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Über die Visionen des Kanzlers für das Land und Wolfsspaziergänge durch die Städte

  • Autorenbild: Jost Springensguth
    Jost Springensguth
  • vor 7 Stunden
  • 5 Min. Lesezeit

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik


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Liebe Leserin, lieber Leser,


die Vorweihnachtszeit scheint die Dynamik in der Berliner Politik anzutreiben. Trotz aller außenpolitischen Beschäftigung mit kräftiger Reisetätigkeit machen Kanzler und Koalition Schlagzeilen. Den TV-Ankündigungen von Friedrich Merz folgen entsprechende Beschlüsse des Koalitionsausschusses zur Beschleunigung von Infrastrukturprojekten. Damit geht es auch um eine bessere Verkehrsanbindung in ländlichen Orten und Regionen. Auf die Straßen treibt es derweil wieder die Bauern mit ihren Traktoren. Das von Discountern ausgehende Butterpreisdumping führt zu ersten Protestfahrten auf Treckern. Dabei werden Erinnerungen wach. Einen weiteren Anlass zu Bemerkungen in dieser Wochenkolumne bilden Wolfsspaziergänge durch Städte – festgehalten auf Fotos und Videos.


Während Trump die Welt nicht ohne Wirkung auf uns alle umzukrempeln versucht und bis auf Moskau überall Schnappatmung auslöst, versucht Bundeskanzler Merz, die Ruhe zu bewahren. Hinter den Türen der Regierungszentralen und der Chefetage im Brüsseler Berlaymont-Gebäude geht es ständig wohl um das beherrschende außenpolitische Thema, das nun einmal auch auf unsere Innenpolitik ausstrahlt. Die vom US-Präsidenten angedrohte Nachhilfe in Sachen Demokratie (nach seinem Verständnis) konterte der deutsche Regierungschef so: „Dass die Amerikaner nun die Demokratie in Europa retten wollen, dafür sehe ich keine Notwendigkeit. Wenn sie zu retten wäre, das würden wir schon alleine hinbekommen.“ Mit diesem Zitat im auffällig doppelten Konjunktiv wären wir wieder im politischen Alltag des Kanzlers in Deutschland.


Die hektische Diplomatie über den Atlantik wurde bei seinem viel beachteten Auftritt in der ARD-Arena direkt nach seinen Ausflügen in den Nahen Osten, nach Israel und London noch ausgeblendet. Es ging in der viel zitierten Sendung in dieser Woche um die Innenpolitik mit dem in den Medien kaum beachteten erneuten Bekenntnis des Kanzlers zum ländlichen Raum. Daher komme er und das liege ihm am Herzen. So wolle er sich intensiv um Themen wie Erreichbarkeit und Verkehrsstruktur kümmern. Der Ankündigung folgte zwei Tage später der Beschluss im Koalitionsausschuss zur Beschleunigung von Infrastrukturprojekten. Danach soll der Artenschutz bei dringend notwendigen Maßnahmen standardisiert und das Umweltverbandsklagerecht einschränkt werden. Naturschutz bleibe wichtig, könne danach aber nicht mehr durch endlose Verfahren blockieren.


Ziel: Ein leistungsfähiges, demokratisches und rechtsstaatliches Land


Zurück zu dem Fernsehauftritt. Insgesamt fasste Merz dort auf eine der vielen Detailfragen von Zuschauerinnen und Zuschauern seine Vision eines lebens- und liebenswerten Landes so zusammen: „Wir müssen eine leistungsfähige, demokratische, rechtsstaatliche Gesellschaft sein, wieder werden und bleiben. Das ist für mich sozusagen nach innen betrachtet. Nach außen ein Land, das seine Freiheit und seinen Frieden verteidigt.“ Mit dem, was in sieben Monaten unter seiner Kanzlerschaft erreicht worden sei, gebe er sich allerdings noch nicht zufrieden.


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Damit greift Merz Kernaussagen der Demoskopen zur Unzufriedenheit vieler auf: Dem einen oder anderen im Lande, der auf ihn gesetzt hat, geht die Geduld aus. So haben wir es bei der Rentendebatte erlebt. Und beim Landesparteitag seiner CDU in Baden-Württemberg, bei dem sich der junge Spitzenkandidat Manuel Hagel für die Landtagswahl im März warmläuft. Dort war statt des CDU-Vorsitzenden Merz das Pendant von der CSU, also Markus Söder, prominenter Gast. Themen und Inhalte für das Wahlprogramm im Südwesten wurden möglichst auf Distanz zu Berlin formuliert und beschlossen.


Und wieder ein Preiskrieg, der die Bauern nervt


Damit kann man auch doppeldeutig die Frage stellen: Alles in Butter? Nicht so richtig – auch bei den Bauern. Zwischen Discountern wie Lidl und Aldi gibt es immer wieder Preissprünge oder Preiskämpfe. Das löst jeweils Freude bei Verbrauchern und Ärger unter den Produzenten aus. Wir schauen auf den Anfang und das Ende der Lieferkette. Da sind diejenigen, die ackern, mästen und melken. Und die anderen, die möglichst preiswert einkaufen wollen. Die Inflation bei Nahrungsmitteln schlägt in den monatlichen Meldungen des Statistischen Bundesamts vor allem bei Gemüse und Fleisch gerade weiter nach oben aus. Aber nicht einheitlich. Bei Backzutaten wie Zucker, Weizenmehl und Butter gibt es dagegen gerade teils drastische Reduzierungen. Am letzten Wochenende haben Discounter und dann auch Supermärkte für Butter den Bruttopreis auf 0,99 € für ein 250-Gramm-Stück herabgesetzt und ihn damit praktisch innerhalb dieses Jahres halbiert. Für ein Päckchen Butter werden fünf Kilo Milch benötigt. Der durchschnittliche Milchpreis für konventionelle Milch (netto, inklusive Zuschläge) lag nach Angaben des Westfälisch-Lippischen Bauernverbandes (WLV) demnach im November bei 45 Cent pro Liter (1,03 kg). Weitere Preisrückgänge würden erwartet. So heißt es in einer Pressemitteilung gestern.


