Koalition muss schnell Antworten geben
- Jürgen Wermser
- 23. Mai
- 5 Min. Lesezeit
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik

Liebe Leserinnen und Leser,
in unserem Wochenkommentar befassen wir uns mit der Rückkehr des politischen Alltags in Berlin, den anhaltenden Auseinandersetzungen um ein neues Landesjagdgesetz in Rheinland-Pfalz sowie der Lage der deutschen Imker, insbesondere der Berufsimker, anlässlich des von der UNO ausgerufenen Weltbienentags. Ferner geht es um zwei Themen, die gerade für die Jäger unter uns wichtig sind: die Förderung von Artenvielfalt auch in Gegenden mit intensiver Landwirtschaft sowie die Diskussion über den jagdlichen Einsatz von Nachtsichtgeräten.
In der Bundespolitik kehrt nach den Aufregungen des Wahlkampfs und der Regierungsbildung allmählich der politische Alltag ein. Die Ministerinnen und Minister arbeiten sich ebenso wie der Kanzler in ihre jeweiligen neuen Aufgabenbereiche ein. Die Opposition sucht nach passenden Angriffsflächen gegen die Regierungspolitik. Für die Bürger heißt diese Konstellation am Anfang einer Legislaturperiode: abwarten und den Verantwortlichen in Berlin einen begrenzten Vertrauensvorschuss gewähren, damit am Ende tatsächlich vernünftige Entscheidungen und nicht nur mediale Schnellschüsse herauskommen.
Doch so wichtig und notwendig eine solche Zeit des sachlichen Einarbeitens auch ist: Viele Probleme sind derart drängend, dass zumindest vorläufige Antworten der Regierenden unabweisbar sind. Das betrifft neben der Migration, der inneren und äußeren Sicherheit vor allem die Stärkung der Wirtschaft. In dieser Woche hat der zuständige Sachverständigenrat, die sogenannten „Wirtschaftsweisen“, die trüben Aussichten für Deutschland bestätigt. Es droht wieder ein Jahr der Stagnation. Die von Friedrich Merz und seiner Koalition versprochene Aufbruchsstimmung lässt in den Betrieben noch auf sich warten. Kein Wunder, denn die Rahmenbedingungen sind alles andere als einfach: Unsicherheit wegen des Ukrainekrieges und vor allem die unberechenbare Zollpolitik des neuen amerikanischen Präsidenten. Hinzu kommen verkrustete Strukturen in der hiesigen Bürokratie, zu lange Genehmigungsverfahren und andere vom Staat selbst verursachte Hemmnisse. Nicht zuletzt im ländlichen Raum, wo viele Menschen gerne „einfach mal anpacken“ wollen, gelten solche Bedingungen als Gräuel. Statt diesen leistungsbereiten Bürgern weiter Hemmnisse in den Weg zu legen, sollte die neue Regierung zügig umsteuern und – wie versprochen – auf mehr Eigeninitiative und Eigenverantwortung setzen.
Kritik und Ärger unter Naturnutzern
Nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Länderebene finden sich reichlich Regelungen, mit denen die Menschen gerade im ländlichen Raum hadern. So sorgt etwa der Entwurf des neuen Landesjagdgesetzes in Rheinland-Pfalz weiterhin für Kritik und Ärger unter Naturnutzern, speziell Jägern. Die von Ministerin Eder geplanten Änderungen führen dazu, dass die ökonomische Nutzung des Waldes auf Kosten der ökologischen Rolle von Wildtieren in den Vordergrund gerückt wird. Der im Entwurf vorgesehene verstärkte Abschuss von wiederkäuendem Schalenwild wie Reh- und Rotwild sei weder tierschutzgerecht noch ökologisch zielführend, heißt es dazu jüngst in einem offenen Brief des zweiten Vorsitzenden von WaldMitWild Deutschland e.V., Volker Wengenroth, an Ministerin Eder. Die Nahrungskette werde durch eine übermäßig erhöhte Jagd auf diese Wildtiere zerstört, was zu erheblichen Schäden im Ökosystem führe: „Reh- und Rotwild erfüllen eine wichtige Funktion in unseren Wäldern und gehören als Teil der natürlichen Artenvielfalt untrennbar zu unseren heimischen Landschaften.“
Wengenroth verweist in diesem Zusammenhang auch auf Artikel 20a des Grundgesetzes, der den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen sowie der Tiere als Staatsziel ausdrücklich definiert. Dies umfasse auch lebende Tiere und deren Habitate, die durch ein unausgewogenes Wildtiermanagement massiv gefährdet würden. Einher geht diese Kritik am Entwurf des neuen Landesjagdgesetzes mit einem konkreten und aus meiner Sicht vernünftigen Vorschlag an Ministerin Eder: „Insbesondere in den Staatswäldern sollte nicht ausschließlich auf Nutzholzaufforstung gesetzt werden. Wir fordern, diese Flächen naturnah und wildgerecht zu gestalten – etwa durch die Wiederaufforstung mit standortangepassten Wildobstbäumen. Diese bieten nicht nur ökologische Vielfalt, sondern stellen auch eine wertvolle Nahrungsquelle für Wildtiere dar – von Reh- und Rotwild über Hasen bis zu Vögeln und Insekten.“
Apropos Insekten. Deren Bestäubungsleistungen für die Natur und für landwirtschaftliche Flächen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Daran erinnerte in dieser Woche der von den Vereinten Nationen ausgerufene Weltbienentag. Er wird traditionell am 20. Mai gefeiert und betont die immense Bedeutung der Bienen für Ökosysteme und Ernährungssicherheit. Imker sorgen hierzulande nicht nur für die Produktion von heimischem Honig, sondern mit ihren Bienen auch für die zuverlässige Bestäubung von vielen Obst- und Gemüsesorten in der Landwirtschaft. Dabei ist der Honigmarkt gerade massiv bedroht. Große Mengen an verfälschtem Honig werden hauptsächlich über Importe oft zu Dumpingpreisen auf dem Markt angeboten. Nicht zuletzt für professionelle Imker kann dies zu einem existenziellen Problem werden – mit weitreichenden Folgen. Denn Berufs- und Erwerbsimker machen nach Verbandsangaben zwar nur rund vier Prozent aller deutschen Imker aus, sie produzieren dabei aber 60 Prozent des gesamten heimischen Honigertrags. Werden sie von Markt gedrängt, dann gehen sehr große Mengen an Bienenvölkern und damit Bestäubungsleistung für die Bauern verloren.
