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- Lückenbüßer auf dem Land
Bundesbauministerin Geywitz will den Umzug von der Großstadt in den ländlichen Raum fördern – und nennt ihre simplen Parolen eine Strategie gegen den Leerstand Die Bundesbauministerin nennt es eine Strategie. Per Definition also eine grundsätzliche, langfristige Maßnahmenkombination der Unternehmung und relevanter Teilbereiche gegenüber ihrer Umwelt zur Verwirklichung langfristiger Ziele. Genau das aber ist all das, was Klara Geywitz von sich gibt, nicht. Im Gegenteil: Ihre „Strategie gegen den Leerstand“ ist ein politisches Armutszeugnis ersten Ranges. Heiße Verlautbarungsluft. Denn was will die Ministerin? Etwa deutlich mehr neue Wohnungen bauen? Wie großspurig versprochen? Oder mehr Vermieter durch eine Anpassung des stringenten Mietrechts bewegen, freie Wohnungsflächen auf den Markt zu bringen? Stellt sie sich an die Spitze einer Bewegung, die überteuerte und überzogene Bauauflagen beseitigt und das Baurecht unbürokratischer macht? Plant sie Krediterleichterungen für bauwillige junge Familien, die sich trotz Doppelverdienst längst den Traum vom Eigenheim abgeschminkt haben? Von alle dem hört man aus dem leerstehenden Haus Geywitz nichts. Stattdessen setzt die Ministerin auf eine Umverteilung von der Stadt hinaus aufs Land. Der ländliche Raum als Lückenbüßer für unbezahlbare Stadtimmobilien. Als Umsiedlungsgebiet für eine durch und durch gescheiterte Wohnungsbaupolitik. Das Münchner Ifo-Institut jedenfalls wagt die Prognose, dass die Zahl der neu gebauten Wohnungen in Deutschland 2026 auf nur noch 175.000 im Jahr sinken könnte. Das wären mehr als 40 Prozent weniger als die knapp 300.000 Wohnungen des Jahres 2022. Und deprimierend weit entfernt von dem Ziel der Ampel-Koalition, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Arbeitsplätze ziehen nicht mit um Jetzt entdeckt Geywitz also den ländlichen Raum, schwadroniert über gute Kita- und Schulangebote, preist Einkaufsmöglichkeiten und feine Ärztepräsenz. Wovon träumt die Ministerin eigentlich nachts? Denn die Sozialdemokratin kommt natürlich nicht umhin, festzustellen – soviel Realitätssinn muss doch sein –, dass es zu dem angestrebten verlockenden Rück- oder Umzug aufs Land dort genügend Züge, Busse und digitale Angebote geben müsste. Denn die Arbeitsplätze ziehen ja nicht mit um. Spätestens hier könnte Geywitz ihre sogenannte Strategie dann locker in die Tonne treten. Geywitz scheint die Hilflosigkeit ihrer Politik selbst zu bemerken. Immerhin. Die Strategie gegen den Leerstand könne nur aufgehen, wenn das Leben jenseits der Metropolen nicht als Notfalllösung wahrgenommen werde, sagt die Ministerin, die bei der letzten Bundestagswahl nicht mal ihren Wahlkreis Potsdam I gewinnen konnte. Wenigstens damit liegt sie richtig. Wenn also Kinder nicht ewig im Schulbus sitzen müssten, das nächste Krankenhaus nicht weit entfernt wäre, die letzte Apotheke im Ort nach Metzger und Bäcker nicht schlösse, der Einkauf nur im Supermarkt-Discounter möglich wäre, die Busse nicht nur alle zwei Stunden und am Sonntag gar nicht führen und die Anschaffung eines Zweitwagens zwingend auf die möglicherweise geringeren Mietkosten angerechnet werden müssten. Homeoffice und Digitalisierung heißen die Geywitz-Zauberwörter. Wörter, die längst zu Leerstands-Leerwörtern geworden sind. Wer das eine Strategie nennt, der hat den Kampf für neue Wohnungen längst aufgegeben.
- So macht die CDU im Osten Wahlkampf in der Fläche
Die Konrad-Adenauer-Stiftung sucht in einer Veranstaltungsreihe in Thüringen, Sachsen und Brandenburg bewusst kleine Orte auf, um sich als Kümmerer für die Landbevölkerung zu präsentieren „Dorfliebe-Tour“: So nennt die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) eine aktuelle Veranstaltungsreihe, die sich bewusst an den ländlichen Raum richtet, wo es nur wenige Angebote der politischen Bildung gibt: „Wir schaffen Begegnungsmöglichkeiten an Orten, an denen der Supermarkt oder der Friseursalon nur noch mit dem Auto erreichbar ist und man den Nachbarn aus dem Dorf nur noch selten zufällig begegnet“, heißt es auf der Homepage der Stiftung. Geplant sind Diskussionen über Veränderungen im Alltag, Gespräche über die schöne Gemeinschaft am Ort, aber auch über politische Lösungen, um etwas zu verbessern. „Mal wird es ein Kino-Abend mit anschließendem Gespräch, mal Bratwurst und Debatte über das Thema, das das Dorf bewegt“, kündigen die Initiatoren an. Es soll ein Gespräch in gewohnter Umgebung sein mit einem Moderator und einem örtlichen Politiker. Vorgesehen ist, dass bundesweit jedes der 18 Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Deutschland bis zum Jahresende mindestens eine Veranstaltung organisiert, wie Felix Bäuml ankündigt. Der Referent in der Hauptabteilung Politische Bildung der KAS spricht von „aufsuchender politischer Bildung“. Eine interaktive Karte auf der Homepage der KAS zeigt mit orangefarbenen Punkten, wo überall Veranstaltungen geplant sind. Bisher konzentriert sich das Angebot auf drei ostdeutsche Bundesländer – und das ist zweifellos kein Zufall, denn dort werden in wenigen Wochen die Landtage gewählt: In Thüringen und Sachsen ist die Wahl am 1. September, in Brandenburg drei Wochen später. Man präsentiert sich als Kümmerer in der Fläche In allen drei Ländern sieht man dem Wahlergebnis mit Spannung und Bangen entgegen, vor allem angesichts des Höhenflugs der AfD, die in Thüringen bis zu zehn Prozentpunkte vor der CDU liegt und nach den Umfragen auch in Sachsen und Brandenburg stärkste Kraft werden könnte. Betreibt die Konrad-Adenauer-Stiftung also mit der „Dorfliebe-Tour“ Wahlkampf für die CDU, ohne die Partei ausdrücklich zu nennen? Nein, betont Bäuml, denn das dürften die politischen Stiftungen sechs Wochen vor einer Wahl gar nicht. Wer auf der interaktiven Karte auf der Homepage die Veranstaltungen anklickt, sieht allerdings, dass zu den Rednern beispielsweise an Stammtischen Landtagskandidaten der CDU zählen. Bewusst geht man in die Fläche und präsentiert sich als Kümmerer, auch wenn das ein mühsames Geschäft ist und mal 40 Teilnehmer, mal nur ein Dutzend Interessierte kommen. Konkurrenz durch neue Bauernpartei In Brandenburg starteten die Christdemokraten ihren Wahlkampf – unabhängig von der „Dorfliebe-Tour“ – in der kleinsten Gemeinde des Landes, im 380-Seelendorf Kleeßen-Görne im Havelland, etwa 70 Kilometer nordwestlich von Berlin. Es ist der Versuch, den Dorfbewohnern zu verdeutlichen, die CDU habe die Sorgen und Nöte der Menschen in den kleineren Orten nicht vergessen. Leicht haben es die Brandenburger Christdemokraten dabei allerdings nicht. Denn die bekannt gewordene Trunkenheitsfahrt ihres Spitzenkandidaten Jan Redmann mit einem Roller wirkt wie ein Klotz am Bein – und zu allem Überdruss ist auch noch ein neuer Mitbewerber hinzugekommen: eine Bauernpartei, ähnlich wie die BoerBurgerBeweging in den Niederlanden. „Deutsch-Land-Wirtschaft“ (DLW) nennt sich die Konkurrenz in Brandenburg, die sich erst im Juni gegründet hat. Die DLW kämpft für billigen Agrardiesel, wendet sich gezielt auch an Handwerker und sieht im ländlichen Raum ein Kernthema ihrer politischen Bemühungen. Auch die Freien Wähler haben den ländlichen Raum entdeckt und treten in Brandenburg ein für den Erhalt von Krankenhäusern und Arztpraxen sowie für bessere Angebote beim öffentlichen Nahverkehr. Zwar sind am 22. September eher einstellige Ergebnisse im unteren Bereich zu erwarten, doch dürften beide Gruppierungen den größeren Parteien Stimmen wegnehmen. Auch das ist vermutlich mit ein Grund für die „Dorfliebe-Tour“ der Konrad-Adenauer-Stiftung. Der Thüringer Landesverband der CDU lässt derweil nichts unversucht und wirbt sogar an Urlaubsorten an der Ostsee mit einem originellen Spruch. Auf den Plakaten heißt es: „Am Meer ist’s echt schön. Nur in Thüringen ist’s schöner. Genießen Sie den Urlaub. Am 1. September ist Zeit für den Wechsel.“
