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  • Über Nebenwirkungen informiert kaum noch jemand

    In ganz Deutschland sinkt die Zahl der Apotheken. Vor allem in Ostdeutschland ist vielerorts die Lage dramatisch Wenn viele ihrer Kunden in ihre kleine Apotheke kommen, weiß Hilde Weber sofort: „Viele kenne ich seit Jahrzehnten. Da geht es um mehr als um den Verkauf von Tabletten und Hustensaft per Rezept. Da geht es oft um einen Plausch. Wie geht es der Ehefrau? Oder sehen wir uns morgen beim Kirchenfest?“ Hilde Weber führt im thüringischen Suhl ihre Apotheke in der dritten Generation. 1953 begann ihr Großvater, dann übernahm 1975 ihre Mutter. Schwere Zeiten im real existierenden DDR-Sozialismus. Und kurz vor der Wende wurde die heute 69-jährige Eigentümerin der Apotheke, die zentral in der Innenstadt der thüringischen Stadt liegt. Doch im Juni ist Schluss. Und das für immer. Denn eine geeignete Nachfolge hat die Apothekerin aus Thüringen nicht gefunden. Nicht in der Familie – „Meine Tochter lebt in Wiesbaden, der Sohn in der Schweiz“ -, nicht im Bekanntenkreis, nicht aus der Umgebung. Nicht aus Deutschland, trotz aller Bemühungen der Kammer und des Landes. Keine Bewerber, kein Interesse. Das ist gerade typisch in den ländlichen Räumen und den kleineren Städten  dort. Zahl der Apotheken sinkt weiter So wie in Suhl sieht es in vielen Regionen aus. Seit gut zehn Jahren geht deutschlandweit die Zahl der betriebenen Apotheken zurück. Schon bald könnte die Marke von 18.000 Apotheken unterschritten werden. Besserung ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil. Nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hatte bereits im Jahr 2019 ein Drittel der Chefs oder Eigentümer das 55. Lebensjahr überschritten. Übersetzt: Im Jahr 2035 könnte die Zahl der Apotheken auf 10.000 gesunken sein. Und natürlich ist – wie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen auch – die Lage im Osten und im ländlichen Raum besonders dramatisch. In einigen Regionen wie der Uckermark oder dem Spreewald müssen Menschen schon heute bis zu 30 Kilometer weit fahren, um eine Apotheke zu erreichen. Eine weite Strecke für Menschen, die oft krank oder eingeschränkt in ihrer Mobilität sind und die nur wegen eines Rezepts eine derart lange Strecke auf sich nehmen müssen. Dazu kommen die anhaltenden Engpässe bei der Bereitstellung von einzelnen Medikamenten, die dazu führen können, dass man auf der Suche nach dem Magenmittel oder dem Hustensaft für die kranken Kinder mit leeren Händen wieder nach Hause fahren muss. Aber auch hier ist die demografische Entwicklung nur ein Teil der Wahrheit. Auch die bürokratischen Hürden, die vielen Notdienste und Nachtschichten, die vielen Apothekern gerade in dünn besiedelten Regionen manchmal 50 bis 60 Wochenstunden bescheren, schrecken ab. „Das ist schon manchmal eine starke Belastung, die viele in der jüngeren Generation nicht so klaglos hinnehmen wie wir“, sagt Apothekerin Hilde Weber. Zeiten des hohen Einkommens sind vorbei Als Entschädigung wurden in der Branche Einkommen erzielt, die am oberen Ende der Gehaltsskala anzusiedeln waren. Doch diese Zeiten sind offenbar auch vorbei, wie ein Blick ins Nachbarbundesland Sachsen zeigt. „Jede zehnte Apotheke bei uns in Sachsen schreibt aktuell rote Zahlen, ein Drittel ist in einer wirtschaftlichen Schieflage“, sagte Reinhard Groß, stellvertretender Vorsitzender des Apotheker-Verbandes in Sachsen am Rande des Apothekertages. Tendenziell gebe es immer mehr Schließungen aufgrund wirtschaftlicher Probleme. „Wir brauchen dringend eine wirtschaftliche Stabilisierung der Apotheken, die vor allem in den letzten Jahren mit enormen Kostensteigerungen in nahezu allen Bereich kämpfen müssen“, forderte Groß.  Die seit zehn Jahren nicht mehr erhöhte Pauschale für die Abgabe rezeptpflichtiger Medikamente müsse von aktuell 8,35 Euro auf zwölf Euro steigen und regelmäßig an die Kostenentwicklung angepasst werden. Zusätzlich sorgt das zum Jahresbeginn eingeführte E-Rezept für einen erheblichen Mehraufwand. Kunden würden beispielsweise aufgrund technischer Störungen zu einer anderen Apotheke wechseln und Krankenkassen Rechnungskürzungen wegen fehlerhaft ausgefüllter Rezepte vornehmen. Das Bundesgesundheitsministerium winkt angesichts der Forderungen der Apotheker ab. „Kein Handlungsbedarf“, heißt es aus Berlin. Deswegen sieht Apothekerin Hilde Weber nicht nur in ihrer Heimat mit großer Sorge in die Zukunft – gerade mit Blick auf ihre älteren Stammkunden. „Allein im Raum Erfurt fehlen 40 Apotheker. Die machen alle zu, es folgt keiner nach. Wer soll da noch die Menschen versorgen, sie aufklären, wie und wann man welches Medikament nehmen soll?“, fragt sie sich. Und wer solle mit ihnen kurz reden, wie es denn der Oma gehe?

  • Gibt es auch ein politisches Stadt-Land-Gefälle?

    Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung sieht auch Unterschiede bei den politischen Überzeugungen in Deutschland, die bei den Wahlen Folgen haben könnten Bei den politischen Einstellungen gibt es in Deutschland merkliche Unterschiede zwischen der Stadt und dem Land. Je ländlicher die Region, desto höher sind die Wahlerfolge der Unionsparteien und der AfD. Im Gegenzug schneiden die Grünen in städtischen Gebieten überdurchschnittlich ab. Die SPD hatte in der Vergangenheit mehr Wahlerfolge in den Städten. Allerdings war diese Tendenz bei der letzten Bundestagswahl nicht zu beobachten. Bei der FDP gibt es keine Unterschiede beim Wahlverhalten von Städtern und Landbewohnern. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „Stadt, Land, … Unterschiede“ der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, die am Montag veröffentlicht wurde. Dominik Hirndorf hat für die Studie zwei repräsentative Umfragen ausgewertet. Als städtisch gelten die Befragten, wenn sie in kreisfreien Städten oder in Großstädten mit über 500.000 Einwohnern leben. Am größten sind der Studie zufolge die Sympathien für die Union auf dem „ländlichen Land“ mit weniger als 150 Einwohnern pro Quadratkilometer. Hier hegen 47 Prozent der Einwohner zumindest Sympathien für die Union. Am geringsten sind die Werte der Union in den Großstädten, wo sie nur auf 39 Prozent Sympathie stößt. Die Grünen erzielen in Städten, die mindestens kreisfreie Städte sind, mit 53 Prozent ihren Spitzenwert und im ländlichen Raum mit Sympathiewerten von 30 Prozent ihren niedrigsten Wert. Die Unterschiede bei der Parteienpräferenz zwischen städtischen und ländlichen Bevölkerungsgruppen finden Entsprechungen bei den politischen Einstellungen etwa im Hinblick auf Themen wie Klimaschutz, Sozialstaat, Zuzugsmöglichkeiten und geschlechtergerechte Sprache. So finden tendenziell Menschen, die auf dem Land wohnen, den Einsatz für mehr Wirtschaftswachstum wichtiger als den Kampf gegen den Klimawandel. Auf dem Land haben die Menschen auch eine höhere Präferenz dafür, Steuern und Abgaben zu senken, und halten es nicht für so dringend, den Sozialstaat auszubauen. Auf dem Land sind ebenfalls mehr Menschen dafür, die Zuzugsmöglichkeiten für Ausländer nach Deutschland zu begrenzen, als etwa Menschen mit ähnlichen sozioökonomischen Merkmalen in der Stadt. Der Forscher glaubt an einen Zusammenhang. Wenn etwa auf dem Land die Angst vor den Folgen des Klimawandels weniger stark ausgeprägt ist als bei städtischen Bevölkerungsschichten, dann führe dies zu „leicht verschobenen politischen Präferenzen“. Das heißt, die Partei der Grünen, die wie keine andere sich den Kampf gegen den Klimawandel auf die Fahnen geschrieben hat, erziele auf dem Land weniger Zustimmung als in der Stadt. Die höheren Zustimmungsraten für Unionsparteien und AfD auf dem Land erklärten sich ähnlich: Ausschlag könnten, so der Autor der Studie, die Einstellungen der ländlichen Bevölkerung zu den Themen Zuzug von Ausländern sowie Ausbau des Sozialstaats haben. Städter sind mehr für den Ausbau der europäischen Einigung Auch bei der Haltung zur EU gebe es Unterschiede zwischen Stadt und Land. Grundsätzlich sei die überwiegende Zahl der Deutschen proeuropäisch eingestellt. Doch Städter sind unter dem Strich mehr der Meinung, dass die europäische Einigung ausgebaut werden müsse, als die Menschen auf dem Land. Kleine Unterschiede gibt es demnach sogar bei den Einstellungen zum Ernährungsverhalten. Rund 25 Prozent der Befragten in den Städten bekannten sich in der Umfrage zu „vegetarisch“ oder „vegan“ als wichtiges Essensmerkmal. Dieser Wert lag in der ländlichen Bevölkerung bei 15 Prozent. Die Studie kommt jedoch nicht zu dem Schluss, dass es in Deutschland einen gravierenden Unterschied zwischen den politischen Einstellungen der Städter und der Landbevölkerung gibt. Es gebe vielmehr „leichte Differenzen in den politischen Einstellungen“, die eine Erklärung für das leicht unterschiedliche Abschneiden der Parteien in den Städten und auf dem Land böten.

  • Wer wird denn weinen ...

    Ob mit Trittin, Gysi oder Wagenknecht: Angela Merkels angekündigte Auftritte überraschen – und unterstreichen damit die wachsende Distanz zur CDU Es wird ihr bisher nicht schwergefallen sein zu schweigen. Seit zweieinhalb Jahren hält sich Angela Merkel mit öffentlichen Äußerungen zur aktuellen Politik zurück. Nach dem Ende ihrer 16-jährigen Amtszeit als Bundeskanzlerin war die 69-Jährige weitestgehend abgetaucht. In der CDU war man nicht unglücklich darüber, auch wenn sich Merkel Schritt für Schritt unspektakulär von ihrer Partei entfernte, die ihre krachende Wahlniederlage 2021 aus Bequemlichkeit nicht Merkel, sondern ihrem unglücklichen Kandidaten Armin Laschet ankreiden konnte. Reichlich gewagt. Jetzt aber windet sich Merkel offenbar auf die kleineren Bühnen der Tagespolitik zurück. Als Privatperson. Aller Ämter ledig und ungebunden. Dennoch werden ihre Termine mit verwundertem Interesse wahrgenommen, die durch geleakte Chat-Nachrichten (also absichtsvolle Schnüffelei) das Licht des Tages erblicken. Denn siehe da: Merkel gibt vor allem den politischen Gegnern von einst die Ehre. Eine Rede beim parlamentarischen Abschied des linken Grünen-Idols Jürgen Trittin, offenbar ein Auftritt bei der Buchvorstellung des SED/PDS/Linkspartei-Denkmals Gregor Gysi (mit den launigen Titel „Ich, der Ober-Ossi“, den auch Merkel für sich in Anspruch nehmen könnte), dazu ein Auftritt vor der SPD-Bundestagsfraktion, ein Gespräch mit dem liberalen Quälgeist Wolfgang Kubicki, ein Treffen mit den Spitzen der Ampel am Tag der offenen Bundestagstür – und als Sahnehäubchen ein eher privater Gedankenaustausch mit Sahra Wagenknecht am Rande des BSW-Parteitages. Das alles wäre kaum der Rede wert und im Reich eines aufgeweckten Politrentnerdaseins anzusiedeln, würde sich nicht immer wieder eine höchst spannende Frage darüberlegen. Die heißt: Wie hält es Merkel mit der Union? Schließlich hat die Altkanzlerin mittlerweile der Hinweise genug gegeben, dass sie mit der CDU so viel nicht mehr am Hut hat. Der Konrad-Adenauer-Stiftung gab sie vielsagend spröde einen Korb, das Antragen des Ehrenvorsitzes saß sie kühl aus, die Teilnahme an Bundesparteitagen hat sie entfremdet aus ihrem Terminkalender gestrichen. Wachsende Distanz und gepflegte Gleichgültigkeit Das alles in Merkel-Manier: ohne Schröder´sche Plusterei, ohne besserwisserische Ich-bin-noch-wer-Ratschläge, auch ohne öffentliche Konfrontation und das Buhlen um einen Platz in der deutschen Nach-Mauer-Geschichte. Das wird wohl so bleiben. Auch deshalb ist man im Konrad-Adenauer-Haus nicht unglücklich darüber, die wachsende Distanz und gepflegte Gleichgültigkeit zwischen Merkel und der Partei problemlos einzugestehen. Emotional verkümmert, aber mit dem nötigen Respekt, natürlich. In der Tat ist ist die Merz-CDU keine Merkel-Union mehr. Sie hat ein Stück konservatives Profil zurückgewonnen, sieht sich in der Opposition wieder als Gegenpart zu den anderen Parteien statt als Koalitionspartner in spe. Ein der bitteren Realität geschuldeter härterer Migrationskurs, eine krisengeschuldete Rückbesinnung auf wirtschaftliche Grundwerte und auf finanzierbare, treffgenauere Sozialprogramme – es ist Spekulation, ob Merkel als Partei-Chefin vieles davon zugelassen hätte. Dass die großkoalitionäre Endphase ihrer Amtszeit nachvollziehbar als Einstieg in viele heutige Probleme und Versäumnisse gewertet wird, lässt es großen Teilen der CDU und ihrer Spitze obendrein leichtfallen, sich Merkels kühle Schulter nicht zu Herzen zu nehmen. Und so halten sich Merkel und die CDU an einen Schlager, den Hugo Hirsch schon vor über 100 Jahren zu einem Evergreen textete: Wer wird denn weinen, wenn man auseinandergeht.

