Nicht nur Naturschützer, Förster und Waldeigentümer in Brandenburg sind besorgt: Immer mehr Motocross-Fahrer jagen ohne Rücksicht durch den Wald. Laut, oft abseits der Wege, illegal. Doch die Polizei ist vielerorts machtlos
Die Sonne scheint durch die Bäume, nur das Rauschen des Windes ist im Naturschutzgebiet in der Nähe von Jüterbog zu hören. Doch plötzlich ein lautes Geräusch. Um die Kurve knattert ein Motocross-Fahrzeug den Weg entlang. Der erste Zweirad-Fahrer jagt vorbei, gefolgt von drei weiteren Fahrern, die ebenfalls abseits des Weges, auf dem sie ohnehin nie hätten fahren dürfen, unterwegs sind. „Diese illegalen Motocross-Fahrer sind in unserer Region wirklich ein hartnäckiges Problem für Natur, Tiere und für Erholungssuchende. Diese Typen sind extrem rücksichtslos Mensch und Natur gegenüber“, erklärt ein Sprecher der zuständigen Stiftung Naturlandschaften Brandenburg. Gegen diese Unsitte, so ein Forstamtsmitarbeiter aus Mecklenburg, sind E-Bike-Fahrer, die ab und zu auf ihrer Radtour mal einen Waldweg verlassen, ein laues Lüftchen.
„Die Wildnis ist nicht nur bei uns ein wertvoller Naturschatz für die lokale Bevölkerung. Wanderer schätzen die Schönheit der Landschaft, und auch Rotwild, Wildkatzen sowie Seeadler sind auf den Schutz ihres Lebensraumes angewiesen“, sagt der Geschäftsführer der Wildnisstiftung Brandenburg, Andreas Meißner. Doch genau dieser Lebensraum ist in Gefahr. Die Maschinen mit ihren rücksichtslosen Fahrern zerstören die Heimat von seltenen bodenbrütenden Vogelarten wie der Heidelerche. Sie scheuchen Tiere auf und stören sie bei der Aufzucht ihrer Jungen. Gelege von Vögeln, die am Boden nisten, werden einfach überrollt.
Bedrohter Naturschatz
Diese illegalen Motocross-Rennen sind ein hartnäckiges Problem nicht nur auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Jüterbog und Heidehof im sehr ländlich geprägten Kreis Teltow-Fläming. Viele Forstleute und Forstämter melden in anderen Kreisen und Regionen im Osten ähnliche Vorfälle. Ein Grund: Schon zu DDR-Zeiten war das Motocrossfahren im Osten sehr beliebt, die damals von der SED-gesteuerte Vor-Militärorganisation Gesellschaft für Sport und Technik (GST) unterstützte dies sogar nach Kräften. Rücksicht auf Tiere oder Wälder – eher gering bis gar nicht vorhanden. Damals nicht, heute auch nicht.
Grenzen gibt es aber offenbar nicht. Sogar von Angriffen auf Mitarbeiter von Forstämtern, Passanten oder Wandergruppen berichtet der Geschäftsführer der Wildnisstiftung, Andreas Meißner, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Ein Mitarbeiter der Stiftung sei in der Vergangenheit bereits von einem Motocross-Fahrer verletzt worden, der möglicherweise vorsätzlich in eine Wandergruppe gefahren sei.
Auch die Waldwege, die von den Waldeigentümern vielerorts mit erheblichem Aufwand angelegt und in Ordnung gehalten werden, sind nach einem derartigen Rennen ramponiert. Junge, gerade gesetzte oder gepflanzte Bäume werden zudem einfach über den Haufen gefahren. Ähnlich ergeht es den Waldbrandwegen. Parallel dazu steigt die Gefahr eines Waldbrandes durch den heiß werdenden Auspuffs am Fahrzeug oder durch den Funkenflug – eine Tatsache, die angesichts des bevorstehenden Sommers den Experten nicht nur in Brandenburg Angst macht.
Polizei geht Streife
Die Polizei will nun regelmäßig wenigstens die Außenkanten des Gebiets in Jüterbog und Heidehof kontrollieren und illegale Zufahrten und Startpunkte der Motocrosser überwachen. Für mehr ist nicht genügend Personal vorhanden. Gerade vor Wochenenden oder Feiertagen bündelt man in Brandenburg dann schon mal die Kräfte. Mitarbeiter von Polizei, Forst und der Stiftung planen in diesem offenbar besonders frequentierten Zeiten „gemeinsame Abfangaktionen“, hieß es. Die Bevölkerung wurde zusätzlich dazu aufgerufen, derartige Rennen oder ähnliche illegale Aktivitäten sofort zu melden. Und dann kann das teuer werden: Das illegale Befahren des Waldes kann schon mal bis zu 50.000 Euro Strafe kosten.
Häufig ist dies aber noch nicht vorgekommen. Ein Grund: Die Maschinen haben kein Nummernschild, die Fahrer tragen Helme und halten auch nicht an, wenn sie dazu von Jägern oder Förstern aufgefordert werden. Einmal Gas geben – und weg sind sie. Zurückgelassen werden beschädigte Wälder und Wege. Und eine leidende Natur.
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