Unsere Kolumne mit Blick auf die Woche vor der Kanzlerwahl und mit Waidmannsheil zur Bockjagd
- Jost Springensguth
- 2. Mai
- 6 Min. Lesezeit

Liebe Leserin, lieber Leser,
in dieser Woche blicken wir wie im letzten Samstagskommentar von natur+mensch noch einmal mehr nach vorn als zurück: Dienstag wird der neue Kanzler gewählt. Voraussetzung: Die Abgeordneten stimmen so, wie der Vorstand der CSU, der kleine Parteitag der CDU und die SPD das mit ihrem Mitgliedervotum vorbereitet haben. Dann wird sich endgültig zeigen, ob und wie die neue Regierungsmehrheit im Parlament steht. Merz wird bis dahin auch wissen, wie der sozialdemokratische Teil seines Kabinetts aufgestellt ist. Mit den alten und neuen Köpfen der Union haben sich schon viele Talkshow-Gäste und Kommentatoren befasst. Hinter Klingbeil bleibt die SPD vorerst noch eine Blackbox. Dienstag beginnt dann die Lieferzeit des neuen Kabinetts. Wir schauen besonders weiter auf das, was im ländlichen Raum relevant ist – und auf die Jagd. Am Donnerstag ist bei uns zum traditionellen Datum die Bockjagd aufgegangen. In anderen Regionen Deutschlands läuft sie derweil zum Teil schon seit einem Monat, je nach regionalen und örtlichen Gegebenheiten oder zum Schutz nachwachsender Wälder.
Seit dem 6. November letzten Jahres und damit seit 180 Tagen verharrt Deutschland im politischen Stillstand. Währenddessen hat sich um uns herum in der Welt und Europa viel ereignet. So hat das für eine angestaute Sehnsucht gesorgt, wonach sich nun endlich von Berlin aus wieder mehr bewegen sollte. Viele warten auf einen Ruck nach vorn, der nicht nur vom Kanzler ausgeht, sondern auch von den Ministerien und damit den Köpfen seines noch designierten Kabinetts. Wir wissen mit der Ausnahme von Lars Klingbeil als Finanzminister offensichtlich bis zum letzten Moment nicht, wer die anderen SPD-Köpfe sein werden. Da wird bis zuletzt noch viel spekuliert. Und es gibt offensichtlich bis zum Texten dieses Briefes noch ungelöste Fragen, was aus der Co-Chefin an der Parteispitze nun wird. Welche Verwendung wird es für Saskia Esken geben, der immerhin nachgesagt wird, in den Koalitionsverhandlungen Themen und Posten für die SPD durchgedrückt zu haben? Ihre vermeintliche Stärke hat letztlich zur Verärgerung in Unionskreisen geführt. Jedenfalls wurde immer wieder infrage gestellt, ob das aus dem Koalitionsvertrag abzuleitende Gewicht der SPD angemessen und verhältnismäßig zum Wahlergebnis von 16,4 Prozent steht.
Sei´s jetzt drum: Wir schauen nach vorn und das mit dem ersten Eindruck, dass sich viel ändern wird. Dafür stehen viele Inhalte des Koalitionsvertrages mit einer anderen Richtung als bisher – auch wenn vieles unter Finanzierungsvorbehalt steht und wir gerade gelernt haben, was der Unterschied von „wir werden“ und „wir wollen“ ist.
Erste Maßnahmen und Initiativen der benannten Ministerkandidaten
Wir blicken nicht nur auf die in dem 144-seitigen Papier verabredeten Ziele, sondern folgend auf deren Umsetzung. Und damit gilt auch nicht nur die alte Wahlaussage von 1969 „Auf den Kanzler kommt es an“, sondern aktuell auf die fachliche Leitungs- und Gestaltungskraft der Führungsspitzen der Ministerien. Da liefert offensichtlich die Union. Der Slogan stammt übrigens aus dem Wahlkampf von Kurt Georg Kiesinger, der damals nicht einhalten konnte, was die CDU auf die Wahlplakate gesetzt hat. Das soll nun anders werden – auch unter der schlichten Überschrift des Koalitionsvertrages „Verantwortung für Deutschland“ – was wohl bewusst im Gegensatz zur Ampel mit „Mehr Fortschritt wagen“ formuliert wurde.
Die von Merz und Söder benannten Minister und Ministerinnen setzen bereits erste Duftmarken. Der designierte Außenminister ist schon diplomatisch in Europa unterwegs. Bei ihm geht später formal alles über den Tisch, was an nationalen Initiativen die EU erreichen soll. Viele Themen, die auf Lösung warten, werden letztlich final in Brüssel und Straßburg geregelt. Das gilt auch für die dort bereits angestoßene Änderung des Schutzstatus für den Wolf. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erklärte: „In einigen europäischen Regionen sind Wolfsrudel insbesondere für Nutztiere zu einer echten Gefahr geworden. Heute schlagen wir eine Änderung des EU-Rechts vor, die den lokalen Behörden helfen wird, die Wolfspopulationen aktiv zu bewirtschaften und gleichzeitig sowohl die biologische Vielfalt als auch unsere Lebensgrundlagen im ländlichen Raum zu schützen.“ Der neue Agrarminister Alois Rainer wird sicherlich das Thema bald aufgreifen müssen. Ihm wird es auf eine schnelle Umsetzung ankommen, damit bei uns die Wolfsregulierung unter anderen gesetzlichen Rahmenbedingungen neu erfolgt.
