Schlagwörter oder Inhalte – Wer mehr Wild isst und was für gefährdete Arten getan wird
- Jost Springensguth
- vor 17 Stunden
- 6 Min. Lesezeit
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik

Liebe Leserin, lieber Leser,
wie immer blicken wir zunächst auf das, was sich in Berlin tut. Das war unter anderem eine Klausur der CDU, in der es eigentlich nicht um Schlagworte, sondern mehr um Inhalte gehen sollte. Die politische Mitte ringt mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen um konservative Positionen. Daneben nehmen wir eine Meldung über ein Stadt-Land-Gefälle auf, das auch mit Wildfleisch und unterschiedlichen Essgewohnheiten zu tun hat. In den Niederwildrevieren hat die Zeit der Treibjagden begonnen. Das ist die eine Seite der Jagd. Die andere ist die Hege, die vielerorts langsam messbare Wirkung zeigt. Letztlich wird am Wochenende unsere Zeit mit Nebenwirkungen auf Menschen und Tiere umgestellt.
Man kann sich aufregen oder auch nicht. Den „Paschas“ folgen nun das „Stadtbild“ und „…fragen Sie mal Ihre Töchter…“ als politische Reizworte aus dem Mund des CDU-Vorsitzenden. Sie werden offensichtlich nach bekanntem Strickmuster in unserer Gesellschaft zu einer polarisierenden Wirkung gebracht. Nach meinem Eindruck erlebe ich erneut gespielte Empörung, gepaart mit vermeintlichen Zufallsumfragen in den Medien und inszenierten Demonstrationen vor Geschäftsstellen der CDU. Jedenfalls ging es dem Präsidium bei der Klausur in Grunewald weniger um zuspitzende Begrifflichkeiten als um inhaltliche Positionen mit dem Ziel einer sichtbaren Abgrenzung zur AfD. Und das, ohne ständig über Brandmauern zu reden. Merz wollte und will seine Partei darauf einschwören, die AfD als Hauptgegner zu fixieren – wirksam auf allen Ebenen, wo Wahlen in den Kalendern stehen. Im März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie in knapp einem Jahr nacheinander folgend Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Ausgangspunkt bleibt im Bund und den genannten Ländern der ständig debattierte Umgang mit der AfD in den Parlamenten. Sie soll insbesondere dort gestellt werden, wo gelebte Grundsätze wie die Bindung an den Euro, die EU oder die Nato von rechts mit zweifelhaften Argumenten und Begrifflichkeiten infrage gestellt werden.
Wer blickt wie auf die strukturell schwachen Regionen?
Wir wollen uns in diese gerade aufgeregt geführten Debatten nicht weiter einreihen. In unseren Beiträgen und Wochenkommentaren konzentrieren wir uns ständig auf Aussagen und Wirkungen der Politik bezüglich unserer ländlichen Räume. Dazu gehört der Blick auf die strukturell schwachen Regionen. Dort entfaltet sich nach unserer Beobachtung in den örtlichen und ländlichen Strukturen die AfD mit ihrer wachsenden Vernetzung immer weiter. Das belegen regional runtergebrochene Umfragen. Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt bieten gerade vor den absehbaren Wahlen herausragende Beispiele. Dort werden in Programmatik und Umfragen andere Weltbilder gepflegt. Das ist oft die Verbindung von heimatlichen Gedanken mit der Betonung gewachsener Strukturen in einem traditionellen Denken. In ihrem Programm zur letzten Bundestagswahl ist die AfD mit ihren Positionen offensichtlich wirkungsvoll tiefer in den konservativen Wettbewerb eingestiegen. Darin verwendet sie systematisch Formulierungen, die sich an viele Aussagen der Verbände des ländlichen Raumes anlehnen. Dass das nicht nur eine Herausforderung für die Union ist, zeigt sich auch in Zahlen. So etwa in Mecklenburg-Vorpommern, wo die SPD bisher führend ist, aber in der jüngsten Sonntagsfrage mit 19 Prozent zusammen mit der CDU (13) abgeschlagen hinter der AfD mit 38 Prozent liegt. Wie in Sachsen-Anhalt rangieren die Werte für die Rechts-außen-Partei knapp unterhalb der Grenze zur absoluten Mehrheit. Weit über die Hälfte der Menschen leben dort im ländlich-dörflichen Milieu. Ihnen werden sich die Parteien der Mitte gerade auch in Inhalten stärker zuwenden müssen, wenn sie in Berlin stabil bleiben wollen.
