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Christian Urlage

Das Mercosur-Abkommen weckt Ängste bei Bauern

Nach knapp einem Vierteljahrhundert haben sich die südamerikanischen Mercosur-Staaten mit der EU verständigt. Eine riesige Freihandelszone könnte entstehen. Doch nicht jeder freut sich


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Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (Foto: DBV)

Fast 25 Jahre haben die Europäische Union und vier südamerikanische Mercosur-Staaten verhandelt, jetzt haben sie sich endlich auf ein Abkommen geeinigt. Es weckt gegensätzliche Erwartungen: Die Industrie hofft auf gute Geschäfte, während Landwirte besorgt sind. Befürworter sprechen von einem der künftig größten Handelsräume der Welt – mit rund 720 Millionen Menschen: 450 Millionen in den 27 EU-Staaten und 270 Millionen in Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay


EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte das Abkommen als Gewinn für Europa und als historischen Meilenstein. Sie erwartet, dass der Wohlstand wächst und die Wirtschaft von niedrigeren Zöllen profitiert. Die europäische Autobranche, die bisher Zölle von 35 Prozent zahlt, rechnet mit steigenden Exporten nach Südamerika und günstigeren Rohstoffen wie Lithium und Kupfer.


Bauernverband fordert Neuverhandlungen


„Wir Bauern wurden nicht gehört“, empört sich dagegen Bauernpräsident Joachim Rukwied und übt scharfe Kritik: „Dieses Abkommen gefährdet die Zukunftsfähigkeit unserer Betriebe in Europa.“ Er fordert Neuverhandlungen und spricht von einer Einigung auf Kosten der Landwirtschaft. Bedenken wegen Wettbewerbsverzerrung brachten auch Frankreich, Polen und Italien und spanische Landwirte vor. Die Bauern stehen in einer ungewöhnlichen Koalition Seit an Seit mit dem Deutschen Naturschutzring oder Greenpeace, die eine Zerstörung des Regenwaldes, niedrigere Tierschutzstandards und den Einsatz von Pestiziden befürchten.


Schrittweise sollen Zölle abgeschafft werden, aber die geplanten Einfuhrquoten sind begrenzt: Beim Rindfleisch betragen sie 99.000 Tonnen zum geringem Zollsatz von 7,5 Prozent. Beim Geflügelfleisch gewährt die EU eine zollfreie Einfuhrquote von 180.000 Tonnen pro Jahr, bei Schweinen sind es 25.000 Tonnen mit einem Einfuhrzoll von 83 Euro je Tonne.


Billig-Importe aus Südamerika befürchtet


Dennoch vertrauen die Landwirte nicht darauf, dass die deutschen Verbraucher eher qualitativ höherwertige einheimische Produkte bevorzugen. Vielmehr befürchten sie eine Konkurrenz durch billigere Importe aus Südamerika und damit Verluste. Die „Süddeutsche Zeitung“ zitierte einen Landwirt, der erwartet, künftig pro Kilo Rindfleisch mindestens einen Euro weniger zu verdienen. Die Bauern führen an, dass Geflügel oder argentinisches Rindfleisch unter geringeren Umwelt- und Tierwohl-Auflagen produziert wird und Zucker mit Pflanzenschutzmitteln hergestellt wird, die in Europa längst verboten sind.


Noch ist die Einigung mit dem Staatenbündnis Mercosur – eine Abkürzung für Mercado Común del Sur („Gemeinsamer Wirtschaftsraum des Südens“) – nicht abgeschlossen, das EU-Parlament und die EU-Mitgliedstaaten müssen noch zustimmen. Nach Einschätzung von Experten wird das Abkommen aber spätestens 2026 unter Dach und Fach sein, da die meisten EU-Länder dafür sind.


Laut einer Analyse des Thünen-Instituts von 2020 sind jedoch die Sorgen der Bauern übertrieben. Demnach wird das Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten das Bruttoinlandsprodukt auf beiden Seiten des Atlantiks nur leicht wachsen lassen. Sensible Agrarprodukte der EU wie Rindfleisch, Geflügel und Zucker blieben weiterhin geschützt, dämpfen die Fachleute die Befürchtungen aus der Landwirtschaft. „Es kommt nur zu geringen Produktionsrückgängen.“ Folgt man der Analyse, so wird das Handelsabkommen nicht zur „Überschwemmung“ der Agrar- und Ernährungsmärkte in der EU führen.


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