Eine Revitalisierung der Achse Berlin-Brüssel und wie Merz daran arbeitet
Die schnelle Umsetzung von EU-Regelungen wird ein großes Thema bleiben. Das gilt in vielen Belangen insbesondere für den Agrarbereich. Dazu passt eine Feststellung des CEP, einem europäischen „Think Tank“, der regelmäßig die europäische Gesetzgebung auch hinsichtlich ihrer Umsetzung in den Mitgliedsstaaten untersucht. Dort wird angemahnt: „Zu viel Bürokratie gefährdet Investitionen, hemmt Innovationen und schwächt den Standort Europa.“ Eine sicher nicht repräsentative, aber doch aussagekräftige Unternehmensumfrage habe demnach ergeben, dass in der Wirtschaft in erster Linie nicht die Ziele europäischer Regulierung in der Kritik stehen, sondern deren Umsetzung.
Dort anzusetzen, wird eine der Hauptaufgaben von Friedrich Merz sein. Es ist davon auszugehen, dass er Europa bereits im Blick hat. Er weiß, wie die EU mit ihren Organen und Institutionen vom Parlament über die Kommission bis zum Gerichtshof „tickt“. Jedenfalls leiten Beobachter das daraus ab, dass er seine politische Laufbahn als Abgeordneter in Straßburg begonnen hat und in den vergangenen Wochen oft in Brüssel aufgetaucht ist und zugehört hat. Von dort ist zu vernehmen, dass der künftige Kanzler die europäischen Gesetzesvorhaben auf dem Schirm hat. Er arbeitet damit offensichtlich bereits an der Stärkung der Achse nach Brüssel.
Der neue Landwirtschaftsminister mit Bodenhaftung und politischer Erfahrung
Mit dieser Kernaufgabe wird sich auch der von Markus Söder benannte Kandidat fürs Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und (neu) Heimat, Alois Rainer, vom ersten Tag an befassen müssen. Auf die bekannten Nominierungen sind wir im Blog natur+mensch bereits eingegangen. Wir haben dies auch in der Überschrift „Ein Metzger überrascht alle“ formuliert. Inzwischen scheint es mir eher unangemessen, wie sehr vor allem die Boulevardpresse beim designierten Minister Alois Rainer die Fähigkeiten auf dessen Beruf verengt.
Rainer stammt aus einer politischen Familie, ist der Sohn eines erfahrenen Kommunal-, Landes- und Bundespolitikers. Er gehört seit zwölf Jahren dem Deutschen Bundestag an. Seinen Wahlkreis Straubing hat er dreimal mit Ergebnissen von über oder knapp unter 50 Prozent direkt gewonnen. Durch seine Ausschusstätigkeit hat er sich als erfahrener Haushalts-, Verkehrs- und Landwirtschafts- bzw. Ernährungspolitiker profiliert. Dass er als gestandener Bundespolitiker in seinem Beruf zusammen mit seinem Sohn im eigenen Metzgerbetrieb die Bodenhaftung pflegt, spricht nun einmal für ihn.
So erwartet der ländliche Raum zunächst mit seinen dort verorteten mittelständischen Unternehmen, der Land- und Forstwirtschaft sowie u. a. Jagd wie Fischerei auch eine praxisnahe Politik. Sie wird wohl fachlich orientiert ausgerichtet sein. Diejenigen, die Rainer in seiner Heimat und mit seinem bisherigen politischen Wirken näher kennen, trauen ihm ein Wirken mit klaren und zeitgemäßen Positionen zu. Das wird sicher auch in der Breite insgesamt einen Unterschied zu Özdemir markieren. Somit ist das nicht allein auf die in den letzten Tagen von Alois Rainer oft zitierte Auffassung über eine gesunde und ausgewogene Ernährung – auch in Kitas und Schulen – zu reduzieren. Rainers Auffassung können wir uns nur anschließen und zusätzlich noch darauf hinweisen, dass besonders unser Fleisch vom Wild zu einem gesunden Leben passt.
Der für Natur und Jagd besondere Monat Mai
Unsere Jagd trägt entscheidend zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz unserer natürlichen Ressourcen bei. Vielen Menschen, die sich in Feld und Wald regelmäßig erholen und einen großen Teil ihrer Freizeit dort verbringen, ist oft nicht bewusst, dass wir in Mitteleuropa in einer Kulturlandschaft leben, die seit Generationen vom Menschen gestaltet und auch genutzt wird. Da erleben wir immer wieder auch andere Auffassungen, die medial gern verstärkt werden. Alles sich selbst überlassen kann nicht allein ein Rezept für die Zukunft unserer Landschaftsbilder sein.
Gerade hat für uns alle mit dem Mai ein besonderer Monat begonnen. Die Natur bricht überall auf. Wir genießen sattes Grün und weiße oder gelbe Flächen mit ihren Blütenmeeren von Raps oder Obstbäumen. Wir müssen uns wohl daran gewöhnen, dass wir dort mit allem früher dran sind als noch vor einigen Jahrzehnten. Das führt vielleicht zu notwendigen Konsequenzen bei der Entwicklung der Jagdzeiten. Aktuell beginnt jetzt in vielen Revieren wieder die jagdliche Aktivität. Der traditionelle Aufgang der Bockjagd lässt ein vielfaches Waidmannsheil hören. Auch wenn der Bock sich nicht zeigen sollte, genießen alle auf den Ständen und Sitzen die aufgehende Natur im frühen Licht.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes Wochenende und unseren Jägerinnen und Jägern ein kräftiges Waidmannsheil!
Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination
コメント