Ein Discounter ließ verlauten, dass man bewusst auf eine Marge verzichtet, um höhere Absatzmengen zu erzielen. Darauf fragte der Sprecher des Bundesverbandes der deutschen Milchviehhalter, Hans Foldenauer: „Was bringt wohl für die Milchbauern eine höhere Absatzmenge, wenn bei diesen Preisen mit jedem Kilogramm Butter Absatzverluste ausgelöst werden.“


Milch ist kein Ramschprodukt“


Für die Milchviehbetriebe bedeuten solche Preise ein wirtschaftliches Desaster. Sichtbar gemacht wurde das gestern im westfälischen Wolbeck. Landwirte stiegen wieder auf die Trecker und fuhren zum Protest vor eine Lidl-Filiale. Und das fast wie vor genau zwei Jahren bei den großen Traktor-Korsos bis vors Brandenburger Tor. Damals ging es gegen die Ampel, heute gegen die Preisdiktate von Handelsriesen, allen voran den Discountern. Die Proteste gegen sinkende Einkommen, fehlende Wertschätzung für hochwertige Lebensmittel und eine Gefährdung der regionalen Landwirtschaft flammten punktuell auf. Daraus kann wohl wieder mehr an Protesten werden. „Milch ist kein Ramschprodukt“, so WLV-Präsident Hubertus Beringmeier. Die Preisschlachten des Lebensmitteleinzelhandels für einzelne Milchprodukte führten dazu, dass eine kostendeckende Erzeugung schlichtweg nicht möglich sei. Wer hochwertige Lebensmittel verramscht, gefährdet die Existenz unserer bäuerlichen Familienbetriebe.


Preissenkungen bei Milchprodukten rufen Landwirte auf den Plan: Bei einer Aktion vor einer Lidl-Filiale in Münster-Wolbeck forderten sie faire Marktbedingungen. (Foto: WLV)
Preissenkungen bei Milchprodukten rufen Landwirte auf den Plan: Bei einer Aktion vor einer Lidl-Filiale in Münster-Wolbeck forderten sie faire Marktbedingungen. (Foto: WLV)

Wenn Wölfe munter durch Städte und Dörfer spazieren...


Aufsehen erregten in dieser Woche wieder einmal Bilder und Videos von Wölfen, die munter durch Städte und Dörfer spazieren. Die Wolfsbegegnungen häufen sich nun einmal, so lange sich die Population ohne Einschränkungen unter höchstem Schutz fortsetzt. Auch wir von der Jägerstiftung natur+mensch haben in den frühen 2000er-Jahren mit Ausbreitung der ersten Wolfsrudel gewarnt. Bei einer damals von Fachleuten erwarteten Zuwachsrate gab es schon frühe Forderungen nach Regulierungsmaßnahmen. Die frühen Prognosen zur Vermehrung haben sich bestätigt. Die Zahl der Wölfe bewegt sich jetzt zwischen 1.500 und 2.000 in Deutschland. Mit dieser Dichte erklären sich die zunehmenden Ausflüge in besiedelte Gebiete.


Am Nikolausmorgen ist ein Wolf in Lüdenscheid durch die Innenstadt gelaufen. Fotos und Videos gingen viral, wie die Polizei versuchte, das Tier aus der Stadt in die freie Flur der sauerländischen Umgebung zu drängen. Welche Wirkung das Blaulicht dabei auf das Tier hatte, bleibt vielleicht auch für das zuständige Landesamt für Natur, Umwelt und Klima in NRW (LANUK) unklar. Es rät, bei solchen Begegnungen nicht wegzurennen, sondern es mit lautem Klatschen oder Winken mit den Armen zu vertreiben. Und 100 Kilometer nördlich gelegen spielte sich Ähnliches gut eine Woche zuvor ab. Der WDR meldete: „Wolf in Greven spaziert an Vorgarten und Kita vorbei.“ Zu dieser Meldung gehört der Hinweis, dass das LANUK nun Bilder und Videos überprüfe, um festzustellen, ob das wirklich ein Wolf war. Nur nebenbei mal die Anmerkung: Von unseren Jägerinnen und Jägern wird erwartet, dass sie jedes Wildtier in Sekundenschnelle nicht nur sicher ansprechen können, sondern auch müssen, um waidgerecht zu entscheiden.



Insofern ist es gut, dass endlich der Wolf ins Bundesjagdgesetz aufgenommen wird. Danach sollen den Ländern Möglichkeiten zum regionalen Bestandsmanagement gegeben werden. Angst und Verunsicherung verstärken sich mit zunehmenden Sichtungen in Siedlungsgebieten und damit der Nähe zu Menschen. Die unzähligen Risse von Weide- und Wildtieren sorgen seit Langem für politischen und praktischen Handlungsdruck.


Die Weihnachtsfesttage rücken näher. In der nächsten Woche erwartet Sie in unserem Blog unter anderem ein Beitrag von Christoph Boll, der auch aus jagdlicher Sicht auf die Weihnachtsruhe im Winterwald eingeht. Auch wenn es bei uns noch nicht so richtig winterlich ist, gilt auch für unser Wetter das Prinzip Hoffnung.


Damit wünsche ich Ihnen ein weiteres schönes Adventswochenende

Ihr

Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination

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