- Was so alles der Umwelt schadet – „Klimaanpassung“ statt Klimawandel – „Wald und Wild“ in der Praxis
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, alle Welt redet von der Digitalisierung und vor allem der künstlichen Intelligenz (KI) . Im Prinzip ist dieser Begriff unzutreffend. Intelligent kann nur ein Mensch, aber eine Maschine eben nicht sein. Der Versuch, menschliches Lernen und Denken auf Computer zu übertragen, ist wohl der Kern der KI, die in aller Munde ist. Und das voller Zukunftshoffnungen, aber auch -ängste. Das „Centrum für Europäische Politik“ (cep) untersucht und bewertet als „Think Tank“ politische Themen mit Blick auf die EU unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten. Nachdenklich macht eine der jüngsten Veröffentlichungen unter der Überschrift „Digitalisierung der EU schadet in vielen Fällen der Umwelt“. Es geht um eine Untersuchung von Energieverbrauch und Kohlenstoffemissionen im Zusammenhang mit immer größer werdenden Rechnerkapazitäten und der ressourcenaufwändigen Chipherstellung. Gefordert wird zu Recht mehr Transparenz über Kohlenstoffemissionen und Energieverbrauch. Ohnehin blicken wir in dieser Zeit mehr darauf, was sich in Europa tut. Unser Autor Ludwig Hintjens hat nach der Wiederwahl der EU-Präsidentin am Donnerstag in der Reihe unserer täglichen Beiträge in unserem Blog analysiert , was der ländliche Raum zu erwarten hat. Ursula von der Leyen habe im Bereich Landwirtschaft und ländlichen Räumen Abgeordneten von der Fraktion der Konservativen und Reformer (EKR), die rechts von der christdemokratischen EVP sitzen, bis hin zu den Grünen Angebote gemacht. Sie finden sich in ihren Leitlinien für die Jahre 2024 bis 2029 und in ihrer Rede im Plenum wieder. Im Hinblick auf die ländlichen Räume stelle sie augenfällig 2029 nicht den Klimaschutz, sondern die Anpassung an den Klimawandel in den Vordergrund. Da werden also noch muntere Debatten in Brüssel und Straßburg folgen. Der ländliche Raum kein Thema? Derweil geht die Berliner Politik erst einmal in die Sommerpause . Das Sommerinterview und der Auftritt des Kanzlers vor der Bundespressekonferenz gehört zu den Ritualen. Die eigene Zufriedenheit, den Haushaltsentwurf angesichts der bekannten Kontroversen innerhalb der Ampel im Kabinett verabschiedet zu haben, war für Olaf Scholz wohl die wichtigste seiner Feststellungen. Für mich ist auffällig, dass weder er noch die Fragen, die an ihn gestellt wurden, direkt Belange des ländlichen Raumes thematisierten. Etwa eine Antwort darauf, welchen Niederschlag die Bauernproteste im Winter in Einzelthemen oder Haushaltsbeschlüssen gefunden haben. Wir werden trotzdem wieder davon hören, wenn die Bundestagsausschüsse und Fachpolitiker nach den Sommerferien in die Details des rund 2500 Seiten umfassenden Etatplanes einsteigen, bevor er dann im Parlament beschlossen wird. Parallel blicken wir in den Ferien erst einmal alle auf die beiden Landtagswahlen am 1. September. Vorher gehört dazu der ständige Blick in Umfragen vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Bei den Sonntagsfragen mit AfD und CDU oben, der SPD, den Grünen und der FDP zum Teil in bedenklicher Nähe zur 5-Prozent-Hürde bleiben die politischen Sorgenfalten unverändert. Interessant ist ein Randaspekt mit Blick in den „Sachsen-Kompass“ , den die Sächsische Zeitung und die Leipziger Volkszeitung initiiert haben. Dort taucht das Stichwort Natur überraschenderweise an prominenter Stelle auf. An der (nicht repräsentativen, aber reaktionsstarken) Online-Umfrage haben sich 23.000 Menschen beteiligt. Danach sagten gut 81 Prozent, dass sie sich in Sachsen wohlfühlen. Und auch die Frage „Was schätzen Sie an ihrem Leben in Sachsen besonders?“ antworteten mit höchstem Wert 80 Prozent „Natu r“ neben „Familien und Freunde“. Ich finde das bemerkenswert. „Meinen Arbeitsplatz“ schätzen dagegen übrigens nur 30 Prozent. Das erklärt vielleicht auch etwas von der bekannten Unzufriedenheit dort. Wachsender Trend aus den Städten heraus zur Natur Dass viele Menschen, die in größeren Städten oder Ballungszentren leben, wachsende Affinitäten zur Natur und ihren Zusammenhängen entwickeln, ist bekannt. Das gilt in Anknüpfung an die zitierte Umfrage nicht nur für Leipzig, sondern etwa für Beispiele wie Hamburg, den Großraum Berlin, die Metropolen am Rhein und in Bayern, den Südwesten mit Stuttgart oder der inzwischen oft auch überraschend (diesmal unpolitisch gesehenen) grünen Industrieregion Ruhrgebiet. Mancher erinnert sich daran, dass Essen beispielsweise 2017 „Grüne Hauptstadt Europas“ war. Zuvor war das Kopenhagen, danach wurden Städte wie Nijmegen, Oslo, Lissabon, Lahti und aktuell Valencia ausgezeichnet. Sinn dieser von der EU-Kommission 2008 begründeten europäischen Initiative „European Green Leaf Award“ ist es, „ grüne und nachhaltige Städte ins Licht zu rücken “, wie es in der Beschreibung heißt. Warum gehe ich darauf an dieser Stelle einmal ein? Zu beobachten ist aktuell eine sprichwörtliche Sehnsucht als Trend, dass gerade Stadtmenschen zunehmend das Grüne und Nachhaltige suchen und Natur erleben wollen – besonders unmittelbar oder in naher Erreichbarkeit. Sie interessieren sich immer mehr für diese Themen. Die Städter zieht es dabei besonders in ländliche Regionen in der Nähe. Da begegnen sich Stadt und Land mit jeweils eigenen Beobachtungen, Erlebnissen und Erfahrungen angesichts der Bewirtschaftung von Feld und Wald. Vielfach treffen Klischees auf Wirklichkeit, Unkenntnis auf praktisches Wissen; manchmal auch ideologische Betrachtungen auf gegebene Zusammenhänge der wirtschaftlichen Naturnutzung mit abhängigen Existenzen. Beispiele bieten kontroverse Ansichten zum Wolf, über Tierhaltung, die Agrarwirtschaft, zur Lebensmittelproduktion, zum praktischen Tierschutz oder zur forstlichen Bewirtschaftung. Projekt: Werterhaltende Waldbewirtschaftung Viel zu hören ist aktuell zum Thema Wald und Wild oder Wald vor Wild : In unserem Blog sind wir schon mehrfach darauf eingegangen , dass der Streit um die richtige Forstwirtschaft in Deutschland auch mit ihren unter Kundigen bekannten Irrtümern eine lange Tradition hat. Das trifft zum Beispiel in der politischen Praxis aktuell bei der Diskussion über den Berliner Referentenentwurf eines neuen Bundeswaldgesetzes zu. Oder es geht um Naturwaldthesen eines bekannten Forst-Publizisten, der einfach umstritten ist, medienwirksam arbeitet und am Ende nach unserer Einschätzung sterbende Wälder sich selbst überlässt. Die Frage, wie weit dies zu verbuschten Wäldern führt oder zu vitalen klimastabilen Forsten, wird kontrovers geführt. Dazu gehört die Antwort darauf, mit welchen Belastungen der naturbelassene Weg für die jeweiligen Eigentümer verbunden