  • Gute Noten fürs Wildbret

    Ein Bundesinstitut arbeitet an praktischer Hilfestellung für Jäger und Verbraucher Zur Abwechslung Ideologiefreies von einer Bundesbehörde zum Thema Jagd: Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stellt dem Lebensmittel Wildbret ein gutes Zeugnis aus und arbeitet an praxistauglichen Ratschlägen für Jägerschaft und Konsumenten. Die erste gute Nachricht: Auf der Zwischenbilanz-Pressekonferenz des Instituts war auch der jagdliche Sachverstand gut vertreten. Genauso wichtig: Die Waidgerechtigkeit im praktischen Jagdbetrieb spielt bei der Arbeit der Experten an Jagdmunition, die das Lebensmittel Wildbret besser vor Schwermetallen schützt, eine gleichberechtigte Rolle. Zugleich ist ihre Zwischenbilanz ein klares Statement gegen Panikmache bei den Verbrauchern. Wissenswert für Jägerinnen und Jäger: Ziel der aktuellen Arbeit, für die ein europäisches Experten-Netzwerk installiert wurde, ist ein „Produktsteckbrief“ für Jagdmunition, der nicht nur Auskunft über ballistische Daten und Geschosswirkung gibt, sondern auch Informationen über mögliche (!) Einflüsse auf den Schadstoffeintrag im Wildkörper. Etwa Metalleinträge über den eigentlichen Schusskanal hinaus. Dass das Aufpilzen der Geschosse unter dem Aspekt der Waidgerechtigkeit genauso wichtig ist, kommt bei der Forschung nicht zu kurz. Mit den Zwischenergebnissen stellt BfR-Präsident Andreas Hensel dem heimischen Wildbret ein gutes Zeugnis aus. Mindestens so gesund wie andere Lebensmittel und gut überwacht, was Trichinenbefall und auch radioaktive Belastung nach dem Atom-Unfall in Tschernobyl angeht: Gerade mal drei von 100.000 Wildschweinen waren aktuell bei den obligatorischen Untersuchungen betroffen. Die Überwachung von Natur-Produkten wie Wildbret, Fisch und Pilzen sei sichergestellt. Wohl noch wichtiger: Der richtige Umgang vor und nach dem Schuss. Schon beim Ansprechen auf mögliche Auffälligkeiten achten. Sauber schießen, ohne vermeidbare Wildbretzerstörung. Bald aufbrechen und es bei der Sichtprüfung der Organe sehr genau nehmen. Transport in die Kühlung so schnell wie möglich. Und, auch wenn´s manche Jäger stillos finden: Schutzhandschuhe tragen. Für Köchinnen und Köche gibt’s ebenfalls Empfehlungen: Blutig gebratenes Wildbret ist zwar nicht gefährlicher als Rumpsteak „rare“ vom Metzger. Aber Wild bleibt auch „rosa“ noch zart, gegart bei moderaten Temperaturen. Oder klassisch: gut abgehangen, sorgsam eingelegt und leise köchelnd butterweich geschmort.

  • Von der bedrohten Art zum Plagegeist

    Nicht nur der Wolf breitet sich unkontrolliert aus. Bei weiteren Arten sollte die EU die Tür für ein aktives Management der Bestände öffnen Seit mehr als 30 Jahren praktizieren die Europäer erfolgreich den Schutz bedrohter Arten. Grundlage ist die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) aus dem Jahr 1992. In Anhang II sind die Arten von Pflanzen und Tieren aufgeführt, die unter besonders strengem Schutz stehen. Einige Tierarten, die akut vom Aussterben bedroht waren, haben sich erholt. Es ist nun Zeit, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Sie müssen kaum oder gar keine natürlichen Feinde fürchten. Ihre Populationen wachsen unkontrolliert, bedrohen teils den Menschen oder richten Schäden in der Landwirtschaft und öffentlicher Infrastruktur an. Der Wolf ist nur die prominenteste der hier betroffenen Tierarten. Der Weg, um zu einem aktiven Management der Bestände zu gelangen, ist aufwendig. Zunächst muss die Berner Konvention des Europarates geändert werden. Die Berner Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der über dem EU-Recht steht. Wenn die Berner Konvention geändert ist, kann dann in einem zweiten Schritt die FFH-Richtlinie geändert werden. Dazu bedarf es eines Vorschlages der EU-Kommission, der dann von den beiden Co-Gesetzgebern, EU-Parlament und Ministerrat der 27 EU-Staaten, beraten und beschlossen werden muss. Die Union ist die einzige Partei, die mit der Forderung in den Europawahlkampf zieht, das EU-Recht zu ändern. Im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU steht der Hinweis darauf aber recht versteckt. In dem Absatz, in dem „Abschüsse bei hoher Wolfsdichte“ gefordert werden, heißt es auch: „Auch für andere große Beutegreifer braucht es vergleichbare Anpassungen.“ Um diese bislang streng geschützten Tierarten könnte es gehen: Der Bär stellt in Rumänien, der Slowakei und inzwischen auch in Norditalien eine akute Bedrohung für den Menschen dar. Allein in Rumänien gibt es Schätzungen zufolge 5000 bis 6000 Bären. Anders als beim Wolf kommt es zu gefährlichen Angriffen von Bären auf Wanderer und andere Sportler, leider immer wieder auch mit tödlichen Folgen für den Menschen. Hier sollte in die Bestände eingegriffen werden. Auch der Biber ist vielerorts eine Plage In Deutschland ist der Biber in vielen Gegenden zu einer regelrechten Plage geworden. Gerade im Südwesten um Sigmaringen und Biberach (!) nagen die Biber in großem Stil Bäume ab und stauen das fließende Gewässer auf. Nicht nur die Bauern sind genervt, deren Felder geschädigt werden. Die kommunalen Wasserbetriebe klagen über hohe finanzielle Schäden. Sie müssen die Abwasserkanäle aufwändig freihalten. Der Biberbestand in Deutschland wird auf 14.000 Tiere geschätzt. Obwohl sich die Bestände massiv erholt haben, finden immer noch kostspielige Umsiedlungsaktionen statt, die jeweils 100.000 Euro und mehr kosten. Die geschädigten Landwirte bekommen keinen finanziellen Ausgleich. Am Bodensee und vielen Flussläufen hat der Bestand des Kormorans längst überhandgenommen. Sehr zum Ärger von Hobbyanglern und gewerblicher Binnenfischerei. Die unkontrollierte Ausbreitung der Kormorane, die sich von Fischen ernähren, ist ein Faktor, warum seit Anfang dieses Jahres ein zunächst auf drei Jahre befristetes Fangverbot für Blaufelchen gilt, auf die sich die Bodenseefischerei spezialisiert hatte. Saatkrähen müssen kostspielig vergrämt werden Vor allem in städtischen Parks und von Landwirten wird die Saatkrähe wieder als eine Belästigung empfunden. In Scharen machen die Krähen sich etwa über Biomaisfelder her. In vielen Kommunen wird über die Lärmbelästigung durch die Vögel geklagt sowie über die Verkotung von Parks und Spielplätzen. Da Abschüsse verboten sind, müssen Landwirte und Kommunen zu teuren Vergrämungsmaßnahmen greifen. Fischotter vor allem in einigen Gegenden Bayerns sowie Gänse, die wertvolles Grünland in Nord- und Ostseenähe beeinträchtigen, sind weitere Arten, bei denen der Schutzstatus herabgesetzt werden sollte. Die Anpassung der FFH-Richtlinie wird auf den erbitterten Widerstand des grünen Teils der Bundesregierung sowie von grünen und sozialistischen Abgeordneten im Europaparlament stoßen. Das Vorhaben ist aber überfällig und sollte nach der Europawahl konsequent vorangetrieben werden.

