Wirtschaft warnt: Stimmung ist extrem negativ
- Jürgen Wermser

- vor 3 Tagen
- 5 Min. Lesezeit
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik

Liebe Leserinnen und Leser,
in unserem letzten Wochenkommentar für dieses Jahr ziehen wir eine kurze Zwischenbilanz der schwarz-roten Regierungsarbeit, blicken auf die bevorstehenden Herausforderungen insbesondere für den ländlichen Raum und befassen uns mit zwei dort grassierenden Seuchen: der Vogelgrippe und der Afrikanischen Schweinepest. Wichtig bleibt bei alledem aber, sich die Freude an der Natur nicht nehmen zu lassen – ein Thema, mit dem wir uns diese Woche in einem Blogbeitrag schon einmal gesondert befasst haben.
Entgegen eigenen Bekundungen verlief das erste Jahr für Schwarz-Rot – freundlich ausgedrückt – recht durchwachsen. Die Regierungsparteien haben entsprechend schlechte Umfragewerte. Auch die Arbeit des Kanzlers wird von einer Mehrheit bislang kritisch gesehen. Umso erfreulicher verlief die vergangene Woche für die Koalition. Dies gilt vor allem für Friedrich Merz. Der Regierungschef organisierte einen Ukrainegipfel in Berlin, auf dem sich Kiew und seine europäischen Unterstützer sowie Washington auf ein gemeinsames Vorgehen zur Beendigung der russischen Aggression einigten. Damit hat Europa und nicht zuletzt Deutschland außenpolitisch Flagge gezeigt. Dies ist kein Selbstzweck, sondern eine Voraussetzung, dass die Ukraine und Staaten der EU nicht durch eine Einigung allein zwischen Moskau und Washington vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Und mindestens ebenso wichtig: Das Bündnis mit den USA bleibt zumindest vorerst halbwegs tragfähig. Ob diese Einigung tatsächlich bald zum Frieden führt, ist ungewiss bis hin zu unwahrscheinlich. Gleichwohl hat der Kanzler auf internationaler Bühne deutlich an Statur gewonnen. Das sollte in diesen kritischen Zeiten nicht gering geschätzt werden.
All dies ändert aber leider nichts daran, dass in der Innenpolitik noch vieles unerledigt ist. Zwar hat das Bundeskabinett jetzt nach langem Hin und Her endlich eine Reform des Bürgergelds beschlossen. Andere Bereiche des Sozialstaates warten jedoch weiterhin dringend auf tiefgreifende Lösungen. Hier muss die Regierung im kommenden Jahr liefern, nicht zuletzt bei einer umfassenden Stabilisierung unseres Rentensystems.
Die Erwartungen waren hoch
Vor allem in der Wirtschaft muss es endlich wieder rund laufen. Hier waren die Erwartungen zu Beginn von Schwarz-Rot hoch. Doch die Koalition hat den versprochenen Stimmungsumschwung bislang nicht geschafft. Trotz einiger Entlastungen für Betriebe ist die Stimmung schlecht. Dies gilt nicht zuletzt für den Mittelstand, der gerade im ländlichen Raum von besonderer Bedeutung ist. So hatten laut einer aktuellen Umfrage der DZ-Bank 62 Prozent der Mittelständler mit Zuversicht auf den Start der schwarz-roten Koalition geschaut. Dieser Wert ist mittlerweile bei einer Befragung von gut 1000 Geschäftsführern und Entscheidern auf 39 Prozent gefallen.
Noch drastischer wird diese Entwicklung in einem Interview der Süddeutschen Zeitung mit dem Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Peter Leibinger, deutlich. Dort heißt es: „Beim Start der Regierung im Mai war die Lage der Wirtschaft kritisch, die Stimmung aber hoffnungsvoll. Jetzt sind die Probleme immer noch da, viele in den Unternehmen sind aber so maßlos enttäuscht, wie ich es noch nie erlebt habe. Die Stimmung ist extrem negativ, teils regelrecht aggressiv.“ Und an anderer Stelle heißt es in dem Interview: „Wir stecken in der schwersten Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik – längste Rezession, Produktionsschwund seit 2018, geringes Produktivitätswachstum, Letzter im Wachstum unter den großen Volkswirtschaften. Unser Gesellschaftsmodell droht uns zwischen den Fingern zu zerrinnen.“
Union und SPD sollten diese Warnung des BDI-Präsidenten ernst und als Ansporn nehmen, den Wirtschaftsstandort Deutschland im kommenden Jahr in Rekordtempo wieder auf Vordermann zu bringen. Die politisch eher ruhigen Tage um Weihnachten und den Jahreswechsel bieten die beste Gelegenheit, für diese große Aufgabe neue Kraft und frischen Mut zu tanken.