Mit Insekten viel Geld sparen?
Doch es gibt auch Insekten, die eine andere, ganz unmittelbare ökonomische Bedeutung im Agrarbereich bekommen können. Darauf weist unser Autor Christian Urlage in seinem geplanten Beitrag „Insekten als Tierfutter?“ hin, den Sie in der kommenden Woche in unserem Blog lesen können. Konkret geht es um die Schwarze Soldatenfliege. Da Eiweißfuttermittel teurer werden, rücken die hochwertigen Insektenproteine laut Urlage zunehmend in den Fokus der Wissenschaft und der Tierhalter, zum Beispiel zur Fütterung von Schweinen. Das Interesse scheint sehr groß zu sein. So musste ein Unternehmen, das auf die Schwarze Soldatenfliege setzt, sogar schon ein kleines Besucherzentrum einrichten, um im vergangenen Jahr mehr als 900 Gäste aus 26 Nationen zu betreuen, die sich über das Start-Up im Landkreis Cloppenburg informieren wollten.

Doch zurück zum Thema Jagd. Erfreulich für Jäger, aber nicht nur für sie, sind erste Zwischenergebnisse eines länderübergreifenden Projekts namens Wilde Feldflur aus dem Erfurter Becken, über das der Deutsche Jagdverband jetzt berichtet hat. Hier bestätigt sich, dass die Artenvielfalt auch in Gegenden mit intensiver Landwirtschaft gefördert werden kann. Möglich machen dies lebensraumverbessernde Maßnahmen für Leitarten wie Feldhase, Feldhamster und Rebhuhn sowie gleichzeitig die Bejagung von räuberischen Arten, insbesondere Fuchs und Waschbär. In dem betreffenden Projektgebiet hat sich die Zahl der Feldhasen innerhalb von drei Jahren verdoppelt, der Bestand an Rebhühnern ist in dieser Zeit um die Hälfte angestiegen. Eine zentrale Forderung an die Politik, die sich schon jetzt aus dem Projekt ableiten lässt, ist das generelle Bekenntnis zur Jagd auf alle Beutegreifer, inklusive Fangjagd. Auch sollten die Ausgleichszahlungen für freiwillige Naturschutzmaßnahmen für Landwirte mindestens kostendeckend sein.
Zum Schluss möchte ich Sie, liebe Leserin und lieber Leser, noch auf ein anderes, für Jäger wichtiges Thema hinweisen: die Verwendung von Nachtsichtgeräten. Sie gehören längst zum jagdlichen Alltag. Der Einsatz der modernen Technik bleibt jedoch umstritten. Die Bewertung als Mittel zur Reduzierung von Wildschäden und die Befürchtung des Verfalls jagdlicher Sitten stehen sich unversöhnlich gegenüber. Was dem einen als neutrales Werkzeug gilt, ist den anderen – zumeist Traditionalisten – „Teufelszeug“. Unser Autor Christoph Boll beleuchtet das Thema in der kommenden Woche in einem Blog-Beitrag. Er zeigt dabei auf, dass es neben den Extrempositionen auch eine sachlich-kritische Auseinandersetzung mit jagdlicher Infrarot- und Wärmebildtechnik aus dem Lager der Schweißhundeführer gibt. Letztlich geht es also nicht um Fluch oder Segen, sondern um einen verantwortungsvollen Umgang mit moderner Technik und die Erkenntnis der eigenen Schießfertigkeit.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und eine gute, für Sie positive Woche.
Mit den besten Grüßen
Ihr Jürgen Wermser
Redaktionsleitung/Koordination
Tritt Deutschland dem CIC wieder bei?
2022 beendet nach 35 Jahren das Bundesministerium BMEL unter C. Özdemir von den GRÜNEN, die Mitgliedschaft von Deutschland im Internationalen Rat zur Erhalt des Wildes und der Jagd ( CIC ). Eine Abstimmung mit der SPD und FDP erfolgte seine Zeit nicht und somit war es ein Alleingang von Özdemir. Nun haben wir ja einen neuen Bundesminister BMEL von der CSU, an den man einmal die oben aufgeführte Fragen richten sollte.