In vielen Fällen beginnt mit dem Tod des Hofinhabers ein Streit ums Erbe. Die Gesetzeslage dazu war lückenhaft: Jetzt soll sich das ändern. In Brandenburg ist man sogar schon einen Schritt weiter

Der Schweinehof in der kleinen Ortschaft in der Lüneburger Heide besteht seit 130 Jahren. Doch jetzt, wenige Wochen nach dem Tod des Eigentümers und Hofinhabers, könnte diese stolze Familientradition enden. Grund ist ein Todesfall des Hofeigentümers. Und genau dieser löst einen schwierigen Erbfall aus, inklusive Abfindungen für die Geschwister, die der älteste Bruder und Hofbetreiber nun auszahlen muss. 100.000 Euro für jeden der drei Geschwister, das ist für den Landwirt, der den Betrieb ohnehin seit 20 Jahren führt, nicht zu verkraften. Dazu noch die hohen Kosten für Anwälte und Notare. Kein Einzelfall.
Gesetzlich geregelt ist der Erbfall in der sogenannten Höfeordnung. Doch genau diese Verordnung ist seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Frühling dieses Jahres in vier Bundesländern quasi außer Kraft gesetzt. Betroffen sind Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg, also durchaus Länder, in denen viele Menschen leben und der Kreis der Betroffenen auch groß ist.
Deswegen bemüht sich das zuständige Bundesjustizministerium in Berlin jetzt, das Vererben von Bauernhöfen auf eine neue, einheitliche rechtliche Grundlage zu stellen. Das Bundeskabinett brachte deshalb noch vor der parlamentarischen Sommerpause eine Reform der Höfeordnung auf den Weg, die die Übergabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben grundsätzlich neu und verbindlich regeln soll.
Zum rechtlichen Hintergrund
Konkret geht es um die Höhe der Abfindung der Erben. Nach geltendem Recht erben die Frau oder der Mann des Erblassers, die Eltern des Erblassers, wenn der Hof von ihnen oder aus ihren Familien stammt oder mit ihren Mitteln erworben worden ist, die Geschwister des Erblassers und deren Abkömmlinge. Die anderen müssen eine Abfindung erhalten, deren Höhe sich nach dem Wert des Hofes richtet. Konkret nennt das Gesetz als Rechengrundlage den sogenannten Einheitswert des Hofs.
Verfassungsgericht kippt alte Regelung
Doch genau diese Kalkulationsgrundlage wurde vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem Urteil beanstandet – und die Richter gingen bei der Reform der Grundsteuer sogar noch einen Schritt weiter. Die höchsten Bundesrichter kippten bei der Reform der Grundsteuer die umstrittenen Höfeordnungen gleich ganz. Das rechtliche Vakuum bestand jetzt seit dem Frühjahr.
Neue Hofgröße als Untergrenze
Die Lücke muss geschlossen werden, da die Höfeordnung in den vergangenen Jahrzehnten durchaus Relevanz entfaltete. Für den Berufsstand der Landwirte insgesamt, für die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit von Betrieben und die Entwicklung von Regionen, in denen Landwirtschaft das soziale und wirtschaftliche Leben prägt. Durch die Erbregelungen sollte nämlich grundsätzlich verhindert werden, dass im Erbfall familiengeführte Betriebe zerschlagen werden müssen, wenn lediglich ein Familienmitglied den jeweiligen Hof erbt und alle anderen eine Abfindung erhalten. Wurden diese Abfindungen nämlich fällig, überforderte dies oft die finanziellen Möglichkeiten desjenigen, der den Betrieb weiterführt. Konsequenz: Viele Betriebsinhaber mussten gegen ihren Willen verkaufen, damit die Erbausgleichszahlungen an die Geschwister oder Kinder geleistet werden konnten. Angesichts des ohnehin dramatischen Höfesterbens in den vergangenen Jahrzehnten eine Entwicklung, die die politisch Verantwortlichen gern eindämmen oder verhindern wollen.
Deswegen wurde das Bundesjustizministerium aktiv. In den Ländern, in denen die Höfeordnung nicht gilt oder gar nicht existiert, beruft man sich nämlich bisher auf die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die jetzt vom liberalen Bundesjustizminister Marco Buschmann erarbeitete Vorschrift wird da etwas konkreter. So werden bestimmte Hofgrößen als Berechnungsgrundlage für die Abfindungen definiert: Bislang mussten die Betriebe einen Wirtschaftswert von 10.000 Euro haben; durch die Reform soll als Untergrenze ein Grundsteuerwert A in Höhe von 54.000 Euro gelten. „Wir wollen, dass die Höfeordnung zukunftsfest ist und der Generationenwechsel in der Landwirtschaft auch künftig gut gelingt“, begründete Buschmann seinen Entwurf. Eine Zustimmung der Ampel-Fraktionen, die aktuell in den Haushaltsberatungen feststecken und wahrlich keinen neuerlichen Streitfall gebrauchen können, gilt als sicher. Auch der Bundesrat dürfte keine politischen oder rechtlichen Einwände haben.
Familienbetriebe Land und Forst in Brandenburg zufrieden
Das Land Brandenburg wurde unterdessen schon selbst tätig. Der Landtag in Potsdam hat in dieser Woche eine eigene Reform der Höfeordnung verabschiedet. Ab 2025 tritt dort die neue Regelung in Kraft, die den bisherigen Ersatzwirtschaftswert durch fünf Zehntel des Grundsteuerwerts als Berechnungsgrundlage für Erbauseinandersetzungen ersetzt. Diese pragmatische Lösung verhindert die Aufteilung von Höfen zur Erfüllung von Erbansprüchen.
„Dies ist ein entscheidender Schritt zum Schutz unserer Höfe und zur Sicherung ihrer Zukunft“, zeigte sich Rudolf Hammerschmidt, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst Brandenburg, zufrieden. „Mit dieser Reform vermeiden wir, dass Höfe wegen Erbstreitigkeiten aufgegeben werden müssen.“ Für die Familienbetriebe Land und Forst Brandenburg markiere dies einen bedeutenden Erfolg und ein klares Signal für die Zukunft der Agrarwirtschaft im Land.
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