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  • Michael Lehner

Umverteilung gegen die Provinz

Nicht nur das Deutschlandticket ist eine Subvention zum Schaden des ländlichen Raums


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Verwildertes Bahngleis
Foto: Helmut Blum / pixelio.de

Nun haben auch die Hauptstadt-Medien erkannt, dass das hochgelobte Deutschlandticket ein weiteres Verlustgeschäft für den ländlichen Raum ist. Dort können gerade mal 21 Prozent der Menschen die Mobilität zum (Fast-)Nulltarif nützen, sind aber bei der zwei Milliarden teuren Gegenfinanzierung aus Steuergeldern voll dabei. Und das ist nicht die einzige Ungerechtigkeit zur Rettung der Metropolen mit ihrer sozialen Schieflage.

 

Bezeichnend, dass es Politiker gibt, die 49 Euro für den Monat freie Fahrt durch Deutschland immer noch zu teuer finden. Es sind oft die gleichen Tagträumer, die immer noch glauben, dass sich Normalverdiener ein Elektroauto locker leisten können. Und die nicht begreifen können, dass Berufspendler im ländlichen Raum nicht aufs Fahrrad umsteigen können. Senioren und im Laufen eingeschränkte Menschen schon gleich gar nicht. Zugleich hat solche Ideologie nicht verhindert, dass lange Zeit auch der Kauf sündteurer und übermotorisierter Prestige-E-Gefährte satt subventioniert wurde – natürlich mit Steuergeldern aller Bürger.

 

Weil diese Politik der Autoindustrie lange das Kopfzerbrechen über sowohl erschwingliche wie umweltverträgliche Modelle ersparte, droht nun weiterer Subventionsbedarf – diesmal für die Hersteller, die schon vernehmbar nach dem Staat rufen. Und bald werden auch die Wohnungsbaukonzerne folgen, die bei marktüblichen Großstadt-Mieten das Problem haben, Mieter zu finden, die sich solche Wohnungen leisten können. Auch die dramatisch wachsenden Sozialtransfers über Wohngeld & Co. sind Umverteilung zum Schaden der Provinz.

 

Nachzudenken, ob Bürgergeld-Empfängern nicht auch der Wohnsitz-Wechsel in Regionen mit günstigen Mieten zuzumuten wäre, grenzt in manchen Augen schon an Menschenfeindlichkeit. Wie die Modellrechnungen, dass sich das Arbeiten für Geringverdiener in den Metropolen kaum noch lohnt. Selbst der Hinweis, dass Sozialleistungen den Wettbewerb auf dem Wohnungsmarkt verzerren, sind verpönt. Die Gutsituierten genießen ihre urbane „Blase“ hingegen ohne Gewissensbisse. Obwohl klar ist, dass Pflegekräfte oder Reinigungspersonal ohne Subventionen längst die Großstädte verlassen müssten.

 

Gern wird dazu noch übers Prekariat und seine Nöte gejammert. Und dabei gerne übersehen, was es mit Familien macht, wenn selbst Doppel-Verdiener (und selbst Beamte) Nebenjobs brauchen, um über die Runden zu kommen. Was nützt die akademische Aufregung über die wachsenden Erziehungs- und Bildungsdefizite von Schulkindern, wenn Eltern am Limit leben müssen? Wenn ganze Stadtviertel verelenden und horrende Steuergelder für das Bemühen aufgewendet werden, durch staatliche Förderung zu ersetzen, was Familien nicht mehr leisten können? 

 

Lückenhaftes Nahverkehrsnetz als wahres Problem

 

Die Wohlfühl-Mentalität verweigert den Blick auf die Realität. Wenn eine Lehrkraft nicht mehr reicht, um in einem Großstadt-Klassenzimmer dem Bildungsauftrag gerecht zu werden und zu ersetzen, was Elternhäuser nicht mehr leisten können – und zugleich Lehrermangel ebenso den ländlichen Raum bedroht. Wie der über Jahrzehnte geduldete Rückzug der Bahn aus der Fläche, der umweltverträgliche Mobilität weit mehr verhindert als das Festhalten am Verbrenner-Auto. 

 

Die mangelnder Affinität zum urbanen Ambiente unverdächtige „Süddeutsche Zeitung“ lässt da ein wenig hoffen: „Das wahre Problem des Deutschlandtickets ist das lückenhafte Nahverkehrsnetz. Es ist kein Zufall, dass in Großstädten bis zu 30 Prozent der Einwohner das Ticket nutzen, in vielen ländlichen Regionen hingegen gerade einmal sechs Prozent. Und es ist kein Zufall, dass die Zahl der echten Neukunden im einstelligen Prozentbereich verharrt und die der Umsteiger vom Auto kaum messbar ist. Wo keine Bahn fährt, da bringt auch ein günstiger Fahrschein wenig.“

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