  • Wagenknecht, Wagenknecht und sonst nix

    Sahra Wagenknecht dürfte fast allen in Deutschland ein Begriff sein. Vor allem im Osten. Doch sonst ist über das Bündnis Sahra Wagenknecht nicht viel bekannt 17 Mitglieder sollen es sein. 17 bisher Unbekannte haben ihre Ausweise für das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ in Brandenburg erhalten. In Thüringen und Sachsen, wo bereits Anfang September ein neuer Landtag gewählt wird, sollen es immerhin jeweils 240 sein. Trotzdem nicht viel für eine Partei, die bisher sowieso als „One-Man-Show“ wahrgenommen wird. Oder korrekt: als „One-Woman-Show“. Sahra Wagenknecht, die ehemalige Spitzenpolitikerin der Linkspartei, ist einem breiten Publikum sogar im Westen ein Begriff. Die streitbare Ehefrau von Oskar Lafontaine, seines Zeichens Ex-SPD-Vorsitzender, ist seit Jahren Talkshow-Königin, tritt auf Demonstrationen mit Querdenkern, Russland-Verstehern und anderen Populisten auf. Eingefügt hat sich die 54-Jährige noch nie. Bedenken, sich von populistischen Ansichten und Äußerungen und Personen fernzuhalten,  hat die durchaus eloquente Frau aus dem Osten auch noch nie gehabt. Zuletzt polarisierte sie mit ihrer offen zu Tage getragenen Nähe zu Putin. Die Nähe zu Putin Wagenknecht  weiß genau, dass gerade in den neuen Ländern eine durch die „Völkerfreundschaft der DDR mit der Sowjetunion“ gewachsene Nähe zu den Menschen in Russland und Co. existiert. Viele ältere Menschen fremdeln mit dem Westen (und gerade mit den USA). Den Angriffskrieg des russischen Präsidenten auf die Ukraine finden die Menschen im Osten zwar nicht gut, aber jetzt soll auch mal Frieden her. Und überhaupt, so eine starke Minderheitsmeinung, habe die NATO Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion betrogen und sei Moskau auf den Pelz gerückt. Historischer Unsinn, aber egal. Der gebürtigen Jenenserin Wagenknecht gelingt es auch in der Innenpolitik, Themen wie die Ablehnung des Bürgergeldes, Vorbehalte gegen Zuwanderung und das selbstmitleidige Gefühl des „Guten Ossi contra bösen Wessi“ zu artikulieren. Hier wildert das BSW durchaus in bürgerlichen Milieus, im rechten Lager und sogar im Wählerstamm der links-konservativen Gruppe, die ganz früher SED, dann PDS und zum Schluss die Linkspartei gewählt haben. Aber wer steckt noch hinter dem BSW, die bei Umfragen in allen drei Bundesländern stabil über der Fünf-Prozent-Hürde liegt? Da ist zum Beispiel Amira Mohamed Ali. Die gelernte Rechtsanwältin aus Hamburg trat 2019 die Nachfolge Wagenknechts als Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion an. Damit war sie die erste deutsche Muslima an der Spitze einer Bundestagsfraktion. Es dauerte nicht lange, da drehte sie auf Linie Wagenknechts. Man frage zum Beispiel nach bei Dietmar Bartsch, der noch heute den Kopf schüttelt über so viel Illoyalität. Daneben ist wenig Platz. Vielleicht noch für die Eisenacher Oberbürgermeisterin und Ex-Linke Katja Wolf, die in Thüringen als Spitzenkandidatin für das BSW aufgebaut wird. 1000 Mitglieder sollen es 2024 werden. Organisatorisch gibt es kaum Kreis-, geschweige denn Ortsverbände. Offiziell erklärt man, dass man zum Beispiel keine Neu-Mitglieder wolle, die direkt von der AfD zum Bündnis für Wagenknecht übertreten. In Wahrheit ist man organisatorisch überfordert. Schwierige Bündnisfrage Und dennoch sind Wagenknecht und ihr Bündnis zum politischen Faktor aufgestiegen. Die CDU in Thüringen hat sogar ein Bündnis mit dem BSW auf Landesebene nicht ausgeschlossen. Dies folgt einem einfachen Rechenspiel: Kommen die Christdemokraten auf 25 Prozent, brauchen sie zur Ablösung des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow einen Koalitionspartner. SPD und Grüne sind schwach, die FDP ist seit dem Ein-Tag-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich unmöglich und rangiert in Umfragen bei 1,5 Prozent. 1,5 Prozent, das sichert den Liberalen einen Platz unter den Sonstigen. Genau dieser Ausschließungs-Kurs der Christdemokraten um Mario Voigt bringt Ramelow mächtig auf die Palme. „Es ist so lächerlich, zu sagen, die Linke ist der Teufel, aber für die BSW haben wir keinen Unvereinbarkeitsbeschluss“, schimpfte Ramelow zuletzt im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die biografische Nähe vieler BSW-Funktionäre zur SED und aktuell zu Russland-Verstehern sei viel bedrohlicher als bei der Linkspartei, sagt Ramelow, der aus dem Westen kommt. Aktuell ist zu beobachten, dass der Höhenflug der AfD erst einmal gestoppt zu sein scheint. Offene Unterstützung – womöglich auch finanziell – aus Russland für den AfD-Politiker Petr Bystron, das geht auch vielen Russland-Verstehern im Osten zu weit. Dazu ist nicht klar, ob Wagenknecht die Umfragewerte stabil halten kann, wenn die Partei nicht vor Ort Präsenz und Profil zeigt. Man wolle bei den drei Landtagswahlen jeweils mit einer Doppelspitze antreten, erklärt das BSW. Aber ob zwei unbekannte Kandidaten genügen, um die Mühen der Landespolitik zu erobern, ist mehr als unwahrscheinlich.

