Grundmauern des Jagdrechts werden erschüttert
- Christoph Boll
- 4. Juni
- 3 Min. Lesezeit
In Rheinland-Pfalz spitzt sich die Diskussion um ein neues Landesjagdgesetz zu. Sie ist symptomatisch für den Konflikt zwischen ideologiegetriebener Politik und wissensbasierter Revierpraxis

Bundesweit finden gegenwärtig die Landesjägertage statt. Während die meisten Bundesländer sich jagdpolitisch derzeit in ruhigem Fahrwasser befinden, brodelt es in Rheinland-Pfalz gewaltig. Wie oft, wenn die Grünen an einer Landesregierung beteiligt sind, soll ans Landesjagdgesetz Hand angelegt werden. Und zwar nicht ein wenig, sondern grundlegend. Inzwischen hat der Landesjagdverband (LJV) unter dem Motto „Jetzt geht´s um alles“ zur Demonstration am 25. Juni in der Landeshauptstadt Mainz aufgerufen. Dezentral gibt es vorab und laufend eine Reihe von Protestveranstaltungen in den Regionen auf Kreisebene.
Der Streit um die von der grünen Umweltministerin Katrin Eder inszenierte Novellierung dauert schon fast zwei Jahre. Begründet wurde die Änderung mit der Notwendigkeit, die Jagd stärker auf die in Folge des Klimawandels nötige Walderneuerung auszurichten. Mit Beginn des neuen Jagdjahres sollte sie zum 1. April 2025 in Kraft treten. Inzwischen ist das Datum um zwei Jahre verschoben.
Denn bereits kurz nach Bekanntwerden der Pläne machten im Oktober 2023 rund 600 Jäger ihrem Unmut Luft. Der LJV lehnt den Gesetzentwurf ab und forderte, er müsse „in die Tonne“. Der Verband hielt der Ministerin eine Fülle von handwerklichen Fehlern mit unabsehbaren Folgen für das Wild, das Jagdwesen und die Grundstückseigentümer vor. Er stützte sich dabei auf Juristen und Fachleute.
„Zündeln am Reviersystem“
Besonders empörte die Jäger die Absicht, den Grundeigentümern im neuen Gesetz das Recht einzuräumen, im von ihnen verpachteten Revier mit jagen zu können, um die Bäume zu schützen. Ein solcher Schritt, hinter dem die Hoffnung auf höhere Abschusszahlen steckt, würde die Grundmauern des bisherigen Jagdrechts erschüttern. Der renommierte Staatsrechtler Prof. Dr. Johannes Dietlein spricht von einem „Zündeln am Reviersystem“. Wer auf mehr Strecke durch kleinteilige Jagdausübung setze, könne nicht mehr die „Rest“-Flächen zum Genossenschaftsprinzip verpflichten. Es käme zu einem Flickenteppich sowie letztlich zum Ende der bewährten jagdrechtlichen Ordnung und einer wildbiologisch angepassten Jagd, so der Wissenschaftler.
Eder zeigte sich ob der Schelte zwar gesprächsbereit, betonte aber auch, dass sie von ihrem Vorhaben nicht ablassen werde. Und in Richtung LJV ergänzte sie: „Es wird nicht so sein, dass wir nur auf die lautesten Kritiker eingehen.“ Hintergrund des Starrsinns kann auch sein, dass die Zeit für die Grünen-Politikerin drängt. Denn am 22. März nächsten Jahres ist die nächste Landtagswahl. Und angesichts des derzeitigen Abwärtstrends für ihre Partei und die SPD ist fraglich, ob sich nach dem Urnengang noch eine Mehrheit für ein neues Landesjagdgesetz findet.
