigung Die deutsche Küstenfischerei befindet sich in der größten Krise seit der deutschen Einigung. Die verbliebenen Betriebe stehen vor großen Herausforderungen. Der Zustand der Meeresfischerei ist schlecht, Fanggebiete entfallen durch den massiven Ausbau von Offshore-Windparks, die hohen Treibstoffpreise belasten zunehmend, der Nachwuchsmangel ist akut und die Öffentlichkeit nimmt die Fischerei als Stressfaktor für die Meeresumwelt wahr. Gleichzeitig aber wünscht sich die Gesellschaft eine vitale, zukunftsfähige Küstenfischerei. Sie soll, so heißt es bei der Zukunftskommission Fischerei (ZKF), „nicht nur den Markt mit einem gesunden und vergleichsweise umweltfreundlich erzeugten Lebensmittel versorgen, sondern auch den Tourismus und die kulturelle Identität fördern“. Auf Sylt funktioniert diese Symbiose. Die Norddeutschen verzehren im bundesweiten Vergleich den meisten Fisch. An der Spitze steht Bremen mit 6,6 Kilogramm vor den Nordlichtern aus Schleswig-Holstein, die rund 6,5 Kilogramm vertilgen. Leicht darunter liegen Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die von der alten Bundesregierung ins Leben gerufene „Zukunftskommission“ hat rund 120 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um die größten Sorgen zu lindern. So gibt es Abwrackprämien für die Kutter, dafür sind 20 Millionen Euro vorgesehen. Für ein Zusatzeinkommen Die Vorsitzende Ulrike Rodust, eine frühere schleswig-holsteinische SPD-Europaabgeordnete, macht sich inzwischen für ein Zusatzeinkommen der Fischer stark. Diese könnten sich mit neuen Kuttern als Meeresforscher ein Zubrot verdienen, wie sie jetzt in einem Interview mit dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (sh:z) sagte. Die modernen Kutter seien mit einem Klein-Labor ausgestattet, um auf dem Meer Daten einzusammeln. Der Fischer soll so eine Perspektive in neuer Doppel-Funktion erhalten. Rodust nimmt die Branche in Schutz. Es gebe seit 2013 in der Ostsee keine Überfischung mehr. Die Ostsee sei mittlerweile zwei Grad zu warm für den Hering und den Dorsch, sagt die Politikerin, die mit ihrer Zukunftskommission deshalb an weiteren Lösungen für die Fischerei arbeitet. Am Ende finden sich die Fischer gleichwohl in einem veränderten Konkurrenzwettbewerb um alte Fischbestände und neue Nutzer der See wie etwa Energiegewinnung, Militär und Zunahme der Schifffahrt mit neuen Abgrenzungen von Nutzungsrechten auf den Seekarten.
- Es gibt viele Argumente für die Jagd und gegen ihre Gegner …
Die Jagd ist die älteste Form der Naturnutzung. Und sie weckt Emotionen – dafür und dagegen. Eine Konfliktlinie verläuft auch zwischen Naturferne und Naturnähe. Hier eine gemeinsame Betrachtung dazu Foto: dustinthewind Unabhängig vom Vorhandensein des Menschen kennt die Natur keine Gewaltlosigkeit – genauer analysiert aber auch keine Gewalt im menschlichen Verständnissinn. Gegen solche Logik sind wir nicht ohnmächtig. Natur ist – unabhängig ob Tiere oder Pflanzen – von Beginn an einem permanenten Verdrängungsprozess unterworfen, der die Ausrottung einzelner Arten einschließt. Genau dieses Prinzip kennt die Jagd nicht. Sie verfolgt auch den Fortbestand von Arten, die – vor allem auch – durch menschliches Einwirken in der Natur zum Aussterben verdammt wären. Jagd bestätigt die Logik, dass der Mensch nachhaltig nur schützt, was ihm einen Wert darstellt. Die Existenz eines möglichst artenreichen Wildbestands liegt also unbestritten im Interesse der Gesellschaft und der Jägerschaft. Das finanzielle Engagement vieler Beteiligter in der Jägerschaft für den Artenschutz wird anderen Organisationen zur Nachahmung empfohlen. Artenschutz zum Nulltarif gibt es nicht. Geld