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Auf vier Pfoten, heimlich und leise …

  • Autorenbild: Christoph Boll
    Christoph Boll
  • 12. Juni
  • 4 Min. Lesezeit

„Einwanderer“ wie der Goldschakal können schnell zu einer Bedrohung für die Fauna in Deutschland werden. Dem Tierschützer mag jede Kreatur gleich sein. Rückkehrende Arten sind aber etwas ganz anderes als Zuzügler in unsere Tierwelt


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Foto: andreiprodan_
Foto: andreiprodan_

Mancher Zuzügler auf vier Pfoten kommt heimlich und leise. Lange bleibt er unbemerkt und fällt erst auf, wenn er Probleme macht – wie jetzt der Goldschakal, der auf Sylt fast 100 Lämmer und Schafe getötet hat.


Das schleswig-holsteinische Landesamt für Umwelt hat längst grünes Licht für den Abschuss des hundeartigen Räubers gegeben. Doch viele Menschen, die sich oft und regelmäßig draußen aufhalten, bezweifeln, dass die Regelung über Einzelgenehmigungen der richtige Weg im Umgang mit invasiven Arten ist. Sie zu dulden ist kein Beitrag zur Biodiversität, sondern verkennt deren negativen Einfluss auf das Gesamtgefüge der Natur.


Der Goldschakal ist ein eng mit dem Wolf verwandter Hundeartiger. Das Fell ist meistens goldgelb gefärbt. Aus seinem Hauptverbreitungsgebiet im Nahen Osten, in Indien und weiteren Regionen Asien hat er sich in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter nach Norden und Westen ausgebreitet. Er lebt in kleinen Familienverbänden und ist etwas größer als ein Fuchs. Als sehr anpassungsfähige Art mit einem breiten Nahrungsspektrum kann er in unterschiedlichsten Landschaften leben. Europaweit wurde das Vorkommen inzwischen bereits 2021 auf knapp 120.000 Exemplare geschätzt.


Den ersten dokumentierten Nachweis in Deutschland gab es 1997 in Brandenburg. 2021 erfolgte der erste Reproduktionsnachweis des Goldschakals in Baden-Württemberg. 2022 wies man im niedersächsischen Landkreis Uelzen mindestens drei Welpen nach. Der scheue Räuber dürfte heute deutschlandweit vorkommen. Zuletzt wurde er erst vor wenigen Wochen durch Aufnahmen einer Fotofalle im Pfälzerwald in Rheinland-Pfalz nachgewiesen.


Weitere Gefahr für Bodenbrüter


Da ein Wurf aus bis zu sechs Welpen besteht, kann der Goldschakal schnell zu einer Bedrohung für die Fauna in Deutschland werden. Möglicherweise verdrängt er den Fuchs, da beide ähnliche Lebensräume und Beute beanspruchen. Schlimmer noch ist die Gefahr für bestandsgefährdete Arten wie Bodenbrüter. Denn der Neuzugang erweitert die ohnehin breite Palette der Fressfeinde, darunter Fuchs, Marderartige und weitere Neozoen wie Marderhund und Waschbär.


Der thüringische Landesjagdpräsident Ludwig Gunstheimer hat daher auf dem jüngsten Landesjägertag Ministerpräsident Mario Voigt und Umweltminister Tilo Kummer aufgefordert, zusammen mit dem Wolf auch gleich den Goldschakal ins Jagdrecht aufzunehmen. Die Politiker gingen darauf in ihren Redebeiträgen nicht ein. Denn auch ihnen wird der mögliche Konflikt bewusst sein, der sich daraus ergibt, dass der Goldschakal in der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) im Anhang V aufgelistet. Damit zählt er zu den geschützten Arten, bei denen sich alle EU-Länder dazu verpflichten, sie in einem günstigen Erhaltungszustand zu erhalten und ein Monitoring durchzuführen.


Wenn der Goldschakal auf Sylt im Rahmen der artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung zur Strecke kommt, wäre das also ein Sonderfall und der erste bestätigte Abschuss eines Goldschakals in Deutschland. Nachdem diese Möglichkeit bekannt wurde, haben auch Jäger aus anderen Regionen ihr Interesse an einer Beteiligung an dieser Jagd bekundet. „Es haben sich Leute gemeldet, aber das wird nicht in Anspruch genommen – wir wollen hier keinen Jagdtourismus“, zitiert die Sylter Rundschau den stellvertretenden Kreisjägermeister Nordfrieslands, Manfred Uekermann. Es hätten ihn mehrere Interessierte aus ganz Deutschland kontaktiert, um mitzujagen.


