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Weihnachtsruhe im Winterwald

  • Autorenbild: Christoph Boll
    Christoph Boll
  • vor 18 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit

Die meisten Treib- und Drückjagden sind absolviert. In die Reviere kehrt wieder Ruhe ein. Die Weihnachtstage bieten Zeit zur inneren Einkehr. Jagd erfüllt sich nicht im Technikwahn, sondern in der Einstellung zur Natur


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Foto: cocoparisienne
Foto: cocoparisienne

Im Flachland spricht derzeit nichts für eine – sowieso seltener werdende – weiße Weihnacht. Klimawandel eben. In den Mittelgebirgen oder gar Alpen sieht das schnell ganz anders aus. In allen Höhenlagen aber gilt: Je näher das Fest der Geburt Christi rückt, desto mehr sollte der Abschussplan beim wiederkäuenden Schalenwild erfüllt sein. Hier und da fehlt vielleicht noch ein Küchenhase, aber die Gesellschaftsjagden sind weitgehend gelaufen. Reh und Hirsch stellen ihren Stoffwechsel auf einen Sparhaushalt um. In den Winterwald kehrt Ruhe ein, den das Wild auch dringend benötigt.


Nicht nur das Kalender-, auch das Jagdjahr neigt sich dem Ende zu. Das eine oder andere Stück mag im Januar noch entnommen werden. Grundsätzlich aber sollte die Jagd nur noch dem Schwarzwild und in den Niederwildrevieren natürlich den Prädatoren gelten, besonders dem Fuchs in der Ranz. Der Gesetzgeber täte gut daran, die Jagdzeit auf wiederkäuendes Schalenwild – besonders auf Rehwild – nicht nur immer früher beginnen zu lassen, sondern sie im gleichen Zuge und in gleichem Umfang auch früher enden zu lassen. Die Hoffnung, auch das letzte Stück möglichst noch auf die Decke zu legen, folgt dem Irrglauben, auf diese Weise den Wald zu retten. Wildbiologische Erkenntnisse werden ausgeblendet beim Wandel auf dem schmalen Grat zum Schießertum. Diese Ignoranz ist weit weg von Waidgerechtigkeit. Es gibt eine Zeit des beherzten Beutemachens und es gibt eine Zeit des Innehaltens und zur Ruhe Kommens.


Innere Einkehr – auch das gehört zur Jagd


Früher brachten nicht wenige Jäger dem Wild zu den Festtagen Äsung bis kurz vor die Einstände, sei es mit dem Schlitten, auf der Kiepe oder doch wenigstens durch einige Leckereien im Rucksack. Das folgte bei weitem nicht nur der Notwendigkeit, den Futtermangel zu lindern. Das lieb gewordene Ritual hatte vielmehr den durchaus auch eigennützigen Zweck, in Beschaulichkeit an frischer Luft den Gedanken freien Lauf zu lassen. Noch einmal nach dem Rechten sehen und ein wenig innere Einkehr halten – auch das gehört zur Jagd. Heute bringen manche gemeinsam mit Kindern oder Enkeln im Herbst gesammelte Kastanien, Eicheln und Bucheckern aus. Die schöne Tradition dient ebenso sehr der Selbstvergewisserung, wie sie ein wenig dazu beiträgt, folgenden Generationen in kleinen Schritten den Respekt vor der Schöpfung nahezubringen.


Bei dieser Form der Entschleunigung mag einem auch ein in diese Zeit passendes Zitat aus Friedrich von Gagerns Buch „Birschen und Böcke“ in den Sinn kommen: „Jagd ist Schauen, Jagd ist Sinnen, Jagd ist Ausruhen, Jagd ist Erwartung, Jagd ist Dankbarkeit, Jagd ist Advent, Jagd ist Vorabend, Jagd ist Bereitung und Hoffnung.“ Der Autor eröffnet einen ganz anderen Blick auf die Schöpfung, weit jenseits aller Funktionalität. Da geht es um die Seele der Jagd, die im Technikwahn des modernen Menschen verloren zu gehen droht. Die kommende Zeit des Innehaltens bietet Raum, über sie nachzudenken.


Mindestens ebenso wie sie die herbstlichen Treib- und Drückjagden mit Freunden genossen haben, freuen Jäger sich nun auf Weihnachten im Kreis der Familie. Oft gibt es sicher einen Wildbraten als dampfenden Festschmaus. Danach wird es sich mit einem guten Tropfen bequem gemacht. Wenn es gut kommt, hüllt eine dünne Schneedecke das Revier in weihnachtliche Ruhe und im Schein der Kerzen am geschmückten Baum in der guten Stube glänzt die dankbare Erinnerung an schöne Stunden auf der Jagd. Dann ist stille Nacht, heilige Nacht.

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