ist. Stichworte wären dabei unter anderem der Aufwand für die Verkehrssicherheit und starke Einschränkungen – etwa auch für die Jagd, um regulierend einzugreifen. Für uns gehört sie zu einer werterhaltenden oder -steigernden Waldbewirtschaftung. Wir haben also klare Positionen dazu und werden als Stiftung praktische Beispiele näher betrachten, authentisch begleiten und auf unserer Homepage in der Entwicklung dokumentieren. Und das über viele Jahre bis zur nächsten Generation. Es geht um Beispiele einer Beforstung als Wirtschaftswald mit ausgewogenen Wildbeständen und hoher Biodiversität . Der Blick richtet sich auf praktische Möglichkeiten im Aufbau von artenreichen Waldprojekten in der Zeit eines spürbaren Klimawandels. Wir blicken auf Lagen in öffentlicher oder privater Hand. Ob in einer Niederwaldbewirtschaftung mit Steilhängen – in Teilen auch mit Gefährdungspotenzial, wie es sich am Ende beispielsweise an der Ahr entlud. Oder die Entwicklung lichtdurchlässiger Hochwaldformen. Das sind große Themen, die Forst, Waldbesitzer, Jäger, Anwohner und Erholungssuchende zunehmend beschäftigen. Der Blick auf sterbende Wälder unter dem Stichwort „naturbelassen“ kann emotional verklären, aber auch kritisch bewertet werden. Wir kommen in einem langfristig angelegten Projekt darauf zurück. Jägern wird gern eine gewisse Rückständigkeit nachgesagt. Wenn diese mit Respekt vor Gottes Natur und unseren Mitgeschöpfen einhergeht, ist nichts dagegen zu sagen. Deshalb berichten wir auch gern über Gruppen, die sich unermüdlich mühen, die Waidgerechtigkeit in unsere Zeit zu retten. Zum Beispiel die „Gesellschaft für Tierschutzgerechte Jagd und Hege“ – vereint mit den „Hirschgerechten Jägern“ –, die unermüdlich daran erinnert, dass das Bundesjagdgesetz schon im ersten Paragraphen auf die guten jagdlichen Bräuche verweist: Mit der „Verpflichtung zur Hege, Sicherung der Lebensgrundlage des Wildes sowie der Grundsätze deutscher Waidgerechtigkeit“. Von der breiten Öffentlichkeit kaum bemerkt, drohen einst „eiserne Regeln“ wie der Schutz von Muttertieren während der Aufzuchtzeit oder das Verbot „unfairer“ technischer Hilfsmittel wie Nachtsichtgeräten aufzuweichen. Dies in einer Zeit, in der Tierwohl zum mächtigen Marketinginstrument geworden ist. Und alles unter dem Irrglauben, dass wir den Wald im Klimawandel retten, wenn wir die Wildtiere als seine angestammten Bewohner vernichten. Mehr dazu schreibt Michael Lehner in der kommenden Woche in unserem Blog. Mit diesen Absichtserklärungen für Natur und Mensch und die dahinter praxisnah wirkende Stiftung wünsche ich Ihnen ein erholungs- und erlebnisreiches Wochenende Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination
- Flugangriffe auf Fischbrötchen
Immer wieder ein Phänomen: Wenn wilde Tiere in die Zivilisation drängen, gibt es Probleme. Wildschweine in Siedlungen, Gänse in Anlagen oder Marder in Hausdächern sind bekannte Beispiele. An der Küste werden Möwen zur Plage Auf Deutschlands teuerster Urlaubsinsel gehen Einheimische und Touristen in Deckung. Tausende von Möwen machen Jagd auf Besucher, die sich ein Fischbrötchen, eine Eiswaffel oder ein Crepe gönnen. Die ausufernde Möwenplage hält die Insel, ganz besonders die Stadt Westerland, in den Sommermonaten in Atem. Nicht einmal die von den Rathausfraktionen angestrebte Abwahl des hauptamtlichen Bürgermeisters von Westerland in einem Bürgerentscheid am 29. September beschäftigt die Menschen so intensiv wie die auf Raubzug fliegenden Möwen. Die Möwenplage hat zu einem Ausmaß geführt, wie es auch ältere Sylter noch nicht erlebt haben. „So viele wie noch nie“, berichtet ein älterer Geschäftsmann aus der Friedrichstraße, durch die täglich bis zu 10.000 Menschen bummeln. Ein Blick nach oben ist ratsam. Im Sturzflug machen sich die Möwen auf ihren Beutezug. Sie reißen mit dem spitzen Schnabel den Menschen alles aus der Hand, was essbar ist. Der Mieterin einer Ferienwohnung in der Innenstadt wurde das in einer verschlossenen Plastikschale abgestellte Abendessen vom Balkon stibitzt. Bis Mitternacht geben die weißen Vögel keine Ruhe und morgens ab vier Uhr setzt der Weckprozess mit einem ohrenbetäubenden Gekreische ein. Dazu sorgt der Kot für verschmutzte Dächer, Balkone oder Gehwege. Sylt leidet wie keine zweite Nord- oder Ostseeinsel unter den Auswüchsen der Möwenplage. Warum ausgerechnet Sylt? Und warum Westerland? Weil hier eben am meisten Menschen seien, erklärt ein Sylter. Sobald die Urlaubermassen von dannen ziehen, macht sich auch der Großteil der Möwen aus dem Staub. Abwehrerfolge halten sich in Grenzen Die Insulaner wehren sich nach Kräften. Aber zumeist ohne Erfolg. Vor zehn Jahren machte sich ein Unbekannter mit einem Luftgewehr ans Werk. Mehrere angeschossene Tiere mussten eingeschläfert werden. Gut zehn Jahre später, im März 2024, hat die dänische Ostseestadt Sonderborg den Abschuss von Möwen erlaubt. Große Erfolge aber werden bis heute nicht gemeldet. Es sei die „letzte Hoffnung“, so heißt es in Sonderborg, um der „schreienden, scheißenden und stehlenden Tiere“ Herr zu werden. Der Abschusstest soll zunächst über zwei Jahre gehen. Von der Küste in Mecklenburg berichtet die Ostseezeitung von gleichen Vorfällen und anderen Versuchen, der Lage Herr zu werden. Auch in Warnemünde klauen die Vögel, was das Zeug hält. Ein Bar-Besitzer zu dem Lokalblatt: „In den ersten drei Tagen nach der Eröffnung hatten wir 30 Attacken. Die Möwen haben bei uns auf dem Dach gesessen und darauf gewartet, zuschnappen zu können.“ In den Ostsee-Bädern erstatten einzelne Gastronomen den Verlust durch eine neue Portion unter der Voraussetzung, dass die Möwen auf dem betreffenden Gelände des Imbisses oder Eiscafés zu zugeschlagen haben. Auf Sylt wie auch in anderen Seebädern gab es in den letzten Jahren viele Versuche im Kampf gegen die Möwenplage. So existiert ein Fütterungsverbot, woran sich auch die Masse hält. Die Möwen holen es sich dann eben selbst. Mit aufgespannten Netzen auf den Dächern wollte man den Tieren ihre Nistplätze nehmen. Der Erfolg hält sich in Grenzen. Die Möwen, die neben den Krähen als kluge Tiere gelten, suchen sich ihre Plätze dann woanders. Die gefräßigen Vögel lauern auf den Dächern strandnaher Gebäude. Auch die Attrappe eines riesigen schwarzen Vogeldrachens auf der Sylter Tourismuszentrale hält sie nicht vom Raubzug ab. Schreie von Greifvögeln, die über Lautsprecher ertönen, haben zwar auch die Möwen beeindruckt, aber ebenso auch viele Gäste in ihren Ferienwohnungen. Sie beschwerten sich bei den Ordnungsbehörden. Wer auf die abseitige Idee kommt, da sollten Jäger ran, so geht das nicht, als Schädlingsbekämpfer schon gar nicht. Allein die Silbermöwe wäre in Schleswig-Holstein vom 1. Oktober bis zum 10. Februar jagdbar. Herings-, Lach-, Mantel- und Sturmmöwen sind nicht in der Liste der jagdbaren Arten. Und in besiedelten und befriedeten Gebieten wäre ohnehin nichts zu machen. Theoretisch könnte die Kommune eine(n) Stadtjäger(in) einsetzen. Der könnte beraten, aber keine Waffe dort in die Hand nehmen. Der Aufschrei der Touristen wäre wohl lauter als die Möwen, wenn jemand meint, das Problem wäre durch Abschüsse zu lösen, wie es die Dänen versuchen. Und so bleibt wohl alles beim Alten auf Sylt. Viele Urlauber, viele Möwen, hohe Preise. Müssen doch Dächer und Straßen gereinigt werden.
- Klimaanpassung statt Klimaschutz
Ursula von der Leyen hat sich mit merklich anderen Prioritäten für die ländlichen Räume die Wiederwahl zur Kommissionspräsidentin gesichert Um ihre Wiederwahl im Straßburger Europaparlament zu sichern, hat Ursula von der Leyen ein breites politisches Spektrum umworben. Sie hat im Bereich Landwirtschaft und ländlichen Räumen Abgeordneten von der Fraktion der Konservativen und Reformer (EKR), die rechts von der christdemokratischen EVP sitzen, bis hin zu den Grünen Angebote gemacht. Sie finden sich in ihren Leitlinien für die Jahre 2024 bis 2029 und in ihrer Rede im Plenum wieder. Leyen war dazu gezwungen: Stimmen von Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen, die in Straßburg eine informelle Koalition bilden, hätten nur rechnerisch ausgereicht. Da in allen Fraktionen mit Abweichlern zu rechnen war, musste sie auch die Grünen und die Rechtskonservativen bedienen. Heikel, weil sie einerseits Erwartungen bedienen, andererseits niemanden durch zu polarisierende Aussagen verprellen wollte. Es ist interessant, welche politischen Aussagen bei dieser Gratwanderung herausgekommen sind. Von der Leyen stellt im Hinblick auf die ländlichen Räume augenfällig für 2024 bis 2029 nicht den Klimaschutz, sondern die Anpassung an den Klimawandel in den Vordergrund. Es geht um besseren und besser koordinierten Schutz bei Waldbränden, Dürren und Überschwemmungen. Von der Leyen verspricht „bessere Ressourcen und einen leichteren Zugang zu aufgestockten europäischen Mitteln“. Damit zieht sie die notwendige Konsequenz daraus, dass sich das Klima in Europa schneller aufheizt als anderswo. Die Kommission will einen Plan zur Anpassung an den Klimawandel vorlegen, ebenso wie einen Plan für mehr Resilienz bei der Wasserversorgung. Auf das, was nicht erwähnt wird, kommt es an Erhellend ist auch, was von der Leyen nicht erwähnt: So verspricht sie nicht etwa höhere Standards an den Tierschutz bei Viehtransporten. Bei den Grünen ist das zwar alles andere als gut angekommen. Aussagen zu ambitioniertem Tierschutz hätten auf der anderen Seite im eigenen Lager etwa bei den spanischen und rumänische Christdemokraten Stimmen gefährdet. Auch die Einbeziehung der Landwirtschaft in den europäischen Handel mit Verschmutzungszertifikaten (ETS) erwähnt die CDU-Politikerin mit keinem Wort. Dabei hätten Viehzüchter neue Beschränkungen, etwa bei der Freisetzung von Methan, zu befürchten. Zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wird die Kommission vermutlich im Herbst 2025 ihren Vorschlag vorlegen. Von der Leyen stellt auskömmliche Einkommen für die Landwirte in Aussicht. Außerdem will sie dafür sorgen, dass kein Bauer vom Markt gezwungen wird, seine Produkte unter den Eigenkosten zu verkaufen. Hier bleibt sie im Vagen. Auch ist anzumerken, dass das Agrarbudget am Ende des Tages von den Mitgliedstaaten bestimmt wird. Wie viel Geld die Kommission vorschlägt, das ist eine andere Sache. Innerhalb der Kommission wird die Landwirtschaft personell aufgewertet. So solle es diesmal wieder einen Agrarkommissar von der christdemokratischen EVP geben. Ohne zu wissen, wer es wird, ist dies höchstwahrscheinlich eine Verbesserung: Der bisherige polnische Agrarkommissar Janusz Wojciechowski gehört der polnischen PiS an und ist ein Totalausfall. Von der Leyen will zudem einen Kommissar für Fischerei und Ozeane ernennen. Im Europaparlament dagegen hat die CDU/CSU die Chance vergeben, den Landwirtschaftspolitiker Norbert Lins (CDU) wieder zum Chef des Agrarausschusses zu machen . Der Parteiführung war wichtiger, David McAllister wieder den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuss zu verschaffen. Und das, obwohl Lins politisch für die Bauern sehr viel erreicht hat. Hinzu kommt, dass bei der Zielgruppe der Union die gesetzgeberische Arbeit im Agrarausschuss sicher mehr belohnt würde als die politisch zwar wichtigen, aber letztlich wenig ändernden Erklärungen im Auswärtigen Ausschuss. Für Lins wird die Zeit spätestens dann wieder kommen, wenn das Europaparlament die nächste GAP-Förderperiode verhandelt. Einen kenntnisreicheren Agrarpolitiker, der die Interessen von bäuerlichen Familienbetrieben im Blick hat, den hat die Union nicht.
- Das Ende einer Parallelwelt
Mit ihrem Projekt „Zukunfts-Bauer“ wirbt die Landwirtschaft um öffentliches Vertrauen und kämpft gegen Entfremdung. Wie es dazu gekommen ist, verrät ein lesenswertes Buch Bullerbü, Bergdoktor, Bauer sucht Frau – Klischees und Stereotypen vom Landleben und der Landwirtschaft sind in vielen Köpfen nach wie vor so fest verankert, dass es schwer ist, die moderne Wirklichkeit zu erzählen. Wer auf ein fantasievolles Wimmelbild mit einem kleinen roten Traktor auf dem gelben Weizenfeld schaut, erfährt wenig über Viehzucht und Ackerbau, ist aber durchaus empfänglich für ein falsches und bewusst überzeichnetes Bild von Monokultur und Massentierhaltung. Selbst viele Kritiker wissen heute, dass dies nicht mehr so stimmt, und kennen die Realität auf den Höfen und in den Betrieben. Dass mit den verbogenen Wahrheiten trotzdem weiter Stimmungsmache betrieben wird, ist umso ärgerlicher. Mithilfe der Markt- und Medienforschungsagentur Rheingold Salon haben der Deutsche Bauernverband und der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) schon vor drei Jahren in der Corona-Zeit erforschen lassen, wie die Landwirtschaft neues Vertrauen in der Gesellschaft gewinnen kann. Eine spannende Fragestellung nicht nur für die Verbände, sondern für alle, die mit der Landwirtschaft und dem Leben auf dem Land verbunden sind. Die Antworten bleiben aktuell gültig. Vertrauen stärkt Bindung, ermöglicht einen offenen und ehrlichen Austausch, bildet einen Gegenpol zu Vorurteilen. In einem im vergangenen Jahr neu aufgelegten Buch des münsterischen Landwirtschaftsverlags wird ausführlich dargelegt, welche wichtigen Erkenntnisse die Kölner Marktforscher in Befragungen und Interviews gewonnen haben und welche Überlegungen eine Rolle dabei spielten, das Projekt „Zukunfts-Bauer“ mit all seinen Facetten zu starten und bis heute fortzuentwickeln. Das Buch bietet nicht nur tiefe Einblicke in die gründliche und systematische Herangehensweise, sondern wird für manch einen Leser auch zum Blick in den Spiegel. Denn wer stark vom landfernen Stadtleben geprägt ist, wird sich dabei ertappen, welche (falschen) Vorstellungen und Narrative in seinem Kopf herumschwirren. Nein, Viehzucht hat nichts mit dem Streichelzoo um die Ecke zu tun. Die Felder sind keine hübsche Dekoration für das Foto vom Wochenendausflug, sondern müssen Erträge bringen. Auch das Selbstbild der Bauern auf dem Prüfstand In der Studie wird den Narrativen auf den Grund gegangen, werden Projektionen hinterfragt. Aber auch das Selbstbild der Bauern, die für die Versorgung und Ernährung der Menschen zweifellos eine höhere Wertschätzung verdienen, steht auf dem Prüfstand. Eine wichtige Feststellung: Bauern müssen nicht Bauern erzählen, was sie tun, sondern vor allem Verbrauchern erklären, was sie warum in ihrem Beruf machen und wie die gemeinsame Zukunft aussehen kann. Bei der Frage der Zukunft steht die Landwirtschaft beileibe nicht allein. Zukunftsfragen umtreiben mit Blick auf Krisen, Klima und Kriege alle Menschen. Die Zukunftsfrage verbindet heute mehr denn je. Umso wichtiger ist es, wie in der Zukunftskommission Landwirtschaft umgesetzt, über Wahrheiten zu sprechen und nicht mit verbogenen Realitäten Politik zu machen. Dabei wird auch im Buch nicht verschwiegen, dass das Projekt „Zukunfts-Bauer“ selbst wie ein Narrativ zu sehen ist, aber eines, das beim Zusammenleben helfen und sich vor allem als konstruktiv und zukunftsorientiert erweisen soll. Wie weit die Arbeit bis heute schon gediehen ist, erfährt man in einem Themen-Dossier auf der Homepage des Deutschen Bauernverbandes . Informationen zum Buch: Jens Lönneker, Marco Diefenbach und Lukas Struwe: Zukunfts-Bauer – Über die Analyse und Gestaltung des öffentlichen Vertrauens, LV.Buch im Landwirtschaftsverlag, 108 Seiten, Hardcover, 20 €, ISBN: 978-3-7843-5733-1
- Rotwild gibt’s nicht zum Nulltarif
Deutlich mehr als 200.000 Stück Rotwild leben in Deutschland. Doch unserer größten Hirschart droht ein schleichendes Aus. Grund ist die genetische Verarmung Viele Rotwild-Vorkommen in Deutschland sind isoliert und zu klein, um langfristig lebensfähig zu sein. Mit der Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Rotwild Rhön“ wird nun erstmals über Bundesländergrenzen hinweg versucht, neue Wege für die Bewahrung des Edelwildes zu finden. Die Partner auf beiden Seiten, die Hegegemeinschaften (HG) Zillbach-Pless in Thüringen und die Hegegemeinschaft Bayerische Rhön, sehen die Gefahr, dass der Genaustausch sonst zum Erliegen kommt und Rotwildvorkommen wegen der Folgen der Degeneration langfristig sogar erlöschen können. Die Rede ist von einem „historischen Schritt“ der neuen Kooperation, mit dem die Arbeit für das Rotwild auf eine neue Ebene gehoben werde, „raus aus ineffizienten Strukturen, hinein in die Öffentlichkeit und Politik“. Zudem sollen Projekte wie die Besenderung von Hirschen zur genauen Feststellung von Wanderrouten gemeinsam angegangen werden. Seinen Ursprung hat das Elend in den 1950er Jahren. Damals wurden Rotwildbezirke festgelegt, also Räume, in denen dem Edelwild ein Lebensrecht zugestanden wird. Noch heute ist dies Praxis in den meisten Bundesländern, während dem Zuwanderer Wolf zugestanden wird, sesshaft zu werden, wo immer es ihm gefällt. Außerhalb dieser Bezirke droht dem Rotwild fast immer der Totalabschuss. Das ist in erster Linie der Forstwirtschaft geschuldet, deren Gewinnmaximierung das Rotwild im Wege steht. Es verbeißt junge Bäume, schält im Extremfall sogar die Rinde, ist also nicht zum Nulltarif zu haben. Lebensraum stark geschrumpft So imposant das mächtige Geweih der Hirsche und ihr Röhren in der frühherbstlichen Paarungszeit (Brunft) sind, so stiefmütterlich behandeln wir diese Wildart. Ihr Lebensraum ist nicht nur gesetzlich auf ein Viertel der bundesdeutschen Fläche zusammengeschrumpft. Straßen, eingezäunte Autobahnen, Kanäle mit steilen Spundwänden zerschneiden unsere massiv verdichtete Landschaft. Für das hoch sozial in Rudeln lebende Rotwild sind das unüberbrückbare Hindernisse. Darunter leidet es wie keine andere Wildart. Es kann nicht mehr wandern. Hinzu kommen Beunruhigungen durch Spaziergänger und Wanderer, Mountainbiker und Geocacher, Pilzesammler und andere Erholungssuchende. In seinem eh schon eng beschränkten Lebensraum ist für das Rotwild jeder Mensch eine mögliche Gefahr. Die Folge sind erhöhte Aufmerksamkeit und manchmal Flucht. Letztlich gibt es kaum noch Orte in Deutschland, an denen Rotwild seinen natürlichen Verhaltensweisen entsprechend leben kann. Der Mensch hat den König des Offenlandes immer weiter zurückgedrängt und zu einem gestressten Bewohner des Waldes gemacht. Inzwischen warnen Wildbiologen, die Lage könne für das Rotwild in Deutschland existenzgefährdend werden. Denn die ständig voranschreitende bauliche und infrastrukturelle Zerschneidung der Landschaft führt in Kombination mit den gesetzlich definierten „rotwildfreien Gebieten“ zu einer Verinselung mit letztlich stark reduzierter genetischer Variation der jeweiligen Population. Die Gene beeinflussen die Fähigkeit, auf veränderte Umweltbedingungen zu reagieren. Je weniger Genvarianten, desto schlechter kann die Population sich anpassen. Damit steigt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, auf einen Fortpflanzungspartner zu treffen, der enger mit einem selber verwandt ist, als es per Zufall der Fall wäre. Damit beginnt Inzucht. Sie führt zu verminderter Fitness, vermehrten Krankheiten und einer reduzierten Fortpflanzungsfähigkeit. Es geht also nicht nur um die Überlebensfähigkeit eines Einzelindividuums, sondern um die der Gesamtpopulation. Oft mündet das im sogenannten Aussterbestrudel. Schon vor rund 40 Jahren haben Ökologen die 50/500-Regel aufgestellt. Sie benennt die Mindestzahl an Mitgliedern einer lebensfähigen Population und andererseits die (höhere) Anzahl von Exemplaren, die nötig ist, um eine genetische Verarmung zu verhindern, wobei es für Säugetiere noch höhere Werte braucht. Weil kleine isolierte Populationen besonders bedroht sind, ist ein Sichtbarwerden von genetischer Verarmung bei ihnen am wahrscheinlichsten, etwa in Form von verkürzten Unterkiefern bei Kälbern. Solche sogenannten Inzuchtdepressionen wurden bereits quer durch Deutschland in verschiedenen Rotwildpopulationen nachgewiesen. Inzucht als schleichender Prozess Da das Fortschreiten der Inzucht ein schleichender Prozess ist, ist das Ausbleiben solcher Erscheinungen kein Beleg für das Wohlergehen. Denn einzelne Defektgene bleiben meist unentdeckt. Katharina Westekemper und Prof. Dr. Niko Balkenhol haben vor zwei Jahren eine Studie vorgelegt, der zufolge nur zwei der 34 in Deutschland untersuchten Rotwildvorkommen die erforderliche Zahl von Tieren erreichen, die sie langfristig vor Inzucht schützt. Das zeigt, dass es um die vom Gesetzgeber in Paragraph 1 des Bundesjagdgesetzes geforderte Erhaltung eines gesunden Wildbestandes nicht gut bestellt ist. Die Deutsche Wildtier Stiftung hat deshalb vor fast fünf Jahren die Online-Petition „Freiheit für den Rothirsch“ gestartet und fordert die Auflösung der Rotwildbezirke, „damit die Art sich ihren Lebensraum selbst suchen kann“. Bis es vielleicht einmal dazu kommt, sind neue, großräumige jagdliche Konzepte, kombiniert mit einer vernetzenden Landschaftsplanung inklusive intakter Wanderkorridore, nötig. An diesem Punkt setzt die „Arbeitsgemeinschaft Rotwild Rhön“ an, indem sie Partner aus Ökologie, Naturschutz und Tourismus sowie Landnutzer und Jägerschaft beiderseits der Landesgrenze zusammenführt. Denn Harm Humburg, Vorsitzender der Hegegemeinschaften Bayerische Rhön, ist laut Verbandsblatt Thüringer Jäger überzeugt: „Geld ist da, wir müssen die Dinge nur politisch anschieben.“
- Klimaanpassung gehört ins Grundgesetz
Bund und Länder müssen die Städte und Gemeinden endlich besser finanziell unterstützen, um den unvermeidlichen gefährlichen Folgen des Klimawandels vor Ort vorzubeugen Die Idee ist zu gut, um sie länger in den Schubladen der Politik verschimmeln zu lassen. Der Städte- und Gemeindebund hat sie jetzt anlässlich des Inkrafttretens des Klimaanpassungsgesetzes zum 1. Juli wiederholt. Sie lautet: Wir brauchen im Grundgesetz eine neue „Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz und Klimaanpassung“. Weil global greifender Klimaschutz zwar eine Sache der großen Politik ist (wie die UN-Klimarahmenkonvention, das Pariser Abkommen oder das Europäische Klimagesetz), die Abfederung der oft lebensgefährlichen Auswirkungen aber im Kleinen passieren muss – in den Städten und Gemeinden, die vom Bund und den Ländern jetzt wieder einmal mit den unvermeidlich nötigen Kosten allein gelassen werden. Wie bei der Flüchtlingspolitik. Gemeinschaftsaufgaben sind laut dem Grundgesetz bisher der Agrar- und Küstenschutz sowie die Stärkung der regionalen Wirtschaft. Der Artikel 91 a gibt die Richtung vor. Dort heißt es in Absatz 1 Nr.1: „Der Bund wirkt auf folgenden Gebieten bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist.“ Das aber will und muss bezahlt werden. Auch da ist das Grundgesetz klar: Der Bund zahlt in diesen Fällen mindestens die Hälfte der Ausgaben in jedem Land. Die Beteiligung ist für alle Länder einheitlich festzusetzen. Kommunen rechnen mit acht Milliarden Investitionsbedarf Die Bereitstellung der Mittel bleibt der Feststellung in den Haushaltsplänen des Bundes und der Länder vorbehalten. Bund und Länder sind hier also in der Pflicht. Deshalb müssen sie im Haushalt dort, wo die Klimawandelfolgen immer dramatischer Leib, Leben und Existenzen bedrohen, Prioritäten auch im Grundgesetz neu setzen, statt sich sozial-selbstverliebt in Fünf-Euro-Kindergeld-Erhöhungen zu sonnen. Immerhin rechnen die deutschen Kommunen mit einem Investitionsbedarf von mindestens acht Milliarden Euro pro Jahr. Sinnvoll gebrauchtes Geld. Dass die Anpassung an die Folgen des Klimawandels zwingend nötig ist, steht außer Frage. Das Treibhausgas Kohlenmonoxid wird in der Atmosphäre noch viele Jahrzehnte wirksam sein und das Klima beeinflussen. Die damit verbundenen unvermeidlichen Schäden für Mensch, Tier und Umwelt müssen also so gering wie möglich gehalten werden. Und das fängt ganz unten an – bei den Kommunen. Angefangen von einer dem Klimawandel trotzenden Architektur mit Fassadenbegrünung und einer damit verbundenen besseren Kühlung der Innenräume, über die Stadtplanung mit der Vermeidung weiterer Bodenversiegelung, einer Neustrukturierung von Park- und Baumbewässerungen etwa durch Zisternen, über Rückhaltebecken für die Risikominimierung durch Hochwasserschäden an Brücken, den Umbau von Kiefern- oder Fichtenwäldern zur Vermeidung von Waldbränden bis hin zu einer generell an die Klimarisiken angepassten Landnutzung. Das Umweltbundesamt listet insgesamt 226 beispielhafte Maßnahmen auf. Das ist eine gewaltige Herausforderung, die allein von den Kommunen nicht bewältigt werden kann. Wer vor 75 Jahren grundgesetzlich erkannt hat, dass Küstenschutz eine Gemeinschaftsaufgabe ist, muss im Jahr 2024 einsehen, dass auch die Vorbeugung gegen andere schwere Folgen von Naturkatastrophen im Hinterland nicht den einzelnen Städten und Gemeinden aufgebürdet werden darf. Denn die schieben bereits einen Investitionsstau von rund 180 Milliarden Euro vor sich her. Bund und Länder dürfen sie nicht im Regen stehen lassen. Der gefährliche Klimawandel hört eben nicht an Stränden und Deichen auf.
- Weichenstellung in Brüssel – Rotwild, Bären und die große Politik
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, Brüssel mag für viele von uns kilometermäßig noch so entfernt sein – politisch ist es gerade dem ländlichen Raum sehr nahe. Entscheidungen, die auf EU-Ebene fallen, beeinflussen maßgeblich das Leben und die Zustände im ländlichen Raum. Umso wichtiger, wer in Brüssel politisch an den Schaltstellen der Macht sitzt. Vor diesem Hintergrund kommt der jüngsten Abstimmung über das Amt des Kommissionspräsidenten größte Bedeutung zu. Bis zuletzt blieb unklar, ob Ursula von der Leyen es erneut schaffen würde. Am Ende ist sie dann doch mit recht komfortabler Mehrheit ein zweites Mal für fünf Jahre zur Kommissionspräsidentin gewählt worden. Sie stützt sich auf 401 von 719 Stimmen, die von Christdemokraten, Sozialisten, Liberalen und recht geschlossen auch von den Grünen kamen. Von der Leyen sicherte sich die Wahl, indem sie allen Lagern etwas versprach. An die Wähler von CDU/CSU ging unter anderem die Zusage, für auskömmliche Löhne in der Landwirtschaft zu sorgen, berichtet unser Autor Ludwig Hintjens aus Brüssel. Außerdem versprach sie den Unternehmen Bürokratieabbau. Die Sozialdemokraten freuen sich über die Zusage, dass es einen Kommissar für Wohnungsbau geben soll, der die Wohnungsnot bekämpfen soll. Den Liberalen war wichtig, dass von der Leyen einen Verteidigungskommissar beruft und die Verteidigungsausgaben massiv erhöht. Die Grünen sind zwar nicht Teil der informellen Koalition, wurden aber bei Absprachen zum Personal eingebunden. Sie freuen sich über das Ziel, bis 2040 den CO₂-Ausstoß um 90 Prozent zu reduzieren. Doch zurück zum ländlichen Raum hier in Deutschland, wo unseren Autoren und mir das Thema Hege und Jagd besonders am Herzen liegt. Ein Beispiel ist die Sorge um das Wohlergehen von Rotwild. Gesetzlich eng beschränkte Lebensräume sowie eingezäunte Autobahnen, Kanäle mit steilen Spundwänden und andere Hindernisse machen die traditionellen Wanderkorridore für das Rotwild unpassierbar. Ihm droht die Inzucht und ein schleichendes Aus. Wildbiologen und Ökologen warnen vor der Verinselung und der daraus resultierenden genetischen Verarmung, die die dauerhafte Fortexistenz unserer größten Hirschart in Deutschland bedroht. Am kommenden Dienstag beschreibt ein Blogbeitrag unseres Autors Christoph Boll die Krise der Hirsche, deren Röhren in der herbstlichen Brunft ein imponierendes Naturschauspiel ist. Er gibt zugleich Zuversicht mit dem Verweis auf eine thüringisch-bayerische Kooperation. Dort haben sich in der „Arbeitsgemeinschaft Rotwild Rhön“ Freunde des Edelwildes zusammengefunden, die erstmals über Bundesländergrenzen hinweg die Isolation von Rotwildpopulationen aufbrechen wollen. Sie dürfen gespannt auf den Artikel sein! Angriffe auf Touristen Während über den Schutz und die Zukunft von Rotwild in Deutschland bislang leider noch viel zu wenig diskutiert wird, ist das Thema Wolf insbesondere im ländlichen Raum bekanntlich in aller Munde. Wir haben das Öfteren in unserem Blog darüber berichtet. Auch über die möglichen Gefahren für Menschen. Andernorts in der EU ist der Umgang mit gefährlichen Bären ein ebenso großes, wenn nicht gar vom breiten Publikum noch heftiger diskutiertes Thema. So wurde jüngst in der bei Urlaubern beliebten norditalienischen Provinz Trentino ein französischer Tourist von einem Bären angegriffen. Der 43-jährige erlitt Verletzungen an Arm und Beinen. Der Vorfall geschah in dieser Woche nach Angaben der Behörden am frühen Morgen im Wald in der Gemeinde Dro nördlich des Gardasees. Noch dramatischer ist die Situation in Rumänien. Nachdem eine junge Touristin beim Wandern durch einen Bärenangriff ums Leben gekommen war, hat das dortige Parlament Anfang dieser Woche in einer Sondersitzung die Zahl der jährlich erlaubten Bärentötungen mehr als verdoppelt . Künftig dürfen in Rumänien 481 Braunbären geschossen werden. Im Jahr 2023 waren es noch 220 gewesen. In den Karpaten sollen nach Schätzung der Regierung etwa 8000 Braunbären leben. Dies ist die größte Bärenpopulation in Europa nach Russland. Die Tiere greifen immer wieder Wanderer, Hirten und Bauern an. In den vergangenen 20 Jahren waren in Rumänien nach offiziellen Angaben 26 Menschen von Bären getötet worden. Auch in der Slowakei ist der Umgang mit Braunbären ein großes Thema. Erst kürzlich war ein Mann beim Wandern von einem Bären attackiert und verletzt worden. Das Tier wurde später aufgespürt und erschossen. Wie mittlerweile bekannt wurde , waren im Mai in der Slowakei innerhalb von 17 Tagen 16 Bären getötet worden. Die Regierung hatte zuvor die Regeln für den Abschuss der Tiere im Schnellverfahren gelockert. „Diese Überpopulation, die wir jetzt erleben, ist das Ergebnis jahrelanger Untätigkeit – ein absolutes Versagen des Staates“, erklärte Umweltminister Tomas Taraba. „ Ein Bürger der Slowakei hat das Recht, dass der Staat sein Leben schützt und seinen Besitz. Er hat auch das Recht, Pilze zu sammeln.“ Heftige Kritik kommt von Umweltvertretern. Aus ihrer Sicht ist die Zahl von landesweit 1300 Tieren relativ stabil und nicht wirklich das Problem, weil angeblich zu wenig über Prävention, sondern nur noch von Abschuss geredet werde. Bahn weiter auf dem Abstellgleis Apropos Umweltvertreter. Hierzulande ist deren Hauptanliegen aktuell die Energie- und Verkehrswende. Wir haben in unserem Blog das Thema immer wieder kritisch und analytisch aufgegriffen. Dies gilt auch für den Streitpunkt Bahn – ein Verkehrsmittel, das von vielen immer noch als Allheilmittel der Verkehrswende gepriesen wird. Doch im ländlichen Bereich klingt das vielerorts wie Hohn. Dort gibt es zu wenige Bahnhöfe und die Züge fahren obendrein viel zu selten. Hier ist die Politik gefordert. Denn vom Unternehmen selbst ist wenig Änderung geschweige denn Gutes zu erwarten. Es hat sich gerade in den Tagen der Fußball-EM, als ganz Europa auf Deutschland schaute, wieder einmal nach Kräften blamiert. Auch die ausländischen Fußballfans mussten jetzt hautnah erleben, wie marode die Infrastruktur in Deutschland teilweise bereits geworden ist. Wer unter diesen Umständen im ländlichen Raum aktuell Bahn und Bus als eine für jedermann sinnvolle Alternative anpreist, erweist sich als reichlich weltfremd. Gleichwohl möchte Bundesverkehrsminister Volker Wissing nun Nägel mit Köpfen machen. In dieser Woche hat er das ehrgeizigste Projekt zur Modernisierung der Bahn seit Jahrzehnten gestartet. So wird die vielbefahrene Strecke zwischen Frankfurt am Main und Mannheim für fünf Monate komplett gesperrt, um sie von Grund auf zu erneuern. Die Sanierung weiterer 40 stark befahrener Korridore soll in den nächsten Jahren erfolgen. So überfällig diese Erneuerungen auch sein mögen: Sie werden wohl kaum den ganz großen Erfolg bringen. Denn zu Recht weist der Fahrgastverband Pro Bahn darauf hin, dass die Probleme nicht nur beim Netz, sondern auch im Zustand der Fahrzeuge liegen. Verspätungen würden in sehr vielen Fällen entstehen, weil technische Mängel die Züge lahmlegen. Gewaltiger Aufwand Auch erfordern die Modernisierungen einen gewaltigen personellen und materiellen Aufwand. Diese Kapazitäten fehlen notgedrungen an anderer Stelle. Und wo? Vermutlich im ländlichen Raum, weil da die Fahrgastzahlen niedriger liegen und die dortigen Menschen dem Verkehrsmittel Bahn ohnehin schon lange nicht mehr vertrauen. Die Ausdünnung von Fahrplänen jenseits der Metropolen dürfte deshalb weitergehen. Auch beim Ausbau von Nebenstrecken und der Aktivierung stillgelegter Strecken gibt es reichlich Handlungsbedarf. Denn schon jetzt ist das Schienennetz in Deutschland laut Ifo-Institut 15.000 Kilometer kleiner als vor 70 Jahren. Auch hier ist der ländliche Raum naturgemäß der Hauptleidtragende. Das heißt im Umkehrschluss: Wer dort lebt, ist zwingend auf ein Auto angewiesen. Das muss in der Politik in Sachen Steuer- und Abgabenbelastung stärker beachtet werden. Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination
- Ein Funken kann schon genügen
Eine achtlos weggeworfene Zigarette, ein ausglimmender Kohlegrill, die Trockenheit der vergangenen Jahre – all diese Risikofaktoren lassen aktuell die Waldbrandgefahr wieder steigen. Besonders in Brandenburg sind die Behörden im Alarmmodus Die Waldschützer und Forstleute, die privaten Waldeigentümer und die Mitarbeiter der Feuerwehren sind in Alarmbereitschaft. Seit einiger Zeit steigt die Waldbrandgefahr im forstreichen Brandenburg wieder deutlich an. In vielen Landkreisen steht die Warnstufe auf der Stufe drei des fünfstufigen Waldbrandgefahrenindexes, in einigen Landkreisen wurde diese sogar auf Stufe vier hochgesetzt. Auch in anderen Bundesländern im Osten wie Sachsen-Anhalt und dem südlichen Mecklenburg-Vorpommern zeigt der Zeiger auf der Skala Gefahrenstufe vier. In ganz Mecklenburg inklusive der Insel Rügen hat die Forstverwaltung große Angst, dass es bald wieder mit Bränden losgeht. Dabei ist in Brandenburg das Risiko besonders hoch. In dem Bundesland fällt besonders wenig Niederschlag. Das Land ist geprägt von ausgedehnten Kiefernwäldern und leichten Sandböden. Zudem locken die ausgedehnten Flächen, wunderschönen Seen und Wälder Großstädter aus der Hauptstadt zu einem Ausflug in die Natur – inklusive weggeworfener Zigaretten oder dem Kohlegrill, der noch ausglimmt, aber gern mal im Wald liegen gelassen wird. Auch im Großraum Berlin gibt es Gefahrenpotenzial: An vielen Stellen findet sich auch mehr als 70 Jahre nach Ende des Krieges Munition. Oder der gefährliche und nie entsorgte scharfe Nachlass der Roten Armee. Hoffen auf genügend Feuchtigkeit „Wir rechnen schon damit, dass in den nächsten Tagen und Wochen wieder etwas passieren kann“, erklärte der Waldbrandschutzbeauftragte des Landes Brandenburg, Raimund Engel, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Die zuständigen Stellen seien aber gut vorbereitet. „Wir haben alle Waldbrandschutzzentralen in Brandenburg besetzt.“ Engel hofft zudem, dass die Böden in seinem Land nach den letzten relativ regenreichen Wochen noch immer genug Feuchtigkeit aufweisen. Seit Jahresbeginn gab es in Brandenburg insgesamt 96 Waldbrände. In den Jahren 2023 und 2022 war die Anzahl der Waldbrände im gleichen Zeitraum dagegen mit 176 und 313 deutlich höher. „Bisher sind wir diesen Sommer gut gefahren“, zieht der Waldschutzbeauftragte eine erste vorsichtig positive Zwischenbilanz. Auch in anderen Bundesländern verlief die „Waldbrandsaison 2024“ bisher recht glimpflich. Doch noch stehen zwei Sommermonate aus, die die Bilanz ganz schnell drehen können. Dennoch: Die Tiere und das Ökosystem Wald dürften sich über den positiven Zwischenbericht aus Potsdam freuen. Auch wenn vor allem größere Tiere das Feuer wittern und dann flüchten können – Insekten und Spinnentiere verbrennen zu Tausenden, Mikroorganismen zu Millionen allein auf einem Quadratmeter. Zudem ist der Lebensraum der Tiere nach einem Feuer auf Jahre hinaus zerstört. Vom wirtschaftlichen Schaden für die Waldeigentümer oder den staatlichen Forst ganz zu schweigen. Der Mensch als Risiko Dabei kann der Mensch viel dazu beitragen, durch ein vernünftiges Verhalten gerade im Wald und im Forst das Risiko für den Ausbruch von Feuer möglichst kleinzuhalten. So ist es zum Beispiel in fast allen Bundesländern das ganze Jahr über verboten, im Wald und im Abstand von weniger als 50 Metern vom Waldrand entfernt ein Feuer anzuzünden oder zu rauchen. Genau dies wird oft ignoriert – vorsätzlich oder fahrlässig: 50 Prozent aller Waldbrände gehen auf das Fehlverhalten oder den Leichtsinn des Menschen zurück, wie Experten berichten. Die Ursachen reichen von der sorglos weggeworfenen Zigarettenkippe über das Abstellen von Fahrzeugen mit heißen Katalysatoren über brennbarem Untergrund und die Selbstentzündung von zum Beispiel alter Munition bis hin zur Fahrlässigkeit im Umgang mit offenem Feuer und Brandstiftung. „Wie oft haben wir schon beobachten müssen, dass Fahrlässigkeit diese Waldbrände entstehen lassen hat“, sagt ein Feuerwehrsprecher aus Rathenow. Wohl wissend, dass es morgen wieder so weit sein kann. Und dann helfen auch die Feuchtigkeit und der Mut der Feuerwehrmänner nicht mehr viel.
- Schlechter Empfang auf dem Land
Die Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft, die den Kampf gegen Funklöcher gerade im ländlichen Raum führen sollte, wird nach dem Willen der Ampel-Regierung abgewickelt. Das wird wohl Folgen haben … Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, sagt der Volksmund. Im politischen Disput um die richtigen Maßnahmen gegen die „weißen Flecken“ auf der Mobilfunkkarte gilt dies nicht. Die „Dritten“ haben in diesem Fall das Nachsehen: Es sind die zigtausend Betroffenen draußen im Land, die bei der Sprach- und Datenübertragung via Mobilfunk bis heute auf ein zeitgemäßes technisches Angebot oder zumindest auf eine Perspektive warten. Als im Jahr 2021 das Bundesverkehrsministerium die Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft, kurz MIG, als Tochter der Toll Collect GmbH gründete, blitzte Licht am Ende des Tunnels auf. Da Privatinvestoren aus Renditegründen abgewunken hatten, die abgehängten Gebiete zu versorgen, wollte der Staat die Errichtung neuer Mobilfunkmasten fördern und die Funklöcher in Deutschland ausradieren. Bei den digitalbasierten Entwicklungsmöglichkeiten der Regionen sollte endlich Chancengleichheit hergestellt werden. Der Aufbau der MIG dauerte allerdings viel länger als erwartet. Aufgrund der bisher nur geringen Zahl der umgesetzten Projekte erhielt die Gesellschaft von der Ampel zuletzt trotz der Länderproteste im Bundesrat keine Unterstützung mehr. Die Mobilfunkförderung läuft nun zum Jahresende aus. Die MIG selbst wird bis zum Ende 2025 abgewickelt. Vergeblicher Rettungsversuch zur Beseitigung von Funklöchern Ohne Ergebnis versuchte die CDU/CSU-Fraktion jetzt im Bundestag mit einem weitreichenden Antrag zur digitalen Infrastruktur die GmbH zu retten, damit schon weiter fortgeschrittene Projekte noch umgesetzt werden können. Die Union gestand ein, dass der Start der MIG und die Gewinnung von Fachpersonal am Standort Naumburg/Saale mehr Zeit in Anspruch genommen haben, als bei ihrer Gründung 2020 ursprünglich vorgesehen war. „Mittlerweile ist sie zwar voll arbeitsfähig, hat aber bis zu ihrer Abwicklung bis Ende 2025 keine Chance mehr, zu einer signifikanten Verbesserung der Versorgung in den weißen Flecken beizutragen“, heißt es im Antrag. Dabei befänden sich laut Bundesregierung derzeit Mobilfunkmasten an 48 Standorten in der Projektrealisierung durch die jeweiligen Zuwendungsempfänger. Weiterhin sei die MIG an 1127 Standorten in ganz Deutschland im Rahmen der Standortvorbereitung aktiv. „Unfassbar teuer“, „nicht effektiv genug“. Mit deutlichen Worten wiesen die Ampelfraktionen den, wie Maximilian Funke-Kaiser (FDP) genüsslich formulierte, „Andi-Scheuer-Gedächtnisantrag“ der Union in diesem Kernpunkt zurück. Der Gesamtantrag mit seinen vielen anderen Facetten wurde an den Ausschuss für Digitales, den Wirtschaftsausschuss und den Verkehrsausschuss überwiesen Die Zeit der Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft läuft damit ab, ohne dass aber klar ist, wie das seit Jahren beklagte Funklochproblem denn nun gelöst werden soll. Das „Recht auf schnelles Internet“ besteht an diesen Stellen nur auf dem Papier. Die CDU/CSU-Fraktion wirft der Bundesregierung vor, trotz großer Ankündigungen keine zukunftsweisenden Impulse im Bereich Mobilfunk oder der digitalen Infrastruktur zu setzen – vielmehr scheitere die Ampel-Koalition bereits an der Umsetzung der bestehenden rechtlichen Möglichkeiten und zeige sich auch in der Digitalpolitik zerstritten und uneinig. Der ländliche Raum aber braucht auf dem Feld der digitalen Versorgung keine politisch ausgelösten Verzögerungen, sondern eine deutliche Beschleunigung. Das sieht in der Ampel auch die SPD so. Sie weiß, dass die Mobilfunkversorger die schwer zu erschließenden Gebiete in der Vergangenheit sehr gerne links liegen ließen. Die nächste Vergabe für die Mobilfunkfrequenzen durch die Bundesnetzagentur soll mit der Auflage verbunden sein, dass 99,5 Prozent der Fläche des Landes abzudecken sind. Gut gedacht, aber ob der Markt danach handeln wird? Und was wird in den verbleibenden 0,5 Prozent passieren? Da hilft es wenig, wenn die FDP bereits heute im Bundestag frohlockt, dass man „bis 2030 eines der modernsten Mobilfunknetze weltweit“ haben werde. Gleiches wurde auch mal von der Deutschen Bahn gesagt.
- Protestieren die Landwirte im Winter erneut?
Die Ampelkoalition lobt ihr Agrarpaket, doch die meisten Bauern sehen weder einen Bürokratieabbau noch spürbare Entlastungen. Im Bauernverband gibt es daher Befürworter erneuter Proteste Als im Januar tausende Landwirte wochenlang mit ihren Traktoren lautstark protestierten, hat das in der Öffentlichkeit und bei Politikern Eindruck hinterlassen – und Wirkung gezeigt. Vordergründig ging es den Bauern um Änderungen beim Agrar-Diesel, doch das war längst nicht der einzige Grund für ihre Unzufriedenheit. Inzwischen hat die Regierung zwar mehrere Maßnahmen zurückgenommen, aber zufrieden ist der Deutsche Bauernverband mit dem Agrarpaket nicht : Es sei „Lichtjahre von dem entfernt, was wir als Landwirte an Entlastungen brauchen“, kritisierte Verbandspräsident Joachim Rukwied im ZDF-Morgenmagazin und sprach von einem „Päckchen“. Nicht nur Rukwied fühlt sich von der Ampel-Koalition unverstanden. Das Agrarpaket sieht vor, die Weidetierhaltung auf Grünland zusätzlich zu fördern und die Pflicht zur Flächenstilllegung für drei weitere Jahre auszusetzen. Einige Melde- und Aufzeichnungspflichten werden zurückgenommen. Unlautere Handelspraktiken wie das Zurückschicken nicht verkaufter Produkte vom Handel ohne Zahlung des Kaufpreises sollen unterbunden werden. Vorgesehen ist auch, dass die Landwirte kleinerer Betriebe ihre Einkünfte aus guten und schlechten Jahren steuerlich besser verrechnen können und sich durch diese Tarifglättung wetterbedingte Schwankungen bei Gewinnen und Verlusten ausgleichen lassen. Allerdings profitieren davon nicht die großen ostdeutschen Betriebe, die als „juristische Personen“ gelten. Die Grünen sprechen vom „Zukunftspaket“ – Experten wollen Nachbesserungen Während die Grünen das Agrarpaket sogar als „Zukunftspaket“ vermarkten wollen, forderten Experten in einer Anhörung im Bundestag deutliche Nachbesserungen. Albert Stegemann, der agrarpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, nannte es „besonders dreist“, dass Landwirtschaftsminister Cem Özdemir versuche, die von der EU beschlossenen Vereinfachungen für Landwirte als eigenen Erfolg zu verkaufen, obwohl gerade die Bundesregierung die EU-Vorschläge zur Entlastung beim Ministerrat nicht mitgetragen habe. Auch Bernhard Forstner, Agrarökonom am Institut für Betriebswirtschaft des Thünen-Instituts, hält das Entlastungspaket nicht für den großen Wurf, wie er dem Portal „web.de“ sagte. Beim Bürokratieabbau sei mehr drin. Die Landwirte beklagen eine Regulierungswut, weil sie heute Daten an staatliche Stellen gleich mehrfach und zu unterschiedlichen Zeitpunkten melden müssen. Das gilt auch für die geplanten Änderungen im Düngerecht, die der Bauernverband als Bürokratiemonster ansieht. Ein entsprechendes Gesetz der Ampelkoalition, Anfang Juni im Bundestag beschlossen, scheiterte im Bundesrat am Widerstand der Länder. Agrarminister Özdemir zeigt sich selbstkritisch Die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Hessen, Dietmar Woidke (SPD) und Boris Rhein (CDU), lehnten es ebenso ab wie Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU). Geplant war, die hohe Nitratbelastung im Grundwasser zu senken; damit sollten EU-Vorgaben umgesetzt werden. „Wenn die Ampel Bürokratieabbau tatsächlich ernst nimmt, dann hätte sie dieses Gesetz so nicht verabschieden dürfen“, kritisierte der Agrarexperte der Union, Stegemann, das Scheitern des Düngegesetzes. Bemerkenswert ist, dass auch Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) vor einer anhaltenden Unzufriedenheit vieler Landwirte warnt. Und Kritik an den Vorschlägen aus den Fraktionen der Ampel-Koalition kommt. Gut möglich, dass es im Herbst oder Winter weitere Proteste des Bauernverbandes gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung geben wird. Landwirtschaftsminister Özdemir bekommt derweil auf seiner Sommertour den Unmut der Landwirte zu spüren. Sie fühlen sich von dem Grünen-Politiker im Stich gelassen. Die Berliner Politik, so muss er sich zum Beispiel im Osten Niedersachsens anhören, vernachlässige die Bauern und die Probleme auf dem Land. Immerhin zeigt sich Özdemir selbstkritisch. „Die Grünen werden traditionell stärker als Partei der Universitäts- und Großstädte wahrgenommen“, wird er in der „Frankfurter Allgemeinen“ zitiert. „Wahrscheinlich haben wir hier und da dazu beigetragen, dass das so ist.“