Ungeachtet dieser Turbulenzen in der großen Politik beginnt auch im ländlichen Raum allmählich vorweihnachtliche Ruhe einzukehren. Doch so manche Herausforderung bleibt auch hier aktuell. Man denke etwa neben der weiterhin grassierenden Afrikanischen Schweinepest (ASP) an die Vogelgrippe, die in diesen Tagen Tierhaltern, aber auch Jägern und Naturfreunden große Sorge bereitet. In vielen Familien ist gebratene Gans ein traditionelles Weihnachtsessen. In diesem Jahr muss der Braten manchmal allerdings kleiner ausfallen, weil die Tiere wegen möglicher Infektionsgefahr früher als üblich geschlachtet wurden. Gewiss, es gibt Schlimmeres. Aber das Beispiel zeigt einmal mehr, wie breit gefächert die Folgen der Vogelgrippe sein können.
Wirtschaftliche Schäden beträchtlich
Vor allem die wirtschaftlichen Schäden durch die Vogelgrippe sind beträchtlich. Allein in Niedersachsen waren seit Jahresbeginn rund 1,66 Millionen Vögel betroffen. Es gab in verschiedenen Landkreisen über 80 Ausbrüche, insbesondere in Regionen mit intensiver Geflügelwirtschaft. Die Zahl der Ausbrüche und getöteten Tiere in Niedersachsen übersteigt in diesem Jahr die Vorjahreswerte. So waren es 2021 rund 1,17 Millionen Vögel und 2022 etwa 1,25 Millionen Vögel. Auch Jäger stehen wegen der Vogelgrippe vor besonderen Herausforderungen. So sind Wildgänse weiterhin unterwegs und verbreiten das Virus, auch wenn die Tiere mittlerweile etwas resistenter scheinen. Mehr noch: Jüngst wurde im Heidekreis ein toter Waschbär gefunden, bei dem der Influenzavirus nachgewiesen wurden. Es wird vermutet, dass sich das Tier an frischen Vogelkadavern infiziert hat.
Nach Angaben der Weltorganisation für Tiergesundheit (WOHA) wurden alleine im Oktober und November weltweit fast neun Millionen Tiere aus Geflügelbeständen gekeult, die meisten in den USA, Kanada und Deutschland. Für Menschen dürfte das Risiko einer Infektion weiterhin gering sein, auch wenn im November dieses Jahres ein Mann in den USA an der Vogelgrippe starb und sich immer wieder Menschen mit dem Virus infizieren.
Aber auch in Zeiten von Vogelgrippe und Afrikanischer Schweinepest sollten Sie sich die Freude an der Natur nicht nehmen lassen. Gerade an den bevorstehenden Festtagen möchten viele Menschen die Zeit für Erholung an der frischen Luft nutzen. Wichtig ist dabei nur, die gebotene Umsicht – Stichwort Infektionsgefahr – zu üben und vor allem Rücksicht auf Wildtiere zu nehmen. Diese müssen jetzt mit ihren Kräften haushalten, um gut über den Winter zu kommen. Jede unnötige Aufregung kostet Kraft und birgt damit Risiken für das Überleben. Auch Jäger halten sich in diesen Tagen über Weihnachten traditionell eher zurück. Die meisten Treib- und Drückjagden sind absolviert. In den Revieren kehrt wieder Ruhe ein, wie unser Autor Christoph Boll gestern in seinem Blogbeitrag „Weihnachtsruhe im Winterwald“ beschrieb. Das eine oder andere Stück mag noch entnommen werden, aber grundsätzlich sollte die Jagd nun dem Schwarzwild und in den Niederwildrevieren den Prädatoren, besonders dem Fuchs, gelten. Es geht darum, innezuhalten und auch jagdlich das vergangene Jahr für sich zu überdenken – eine Zeit der Ruhe und Reflexion über das, was einem persönlich wichtig ist.
Rückblick auf vergangenes Jahr
Auch unser Team vom Blog natur+mensch legt nun über Weihnachten und den Jahreswechsel eine schöpferische Pause ein. Wir freuen uns über das große Interesse an unseren Beiträgen und hoffen, dass Sie uns auch im kommenden Jahr gewogen bleiben. Denn die Herausforderungen, vor denen der ländliche Raum und die Zukunft der Jagd stehen, bleiben groß. Ab der nächsten Woche können Sie das Jahr mit Blick auf Jagd und ländlichen Raum noch einmal Revue passieren lassen. Wir werden dann in vier Teilen einen Jahresrückblick über die meistgelesenen Beiträge in unserem Blog natur+mensch veröffentlichen. Dabei geht es beispielsweise um neue wissenschaftliche Erkenntnisse, um gesellschaftspolitische Debatten und um drängende Fragen des Wildtiermanagements – alles Themen, die unsere Leserschaft erfahrungsgemäß besonders beschäftigen.
Zusammen mit meinem Kollegen Jost Springensguth und den Autoren von natur+mensch wünsche ich Ihnen schöne und besinnliche Weihnachtstage sowie einen guten und gesunden Rutsch ins neue Jahr.
Mit besten Grüßen
Ihr Jürgen Wermser
Koordination/Redaktionsleitung







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