ist durch Emotion nicht zu ersetzen – Jäger investieren beides in den Erhalt der Artenvielfalt. In der Erwartung, dass die Kritik an der Nahrungsnutzung von Tieren nach der Jagd auch die bäuerliche Tierhaltung betreffen wird, verweisen Jägerinnen und Jäger auf die vielfältige Bedeutung, die Jagd und bäuerliche Landwirtschaft für den Erhalt der Kulturlandschaft haben. Heimat wird nicht wiederzuerkennen sein, wenn auch die bäuerliche Landnutzung wegfallen sollte. Verzicht auf Jagd wäre gesellschaftsverträglich nicht umsetzbar Realität ist, dass auch zahlreiche Nutztierrassen nicht überleben werden, wenn Bauern und Jäger durch Wegfall der Fleischverwertung ihre Existenzgrundlage verlieren. Eine sich in großer Mehrheit vegetarisch ernährende Menschheit wird die zum Artenerhalt notwendigen Mittel nicht aufbringen können und wollen. Schließlich bezweifelt die Jägerschaft aus gutem Grund, dass der Verzicht auf die Jagd gesellschaftsverträglich umsetzbar wäre. Die Konfliktfelder reichen von Wildschäden, die auch vegetarische Nahrungsgrundlagen bedrohen, bis zur Frage, ob unsere Zivilisation einem Zusammenleben mit einer unkontrollierten Raubtierpopulation (auch mental) wirklich gewachsen wäre. Beispielhaft zu verweisen wäre einmal auf Schweden, wo nach anfänglicher Raubtier-Begeisterung breiter Gesellschaftsschichten die Jagd auf Bären und Wölfe wieder zugelassen wurde. Der Wolf ist nicht gefährdet, aber in seinem Bestand verträglich unter Kontrolle. Damit ist auch der von ihm verursachte Schaden unter Kontrolle. Letztlich konzentriert sich die Konfliktlage auf die Frage, ob die Dominanz des Menschen in der Natur aufgegeben werden soll. Ein solches Wollen beträfe eine Fülle von Lebensbereichen weit über die Jagd hinaus. Ohne die Jagd oder andere – wohl fragwürdigere – Methoden der Bewirtschaftung von Wildtierbeständen ergäbe sich eine Fülle von Folgeproblemen. Letztendlich geht es um die Erkenntnis, dass die Jagd ein wesentlicher Bestandteil unserer Zivilisation ist. Die Suche nach Alternativen wäre ein riskantes Experiment mit höchst ungewissem Ausgang.
- Unsere Wochenkolumne nach dem schwarz-roten Schulterschluss
Liebe Leserin, lieber Leser, wir können nach dieser historischen Woche hoffentlich eine stabile Regierung erwarten. Die noch zu bestätigende Koalition heißt nicht groß, sondern nutzt die im Sprachgebrauch gängigen Parteifarben schwarz-rot. Der Titel lautet schlicht „Verantwortung für Deutschland“ . Er enthält die Aussage „Die Mehrheit der Menschen in Deutschland lebt in ländlichen Regionen“. Das wird in der Alltagspolitik und ihren Schlagzeilen oft vergessen, trifft aber die Motivation für die Themen, mit denen sich unsere Redaktion von natur+mensch regelmäßig im Blog und diesem regelmäßigen Wochenkommentar und ihrem E-Mail-Newsletter befasst. Wir blicken so insbesondere durch die Brille der Jagd auf ihr gesamtes Umfeld, mit dem sie in der Praxis vielfältig vernetzt ist. Vieles geht von der Politik aus, wenn wir unsere Kommunikation unter die Erkenntnis setzen „Jagd funktioniert nur, wenn der ländliche Raum funktioniert“ . Auch ich war der Empfänger einer WhatsApp-Nachricht am Mittwoch aus einer Berliner Quelle über erste Inhalte des Koalitionsvertrages mit dem vermeintlichen Schlusspunkt einer Personalliste für das geplante Kabinett. Sofort folgte der Hinweis „Liste ist alt“. Das deutet darauf hin, dass die kursierenden und inzwischen weit verbreiteten mutmaßlichen Namen für die Damen und Herren Minister im Verhältnis von CDU, SPD und CSU mit 7-5-3 aus dem inneren Kreis versehentlich zu früh herausgelassen wurden. Die Liste wurde wieder einkassiert, kursierte aber in verschiedenen