Verhärtete Fronten
Die Fronten blieben deshalb auch verhärtet, als die Ministerin geänderte Gesetzentwürfe vorlegte. Denn beharrlich propagiert sie weiterhin, die geplante Gesetzesnovelle schütze Wald und Wild. Tatsache aber ist, dass die Jäger zahlreiche Kröten schlucken sollen: Da werden Stellungnahmen der Forstämter maßgeblich über Abschusspläne entscheiden und Jagdgenossen, Pächter, Untere Jagdbehörden und Kreisjagdmeister im Kern außen vor sein. Hegegemeinschaften für Dam- und Muffelwild werden aufgelöst, die „Müller-Ente“ zur Hundeausbildung und Totschlagfallen verboten. Zur Baujagd ist für Hund und Frettchen der Nachweis gesonderter Fachkenntnisse erforderlich.
In einem offenen Brief an Eder hat Volker Wengenroth, zweiter Vorsitzender des Vereins „Wald MIT Wild Deutschland“ e.V., „mit großer Sorge und deutlicher Kritik“ angemahnt, dass der vorgesehene verstärkte Abschuss von wiederkäuendem Schalenwild wie Reh- und Rotwild „weder tierschutzgerecht noch ökologisch zielführend“ sei. Er appelliert, „bei der Gesetzgebung eine ganzheitliche Perspektive einzunehmen – weg von reiner Nutzorientierung, hin zu einem ökologisch ausgewogenen Wildtier-Management unter Einbeziehung erfahrener Fachleute aus Jagd, Naturschutz und Forst“.
Doch gegen die pauschale Behauptung, es gehe beim Gesetzesvorhaben um einen Beitrag zum Klimaschutz, ist schwer zu argumentieren. Das hat Ralf Schmidt, stellvertretender LJV-Landesobmann Natur-, Umwelt und Landschaftsschutz, in einem Rundschreiben verdeutlicht. Die Jäger „müssen die sehr komplexen Zusammenhänge von Jagd, Wildbiologie, Landwirtschaft, Waldbau erklären, Folgenabschätzungen vermitteln und ganz nebenbei unsere (natürlich vorhandenen) Eigeninteressen bekunden. Das weckt den Argwohn und keiner will sich wirklich in diese Komplexität einarbeiten.“
Komplexität ist schwer zu vermitteln
Hinzu komme die Unterstützung der Naturschutzverbände, die mit dem Zeitgeist und dem Geldstrom schwimmen, so Schmidt mit Hinweis aus Zuwendungen aus Steuergeldern. „Noch vor wenigen Jahren stellten sich BUND oder NABU gegen die Jagd und forderten deren Abschaffung. Heute können es nicht genug Pflanzenfresser sein, die wir jährlich erlegen.“ Da haben es Naturschutz und Ökologie schwer, sich gegen Nutzerinteressen und Ökonomie durchzusetzen, so die Schlussfolgerung.
LJV-Präsident Dieter Mahr bezeichnet die Eder-Pläne als „Riesenfehler“ und hat unverminderten Widerstand angekündigt. Am 25. Juni werden die Jäger in Mainz demonstrieren. Sie sammeln sich ab 9 Uhr am Rheinufer zwischen Kaisertor und Theodor-Heuss-Brücke. Im Protestmarsch geht es ab 11 Uhr zum Ernst-Ludwig-Platz, wo um 13 Uhr die Kundgebung beginnt. Der Verband prüft zudem die Möglichkeiten einer Verfassungsbeschwerde oder eines Volksbegehrens.
Zur Verhärtung der Fronten tragen Sie als Autor leider auch bei. Und nicht alle Jäger und Jägerinnen sind Ihrer Meinung. Dass trotz altem Jagdrecht der Wald unter dem Wild leidet, weil es zuviel Wild gibt, kann jeder sehen, der regelmäßig wandern geht. Zäune um Schonungen, durchwühlte Wanderwege, angeknabberte Bäume - und das liegt nicht am Wolf, der angeblich das Wild in den tieferen Wald treibt. Hören Sie doch endlich auf mit Ihren ideologisch verblendeten Ansichten und argumentieren Sie so, dass Jagdrecht und ökologische Waldwirtschaft eine Chance haben, vernünftig zu koexistieren. Mir gehen Ihre unsachlichen Artikel allmählich auf die Nerven.