  • Schrumpfen im Osten, Wachsen im Süden: So entwickelt sich die Bevölkerung

    Die Bundesrepublik altert und auf die Kommunen kommen große, sehr unterschiedliche Herausforderungen zu „2040 haben wir 5 Mio. Rentner mehr!“ titelte die „Bild“-Zeitung, sprach von „leer gefegten Landkreisen“ und warnte in der Unterzeile: „Deutschland altert dramatisch“. Grundlage für die alarmistisch klingende Berichterstattung des Boulevardblatts war der kürzlich veröffentlichte „Wegweiser Kommune“ der Bertelsmann-Stiftung, der eine Prognose der Bevölkerungsentwicklung bis 2040 enthält und alle Kommunen in Deutschland mit mehr als 5.000 Einwohnern einbezieht. Das entspricht mehr als 3.000 Gemeinden, in denen knapp 90 Prozent der Einwohner der Bundesrepublik leben. Die Quellen für die Prognose sind Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Geburten und Sterbefälle werden dabei berücksichtigt, ebenso Wanderungsbewegungen, die allerdings schwieriger vorauszusagen sind. Diese Veränderungen passieren vor allem, wenn große Firmen aus einer Stadt wegziehen. Eine Entwicklung, die langfristig selten planbar ist. Das gilt auch für Kommunen mit Erstaufnahmen. Die Kriege in Syrien und der Ukraine beeinflussten ebenfalls die Demografie und waren genauso wenig vorherzusagen. Mecklenburg-Vorpommern verliert bis 2040 mehr Einwohner, als Schwerin hat Es überrascht nicht, dass laut der Studie die ostdeutschen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen (mit Ausnahme von Leipzig und Dresden) schrumpfen werden. Für Mecklenburg-Vorpommern ergeben die Vorausberechnungen zum Beispiel eine Abnahme um 118.000 Personen (-7,3 Prozent) – das ist weit mehr, als die Landeshauptstadt Schwerin heute Einwohner zählt (96.000). Auch das Saarland wird in 16 Jahren weniger Einwohner haben. Bayern und Baden-Württemberg dagegen können sich über weiteres Wachstum freuen, ebenso der Westen Niedersachsens und die Metropolen Berlin und Hamburg einschließlich ihres Umlands. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen verändern sich dagegen insgesamt nur marginal. Kommunen brauchen Hilfe von Bund und Land durch Förderprogramme Die Zahlen der Bevölkerungsentwicklung sind alles andere als nur unnützes Wissen. Für die Kommunalpolitiker und Verwaltungen ist die Datengrundlage hilfreich, um sich schon frühzeitig und möglichst präzise auf die gravierenden Veränderungen vorbereiten zu können. „Ohne finanzielle Unterstützung durch Förderprogramme von Bund und Ländern wird dies für viele Regionen nicht aus eigener Kraft zu schaffen sein“, erklären die Autoren der Studie zu Recht. Gefragt werden in absehbarer Zeit Betreuungseinrichtungen für ältere Menschen oder für Hochbetagte sein; Auswirkungen hat die demografische Entwicklung – wie ja schon jetzt spürbar ist – auch auf den Arbeitsmarkt, Stichwort Fachkräftemangel. Und die zunehmende, sehr unterschiedliche Alterung bedeutet auch: In anderthalb Jahrzehnten wird es bis zu 4,8 Millionen weniger mögliche Steuer- und Beitragszahler geben wird. Da kommen langsam, aber sicher gewaltige Herausforderungen für den Staat, die Wirtschaft und die Gesellschaft auf uns zu.

  • Der „alte Herr“ ist not amused: Özdemir ante portas

    Auch wenn der Ministerpräsident die Spitzenkandidatenfrage für verfrüht hält: Immer mehr Grüne setzen für die Nach-Kretschmann-Zeit auf den Landwirtschaftsminister Der alte Herr ist not amused. Die Debatte über seine Nachfolge sei „eine Frage zur Unzeit“, grummelt Winfried Kretschmann. Das kann man nachvollziehen. Immerhin verspricht der bald 76-Jährige, den Rest der Legislaturperiode als baden-württembergischer Ministerpräsident „kraftvoll auszuüben“. Er wolle noch regieren und er werde das auch tun, sagt Kretschmann, seit nunmehr 13 Jahren öko-gereifter und hochpopulärer Landesvater. Also noch weitere zwei Jahre. Doch die Nachfolgefrage nimmt Fahrt auf. Unaufhaltsam. Unvermeidlich. Denn dass es einen gibt, der ihn beerben könnte, ist bekannt. Cem Özdemir, der nicht nur von Bauernprotesten gestresste Bundeslandwirtschaftsminister, tourt seit vielen Wochen auffallend häufig und mit offenkundigem Vergnügen durch den Südwesten. Der gebürtige Schwabe mit türkischen Wurzeln ist längst aus dem Schatten der aussichtsreichen Landes-Grünen hervorgetreten. Und so lautet die Frage eigentlich nicht, ob Özdemir seine Kandidatur bekannt gibt, sondern wann. Am Bekanntheitsgrad jedenfalls müsste der wendige 58-Jährige nicht mehr arbeiten. Anders als der 35-jährige Manuel Hagel, den die CDU wohl aussichtsreich 2026 ins Rennen schicken dürfte. Özdemirs Spitzenkandidatur ist indes beileibe kein Selbstläufer. Kretschmann lässt ungewohnt deutlich durchblicken, dass er nicht als lahme Ente aus dem Amt scheiden will. Schon gar nicht vorzeitig, zumal die Koalitions-CDU bereits erklärt, für diesen Fall einen grünen Nachfolger nicht mitzuwählen. Özdemir sei „hochgradig“ als Agrarminister beschäftigt, „voll im Saft und voll gefordert“, sagt Kretschmann. Was so viel heißt: Er soll sich im Bund erst einmal um seinen eigenen Laden kümmern, statt im Land mit hoher Präsenz die Kandidaten-Stimmung auszuloten. Ohnehin müssen die Grünen darauf achten, Özdemir nicht zu früh zur Kandidatur zu drängen. Würfe Özdemir vor der nächsten Bundestagswahl seinen Hut in den Ring, könnte das so wirken, als ob der Grüne die Hoffnung auf eine weitere Regierungsbeteiligung in Berlin fahren ließe. Jetzt kommen erst einmal Kommunalwahlen als Test Wichtiger noch sind die Kommunalwahlen, die am Tag mit der Europawahl am 9. Juni in Baden-Württemberg erste belastbare Rückschlüsse auf die grünen Perspektiven zulassen dürften. Seit längerem liegen Kretschmanns Mannen und Frauen in den Umfragen wieder hinter der CDU, weit entfernt von den sagenhaften 32,6 Prozent von 2021. Jeder im Ländle weiß, dass Grün ohne Kretschmann deutlich weniger wert ist und jeder Nachfolgeaspirant ernsthaft damit rechnen muss, dass seine Partei nach 15 Jahren nicht mehr den Ministerpräsidenten stellen könnte. Kretschmann ist schließlich eine Nummer für sich. Özdemir her oder hin. Die Landespartei wäre zurzeit schon froh, hielten sich die kommunalen Verluste im Rahmen. Bei der letzten Kommunalwahl erzielte die von Kretschmann massiv und höchst erfolgreich in die bürgerliche Mitte gelenkte Partei da 17,2 Prozent. Das war hinter den Freien Wählern und der CDU nur Platz 3. In 450 Kommunen standen damals grüne oder grün-nahe Listen auf dem Wahlzettel. Doch auch, wenn es jetzt um die 500 sein werden: Eine feste kommunale Verwurzelung ist den Grünen trotz des grau-grünen Landesvaters im vergangenen Jahrzehnt nicht gelungen. In den 1101 Gemeinden Baden-Württembergs gibt es nur acht direkt gewählte grüne Bürger- und Oberbürgermeister. Zwar meldet die Partei mit rund 17.750 Mitgliedern so viele Mitglieder im Land wie noch nie. Doch die Neuen sind oft keine Kretschmann-Fans, sondern eher jung, links orientiert, klimaaktiv und programmfixiert. Ob ausgerechnet der mittige Özdemir bei ihnen punkten könnte, scheint ungewiss. Nicht zu früh, nicht zu spät: Auf die Südwest-Grünen warten schwierige Zeiten. Viel wird davon abhängen, ob sie einen klugen Zeitpunkt finden, um den erhofften Kretschmann-Nachfolger zu platzieren. Ohne den Ministerpräsidenten intern zu entmachten, ohne ihn, den Beliebten, auf den letzten Amtszeitmetern zu beschädigen. Und ohne die grün-schwarze Koalition, auch nach Kretschmann als schwarz-grünes Bündnis nicht unmöglich, über Gebühr zu belasten. Sicher ist nur: Eine lange offen gehaltene Nachfolgefrage wird die Partei (und wohl auch Kretschmann selbst) über zwei Jahre nicht unbeschadet durchhalten. Özdemir wird nicht umhinkommen, weit vor dem Wahljahr 2026 Farbe zu bekennen. Auch auf die Gefahr hin, mehr mit bundespolitischen Risiken belastet als mit landespolitischen Chancen beladen zu sein.

