Solide Mehrheit für Rentenpaket – Aufatmen bei Kanzler und Koalition
- Jost Springensguth

- vor 12 Minuten
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Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik

Liebe Leserin, lieber Leser,
nach der Rentendebatte ist vor der Rentendebatte. Das ist die Konstruktion der Koalition, die dem gestern mühsam zustande gebrachten Beschluss nur einen vorläufigen Charakter verleiht. Nun folgt dasselbe Thema zunächst in der Kommission zu diesem Thema. Aufatmen in der Koalition, dass die eigene Mehrheit steht. Ungewissheit darüber, wie es zwischen Union und SPD, Jung und Alt in der Sozialpolitik weitergeht. Darauf gehen wir nur kurz ein, weil im Vorfeld darüber viel geredet und geschrieben wurde. In dieser ländlichen Wochenkolumne blicken wir weiter auf die 100. Grüne Woche und was die Besucher von Stadt und Land dort zu erwarten haben. Im Hintergrund läuft gleichzeitig das Thema Kennzeichnungspflicht bei Produkten, die mit Gentechnik in der pflanzlichen Vorstufe zu Lebensmitteln werden. Letztlich lesen Sie im Folgenden, welche Themen Sie in unseren nahezu täglichen Beiträgen im Blog finden. Das sind unter anderem die Fütterung von Stadttauben und der Krach, den Krähen verursachen und damit in Rathäusern Ratlosigkeit auslösen.
Großes Aufatmen beim Kanzler und in der Berliner Regierungskoalition. Nach monatelangen Diskussionen hat der Bundestag das auch in schwarz-roten Kreisen hochumstrittene Rentengesetz mit absoluter Mehrheit beschlossen. Für die neue Haltelinie beim Rentenniveau bis 2031 und die Ausweitung der Mütterrente stimmten 318 Abgeordnete – bei 224 Nein-Stimmen und 53 Enthaltungen. Damit hat Bundeskanzler Friedrich Merz sein Ziel der sogenannten Kanzlermehrheit von 316 Stimmen um zwei Stimmen übertroffen. Zunächst hatte der Bundestag 319 Ja- und 225 Nein-Stimmen bekanntgegeben, sich dann aber korrigiert. Damit steht das Rentenpaket mit einer Halbwertzeit bis 2031 und die Koalition hält. Wie lange, werden wir sehen.
Vor der Abstimmung herrschte in der Koalition und in den Reihen der Union höchste Nervosität und Ärger über die SPD nach den Auftritten der Sozialministerin vor den Arbeitgebern und den Jusos. Da irritieren die alten klassenkämpferischen Töne von Bärbel Bas. Sie passen nicht mehr in die Zeit. Selbst in der SPD muss sich langsam die Erkenntnis durchsetzen, dass die Stammkundschaft Industriearbeiter wegbricht und damit ihre Wählerstruktur nicht mehr die der letzten Jahrzehnte ist. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst ist geübt in der stillen Führung einer Koalition mit den Gegensätzen von Schwarz und Grün. Er rät im ARD-Morgenmagazin: „Man muss auch fair sein und sich verstehen wollen.“ Beide Seiten sollten „mal ein bisschen runterkommen“. Lachen zur Begrüßung als Gastrednerin sei auch nicht gerade fair gewesen. Wenn Unternehmer, Gewerkschaften und Politik an einem Strang zögen, wäre es besser für Deutschland. Das ist richtig und sein Rat: „Zusammensetzen und vielleicht mal ein Bier trinken.“ Bei so erregten Gemütern scheint das aber nicht so einfach zu gehen.
Das aktuelle Klimaschutzprogramm erst im nächsten Jahr
Was tut sich noch in Berlin und steht nicht so im Fokus? Umweltminister Carsten Schneider (SPD) will das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung erst mal ein paar Monate liegen lassen. Nicht dieses Jahr, sondern im nächsten sollen dann die vielleicht aktualisierten Klimaziele der Bundesregierung übermittelt werden. Stand der Planung jetzt: Treibhausgasneutralität bis 2045 und eine Reduzierung der Emissionen um 65 % bis 2030 im Vergleich zu 1990. Solange kein Mahnschreiben der EU-Kommission im Posteingang ankommt, besteht wohl kein aktueller Handlungsdruck. Im Klimaschutzprogramm beschreibt die Bundesregierung, wie sie die nationalen Ziele erreichen will. Festgezurrt ist da auch in Brüssel erst mal noch nichts.
Berlin wird im Januar ländlich-grün. Auf den 100. Geburtstag der Grünen Woche ist mein Kollege Wolfgang Kleideiter bereits mit einem Blick in ihre Geschichte in unserem Blog natur+mensch eingegangen. Vom 16. bis zum 25. Januar werden in den Hallen und auf dem Gelände der Berliner Messe unter dem Funkturm Stadt und Land zusammengeführt. Jetzt werden immer mehr Aktivitäten auch der Partner der Landwirtschafts- und Ernährungsmesse wie Jagd, Gartenbau oder Waldbau bekannt. Der inzwischen traditionelle „ErlebnisBauernhof“ soll die gesamte Themenpalette der modernen Landwirtschaft zeigen und eben erlebbar machen. Unter dem Leitmotiv „Ernährung sichern. Natur schützen“ wird zusammen mit 70 Partnern aus Landwirtschaft, Wissenschaft, Technik, Verarbeitung und Lebensmittel-Einzelhandel gezeigt, wie Innovation, Verantwortung und Vielfalt zusammenwirken. Lea Fließ, Geschäftsführerin des Forums moderne Landwirtschaft: „Die Landwirtschaft steht für Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Innovation gleichermaßen, wenn auf der Messe vielfältige Themen von Pflanzenzüchtung über moderne Tierhaltung bis zu digitalen Technologien präsentiert werden.“ Dabei stünden nach ihren Angaben Dialog und Transparenz im Mittelpunkt.
