Wildschutz statt Technikoffensive
- Quelle: Forum Lebendige Jagdkultur e.V.
- vor 20 Stunden
- 3 Min. Lesezeit
Die Verwendung von Nachtzieltechnik bei der Jagd bleibt ein umstrittenes Thema. Hessen hat über den Bundesrat eine Initiative zum Waffengesetz initiiert, um den Einsatz von Nachtzielgeräten rechtlich zu erlauben.

Inhaber eines Jagdscheins dürfen nach bestehendem Recht Nachtsichtvorsätze und -aufsätze für jagdliche Zwecke verwenden. Nach dem Antrag des Landes Hessen soll nun durch eine Änderung des Waffengesetzes eine erweiterte Nutzung der Nachtzieltechnik möglich werden. In diesem Blog sind wir bereits auf das Für und Wider eingegangen.
Anlässlich eines Gesetzesvorhabens des Landes Hessen zur bundesweiten Legalisierung von Nachtzieloptiken sind Wildmeister Dieter Bertram und Volker Seifert (Forum Lebendige Jagdkultur e.V.) gegenüber dem Innenausschuss des Bundestages, diese initiativ geworden Sie haben folgende Stellungnahme zum Gesetzesantrag des Landes Hessen „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes – Aufnahme von Nachtzieltechnik“ (BR-Drs. 203/25) dem Innenausschuss des Bundestags übermittelt:
„Als langjährig erfahrene Jäger mit tiefem Verständnis für Wildtierschutz und jagdethische Verantwortung nehmen wir mit großer Sorge den Gesetzesantrag des Landes Hessen zur Kenntnis. Die vorgesehene Ausweitung der Nachtzieltechnik birgt erhebliche Risiken – ökologisch, jagdlich und gesellschaftlich. Wir schließen uns inhaltlich uneingeschränkt den Stellungnahmen des Forum Lebendige Jagdkultur e.V. und des Steinfelder Kreises an und ergänzen nachfolgend unsere zentralen Einwände:
1. Wildschutz statt Technikoffensive
Stress statt Schonung: Viele heimische Wildarten – vor allem Reh- und Rotwild – sind dämmerungs- und nachtaktiv. Eine flächendeckende nächtliche Bejagung mit Hightech-Geräten führt zu chronischem Stress, Verhaltensstörungen und steigert das Risiko für Wildschäden und Krankheitsanfälligkeit.
Störung des ökologischen Gleichgewichts: Nächtliche Jagd stört nicht nur jagdbare, sondern auch geschützte Arten wie Eulen, Fledermäuse oder Kleinsäuger – mit unkalkulierbaren Folgen für ganze Lebensgemeinschaften.
Erhalt der Wildruhe durch bestehende Praxis: Die Jagd auf Schwarzwild unter natürlichen Bedingungen (z. B. klare Vollmondnächte) bleibt ohnehin auf wenige Nächte begrenzt – eine Praxis, die bewusste Beunruhigung vermeidet.
Türöffner für Missbrauch: Eine pauschale Zulassung lädt zur Zweckentfremdung ein. Die Versuchung, Nachtzieltechnik auch rechtswidrig bei anderen Wildarten einzusetzen, ist real.
2. Jagdethik ist nicht verhandelbar
Waidgerechtigkeit in Gefahr: Jagd bedeutet Verantwortung. Technische Überlegenheit ersetzt nicht die ethische Pflicht zum präzisen, schnellen Töten. Nachtzieltechnik erhöht die Gefahr von Fehlschüssen – mit Leid für das Wild.
Unsicherheit beim Ansprechen: Auch modernste Geräte ersetzen nicht das sichere Erkennen von Art, Alter, Geschlecht oder Gesundheitszustand – elementare Voraussetzungen für verantwortliches Jagen.
3. Sicherheitsrisiko für Mensch und Tier
Waffen bei Nacht – ein unkalkulierbares Risiko: In siedlungsnahen Gebieten oder entlang von Wegen steigt die Gefahr durch Fehlidentifikation, Querschläger oder Abpraller drastisch.
Zugang für Unbefugte: Die breite Verfügbarkeit hocheffizienter Nachtzieltechnik erhöht die Gefahr missbräuchlicher Nutzung – von Wilderei bis zu nicht jagdlichen, womöglich sicherheitsrelevanten Anwendungen.
4. Kontrollverlust und fehlende Wirkung
Kontrolllücke bei Dunkelheit: Ort, Anlass und Ablauf eines nächtlichen Schusses sind praktisch nicht überprüfbar. Dies öffnet Missbrauch Tür und Tor.
Die Jagd droht zur Nachtpirsch zu verkommen.
Flickenteppich statt Rechtssicherheit: Uneinheitliche Regelungen auf Länderebene schaffen Unsicherheit, Konflikte und Kontrollverlust.
Unbelegter Nutzen: Trotz technischer Aufrüstung blieb der gewünschte Rückgang der Schwarzwildbestände bislang aus.
Falsche Prioritäten: Statt Technikspielereien zu fördern, sollte der Gesetzgeber fragwürdige jagdliche Praktiken wie die exzessive Kirrung ins Visier nehmen.
Exkurs: Kirrungen – Vom Mittel zur Maßlosigkeit
Die ursprünglich sinnvolle Kirrung ist vielerorts aus dem Ruder gelaufen:
Massenfütterung statt Lockwirkung: Überdimensionierter Futtereintrag – vor allem Mais – untergräbt die beabsichtigte Steuerungswirkung.
Populationsförderung statt -reduktion: Überversorgung steigert Reproduktion und Überlebensrate – ein Bumerang für die Bestandskontrolle.
Verhaltensverschiebungen: Kontinuierliche Fütterung verändert Aktionsräume, erhöht Siedlungsnähe und befeuert Nutzungskonflikte.
Konkurrenz statt Kooperation: Übermäßige Kirrung spaltet Jagdpächter und verhindert abgestimmtes Wildtiermanagement.
Fehlende Kontrolle: Viele Kirrplätze entziehen sich wirksamer Überwachung – gesetzliche Vorgaben werden oft ignoriert.
Forderung: Eine konsequente Regulierung der Kirrung – in Menge, Dauer und Art – ist überfällig. Verstöße müssen sanktioniert, bestehende Schlupflöcher geschlossen werden.
5. Jagdpolitischer und gesellschaftlicher Flurschaden
Technik zerstört Vertrauen: Die gesellschaftliche Akzeptanz der Jagd lebt von einem Bild des verantwortungsvollen, naturnahen Jägers. Der Einsatz von Hochleistungstechnik bei Nacht untergräbt dieses Bild massiv.
Kultureller Substanzverlust: Die Jagd ist mehr als Wildbewirtschaftung – sie ist gelebte Tradition und kulturelle Identität. Eine technikdominierte Nachtjagd droht diesen Wert zu zerstören.
Fazit und Appell
Wir fordern Sie mit Nachdruck auf, den Gesetzesantrag BR-Drs. 203/25 abzulehnen. Die pauschale Zulassung von Nachtzieltechnik ist ökologisch bedenklich, jagdlich nicht erforderlich und gesellschaftlich nicht vermittelbar.
Stattdessen gehört die bestehende begrenzte Erlaubnis – insbesondere von Vorsatz- und Aufsatzgeräten ohne Absehen und IR-Strahler – aus tierschutzrechtlichen Gründen auf den Prüfstand.
Technik darf niemals das Augenmaß und die Verantwortung ersetzen, die das Fundament einer waidgerechten, zukunftsfähigen Jagdkultur bilden.
Comments