  • Start-ups entdecken das Dorf

    Wirtschaftsförderer müssen einiges tun, um technologieorientierten Gründern den ländlichen Raum schmackhaft zu machen Wirtschaftsförderer Martin French, Senior Consultant im Landkreis Rostock, ist davon überzeugt: Ein Großteil der wirtschaftlichen Entwicklung wird sich wieder verstärkt im ländlichen Raum abspielen. Großstädte, so French, seien beispielsweise bei den Gewerbeflächen gar nicht mehr in der Lage, Neuansiedlungen von Unternehmen allein zu bedienen. Frenchs Landkreis kann mit über 50 Gewerbe- und Industriegebieten aufwarten – unterschiedlich groß, unterschiedlich ausgeprägt und strukturiert. In den letzten Jahren punktete der Kreis Rostock durch Neugründungen insbesondere in den Bereichen der maritimen Zulieferindustrie und der Medizintechnik. Letzteres passt gut zum ambitionierten Ziel Mecklenburg-Vorpommerns, Gesundheitsland Nr. 1 zu werden. Noch sind auch an der Ostsee High-Tech-Neugründungen eher in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock als auf dem Land angesiedelt. Denn meist handelt es sich wie an vielen anderen Standorten um Hochschul-Ausgründungen. Für Martin French macht die Nähe zu Forschung und Entwicklung durchaus Sinn. Doch auch in der Fläche sieht der Wirtschaftsförderer Potenzial. Er denkt hier unter anderem an Innovationsfelder wie die erneuerbaren Energien oder Smart Farming. „Ländlicher Raum ist Zukunftsraum“ heißt es analog Ende Mai im hessischen Fulda. Einen ganzen Tag dreht sich unter der Regie des Kompetenzzentrums für Digitalisierung im ländlichen Raum (KDLR) alles um die Frage, wie technologieorientierte Start-ups aufs Land geholt werden können. Wichtig sind diese Gründungen nicht nur für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Regionen, sondern sie gelten auch als probates Mittel gegen die Abwanderung der jüngeren Generation. Erfolgsbeispiel aus Nordhessen Ein Erfolgsbeispiel aus Nordhessen wird in Fulda in der Keynote eine Rolle spielen: die Shift GmbH aus Wabern. Gründer Samuel Waldeck hat mit seinem Bruder vor Jahren ein eigenes nachhaltiges Smartphone entwickelt, bei dem der Nutzer Reparaturen zum Beispiel selbst vornehmen kann. Die Design- und Entwicklungsabteilung des High-Tech-Unternehmens sitzt im kleinen Ortsteil Falkenberg. Waldecks Vortragsthema enthält eine klare Botschaft: „Wir bleiben auf dem Land“. Die Start-up-Tagung soll dabei helfen, Neugründungen zu holen und zu halten. Dafür ist aber auch einiges erforderlich, wie kürzlich im „StartupValley“, einem europaweiten Magazin für Start-ups, Gründer und Entrepreneure, zu lesen war. Chefredakteurin Sabine Elsässer beschrieb dort die einzigartigen Herausforderungen und unerwarteten Chancen eines Start-ups auf dem Land. Problematisch sei oft eine fehlende Infrastruktur, eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Breitbandinternet, Fachkräftemangel und der Zugang zu Kapital, da Investoren sich noch auf die Städte konzentrieren. Aber: In den ländlichen Regionen existieren Marktnischen, wenn es um innovative Lösungen von lokalen Problemen geht. Betriebs- und Lebenshaltungskosten sind deutlich geringer. Wer sich gut und lokal vernetzt, kann eine Grundlage für sein junges Unternehmen schaffen. Und die technische Entwicklung überwindet auch geografische Barrieren. Bundesländer nehmen agrarnahe Start-ups in den Blick „Ländliche Gebiete bieten ideale Voraussetzungen für Start-ups, die sich auf Nachhaltigkeit und ökologische Innovationen spezialisieren“, schreibt Elsässer. „Die Nähe zur Natur und regionalen landwirtschaftlichen Produkten bietet Potenzial für Geschäftsmodelle im Bereich erneuerbare Energien, ökologische Landwirtschaft und nachhaltiger Tourismus.“ Die Bundesländer reagieren bereits auf die Gründerszene außerhalb der urbanen Hotspots und bieten verschiedene Förderprogramme an. Und wer ein agrarnahes Start-up plant, das unmittelbar Bedeutung für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Weinbau, Gartenbau, Fischerei oder Aquakultur hat, kann auf Zuschüsse aus dem Zweckvermögen des Bundes bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank hoffen.