Die deutsche Ernährungsindustrie erinnerte ebenfalls diese Woche daran, dass sie sich traditionell auf der Grünen Woche zeigt. „Zukunft schmeckt“ heißt das Programm, das die Bundesvereinigung der Branche (BVE) und der Lebensmittelverband Deutschland präsentieren. Vielfalt und Innovationen sollen demnach als zentrale Voraussetzung die Ernährung in einem zunehmend herausfordernden Umfeld auch in Zukunft gewährleisten. Die Branche will offensichtlich mit ihrer starken Präsenz auf der Grünen Woche natürlich auch politische Wirkung entfalten. BVE-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff: „Die deutsche Ernährungswirtschaft braucht politische Stabilität, die Planungssicherheit schafft, Innovation ermöglicht und Überregulierung verhindert.“ Vielfalt sei dabei weit mehr als eine Frage des Geschmacks.
Neue Debatten über den Einsatz der Gentechnik zu erwarten
Derweil geht es in Brüssel wieder einmal um den transparenten Umgang mit der Gentechnik. Für entsprechende Produkte soll es künftig keine Hinweispflicht mehr auf den Endprodukten geben. Das streben Europaparlament und der Rat der EU-Länder an. Diese Debatte wird künftig auch Kritiker dieser Entwicklung erneut auf dem Plan rufen. Produkte, die aus Pflanzen mit begrenzten genetischen Eingriffen hergestellt werden, sollen demnach keinen Hinweis in den Supermärkten mehr erhalten, lediglich eine verpflichtende Kennzeichnung des Saatgutes. Der Weg dorthin ist gewöhnlich lang: EU-Parlament und Mitgliedsstaaten müssen diese Entwicklung bestätigen. Und wir werden uns im Laufe dieses Verfahrens damit in unserem Blog beschäftigen.
Quälgeister oder zu duldende Arten in den Städten
Nachdem wir in dieser Woche auf die unterschätzte Gefahr von oft illegal gefütterten Stadttauben in Zeiten der Geflügelpest eingegangen sind, befassen wir uns in der nächsten Woche im Blog mit einer weiteren städtischen Vogelplage. Sie geht von der zunehmenden Population der Krähen in verschiedenen Arten aus. Ein Problem für Stadt und Land. Unser Autor Jürgen Muhl wird am Beispiel mehrerer Städte schildern, wie schwierig die Lage geworden ist. Das reicht in verschiedenen deutschen Kommunen vom Ideenreichtum für Vergrämungsmaßnahmen bis zum Hissen der „weißen Flagge“ in einer norddeutschen Stadt. Auf der einen Seite nehmen Bürgerbeschwerden zu und auf der anderen Seite steht die Machtlosigkeit gegenüber den geschützten Vögeln, die nun einmal Krach machen und damit lästig werden. Zudem kommen in diesem Zusammenhang wieder das Thema weggeworfener Speisereste und die Folgen bis zum Seuchengeschehen in die Diskussion. Die Wegwerf-Unsitte halb gegessener Portionen ist nun einmal ein Teil des Problems.
Prägende Spuren in Beruf und Berufung
„Time to Say Goodbye“ auch von unserer Seite. Matthias Kruse ist ein geschätzter Kollege, der mit seinem Schritt in den Ruhestand nach 35 Jahren im Jagdjournalismus prägende Spuren in Beruf und Berufung hinterlassen wird. Ich wünsche, dass Jüngere sie aufnehmen, die vielleicht auch zugleich Journalisten und Jäger sind. Mit dem gegenseitigen Verständnis von Passion und Profession ist das bei uns manchmal „so eine Sache“. Der Chefredakteur des Rheinisch-Westfälischen Jägers wirkt an einer Schnittstelle von Einsichten, Überzeugungen und Botschaften. Etwa bei der Vermittlung von Zusammenhängen von Jagd und Natur nach innen und außen. Es muss übrigens die genannte Zeit her sein, als wir uns erstmals begegnet sind – nicht auf einer Jagd, sondern auf seiner Suche nach redaktionellen Konzepten. Das war damals in der Tageszeitung und einer Redaktion, die ich in gleicher Funktion, aber mit Blick auf andere Zielgruppen leitete. Wir sprachen seitdem immer wieder mal über die Unterschiede eines Publikums- und eines Verbandsmediums. Das Wort vom jagdjournalistischen Herzblut beschreibt die DNA, die für den Neu-Ruheständler Matthias seitdem steht. Wie ich ihn kenne, wechselt er nicht ins Nichtstun. Dazu wird gehören, dass wir so im Gespräch bleiben, wie wir das bisher gegenseitig gewinnend gepflegt haben.
Mit diesen guten Wünschen auf freundschaftlich-kollegialer Ebene verbinde ich auch für Sie, liebe Leserinnen und Leser, ein gutes und schönes Adventswochenende
Ihr
Jost Springensguth
Redaktionsleitung / Koordination







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