Insekten als Tierfutter?
- Christian Urlage
- 29. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Die Züchtung von Insektenlarven kann eine Chance für landwirtschaftliche Betriebe sein

Die Schwarze Soldatenfliege, lateinisch Hermetia illucens, ist zwischen 14 und 17 Millimeter breit. Sie liebt es warm und feucht und ist fruchtbar und anspruchslos. Landwirtschaftliche Betriebe können die Fliegen ohne besondere Auflagen züchten, abgesehen von der Regelung der Futtermittel, die Küchenabfälle sowie chemische und medizinische Abfälle verbietet. Die Larven ernähren sich von Gemüse- und Obstresten, Reststoffen aus der Lebensmittel- und Getränkeproduktion, Getreideschrot sowie Kaffee- und Brauereiabfällen.
Experten behaupten, dass die Insekten im Vergleich zu herkömmlichen Nutztieren viel weniger Wasser, Fläche und Energie benötigen, um die gleiche Menge an Proteinen zu erzeugen. Ihr ökologischer Fußabdruck sei im Vergleich zu anderen Tieren gering. Die Verordnung EU-VO 2017/893 erlaubt seit acht Jahren die Futternutzung der Larven der Schwarzen Soldatenfliege unter kontrollierten Bedingungen. Da Eiweißfuttermittel teurer werden, rücken die hochwertigen Insektenproteine in den Fokus der Wissenschaft und der Tierhalter – zum Beispiel zur Fütterung an Schweine.
Ein Ersatz für das Futtermittel Soja
Bisher ist Soja ein begehrtes Futtermittel und mehr als zwei Drittel der globalen Erzeugung stammen aus dem Vereinigten Staaten und aus Brasilien, wo für den Anbau Regenwald gerodet wird, was schädlich für das Klima ist. Noch kostet Soja auf dem Weltmarkt weniger als Insektenmehl. Aber in Deutschland gibt es bereits einige Start-ups, die auf die Larven der Schwarzen Soldatenfliege setzen.
Dirk Wessendorf in Ahaus im Westmünsterland züchtet die Larven der Schwarzen Soldatenfliege und hat sein Unternehmen nach dem lateinischen Namen des Insekts Illucens getauft. Nach seinen Angaben produziert er in seiner vollautomatisierten Aufzuchtstation etwa 3000 Tonnen lebende Tiere im Jahr, wie er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sagte.
900 Gäste aus 26 Nationen interessieren sich für die Larvenmast
Ein weiteres Unternehmen, das auf die Schwarze Soldatenfliege setzt, leitet Clemens gr. Macke aus der Ortschaft Addrup im Landkreis Cloppenburg. Der Landwirtschaftsmeister saß von 2003 bis 2017 als CDU-Landtagsabgeordneter im niedersächsischen Parlament – jetzt mästet er tonnenweise Insektenlarven. Mit selbstgebauten Aufzuchtkästen und einem Heizlüfter aus dem Baumarkt fing es an. Inzwischen ist das Interesse so groß, dass der Landwirt und ehemalige Agrarpolitiker sogar ein kleines Besucherzentrum eingerichtet hat. Mehr als 900 Gäste aus 26 Nationen kamen im vergangenen Jahr, erklärt gr. Macke, darunter Landwirte, Wissenschaftler, Unternehmer und Politiker.
Gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) aus dem benachbarten Quakenbrück im Landkreis Osnabrück hat der 65-Jährige vor einigen Jahren angefangen, die Aufzucht der Schwarzen Soldatenfliege zu erforschen und zu erproben. Clemens gr. Macke sieht Chancen für die Welternährung und für eine sinnvolle Verwertung von Lebensmitteln, die sonst weggeworfen würden. Zusammen mit seinem Sohn Julius hat er das Unternehmen Larvae Solutions GmbH gegründet. „Unsere Mission ist es, Insekten als nachhaltige Nährstoffquelle zu etablieren. Hierfür erschließen wir Vermarktungsmöglichkeiten, verknüpfen die Wirtschaft mit der Wissenschaft und teilen unser Wissen mit Interessenten“, heißt es auf der Homepage des Unternehmens.
Die fünf Tage alten Junglarven, die wie Sägespäne wirken, liefert die Firma FarmInsect aus dem oberbayerischen Bergkirchen, die sie eine Woche später wieder abholt. Die Larven nehmen in dieser Zeit etwa das 250-Fache ihres Gewichts zu – sie werden zu Insektenmehl und -öl weiterverarbeitet. Die FarmInsect GmbH wurde 2020 als Agrartechnologie-Unternehmen gegründet, um regionale Produktionssysteme für Insekten auf den Höfen zu etablieren. Ein Partner von FarmInsect ist die Agravis Raiffeisen AG, die mit der Marke „Flyvis Farming“ wirbt und eine attraktive Einkommensalternative für landwirtschaftliche Betriebe verspricht. Agravis erstellt für interessierte Landwirte Fütterungs- und Beratungskonzepte für die Larven der Schwarzen Soldatenfliege.
Noch jedoch ist vieles Zukunftsmusik, muss die wirtschaftliche Tragfähigkeit erst auf sicheren Füßen stehen. Langfristige Abnehmer für die Ernte werden benötigt und rechtlich besteht noch Klärungsbedarf. Es ist nötig, weiter zu forschen und zu testen. Doch Pioniere wie Clemens gr. Macke sehen in der Insektenmast ein großes Potenzial – zumindest beim Tierfutter. Als Ernährung für Menschen werden die Larven zumindest in Europa eher weniger nachgefragt.
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