Social-Media-Kanälen. Formal sind die Personalentscheidungen nicht gefallen. Vielleicht besteht auch noch Korrekturbedarf. Gleichwohl sind da Namen in der Welt, auf die es zum Teil herauslaufen wird. Zunächst einmal ist die Kabinettsstruktur gerade für unseren Bereich bemerkenswert . Es gibt zwar ein Ministerium mehr. Das ist aber nicht darauf zurückzuführen, dass „Ernährung, Landwirtschaft und Heimat“ (CSU – Michaela Kaniber?) und „Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit“ (CDU – Andreas Jung?) neu zugeschnitten werden. Die Bayerin und der Baden-Württemberger hätten, wenn es denn so kommt, in den vielen absehbaren Schnittbereichen wenig zu erwartende Abstimmungsschwierigkeiten. Das wäre für Landwirtschaft und Forst unter Einschluss der jagdlichen Belange sicher gut. Warten wir mal ab, was dann am Ende nach Zustimmung der Parteigremien und insbesondere mit Blick auf die SPD-Mitgliederbefragung aus Spekulationen Wirklichkeit wird. Die Absegnung, die bereits am Donnerstag im einfachen Verfahren eines Vorstandsbeschlusses durch die CSU erfolgt ist, bleibt Voraussetzung für das Zustandekommen der Regierung Merz. Am 28. April soll das für die CDU der kleine Parteitag erledigen. Und dann ist wohl am 6. oder 7. Mai die Kanzlerwahl. Dann kommt es auf die Inhalte an Der Koalitionsvertrag will neues Vertrauen in die Lösungskompetenz des Staates auslösen. So haben es Friedrich Merz und Lars Klingbeil bei dessen Präsentation in den Arbeitsräumen des Deutschen Bundestages, dem „Paul-Löbe-Haus“ , vermittelt. Ihr Einigungsdruck kam von innen und außen . Drei Jahre Wirtschaftsflaute, offensichtlich falsche Weichenstellungen der Ampel sowie der poröse Zustand Europas. Vielleicht festigt sich da auch mit unserer designierten Kanzlerschaft nach dem Start eines amerikanischen Präsidenten, der konfus mit Wirkung auf die Weltwirtschaft und die internationale Sicherheit keinen Stein auf dem anderen lässt. Dementsprechend bewegt sich die Kritik am schwarz-roten Vertragswerk im Inneren nach erster Beobachtung für die Protagonisten von Union und SPD im Rahmen. Die Skeptiker sind in der Minderzahl und die Opposition reagiert so, wie sie reagieren muss. Auf das Thema Finanzierung konzentrieren sich viele Kommentatoren. Da hängt nun einmal viel davon ab, ob und wie unsere Wirtschaft aus der Flaute kommt und damit Steuern und Sozialversicherungsbeiträge durch bessere Geschäfte wieder anziehen. Ein Lieblingskind der SPD, der Mindestlohn etwa, wird im ländlichen Bereich möglicherweise Folgen auslösen, die noch nicht abzusehen sind. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat die Gesamtkosten der geplanten Entlastungen auf 50 Milliarden Euro prognostiziert. Dagegen stehen erst einmal verabredete „Eigenleistungen“ der neuen Koalition zur Finanzierung wie Einsparungen durch die Reduzierung der Verwaltungskosten bis 2029, durch weniger Stellen, Halbierung der Zahl der Regierungsbeauftragten (bisher 43). Allein das Büro der beauftragten Staatsministerin für Migration hat neben ihrem Leitungspersonal acht weitere Referate. Das ist nur ein beispielhafter Einzelfall dafür, was hinter der Funktion der Beauftragten steckt. Die Finanzierbarkeit dessen, was im Koalitionsvertrag steht, wird gleichwohl ein Knackpunkt für den Regierungsalltag bleiben. Zum Thema solider Staatsfinanzen begleitet mich im Büro seit vielen Jahren ein heute noch wahrlich aktuelles Zitat von Cicero (siehe Bild rechts). Was haben die Menschen im ländlichen Raum zu erwarten? Unser Autor Christian Urlage hat sich bereits in seinem aktuellen Beitrag im Detail damit beschäftigt , was die Menschen zu erwarten haben, die im ländlichen Raum leben