Stadt-Land-Gefälle auch auf den Speisezetteln
Immer wieder ist für uns das Stadt-Land-Gefälle eine Betrachtung wert. Gerade aktuell weist der Deutsche Jagdverband (DJV) auf entsprechende Unterschiede hin, die es auch auf unseren Speisezetteln gibt. Er hat jetzt die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, wonach 70 Prozent der Deutschen Wildbret für ein gesundes, natürliches Fleisch halten. Die Hälfte der im Auftrag des DJV vom Marktforschungsinstitut Civey befragten Menschen gibt an, mindestens einmal im Jahr Wildfleisch zu verzehren. In ländlichen Regionen essen sogar 63 Prozent regelmäßig dieses hochwertige Lebensmittel. Es gibt offensichtlich eine stärkere Bindung, wenn die Jagd sichtbar wird. Gerade in dieser Zeit der Treibjagden wird dieses Thema durch persönliches Erleben präsent. Dabei geht es den Waidleuten nicht nur um Beute, sondern auch um die Regulierung von ausgewogenen Wildbeständen und darum, Schäden auf den Feldern und in den Wäldern zu vermeiden.
Hege- und Biotopmaßnahmen für das Rebhuhn zeigen Wirkung
Dass es unseren Jägerinnen und Jägern nicht nur um die aktive Jagd geht, sondern gleichzeitig um vielfältige Maßnahmen zum Erhalt unseres artenreichen Wildbestandes, belegen andere Zahlen, die wir ebenfalls aus Statistiken ziehen. Das gilt insbesondere für Hege- und Biotopmaßnahmen in den Niederwildrevieren. Hier sind Rebhühner seit Generationen traditioneller Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Sie gehören zur Familie der Fasanenvögel und sind in Deutschland im Laufe der Jahre eher zur Seltenheit geworden. Die Bestände sind in den letzten Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen. Viele Ursachen liegen in den Veränderungen der Lebensräume. Dort, wo Rebhühner vorkommen, werden sie bevorzugte Beute von Fressfeinden wie Fuchs, Dachs, Marder und Greifvögeln; zunehmend auch von Waschbären. Umso erfreulicher ist, dass aus der Jägerschaft heraus vielfach zusammen mit Landwirten gerade auch für Rebhühner entsprechende Biotope entwickelt, gepflegt und im Rahmen der Zulässigkeit vor Raubwild möglichst geschützt werden. Vielfach gibt es örtliche Initiativen, wie etwa in der Kreisjägerschaft Unna. Das Motto auf der Homepage: „Unsere Natur ruft um Hilfe, wir hören hin“. Da sind Ergebnisse beispielhafter Maßnahmen zu sehen, wie Äcker zu „blühenden Inseln der Artenvielfalt“ entwickelt werden – „mit Blühstreifen und Hecken und dem Ziel, den Kreis wieder dorthin zu führen, wo durch gezielte Maßnahmen mehr Lebensräume für Insekten, Schmetterlinge und Vögel entstehen.“
Bei Maßnahmen dieser Art geht es wesentlich auch um den Bestand der Rebhühner. Er zeigt in Deutschland nach Jahren des Rückgangs erstmals wieder eine leichte Erholung. Das geht – wie geschildert – auch auf vielfältige Bemühungen in den Kreisjägerschaften und den Landesjagdverbänden zurück. Die stärksten Bestandszahlen werden aus Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gemeldet. Der Landesjagdverband Schleswig-Holstein hat in dieser Woche in den sozialen Medien verbreitet, dass sich der Rebhuhn-Bestand auch dort nach zehn Jahren Rückgang wieder leicht erholt habe. Bei der letzten Erfassung des Wildtierkatasters wurden so für 2023 aus 903 Jagdbezirken im nördlichsten Bundesland 3.200 Brutpaare an Rebhühnern gemeldet. Insgesamt aber bleibe aber die Art stark gefährdet. Das gilt überall für die offenen Flächen in Deutschland.
