Frauen im Olymp der Jagd
- Christoph Boll
- 1. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Artemis und Diana. Die Jagd ist weiblich - zumindest wenn es um die antiken Götter geht. In den jagdlichen Institutionen aber dominieren Männer.

Dass die jagdlichen Gottheiten Frauen sind, gilt über das alte Griechenland und das Römische Reich hinaus. Ala herrscht über das Waidwesen der Bronzezeit und verschmilzt in der Eisenzeit mit Kubaba. In der Mythologie der Azteken und Tolteken gibt Mixcoatl jagdlich den Ton an, im alten Thrakien ist es Bendis, Mielikki in der finnischen Mythologie und die Ainu, die Ureinwohner des nördlichen Japans und Teilen Russlands, verehren Hasinaw-uk-kamuy. Bei den Helvetiern und Treverern war es die gallische Jagd- und Bärengöttin Artio.
In weiten Kulturkreisen ist – oder besser war – die Jagd weiblich. Kultbilder zeigen die junge Jägerin Diana mit kurzem Untergewand, Jagdstiefeln, Köcher und Pfeilen sowie Bogen und einem jungen Hirsch. Und bei uns heute nur alte weiße Männer in der ersten Reihe der grünen Zunft. Zumindest fast und wenn es um die organisierte Jägerschaft geht.
Dabei hatte die Jagd auch jenseits von Religion und Mythologie auch in unseren Breiten immer eine weibliche Seite. Lange Zeit eine starke. Bereits im 8. Jahrhundert ritt die Ehefrau des Frankenkönigs Karl der Große mit ihm und ihren sechs Töchtern zur Jagd. Die französische Königin Anne de Beaujeu (1460-1522), Catharina von Medici (1519-1589), Anne Boleyn (1501-1536) und ihre Tochter Elisabeth I. (1533-1603) waren begeisterte Jägerinnen. Und das angesehene Magazin National Geographic hat 2023 anhand mehrerer Studien und archäologischen Funde die Geschlechter-Mär abgeräumt, Männer seien quasi genetisch bedingt Jäger, Frauen hingegen Sammler.
Doch nach dem Ende der höfischen Jagden war es für Frauen fast unmöglich, auf die Jagd zu gehen. Das gilt auch für die Zeiten des Absolutismus, des Biedermeiers und der beiden Weltkriege. Da waren die russische Zarin Katharina die Große und Österreichs Kaiserin Sissi schon einige der wenigen Gegenbeispiele. Generell aber gilt: Mal konnte Frau nicht, mal durfte sie nicht.
Die Zeit aber wandelt sich und mit ihr die gesellschaftlichen Konventionen. Spätestens mit der in den 1960er Jahren beginnenden Emanzipation greifen Frauen vermehrt zu Büchse und Flinte. Die Pop-Sängerin Madonna, das Model Claudia Schiffer, Gloria von Thurn und Taxis und Caroline von Hannover tun es ebenso wie Unternehmerin Christiane Underberg und Dressurreiterin Nicole Uphoff.
Als Berufsjägerin oder Försterin hat die eine oder andere die Passion auch zum Beruf gemacht. Doch tonangebend auf Ebene der Landesjagdverbände (LJV) oder gar des Deutschen Jagdverbandes (DJV) sind Frauen höchst selten. Eher erhalten sie eine dekorative Funktion, wie etwa in Rheinland-Pfalz und Bayern, wo alle zwei Jahre eine Jagdkönigin gewählt wird. Und das, obwohl fast ein Viertel der Jagdschulabsolventen weiblich ist.
Deutlicher als auf der Verbandsebene hinterlässt der Vormarsch der Frauen in der Jagd seine Spuren auch bei Ausrüstungs- und Bekleidungsherstellern, die mit eigens auf die wachsende neue Kundschaft zugeschnittene Produkte reagiert.
Kaum Frauen an der Spitze
National Geographic vermittelt die Erkenntnis, „wie weit verbreitet jagende Frauen heute noch sind – und schon immer waren“. In Zeiten der sozialen Medien vernetzen sie sich zunehmend. Und machen sich vielleicht auf den Weg durch die jagdlichen Institutionen und Hierachien. Bis sie ganz nach oben vordringen, ist es aber ein langer Weg. Eine Ausnahme, die es bis dorthin geschafft hat, ist Nicole Heitzig. Die Juristin führt seit gut vier Jahren als Präsidentin den LJV Nordrhein-Westfalen und hat damit gleichermaßen Sitz und Summe im DJV-Präsidium.
Zwar gibt es in Hegeringen und Kreisjägerschaften etliche Frauen in Führungsverantwortung. Warum sie aber die einzige ist, die es bis an die Spitze geschafft hat, dafür hat auch Heitzig keine Erklärung. Vielleicht gebe es noch immer unterschiedliche Rollenbilder der Geschlechter, in denen Frauen noch immer mehr als Männer für die Familie zuständig seien. Oder viele Frauen, die oft über die Hundearbeit oder den Einsatz für Lernort Natur zur Jagd kommen, sagten sich, dass sie daneben nicht noch mehr Zeit und Aufwand für die Jagd investieren können.
Immerhin aber gibt es seit wenigen Wochen eine zweite Frau im Präsidium eines LJV. In Sachsen-Anhalt haben Dreiviertel der anwesenden Delegierten Anja Naumann zur Vizepräsidentin gewählt. Die Rechtsanwältin aus Magdeburg ist seit mehr als zwanzig Jahren passionierte Jägerin, Hundeführerin und übt die Jagd zusammen mit ihrer Familie aus. Als Mediatorin mit der Führung von Veränderungsprozessen und Netzwerkarbeit betraut möchte die frühere Staatssekretärin den Landesjagdverband aktiv mitgestalten. Sie will damit nach eigenen Angaben „auch Vorbild sein und anregen, dass sich passionierte Jägerinnen aktiv in die jagdliche Verbandsarbeit einbringen“.
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