  • Fleisch ist kein Klimakiller

    Nicht nur in der Wald-Debatte haben Halbwahrheiten Konjunktur. Noch mehr ist die Landwirtschaft davon betroffen. Nun sorgt ein Fleisch-Konzern für Fakten Vorab aktuelle News zum Stil der Auseinandersetzung. PETA beruft sich in der neuesten Kampagne gegen Milchbauern zwar auf den Talkshow-Unsinn durch Behauptungen eines prominenten Schauspielers Ende 2022, dass für Milch und Käse massenhaft Kälber sterben müssen. Nun geht es um die „Vergewaltigung“ der Mutterkühe, Grammatik-Fehler inklusive: „Weiblichen Kälber werden ihren Müttern kurz nach der Geburt entrissen und sobald sie etwas über ein Jahr alt sind, zum ersten Mal auf gewaltsame Weise künstlich befruchtet. Dieser Vorgang wiederholt sich meist jährlich, um den Milchfluss konstant hoch zu halten. Entscheidet euch für pflanzliche Milchalternativen!“ In Österreich erinnern Tierrechtler derweil daran, dass die Nation in diesem Jahr bereits am 7. April die jährlich empfohlene Fleischmenge konsumiert hat – das sei alarmierend. Dass solche Kampfansagen die Bauern aufschrecken, von denen dieselbe Szene wie selbstverständlich horrende Investitionen in Tierwohl-Stallungen und für Renaturierung erwartet, zeigt den Widersinn und erklärt neben anderen Faktoren, warum die Suche nach Hof-Nachfolgern so schwer geworden ist. Neuerdings gibt es jedoch gut organisierte Gegenwehr: Fleischmarktführer Tönnies hat eine digitale Plattform eingerichtet, die Viehhaltern den Nachweis ihres Öko-Fußabdrucks ermöglicht und zugleich verlässliche Daten zum Anteil der Branche an der Umweltbelastung liefern wird. Unbestritten ist jetzt schon, dass die Viehhaltung seit 1990 mehr als 20 Prozent der Treibhausgasemissionen eingespart und zugleich die Produktion erhöht hat. Nun soll die Daten-Basis noch breiter werden. Und konkrete Hilfestellung für weitere Verbesserungen damit einhergehen. „Fleisch ist kein Klimakiller“ lautet die Kampfansage aus Westfalen „Die Klimaplattform Fleisch bietet Landwirten die Möglichkeit, eigene Betriebsdaten zu erfassen und anhand von einfachen Fragen den individuellen CO₂-Fußabdruck pro Kilogramm Schlachtgewicht beziehungsweise je Tier auswerten zu lassen. Anhand der Ergebnisse und Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Betriebsdaten können Stellschrauben zur Minderung der Treibhausgasemissionen identifiziert werden.“ Auch die beliebte Methode, die positiven Leistungen von Land- und Forstwirtschaft in Klima-Bilanzen zu ignorieren, will das Unternehmen auf den Boden der Tatsachen holen: „Klimaplattform Fleisch ist der erste Schritt zu einer Branchenlösung, mit der zukünftig eine flächendeckende und repräsentative Treibhausgasbilanz auf den fleischerzeugenden Betrieben erstellt werden kann. Ziel ist es, die Klimaleistung der deutschen Landwirte valide zu berechnen und transparent zu machen.“ Unverdächtige Studien dazu gibt zwar schon genug. Wie jene der schwedischen Landwirtschaftsuniversität, dass Forstwirtschaft auch fürs Klima besser ist als im Wald verrottendes Totholz. Oder die eindeutigen Ergebnisse zur Artenvielfalt auf Viehweiden, die auch reichlich Kohlendioxid binden. Aber es ist sicher kein Schaden, wenn es bald auch eine Bilanz auf breiter Datenbasis geben wird. Zunächst sind alle Rindermastbetriebe und schweinehaltenden Betriebe – von der Ferkelerzeugung bis zur Schweinemast – zur Teilnahme eingeladen. Die Landwirte sehen dort nach Eingabe der Daten ihren individuellen CO₂-Fußabdruck und den Referenzwert der anderen teilnehmenden Betriebe. Tönnies: „Die Vergleichszahlen dienen als Hilfestellung zur Einordnung des individuellen CO₂-Fußabdrucks. Zugleich zeigt das System übersichtlich all jene Hebel auf, die Einflüsse auf die Emissionen des Betriebs haben. Die wesentlichen Einflussfaktoren wie Futter oder Dunganfall werden nach ihrer Bedeutung grafisch dargestellt.“

  • Spreewald bald ohne Spree

    Es könnte trocken werden, im Spreewald, an den Ufern der Elbe und in der Lausitz Ein malerisches Gebiet ist entstanden, im Lausitzer Bergland. „Wo sich der Wald im Wasser spiegelt“ heißt es selbstbewusst auf der Homepage spreewald.de über den Einklang zwischen Natur und Mensch, zwischen Stadt und ländlichem Raum. Seit 1990 ist die Region, die nur 100 Kilometer von Berlin und 100 Kilometer von Dresden entfernt ist und die den meisten Westdeutschen nur durch die feinschmeckenden Spreewald-Gurken bekannt sein dürfte, Biosphärenreservat. Zahlreiche Schutzprogramme tragen zum Erhalt des einmaligen Tier-, Pflanzen- und Landschaftsbildes bei. So weit, so gut. Aber seit einiger Zeit leidet die malerische Region unter Wasserknappheit. Dabei geht es nicht um die geringen Niederschlagsmengen, die fast allen Regionen in Deutschland zu schaffen machen. Dabei geht es merkwürdigerweise um die Folgen des Ausstiegs aus dem Braunkohletagebau in der Lausitz, der gerade den Spreewald ökologisch zu neuem Leben erweckt hat. Pumpen stehen bald still Denn für den Kohleabbau wurde Wasser gebraucht, sehr viel Wasser. Und das seit 120 Jahren. Dafür genügte nicht das Sümpfungswasser aus den Gebieten der Braunkohletagebaue, sondern es musste Wasser in die Spree gepumpt werden, „um trocken an die Kohle zu kommen“, wie der MDR berichtete. Genau dieses Wasser aus dem Braunkohletagebau in der Lausitz wird es bald nicht mehr geben, wenn die letzten Bagger und die letzten Wasserpumpen stillstehen. Drei Viertel des Wassers werden dann fehlen, frühestens 2026, spätestens aber ab 2029, wie die Wissenschaftler des Umweltbundesamtes (UBA) in einer Berechnung ermittelten. Der Spreewald, das einmalige UNESCO-Biosphärenreservat, lebt aber nun einmal naturgemäß vom Wasser der Spree. Auwälder, Wiesen, Teiche sowie der Wassertourismus – all das hätte wohl keine Zukunft mehr. Hier geht es also nicht um grün motivierte – wie beim Umweltbundesamt schon geschehen – Vorzeigeprojekte, sondern um eine Entwicklung, die erst die Natur in der Lausitz und im Spreewald in Mitleidenschaft ziehen könnte, dann auch das Ökosystem der Elbe in Sachsen und Sachsen-Anhalt treffen dürfte. Und die mittelfristig auch die Trinkwasserversorgung und Verdünnung der Abwässer des Großraums Berlin/Potsdam gefährden wird. Laut unabhängiger Wissenschaftler benötigt die Spree künftig 60 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Mehr als ein Latte-Macchiato-Problem für die hoch urbanisierten Menschen in Charlottenburg oder am Prenzlauer Berg! Wachsender Wasserbedarf entlang der Elbe Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Das fragen sich nicht nur Politiker und Regionalplaner, sondern auch Förster, Tourismusmanager und Naturschützer. Sie alle denken an eine recht unkonventionell klingende Art, Wasser aus der Elbe mittels Rohrleitsystem für die Spree umzuleiten. Noch ist alles in der Denk-Phase, wenig konkret und nichts geplant. Laut MDR soll jetzt eine Untersuchung starten, die das ungewöhnliche Rohrleitungssystem aus der Elbe in die Spree auf Fragen der Realisierung und Machbarkeit hin prüft. Städte und Dörfer zwischen Elbe und Lausitz, dazu viele natürliche Hindernisse. Und auch die Elbe, die seit dem letzten Jahrhunderthochwasser 2013 eher zu wenig als zu viel Wasser mit sich führt und an deren Ufern schützenswerte Ökosysteme wie zum Beispiel der Auwald entstanden sind, kann unmöglich die 60 Millionen Kubikmeter Wasser ersetzen, die der Spree fehlen. Das UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe mit der größten zusammenhängenden Hartholzaue Mitteleuropas ist nach übereinstimmenden Medienberichten durch zu wenig Wasser „schon jetzt in seinem Fortbestand gefährdet“. Dazu kommt noch ein steigender Wasserbedarf durch die Ansiedlung neuer High-Tech-Werke in Dresden, Magdeburg und anderen Städten. Auch von Tschechien ist keine Hilfe zu erwarten, da das Land selbst das Wasser benötigt, um Stauseen, Landwirtschaft und Bevölkerung ausreichend mit Wasser zu speisen. Dabei drängt die Zeit. Hitze- und Dürreperioden würden das Problem schnell akut werden lassen. Ob es allerdings gelingt, das Plan- und Fertigstelltempo für ein so grandioses mögliches Rohrleitungssystem schnell oder wenigstens irgendwie durchzuziehen, ist fraglich. Zu viele Beteiligte wollen auch hier mitreden.