Schutz und Förderung für Rückkehrer


Ganz anders ist die Situation bei Wildkatze, Fischotter, Uhu, Wolf und Luchs, dessen internationaler Gedenktag am Mittwoch war. Kein verantwortungsbewusster Mensch, auch kein Jäger, wird Einwände gegen ihr Vorkommen in unserer Natur haben. Denn auch wenn sie regional oder bundesweit zwischenzeitlich verschwunden oder gar ausgestorben waren, sind es heimische Arten. Es geht allenfalls um das Wieviele und das Wo der Wiederansiedlung. Die Rückkehr kann sogar in einem bevölkerungsreichen und dicht besiedelten Bundesland gelingen. Das zeigt Nordrhein-Westfalen mit seinen Schutzprogrammen. Dort brach das Wildkatzen-Vorkommen im 20. Jahrhundert in fast allen Regionen zusammen. Nur in der Eifel überlebten einige Tiere. Heute leben in der Eifel etwa 300 bis 500 Wildkatzen, landesweit wird das Vorkommen auf etwa 1.000 Tiere geschätzt.


Der Uhu galt Anfang der 1960er in NRW als ausgerottet. Wenig später begonnene Aussetzungsprojekte und Schutzmaßnahmen führten dazu, dass er inzwischen wieder weit verbreitet ist und in Steinbrüchen und sogar auf Industriebrachen brütet. Ähnlich erging es dem Fischotter, der seit 2009 im Münsterland und knapp fünf Jahre später auch am linken Niederrhein zurück ist. Auch der Seeadler galt noch vor wenigen Jahrzehnten als ausgestorben. In diesem Jahr brütet sogar erstmals ein Seeadler-Paar erfolgreich im Ruhrgebiet, und das gleich mit drei Jungtieren. Und insbesondere gibt es die verschiedenen Erhaltungs- und Ansiedlungsprojekte für Auer- und Birkwild. Die Raufußhühner stehen besonders im Blickpunkt durch mehrere Praxisinitiativen und Artenhilfsprogramme in Deutschland.


Der letzte Luchs wurde in NRW vor 280 Jahren erlegt. Seither haben es nur wenige Exemplare dieser Großkatze bis dorthin geschafft und seit 2019 keine mehr. Eine Fachtagung im Bonner Museum Koenig war im vergangenen Monat der Startschuss, dies zu ändern. Das Vorhaben reiht sich ein in Auswilderungsprojekte im Schwarzwald, im Erzgebirge und im Thüringer Wald. Sie alle wollen dem Luchs auf die Sprünge helfen und Biotopverbünde schaffen.


Alle diese Vorhaben brauchen Geld von den Bundesländern und dem Bund. Aber das ist nur die unverzichtbare Basis. Gelingen können die Projekte letztlich nur, wenn Menschen sich dafür engagieren. Häufig sind es Ehrenamtliche, darunter vielfach Jäger, die den Rückkehrern eine Heimat bereiten.


Update: Gericht setzt Abschussgenehmigung außer Kraft


Das von uns in diesem Blog beschriebene „Insel-Drama um den Goldschakal“ findet durch eine Gerichtsentscheidung erst einmal kein Ende. Das auf Sylt nachgewiesene Raubtier darf nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Schleswig vorläufig nicht entnommen werden. Die Richter haben die Abschlussgenehmigung für das Tier, das nach übereinstimmenden Angaben bereits über 100 Lämmer auf den Deichwiesen gerissen hat, mit einer Befristung bis zu einer Eilentscheidung aufgehoben. Dieser Beschluss wird in etwa zwei Wochen erwartet. Die Genehmigung hatte vor einigen Tagen das Landesamt für Umwelt (LfU) in Abstimmung mit dem zuständigen Landesministerium in Schleswig-Holstein erteilt. Das Ministerium hat nun die Möglichkeit – so die Juristen – zunächst Stellung zu nehmen. Geklagt hat die Naturschutz Initiative e.V. mit Sitz in Quirnbach (Landkreis Kusel in Rheinland-Pfalz). Es handelt sich demnach nicht um eine ortsnahe Organisation, die geklagt hat. Das sorgt mit der überraschenden Gerichtsentscheidung bei den betroffenen Schafhaltern, den örtlichen Politikern und Jägern, die den Abschuss durchführen sollten, für große Verärgerung. Insbesondere gilt das auch für örtliche Naturschutzaktivisten. Nach einer Meldung des NDR hatten sich die Sylter Naturschutzverbände, die Naturschutzgemeinschaft und die Sölring Foriining ausdrücklich für den Abschuss des Goldschakals ausgesprochen. In unserem Wochenkommentar und Newsletter des Blogs natur+mensch werden wir am Samstag näher auf diese folgenreiche Entscheidung eingehen.

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