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Möwenangriffe und Lärm weiter als Plage an der Küste

  • natur+mensch
  • 30. Juli
  • 3 Min. Lesezeit

Kilometerlanger Sandstrand, rauschende Wellen und … kreischende Möwen auf Beutezug. Die Möwenplage auf Sylt hat ein Ausmaß angenommen, das selbst altgediente Inselbewohner mit dem Kopf schütteln lässt 


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Möwen
Foto: JACLOU-DL

Mit großer Flügelspannweite und Spitzschnabel stürzen sich die „fliegenden Diebe“ gnadenlos auf alles, was nach Pommes, Eis oder vor allem Fischbrötchen aussieht. Im Sturzflug entreißen sie Urlaubern und Einheimischen ihre Snacks teils direkt aus der Hand, gerne aber auch mal vom Balkon einer Ferienwohnung, wie eine entsetzte Mieterin in Westerland berichten konnte – trotz Plastikschale und aller menschlichen Vorsicht. Das Thema hatten wir schon vor einem Jahr im Blog. Es weitet sich aus.


So viele wie noch nie“, sagt ein Händler auf der Insel der Sylter Rundschau. Zehntausende Möwen werden diesen Sommer von der Innenstadt angelockt, wo sie von den wimmelnden Menschen und vor allem dem überquellenden Müllangebot profitieren. Denn Möwen sind pfiffig und lernfähig – sie haben schnell verstanden, dass der Mensch sich mit einem Snack auf der Promenade oder einem offenen Abfalleimer quasi selbst zur Zielscheibe macht.


Was in den Städten das Problem mit Tauben ist, ist auf Sylt eben das Möwenproblem. Und die Insel ist damit nicht allein. Auch von Norderney und anderen Inseln, den Seebädern an der Ostsee von Glücksburg bis Warnemünde wird Ähnliches berichtet.


Füttern verboten – das steht auf Sylt mittlerweile an der Promenade und Verstöße können mit einem Bußgeld von bis zu 1.000 Euro geahndet werden. Denn direktes Anfüttern ist der Hauptgrund für die Dreistigkeit der Vögel – und auch Essensreste in offenen Müllbehältern bieten ein Festmahl für den neugierigen Schnabel.


Nun auch der Nervenkrieg auf den Flachdächern


Auf Flachdächern, insbesondere in Westerland, finden Sturm- und auch Silbermöwen offensichtlich ideale Nistplätze. Mit ihrer Brut verteidigen die Vögel ihr „Revier“ mit ordentlicher Lautstärke und gelegentlicher Angriffslust – sehr zum Leidwesen der Nachbarn. Netze oder gespannte Drähte sollten den Nestbau erschweren, doch die Möwen sind einfallsreich.

Hightech-Methoden wie Habicht-Attrappen, Lautsprecher mit Greifvogelrufen oder sogar Schalldrucksysteme wurden schon getestet – mit oft zweifelhaftem Erfolg. Immerhin: Möwen gehören zur Küste wie Sand und Wind. „Wir plädieren für mehr Toleranz“, rufen Naturschützer aus – nicht alles müsse man regeln, manchmal helfe Gelassenheit. Bewohner und Gäste sehen das wohl inzwischen grundlegend anders. „Möwen gehören zur Küste wie das Meeresrauschen oder der Sand am Strand! Wer sich über die Lautäußerungen der Tiere beschwert, dem wird wohl auch in den Tropen das Rauschen der Palmen zu viel. Mehr Toleranz ist angebracht“, tröstet der Nabu Schleswig-Holstein. Bewohner und Gäste sehen das wohl inzwischen grundlegend anders.


Rechtlicher Rundflug – Möwen unter Schutz


Nun denkt sich mancher: „Dann schießt sie doch einfach ab!“ Doch so einfach ist es nicht. Die Europäische Vogelschutzrichtlinie schützt alle wildlebenden Vogelarten – Möwen eingeschlossen. Auch das Bundesjagdgesetz zählt bestimmte Möwenarten (wie Silber- und Heringsmöwe) zwar zu den jagdbaren Arten, doch nur unter strengen Auflagen und außerhalb der Brutzeit.


Abschuss ist nur eingeschränkt erlaubt. Dabei sind diese Vögel für den menschlichen Gaumen ohnehin uninteressant: Möwenfleisch gilt als ausgesprochen „wild“ im Geschmack – kaum jemand betreibt folglich Jagd wegen des Wildbrets. In Siedlungsbereichen wie Westerland ist die Jagd zudem praktisch unmöglich. Das Einzige, was Insel- und Küstenbewohner gelegentlich tun: Möweneier aus Nestern entfernen. Die gelten durchaus als Delikatesse, werden aber auch streng reglementiert eingesammelt. Und das wirkt gegen die Vermehrung der für viele lästigen Vögel – allerdings nur in Grenzen.


Ob nervenzerreißende Flugangriffe auf Fischbrötchen oder das nächtliche Möwengeschrei am Dachfenster – Sylt bleibt Schauplatz dieses tierisch-menschlichen Dramas. Die echte Lösung? Wenig zufriedenstellend, aber aktuell alternativlos: keine schnellen Snacks unbeaufsichtigt offen herumliegen lassen. Das wird im Urlaubsalltag und überhaupt zu wenig befolgt. Weggeworfene Essensreste gelten übrigens in anderen Fällen als mögliche Ursache für ansteckende Tierkrankheiten wie die ASP bei Wildschweinen.


Weniger Müll liegenlassen, nichts in offene Abfallbehälter oder überhaupt nichts achtlos wegwerfen. Und: konsequent nicht füttern. Dann bleibt vielleicht nicht nur der Möwenwahnsinn etwas beherrschbarer.


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