  • Der Zeitgeist spaltet das Land

    Dass die Gesellschaft in den USA auseinanderbricht, ist deutsche Medien-Wirklichkeit. Über die Brüche im eigenen Land wird nicht so gern gesprochen Es gibt viele Felder, auf denen die Meinungsvielfalt zur Meinungseinfalt zu verkommen droht. Zumal in der urbanen „Blase“. Wo Lastenfahrräder zum Status-Symbol werden. Wo vom kostenlosen Nahverkehr mit Bus und Bahn geträumt wird. Wo horrende Mieten die Geringverdiener aus den Szene-Vierteln vertreiben. Und wo sich der Kultur-Begriff auf hoch subventionierte Theater und Konzerthäuser verengt. Wo „Freiwillige Feuerwehr“ zum Fremdwort wird. Und Nachbarschaft oft nur noch unter Gleichgesinnten stattfindet. Auf dem Land ist manches noch anders. Laien machen die Musik und spielen Theater. Freiwillige löschen Brände und bergen Unfallopfer. Am Stammtisch herrscht noch Meinungsvielfalt. Äußerst selten, dass Menschen über Wochen tot in ihrer Wohnung liegen, ohne dass die Nachbarn es bemerken. Und kein Grund für schiefe Blicke, wenn Nachbarn auf ihr Auto angewiesen sind, um zur Arbeit zu fahren und ihre Sprösslinge an Sport und Spiel zu beteiligen. Noch kommen Normalverdiener mit dem Geld über die Runden, auch weil die Ansprüche sich (noch) an den eigenen Möglichkeiten orientieren. Aufs Land gezogene Großstädter beklagen neben Glockengeläut und Misthaufen-Geruch oft auch den Dorf-Tratsch. Aber der sorgt wie nebenbei für sozialen Frieden und dafür, dass die Fürsorge-Ausgaben im Dorf-Haushalt überschaubar bleiben. Kaum einer bleibt lang anonym, wenn er Mitmenschen aus Faulheit auf der Tasche liegt. Logisch, es gibt Denkverbote. Etwa das verbreitete Unverständnis für die Idee, dass das Holz im Wald verrotten soll, statt verheizt zu werden. Oder die Angst, dass Weide-Vieh das Klima kaputtfurzen könnte. Wie sehr die größeren Städte den Menschen in der Provinz auf der Tasche liegen, zeigt beispielhaft der öffentliche Personennahverkehr, von dem das flache Land nur marginal profitiert. Zur Verschuldung der öffentlichen Hände hat allein dieser Posten im vergangenen Jahr neun Milliarden Euro beigetragen. Die Etats für Wohngeld zur Finanzierung astronomisch hoher Mietzinsen oder von Jugendhilfe haben ebenfalls ein steiles Stadt-Land-Gefälle. Auch das erklärt die Wut über urbanes Unverständnis für die Traktor-Proteste zum Erhalt der Agrardieselsubvention von jährlich rund 440 Millionen Euro. Zum Vergleich: Insgesamt kalkuliert der Bund mit Subventionen von fast 66 Milliarden Euro, die Löwenanteile für Gewerbe und Industrie, Wohnen und Verkehr. Wirklichkeitsfremde Stadtmenschen ereifern sich Während sich wirklichkeitsfremde Stadtmenschen über vermeintlich horrende Bauern-Einkommen ereifern, finden selbst kinderreiche Landwirtsfamilien keine Hofnachfolger. Die Sehnsucht nach angenehmer Work-Life-Balance geht auch an Dörfern nicht schadlos vorüber. Nur selten Freizeit am Wochenende und kaum Chancen auf eine Sommer-Urlaubsreise, das passt irgendwie nicht mehr in die Welt, die TV und Internet bis in abgelegene Winkel tragen. Vorurteile inklusive. Manche flüchten in die Bio-Nische und merken nun entsetzt, dass der Discounter-Preiskampf mit den Erzeugern längst auch dort angekommen ist. Wer sich für den Tierwohl-Stall verschuldet hat, muss den veganen Zeitgeist fürchten. Pendler haben das Problem, dass die heimische Industrie viele Jahre lieber Luxusschlitten produzierte – statt Autos für Normalverdiener, die nun der Elektroauto-Preisschock endgültig in die Umweltsünder-Ecke treibt: Weiter den alten Diesel fahren? Oder statt zur Arbeit zu pendeln, lieber daheim bleiben und von Bürgergeld und Schwarzarbeit leben? Statt brav Steuern zu zahlen und dem Wirtschaftsminister zu helfen, dass er die Industrie-Subventionen nicht komplett auf Pump finanzieren muss? Wo doch längst am Sozialen gespart wird und das versprochene Klimageld wie auch die Kindergrundsicherung wohl noch länger auf sich warten lassen. Kulturlandschaft meint die von Menschenhand gemachte Natur Die beteiligten Wirtschaftszweige mitgerechnet, ist die Versorgung mit Nahrungsmitteln nicht nur nach Arbeitsplätzen mindestens so wichtig wie die Autoindustrie. Und im gern beschworenen Krisenfall weit weniger entbehrlich als Batterie-Fabriken oder Mikro-Chips. Ganz nebenbei sollte auch Stadtmenschen klar sein, dass Land- und Forstwirtschaft der Umwelt mehr nützen als schaden. Mit nachgewiesener Artenvielfalt in der Kulturlandschaft und der massenhaften Verwandlung von Kohlendioxid in Biomasse. Wobei in Vergessenheit gerät, dass Kulturlandschaft die von Menschenhand gemachte Natur meint  – und nicht den Urwald, der die meisten Menschen beim Überleben überfordert. Wie schon angedeutet, ist die Provinz der Großstadt auch beim gängigen Kulturbegriff durchaus ebenbürtig. Parade-Beispiel sind die Passionsspiele von Oberammergau. Vom heimischen Feuilleton lange belächelt, bis die halbe Welt entdeckte, was da im engen Tal der Ammer abgeht: ein Orchester von Rang. Ein Herrgottsschnitzer als Regisseur, der die Feier zur Fußball-Weltmeisterschaft inszenierte und in Salzburg den „Jedermann“. Der in München das Volkstheater so auf Vordermann brachte, dass es ohne Subventionen auskommt. Sicher ist dieser Christian Stückl mit seinen Laien-Künstlern herausragend, aber weitere Beispiele für gelebte Dorf-Kultur gibt’s reichlich. Es gilt vor lauter Naserümpfen über Stallgeruch und Volksgläubigkeit die Augen nicht zu schließen.

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