und zum überwiegenden Teil auch arbeiten. Er ist das erst einmal technisch über die Volltextsuche in den 146 Seiten Koalitionsvertrag mit dem Stichwort „ländlich“ angegangen. Das hat immerhin 24 Treffer gebracht. Dazu gehören natürlich Landwirtschaft, Waldwirtschaft, Ernährung, Umwelt bis hin zur Jagd. Da fällt auf, dass künftig das Thema Wolf mit einer „rechtssicheren Entnahme“ anders angegangen werden soll als bisher. Der geplante Herdenschutz wird auch Auswirkungen auf viele Reviere haben. Jedenfalls wird angekündigt, den Wolf ins Jagdrecht zu nehmen. Zur Bekämpfung des illegalen Waffenbesitzes soll das Waffenrecht „evaluiert und fortgeschrieben werden“. Das lässt auch in diesem Bereich für unsere Jägerinnen und Jäger auf mehr Rechtssicherheit und sachgerechte Behördenarbeit hoffen. Foto: Amprion GmbH / Frank Peterschröder Und es wird auch betroffene Landwirte freuen, dass beim sicher dringenden Netzausbau mehr auf Freileitungen gesetzt werden soll als wie bisher auf Erdkabel. Diese führen für betroffene Landwirtschaftsbetriebe bei allen Entschädigungsregelungen nun einmal zu erheblichen Eingriffen. Ein Betroffener im Teutoburger Wald, bei dem Erdverlegung bereits läuft, hat mir gezeigt, wie es aussieht, wenn der obere Boden eines Ackers abgetragen wird und auf ca. 50 Metern Breite ein kilometerlanger Graben gezogen wird. Er erwartet bei diesem Eingriff in sein Eigentumsrecht eine „Fußbodenheizung“ unter seinen Feldern, die im Normalbetrieb rund 40 Grad abgeben wird und im Höchstbetrieb auf bis zu 80 Grad ansteigt. Der Netzbetreiber Amprion hatte sich bereits auf den Vorrang von Erdkabeln festgelegt und beklagt nun die neue Richtungsentscheidung zu diesem Thema. Für die zweite Leitung, die ebenfalls durch den Teutoburger Wald führt, muss damit bald wohl umgeplant werden. Für die Netzkosten kann das nur gut sein: Erdkabel verursachen wesentlich höheren Aufwand als Freileitungen. Mit dem Thema haben wir uns ebenfalls vor einiger Zeit im Blog befasst. Ungleichgewichte verstärken sich Die Strukturen zwischen urbanen und ländlichen Räumen verändern sich . Bei allen politischen Bemühungen verstärken sich Gegenbewegungen. So hat jetzt das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden prognostiziert: Der demografische Wandel wird ländliche Regionen sehr viel stärker treffen als Großstädte. Wo heute schon verhältnismäßig viele Senioren leben, werde sich das Ungleichgewicht zwischen Alt und Jung dagegen weiter verschärfen. Man beobachte, dass jüngere Menschen zunehmend Perspektiven für Studium und Beruf in den Großstädten suchen. Der Trend werde sich in den nächsten Jahrzehnten verstärken. Was das Institut nicht registriert hat, aber Zahlen belegen, ist die Zunahme von Menschen aus den Ballungsregionen, die Jagdscheine erwerben wollen. Bleiben wir zum Schluss dieser Wochenkolumne in der Natur. Sie zieht sich im Kalender bei uns langsam nach vorn. Aufspringende Knospen und Blüten faszinieren uns, wenn wir nach draußen gehen. Einen weiteren Beleg für Veränderungen in der Natur liefern neben Meteorologen oder Klimawissenschaftlern Schweizer Forscher. Dank des milden Frühlings erscheinen auch dort die ersten Zugvögel bereits früher als je zuvor. Nach den Beobachtungen in der Schweiz waren die Sommergäste vor einem halben Jahrhundert dort in dieser Zeit noch nicht zu sehen. Auch bei uns sind beispielsweise viele Störche bereits zurück. Auch wenn der notwendige Regen kommen sollte, lohnt es sich gerade in dieser Zeit, rauszugehen und die Natur zu genießen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes Wochenende. Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination










