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Wie lässt sich das Problem hoher Bodenpreise lösen?

  • Christian Urlage
  • 22. Juli
  • 3 Min. Lesezeit

Das Landwirtschaftsministerium in Hannover will den Kauf und die Pacht von Agrarflächen über ein neues Gesetz regeln. Kritiker befürchten mehr Bürokratie und Eingriffe in Grundrechte


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Foto: Wilfried Giesers / pixelio.de
Foto: Wilfried Giesers / pixelio.de

Boden ist auch in Niedersachsen knapp, begehrt und wird stetig teurer. Dieser Kostentreiber erschwert Landwirten die dringend notwendige Aufstockung ihrer Flächen. Bei den Kauf- und Pachtpreisen liegt Deutschlands Agrarland Nummer eins deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Kann das Niedersächsische Agrarstruktursicherungs- und Agrarstrukturverbesserungsgesetz – kurz NASVG – Abhilfe schaffen?


Das zumindest behauptet die rot-grüne Landesregierung in Hannover, die das Gesetz auf den Weg gebracht hat. „Die landwirtschaftlichen Flächen müssen jetzt und auch in Zukunft bezahlbar bleiben“, fordert das Agrarministerium. Die Ressortchefin und langjährige Grünen-Politikerin Miriam Staudte, eine Diplom-Sozialarbeiterin, sagt: „Wir wollen zukünftig verhindern, dass immer mehr Betriebe aufgeben müssen, indem wir ihnen einen ganz wichtigen Zugang sichern, nämlich den zu Land.“


Grünen-Minister Meyer: Wir wollen keine Investoren-Landwirtschaft


Bereits vor acht Jahren startete die damalige rot-grüne Koalition einen ersten Anlauf für ein Boden-Gesetz: Im Mai 2017 legte Staudtes Vorgänger Christian Meyer (Grüne) einen Entwurf vor. „Wir wollen keine Investoren-Landwirtschaft“, sagte der damalige Agrarminister. Doch drei Monate später verlor die Regierung von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Ein-Stimmen-Mehrheit. In Niedersachsen kam es zu vorgezogenen Neuwahlen und der Entwurf konnte nicht mehr im Landtag beraten werden. Ab November 2017 regierte eine rot-schwarze Koalition. Nun wechselten die Grünen in die Opposition und ihr Gesetzesvorschlag scheiterte im Parlament.


Der aktuelle Entwurf des NASVG von 2024, der Ende August vergangenen Jahres zur Verbandsbeteiligung freigegeben wurde, ähnelt stark der Regierungsvorlage von 2017. Das Agrarministerium in Hannover erklärt in einer Pressemitteilung, die Landesregierung wolle den Boden vor Spekulationen und branchenfremden Investoren schützen. Besonders Junglandwirte und Existenzgründer sind im Blick.


Bei 300 Hektar soll für die Betriebe Schluss sein


Ein zentraler Punkt des Gesetzes: Der Kauf oder die Pacht von Flächen kann unter bestimmten Bedingungen versagt oder eingeschränkt werden kann. Das gilt etwa, wenn die Betriebsgröße rund 300 Hektar übersteigt – mehr als das Vierfache der durchschnittlichen Betriebsfläche in Niedersachsen, die derzeit bei 73 Hektar liegt. Der Wert gilt unabhängig von der Bodengüte und betrifft Acker, Grünland und Forstflächen gleichermaßen.


Auch Käufe oder Pachten, die nicht mit dem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb des Erwerbers zusammenhängen, sollen verhindert werden. Das betrifft etwa Flächen, die weit entfernt vom Betrieb liegen. Untersagt werden sollen auch Fälle, in denen der Kaufpreis den Verkehrswert um 50 Prozent übersteigt oder der Pachtzins 50 Prozent über der Durchschnittspacht vergleichbarer Flächen liegt.


Ausnahmefälle sind vorgesehen: „Die Grundstückverkehrsausschüsse haben Spielraum zur angemessenen Behandlung der Einzelfälle“, betont das Landwirtschaftsministerium. Sogenannte Share Deals, also Anteilskäufe an juristischen Gesellschaften, sollen künftig genehmigungspflichtig sein. Agrarministerin Staudte verspricht zudem eine Entbürokratisierung und Vereinfachung: Drei Bundesgesetze – das Grundstückverkehrsgesetz, das Landpachtverkehrsgesetz und das Reichssiedlungsgesetz – sollen durch das NASVG ersetzt werden.


Ideologisch geprägtes Bürokratiemonster“


Die Opposition in Niedersachsen sieht das anders: Als „ideologisch geprägtes Bürokratiemonster“ bewertet Marco Mohrmann, agrarpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag in Hannover, den Entwurf. Von „Bürokratiemonster“ spricht auch das Niedersächsische Landvolk, das im Anhörungsverfahren eine 16-seitige Stellungnahme an die Landesregierung schickte.


Schon 2017 war das Gesetz umstritten. Der Verband Familienbetriebe Land und Forst ließ seinerzeit ein Rechtsgutachten erstellen. Der Kölner Jurist Otto Depenheuer kam zu dem Schluss, der Entwurf verstoße gegen mehrere Grundrechte wie die Eigentumsgarantie und die Berufsfreiheit. Der Verband Familienbetriebe Land und Forst schätzt, dass mehr als 1000 landwirtschaftliche Betriebe in Niedersachsen von der 300-Hektar-Flächengrenze betroffen wären. In ostdeutschen Bundesländern ist diese Größe nicht nur üblich, sondern wird oft überschritten.


Auch Agrarökonomen, etwa vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO), äußern Bedenken. In einer Stellungnahme vom November 2024 verweisen sie darauf, dass bereits jetzt 15 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Niedersachsen von größeren Betrieben bewirtschaftet wird. Sie kritisieren, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Begrenzung nicht untersucht worden sind. Die Wissenschaftler bemängeln auch handwerkliche Schwächen im Entwurf: „Viele unbestimmte Rechtsbegriffe und nicht klar strukturierte Verfahren behindern die dringend erforderliche digitale Umsetzung des behördlichen Verfahrens.“ Zwar begrüßen sie die vielen Ausnahmeregelungen, befürchten aber zugleich mehr Bürokratie bei der Genehmigung.


Das Gesetzgebungsverfahren geht es erst nach der Sommerpause des Parlaments weiter. Spannend bleibt, wie die sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten den von den Grünen propagierten Entwurf des NSVAG bewerten. Hoffentlich lassen sie sich von den Kritikern überzeugen, dass die geplanten Regelungen nicht hilfreich sind.

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