Mit ihrem Projekt „Zukunfts-Bauer“ wirbt die Landwirtschaft um öffentliches Vertrauen und kämpft gegen Entfremdung. Wie es dazu gekommen ist, verrät ein lesenswertes Buch
Bullerbü, Bergdoktor, Bauer sucht Frau – Klischees und Stereotypen vom Landleben und der Landwirtschaft sind in vielen Köpfen nach wie vor so fest verankert, dass es schwer ist, die moderne Wirklichkeit zu erzählen. Wer auf ein fantasievolles Wimmelbild mit einem kleinen roten Traktor auf dem gelben Weizenfeld schaut, erfährt wenig über Viehzucht und Ackerbau, ist aber durchaus empfänglich für ein falsches und bewusst überzeichnetes Bild von Monokultur und Massentierhaltung. Selbst viele Kritiker wissen heute, dass dies nicht mehr so stimmt, und kennen die Realität auf den Höfen und in den Betrieben. Dass mit den verbogenen Wahrheiten trotzdem weiter Stimmungsmache betrieben wird, ist umso ärgerlicher.
Mithilfe der Markt- und Medienforschungsagentur Rheingold Salon haben der Deutsche Bauernverband und der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) schon vor drei Jahren in der Corona-Zeit erforschen lassen, wie die Landwirtschaft neues Vertrauen in der Gesellschaft gewinnen kann. Eine spannende Fragestellung nicht nur für die Verbände, sondern für alle, die mit der Landwirtschaft und dem Leben auf dem Land verbunden sind. Die Antworten bleiben aktuell gültig. Vertrauen stärkt Bindung, ermöglicht einen offenen und ehrlichen Austausch, bildet einen Gegenpol zu Vorurteilen.
In einem im vergangenen Jahr neu aufgelegten Buch des münsterischen Landwirtschaftsverlags wird ausführlich dargelegt, welche wichtigen Erkenntnisse die Kölner Marktforscher in Befragungen und Interviews gewonnen haben und welche Überlegungen eine Rolle dabei spielten, das Projekt „Zukunfts-Bauer“ mit all seinen Facetten zu starten und bis heute fortzuentwickeln. Das Buch bietet nicht nur tiefe Einblicke in die gründliche und systematische Herangehensweise, sondern wird für manch einen Leser auch zum Blick in den Spiegel. Denn wer stark vom landfernen Stadtleben geprägt ist, wird sich dabei ertappen, welche (falschen) Vorstellungen und Narrative in seinem Kopf herumschwirren. Nein, Viehzucht hat nichts mit dem Streichelzoo um die Ecke zu tun. Die Felder sind keine hübsche Dekoration für das Foto vom Wochenendausflug, sondern müssen Erträge bringen.
Auch das Selbstbild der Bauern auf dem Prüfstand
In der Studie wird den Narrativen auf den Grund gegangen, werden Projektionen hinterfragt. Aber auch das Selbstbild der Bauern, die für die Versorgung und Ernährung der Menschen zweifellos eine höhere Wertschätzung verdienen, steht auf dem Prüfstand. Eine wichtige Feststellung: Bauern müssen nicht Bauern erzählen, was sie tun, sondern vor allem Verbrauchern erklären, was sie warum in ihrem Beruf machen und wie die gemeinsame Zukunft aussehen kann.
Bei der Frage der Zukunft steht die Landwirtschaft beileibe nicht allein. Zukunftsfragen umtreiben mit Blick auf Krisen, Klima und Kriege alle Menschen. Die Zukunftsfrage verbindet heute mehr denn je. Umso wichtiger ist es, wie in der Zukunftskommission Landwirtschaft umgesetzt, über Wahrheiten zu sprechen und nicht mit verbogenen Realitäten Politik zu machen.
Dabei wird auch im Buch nicht verschwiegen, dass das Projekt „Zukunfts-Bauer“ selbst wie ein Narrativ zu sehen ist, aber eines, das beim Zusammenleben helfen und sich vor allem als konstruktiv und zukunftsorientiert erweisen soll.
Wie weit die Arbeit bis heute schon gediehen ist, erfährt man in einem Themen-Dossier auf der Homepage des Deutschen Bauernverbandes.
Informationen zum Buch:
Jens Lönneker, Marco Diefenbach und Lukas Struwe: Zukunfts-Bauer –
Über die Analyse und Gestaltung des öffentlichen Vertrauens, LV.Buch im Landwirtschaftsverlag, 108 Seiten, Hardcover, 20 €, ISBN: 978-3-7843-5733-1
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