Kurz nachdem ich diese Meldung zum Erhaltungszustand unserer Rebhühner gelesen habe, ist mir ein Leserbrief in meiner Heimatzeitung im Münsterland unter die Augen gekommen. Darin bezieht sich ein aufmerksamer Naturbeobachter auf die Meldung des Nabu, der das Rebhuhn zum Vogel des Jahres 2026 gekürt hat. Und der Leser weist darauf hin, dass gerade das Rebhuhn einer „riesigen Übermacht an Krähen, Dohlen und Greifvögel“ gegenüberstehe. Da hätten diese Vögel keine Chance zu überleben. Der Naturschutzbund beschreibt diesen „kleinen Feldbewohner mit großer Botschaft“ im Detail und einer für mich geradezu auffälligen Betonung, dass sich der Vogel des Jahres „überwiegend vegetarisch“ ernähre. Das Rebhuhn stehe heute symbolisch für viele Feldvogelarten, die durch die moderne Landwirtschaft zunehmend unter Druck geraten seien. Seit 1980 sei der Bestand in Deutschland um 87 Prozent zurückgegangen.
Alles richtig, nur einseitig. Von der Gefährdung durch die streng geschützten Fressfeinde habe ich in der Nabu-Meldung jedenfalls nichts gelesen. Nur am Rande sei bemerkt, dass die Jäger in Deutschland seit Jahrzehnten die Rebhühner weitgehend schonen. Und, wie im geschilderten Beispiel aus Unna, in unzähligen Revieren alles unternehmen, um die wenigen Ketten dort zu erhalten. Hintergrund sind eben aufwendige Schutzprojekte und Hegemaßnahmen, die wie selbstverständlich zum Naturschutz, aber auch zur Jagd gehören.
Die Zeitumstellung und das Wild
An diesem Samstagabend rätseln viele: Wie werden die Uhren heute Nacht nun umgestellt – eine Stunde vor oder zurück? Wenn sie auf drei stehen, ist es in der Wirklichkeit unserer neuen Winterzeit zwei Uhr. Also: Zeiger und Zahlen zurück. Über Sinn oder Unsinn streiten nicht nur viele Menschen im eigenen Kreis, sondern bekanntermaßen sogar EU-weit ergebnislos. Nach der neuen Zeit wird es nun also zum Morgenspaziergang früher hell und dafür setzt die Dunkelheit entgegen der Sommer-Gewohnheit abends vorzeitig ein. Die meisten unter uns Menschen können sich von einem Herbsttag zum anderen daran gewöhnen. Nur die Tiere nicht. So weisen viele Medien gerade mit den Quellen ADAC oder DJV immer wieder darauf hin, dass jetzt wieder mit der Zeitumstellung die Gefahr von Wildunfällen steigt, weil in der Natur die inneren Uhren unverändert weiterlaufen. Wenn Feierabend ist und der Berufsverkehr stärker in die Dämmerung fällt, ist für das Wild gerade Futterzeit. Angesagt sind angepasste Geschwindigkeiten, die nicht nur zum Wohle des Wildes, sondern zur eigenen Sicherheit entsprechendes Reagieren zulassen. Und es gilt oft: Ein Tier ist nicht allein.
So verbleibe ich mit diesem Wochenkommentar mit besten Grüßen und einem kräftigen Waidmannsheil
Ihr Jost Springensguth
Redaktionsleitung / Koordination



