„Kommen mit dem Töten gar nicht nach“
- Frank Polke
- vor 7 Stunden
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Die grassierende Vogelgrippe ist in ihrem Ausmaß aktuell nicht abzusehen. Geflügelhalter und Helfer kommen an ihre Grenzen und fordern ein bundesweites Aufstallungsgebot

Jeden Tag kommen neue Schreckensmeldungen hinzu: In Nordrhein-Westfalen breitet sich die Vogelgrippe fast ungebremst vom Niederrhein über das Münsterland bis nach Ostwestfalen aus. Das gleiche Bild auch in anderen Bundesländern, wobei sich die Lage laut Behörden als „äußerst volatil“ darstellt. Besonders hart trifft es offenbar die nördlichen und östlichen Bundesländer. In Brandenburg stoßen Helfer an ihre emotionalen und physischen Grenzen bei der Bergung der Tierkadaver oder Keulung der Tiere.
Beispiel Brandenburg: Rund 130.000 Tiere mussten allein am Wochenende im Landkreis Märkisch-Oderland in Brandenburg getötet werden. Zunächst hatte man noch auf leichte Entwarnung gehofft, doch die Ergebnisse der Laboranalysen lassen keine andere Wahl zu: In einem großen Betrieb mussten 80.000 Enten allein an einem Vormittag gekeult werden. Die zuständigen Mitarbeiter können dies aber nicht umsetzen. „Das ist heute nicht alles zu schaffen. Wir kommen mit dem Töten gar nicht nach“, sagte eine Sprecherin der zuständigen Kreisverwaltung. In einem Masthähnchen-Betrieb im nicht weit entfernten Neutrebbin mussten weitere 50.000 Tiere getötet werden.
Woher und wie das hoch ansteckende Virus H5N1 in die Region genau eintragen wurde, ist laut Veterinäramt des Landkreises Märkisch-Oderland bislang unklar. Auch Nachbarländer wie Polen und Tschechien melden bereits Vogelgrippe-Fälle.
Mit großer Sorge blickt das für Tierseuchen mitzuständige Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf die weitere zeitliche Entwicklung. Schon jetzt hat die Vogelgrippe unter Kranichen inzwischen ein für Deutschland bislang unbekanntes Ausmaß angenommen. Dabei steht der Höhepunkt des Kranichzuges noch bevor. Dieser gilt als größtes Risikoereignis für die Ausbreitung des Virus.
Geflügelhalter fordern Aufstallungsgebot
Während sich Großstadt-Medien in der Frage ergehen, ob und in welchem Ausmaß die Weihnachtsgänse zum Fest denn teurer werden, schlagen die deutschen Geflügelhalter Alarm. Georg Heitlinger vom baden-württembergischen Landesverband der Geflügelwirtschaft forderte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa einen besseren Schutz der noch gesunden Geflügelbestände in Deutschland: „Es muss oberste Priorität haben, die Ausbreitung des Virus zu verhindern, Tiere zu schützen und Schäden abzuwenden. Wir brauchen ein bundesweites Aufstallungsgebot. Nutztiere wie Geflügel aus Freilandhaltung müssen auf eine solche behördliche Anordnung in geschlossenen Ställen gehalten werden.“
Deutschland will höhere Entschädigungspreise durchsetzen
Schon jetzt stehen den geschädigten Geflügelhaltern Entschädigungszahlungen aus der Tierseuchenkasse zu. Die Höhe der Ausgleichszahlungen richtet sich dabei nach dem Marktpreis für die Tiere. Laut aktueller Gesetzeslage darf die Entschädigung für jedes getötete Tier den Höchstsatz von 50 Euro nicht übersteigen. Das dürfte nicht genügen, um den Betrieben die Schäden gerade für gekeulte Gänse und Puten zu ersetzen.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium in Berlin hat vergangene Woche deshalb bei der EU beantragt, auch mit Blick auf den Wert der Zuchttiere die Obergrenze von Entschädigungszahlungen auf bis zu 110 Euro hochzusetzen. Dies könnte für Enten- und Gänsebetriebe relevant werden. Die Einzelbestimmungen für Kompensationsleistungen sind je nach Bundesland unterschiedlich. Erstattet werden unter Umständen auch Ausgaben für zusätzliche Hygienemaßnahmen. Dies kann auch von Ort zu Ort und Bundesland variieren.
Zurück nach Brandenburg: Dort ist die Situation vor allem im Linumer Teichland besonders angespannt: Nach dem massenhaften Kranich-Sterben im Nordwesten des Landes sind Helfer dort unermüdlich im Einsatz: „Ein Ende ist hier noch lange nicht in Sicht“, sagte der Bürgermeister der Gemeinde Fehrbellin, Mathias Perschall (SPD).
Beseitigung der toten Kraniche belastet die Helfer
Seit rund einer Woche sammeln Helfer Kadaver ein. „Wir werden jeden Tag rausgehen.“ Das Naturschutzgebiet dort gilt als einer der größten Rastplätze für Kraniche in Europa. Die Beseitigung der toten Kraniche belaste die Helfer – genau wie die natürliche Beschaffenheit des Linumer Teichlandes. Die Einsatzkräfte müssen durch tiefes Wasser waten.
Nach Einschleppung der Vogelgrippe haben dem Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) zufolge bislang mehr als 30 kommerzielle Geflügelhalter in Deutschland ihre Tiere töten müssen. Um die weitere Ausbreitung der Tierseuche möglichst einzudämmen, seien ersten Erhebungen zufolge etwa 400.000 Hühner, Enten, Gänse und Puten gekeult und anschließend entsorgt worden.


