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Christian Urlage

Mehr Naturschutz oder mehr Bürokratie?

Gegen den Widerstand von Bauern und EVP hat das EU-Parlament das umstrittene EU-Renaturierungsgesetz beschlossen. Doch immerhin enthält das Gesetz eine Notbremse


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Moorlandschaft
Foto: Skitterphoto

Klingt erstmal gut, was das EU-Parlament kürzlich beschlossen hat: die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme in allen Mitgliedstaaten. Es geht um das Renaturierungsgesetz der Europäischen Union, auch Naturwiederherstellungsgesetz genannt – es ist das erste europaweite Gesetz zu diesem Thema. In der Abstimmung Ende Februar sprachen sich 329 Abgeordnete dafür aus, 275 waren dagegen; 24 Europapolitiker enthielten sich. 

 

„Es trägt zur Verwirklichung der Klima- und Artenschutzziele der EU bei und sorgt für mehr Ernährungssicherheit“, heißt es lobend auf der Homepage des Europäischen Parlaments. Das Ziel ist der Erhalt alter Wälder, betroffen sind Grünland und Feuchtgebiete, frei fließende Flüsse, wiedervernässte Moorgebiete, Seen und Korallenriffe. Bis 2030 müssen die Mitgliedstaaten mindestens 30 Prozent dieser Lebensräume vom bisher schlechten in einen guten Zustand versetzen; bis 2040 sollen es 60 Prozent sein und bis 2050 sogar 90 Prozent. So sollen die Auswirkungen des Klimawandels in Grenzen gehalten werden.

 

„Eine Katastrophe für Landwirte, Waldbesitzer und Fischer“

 

Doch was so schön klingt, stößt nicht überall auf Begeisterung, sondern auch auf Widerstand bei den Bauern und bei der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP), der größten Fraktion im EU-Parlament. „Eine Katastrophe für Landwirte, Waldbesitzer, Fischer und lokale Behörden“, nennt der stellvertretende Fraktionschef Siegfried Mureșan aus Rumänien den ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission. Nachdem dieser Vorschlag im vergangenen Jahr in den Ausschüssen durchgefallen ist, wurde er entkernt. Daher spricht der Klimapolitiker Peter Liese (CDU) nun davon, dass praktisch alle Sorgen von Landwirten, Forstbesitzern und Kommunen im ländlichen Raum und der Vertreter erneuerbarer Energien ausgeräumt seien.

 

Doch das sehen die meisten Abgeordneten der EVP nicht so: Sie befürchten, viele Mitgliedstaaten könnten aufgrund des Gesetzes Bürokratie und weitreichende Überwachungs- und Berichtspflichten für Land- und Forstwirte einführen – und dies mit Berufung auf die EU, sodass Brüssel wieder einmal als Sündenbock dastehen werde.

 

Verschärfungen in Deutschland?

 

Entscheidend wird nun sein, wie die nationalen Regierungen das Renaturierungsgesetz in ihrem Land umsetzen. Da ist es in Deutschland gut möglich, dass Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen für eine Verschärfung zulasten der Landwirte sorgt, etwa durch eine Pflicht zur Wiedervernässung von Mooren. Bauern befürchten, dass dann in riesigem Umfang Agrarflächen verloren gehen und Existenzen bedroht sein könnten.

 

Immerhin eine Notbremse ist im Renaturierungsgesetz vorgesehen: Wenn die Ernährungssicherheit nicht mehr garantiert werden kann, können die Ziele für landwirtschaftliche Flächen ausgesetzt werden. Der BUND argwöhnt, das schaffe eine Hintertür, „durch die einzelne Mitgliedstaaten sich hinausschleichen könnten, um weiter Raubbau am Boden zu betreiben“. Doch dieser einseitigen Sicht auf den Umgang mit landwirtschaftlich genutzten Flächen werden die betroffenen Bauern vermutlich vehement widersprechen.

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